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ReäsMsn u.ver- isgi» Mtenrteig.
Unabhängige Tageszeitung für die Oberamtsbezirke Nagold, Kreudenstadt und Lalw.
Telegramm-Mr.,
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Nr. 88
Ausgabe i» Altensteig-Stadt. Samstag, döN 18. April. ^ Amtsblatt für Pfulzgrafenweiler.
1914.
Der Sonntag.
Das Problem der Sonntagsarbcit hat einen doppelten Charakter: Tier Mensch braucht diesen Tag, um sein religiöses Bedürfnis befriedigen und zugleich, um sich von der Wochenarbeit erholen zu können. Beides, die Sonntagsheiligung und die Sonntagsruhe, ist bei der aufregenden und aufreibenden Hast des modernen Lebens aus allen Gebieten besonders nötig und wichtig und es wird nicht zu bestreiten sein, daß, was die englische und uordamerikanische Bolkssitte zuviel an Sonntagsstrenge hat, unsere deutsche Volkssitte in bedauerlichem Maße zuwenig aufweist. Es ist aber klar, daß die Gesetzgebung, wenn sie die Sonntagsarbeit einschränken will, auf die Sonntagssitten und Anschauungen des Volks Rücksicht zu nehmen hat, so gewiß sie andererseits wegweisend vorangehen und erzieherisch wirken soll.
Tie mannigfachen Bestrebungen nach besserem Schutz des Sonntags, die auf Wichern zurückgehen und sich 1876 zu einem „Internationalen Kongreß für Beobachtung der Sonntagsruhe" verdichteten, fanden einen vorläufigen Abschluß durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 betreffend Abänderung der Gewerbeordnung. Vorher bestanden nur in den Einzelstaaten buntscheckige Polizeiverordnnn- gcn zum Schutz der Gottesdienste vor äußeren Störungen, die zudem recht ungenügend durchgeführt waren. Vielfach waren die Läden mit Ausnahme der gottesdienstlichen Stunden den ganzen Sonntag offen gewesen. Nur in wenigen Städten war die Sonntagsruhe durch OrtS- ftatut geregelt. Demgegenüber bedeutete das Arbeiterschutzgesetz stom Jahr 1891 einen wesentlichen sozialpolitischen Fortschritt. Tie wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes, das uns ja durch seine praktische Durchführung in Fleisch und Blut übergegangen ist, sind die -M 105 a bis i. Nach Z 105b dürfen Industrie-Arbeiter an Sonn- und Festtagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Z 105 o zählt einige dringend nötigen und unaufschiebbaren Arbeiten einzeln aus, auf die diese Bestimmungen keine Anwendung finden. Weitere Ausnahmerl vom Verbot der Sonntagsarbeit in Gewerbebetrieben sind durch verschiedene Verordnungen des Bundesrats aus den Jahren 1895 und 1896 geregelt. Gerade die genaue, möglichst erschöpfende Auszählung der Sonntags erlaubten Arbeiten bildet einen Vorzug des deutschen Sonntagsgesetzes.
Für das H an d el s g ew erb e lautet die wichtigste Bestimmung in ß 105 b Abs. 2: „Im Handelsgewerbe dürfen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage überhaupt nicht, im übrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde kann diese Beschäftigung für alle oder einzelne Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere Zeit eingeschränkt oder ganz untersagt werden. Für die letzten 4 Wochen vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- oder Festtage, an welchen örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, kann die Polizeibehörde eine VermMung der . Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfin- den darf, bis aus 10 Stundest Massen."
: Bon der hier gegebenen Möglichkeit, völlige Sonn
tagsruhe im Handelsgewerbe einzukühren, haben nicht wenige größere Städte Gebrauch gemacht, z. B. Darmstadt, Dresden, Frankfurt a. M., Königsberg, Leipzig, München, Offenbach und Stuttgart.
Unterdessen ist man oben und unten zu der Einsicht gekommen, daß die Sonntagsruhe im Kleinhandel und in Kontoren dringend einer weiteren Ausdehnung bedarf. Tier weitgehende Regierungsentwurf von 1907 kam nicht zur Verabschiedung. Im November 1913 wurde dem Reichstag ein neuer Gesetzentwurf über die Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe vorgelegt, der nach einer zweitägigen ersten Lesung im Januar 1914 einem Ausschuß von 28 Mitgliedern überwiesen wurde. Z 1 dieses Entwurfes besagt:
„Im Betrieb der offenen Verkaufsstellen ist eine Beschäftigung bis zu drei Stunden zulässig; die höhere Verwaltungsbehörde kann für Orte, in denen die Bevölkerung aus der Umgegend an Sonn- und Festtagen die offenen Verkaufsstellen aussucht, eine Beschäftigung bis zu 4 Stunden Massen."
An 4 weiteren Sonntagen ist wie seither Beschäftigung bis zu 10 Stunden erlaubt. Nachs Z 2 sind die Stunden so festzusetzen, daß die Beschäftigten im Besuch des öffentlichen Gottesdienstes nicht gehindert werden. Z 3 erlaubt jüdischen Geschäftsleuten, die am Sabbath feiern, Gehilfen und Lehrlinge jüdischen Glauben bis zu 5 Stunden innerhalb der Geschäftsräume zu beschäftigen. —
Wir haben es hier mit einem Kompromiß zu tun, der durch das Bestreben veranlaßt ist, auch dem Interesse der Arbeitgeber möglichst entgegenzukommen. Ton dankenswerten Fortschritt dieses Gesetzentwurfs gegenüber dem seitherigen Zustand wird man zwar nicht verkennen, aber es ist doch zu bedauern, daß der Schritt noch vorwärts so klein geblieben ist. Jedenfalls ist es zu verstehen, daß die verschiedenen Angestelltenverbände hin und her z. B. in Frankfurt, Mainz und Reutlingen Protestresolutionen fassen.
Haben diese Tausende von Privatangestellten, die am Sonntag nachmittag bis 3 oder 4 Uhr die Kundschaft zu bedienen haben, nicht ein Recht zu der Frage: Warum haben wir nicht ebensogut frei, wie der Arbeiter, der bei uns kauft? Sind wir etwa Stiefkinder des Vaterlandes, daß man bei uns der sozialen Reformen überdrüssig wird? Ist uns nicht billig, was den andern recht ist? — Wer sich teilnehmend in die Lage und Deelenverfassung der Angestellten versetzt, der wird derartigen Gedankengängen und Stimmungen ihre Berechtigung nicht versagen können. —
Erfreulicherweise gewinnt diese Einsicht immer mehr Boden auch unter den Arbeitgebern^ 1913 hgiMchich bei einer Umfrage durch ganz Deutschland 41000 Geschäftsleute für die Vorlage ausgesprochen, darunter in Württemberg 1633. Diese Leute sagen sich vernünftigerweise, daß durch die Sonntagsruhe der Warenkonsum sich niemals vermindern, sondern höchstens verschieben kann, und daß der unschätzbare Segen eines freien Sonntags für sie selbst und ihre Familien wie für ihre Angestellten die kleinen Nachteile einzelner bei weitem auswiegt. Mögen die berufenen Gesetzgeber und die kaufmännischen Organisationen sehen, wie am besten Schädigungen der Ladeninhaber besonders in den Oberamtsstädten mit landwirtschaftlichem Hinterland vermieden werden, etwa durch genossenschaftliche Verbringung der Waren in die Dörfer der Umgebung. — Mögen der Städter wie der Landmann jetzt schon mit der schlechten Angewöhnung brechen, manche Einkäufe auf den Sonntag zu verschieben, auch wo dies durchaus nicht notwendig ist. Diese Rücksicht auf den Nebenmenschen scheint uns ohne besondere Opfer leicht möglich zu sein, wo nur der gute Wille und ein wenig Nächstenliebe vorhanden ist.
T!ie notwendigen Ausnahmen von der Sonntagsruhe für den Milchhandel, Metzgereien, Bäckereien und den Blumenverkauf werden von keinem Menschen ange- sochten. Auch die in Z 3 vorgesehene Ausnahme zu Gunsten israelitischer Geschäftsleute erscheint uns mit der Regierung trotz der Bekämpfung durch die Handlungsgehilfen nur billig zu sein, da doch diese durch den Laden- Und Kvnwrschluß am Sabbath zweifellos gegenüber ihren christlichen Konkurrenten benachteiligt sind.
Aber eins scheint uns bei den öffentlichen Erörterungen dieses Gegenstandes nicht hinreichend gewertet zu werden. Es handelt sich bei der Frage der Sonntagsruhe durchaus nicht bloß um ein geschäftliches Problem, bei dessen Lösung man es den Standesvereinen überlassen könnte, eine mittlere Linie für ihre entgegengesetzten Interessen zu suchen. — die Interessen beider Gruppen sind Übrigens gerade in dieser Frage weithin gemeinsame — es handelt sich vielmehr unseres Erachtens um eine Kulturfrage im eminenten Sinn, um die Frage, vb „das Volk der Dichter und Denker" seinen ererbten Idealismus für die Zukunft so weit zurückschrauben wird, daß die klingenden Werte im Kurs über pari stehen, die Gemütswerte aber immer weniger Nachfrage finden. Dir. Rittelmeyer- Nürnberg hat Recht: Wer für Sonntagsruhe kämpft, kämpft direkt um deutsches Nervenleben, deutsches Familienleben, deutsches Geistesleben." Ebenso der Arbei- lersekretär Anton Erkelenz: „Wenn selbst ein Gedanke wie der der Sonntagsruhe, der fo starke sittliche, religiöse Und kulturelle Kräfte in sich trägt, an Knauserei und Kurzsichtigkeit scheitern muß, dann ist das ein bedauerlicher Beweis für Mangel an staatsmännischer Begabung in der deutschen Mittelklasse." Es wäre unseres Erachtens auch ein Beweis dafür, daß der unersättliche Er-
werbsgcist unserer Zeit die Innigkeit und Sinnigkeit, die das deutsche Gemüt vor Zeiten besaß, erdrückt und erstickt hat, daß wir in der Mehrheit recht nüchtern und kalt berechnend geworden sind. Man hat das englische Volk bei uns schon verächtlich ein Krämervolk genannt. Und doch ist die Volkssitte bei diesem klug rechnenden Volk stark genug gewesen, um völlige Sonntagsruhe durchzufetzen, wobei außerdem jeder Handlungsgehilfe dort Anspruch auf einen halben freien Tag in der Woche hat. Die Rechnung, man verdiene in 7 Tagen mehr als in 6, und die Meinung, man könne bei dem intensiven modernen Betrieb ohne Verkauf am Sonntag nicht auskommen, wäre nur dann richtig, wenn die Woche noch einen 8. Tag hätte. Tor freie Sonntag ist unentbehrlich als Akkumulator von Arbeits- und Seelenkraft, welche beim Durchschnittsmenschen eben gerade noch bis zum nächsten Rasttag reicht. Ist nicht gerade der Geschäftsmann in der Gefahr, den Erwerb für den einzigen und höchsten Zweck seiner Arbeit und seines Lebens anzusehen? Der Sonntag als Tag innerer Sammlung soll ihm inmitten seiner Viclgeschäf- tigkeit und des Wechsels der Glücksgüter die bleibenden und ewigen Werte vermitteln. Dabei läge es in der strengen Konsequenz dieser Gedanken, daß die Wohltat der Sonntagsruhe auch den Betrieben, die bis jetzt nach Z 105 i vom Sonntagsschutzgesetz ausgenommen sind, in einem die Bedürfnisse der Gesamtheit und den besonderen Charakter dieser Erweibszweige berücksichtigenden Maß zugänglich gemacht würde.
Gewiß kann man mit Gesetzen nicht alles machen. Das Volk schafft sich feine Sitten selbst, gerade auch auf denr Gebiet der Sonntagsruhe und der Sonntagsheiligung. Aufgabe des Einzelnen ist es, durch das eigene Beispiel an der Verminderung der Feld-, Haus- und Handarbeit mitzuhelfen. Aber Möglichkeiten öffnen, Vorbedingungen schaffen und aus Zwangslagen herauszuhelfen, das kann und soll der Gesetzgeber. Und hier ftehi nicht bloß die leibliche und seelische Gesundheit unseres kaufmännischen Nachwuchses, sondern überhaupt die öffentliche Wertung des Sonntags und der in ihm verborgenen sittlichen und religiösen Kräfte auf dem Spiel.
„Saure Wochen, frohe Feste!" empfiehlt der Altmeister von Weimar. An „sauren Wochen" fehlt es weder den Angestellten im Handclsgewerbe, noch denen, auf deren Schulter das Risiko und die Verantwortung lastet. Um aber „frohe Feste", wirkliche Lichtblicke des Lebens, feiern zu können, dazu braucht der Mensch einen Tag, an dem er „ledig aller Pflicht" sich selber gehört und seinen Angehörigen und Freunden, da er in den heiligen Räumen des Gotteshauses, in der trauten Stille seines Zimmers oder im weiten Dome der Schöpfung neue Kraft und Treue, Ausdauer und Geduld schöpfen kann für die Kämpfe des Lebens.
Die demokratische Welle in Ostasien.
lieber China ist der Sturm der Revolution da- hingebranst und hat mit seiner Gewalt die alten . Lume der mandschurischen Absolutie entwurzelt. Mit den in Amerika und England erzogenen Kantonesen-Jünglingen ist die Verachtung der überkommenen Verfassungsformen und die glühende Begeisterung für die amerikanische Freiheit vorübergehend eingczogen. Aber mich in Japan, dem streng absolutistischen Lande des göttliche Ehren genießenden Kaisers Mutsuhito, wo man die eigenen Landeskinder in strengen alten Buschido-Formen erzog, wurde der revolutionäre Geist der vielen Tausenden von chinesischen Studenten geweckt und unterstützt, weil man in kurzsichtiger Verblendung sich davon nur politische Vorteile und keinen Schaden versprach. In China hat aber die große demokratische Welle einen Mann wieder an die Oberfläche gebracht, der von den absoluten Mandschus gestürzt worden war, Puanschikai, der nun mit zielsicherer Hand das Steuer wieder nach rückwärts richtete. Zähneknirschend beugen sich heute die wortstarken, aber tatenschwachen Kantonesen unter die Gewalt des rücksichtslosen, opportunistisch klugen Präsidenten, der mehr Macht hat, als je ein Mandschukaiser vor ihm, und wenn dieser Staatsmann gesund bleibt, und keine Bombe seine Wege kreuzt, so wird er zwar bescheidene konstitutionelle Fortschritte mehr dekorativer Art in China einführen, abep er wird im Grunde die Wasser der Revolutionswelle kühl und unberührt wieder abfließen lassen. Und er wird vielleicht eine innere Schadenfreude über Japan haben, das die chinesische Revolution gegen das mandschurische