Von der französischen Kammer.

Paris, 12. März. Die Kammer beriet heute Vor­mittag den Gesetzentwurf über die sie l lun.g! der Cad res und über die Es s e ktiv b e st än he der verschiedenen Waffengattungen. Janres- nannte den Gesetzentwurf ein glänzendes Blendwerk. Er for­dere Pferde für die neuen Regimenter, während schon heute Pferde für die vorhandenen Regimenter fehlten. Er verlange neue Offiziere und Unteroffiziere, wäh­rend schon fetzt 2500 Offiziere und 6000 Unter­offiziere fehlten. Dias Dreijahresgesetz werde unter den sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Lasten zu Grunde gehen. (Beifall aus der äußersten Linken und aus verschiedenen Bänken der Linken.

Ern russischer Militär über russische Rüstungen.

Petersburg, 12. März. Die Petersburger Bör- sen-Zeitung veröffentlicht folgende, Aufsehen erre­gende Erklärungen eines hohen Militärs, hinter de­nen man den Kriegsminister vermutet: Wir können stolz behaupten, daß die Zeit der Dlrohungen vorüber ist und daß Rußland keine fremden Drohungen mehr fürchtet und daß die russische öffentliche Meinung kei­nen Grund mehr hat, sich zu beunruhigen. Wir stel­len hier im Vollbewußtsein der Macht fest, daß das Hauptziel der Landesverteidigung erreicht ist. Bisher hatte der russische militärische Operationsplan de­fensive Charakter; heute weiß man, daß die russische Armee im Gegenteil eine aktive Rolle spielen wird. Gut befestigte Verteidigungslinien sind an die Stelle einer Reihe vog Forts getreten. Untzr Ofsizierkorys ist beträchtlich vermehrt worden und bildet ein be­wogenes Ganze. Unsere Artillerie besitzt Geschütze, die den fremden Modellen in nichts! nachgeben. Unsere Küsten- und Festungsgeschütze sind sogar denjenigen anderer Staaten überlegen. Unsere Artillerie wird sich nicht mehr über Mangel an Geschossen beklagen können. Die Lehren der Vergangenheit sind auf fruchtbaren Boden gefallen. Das militärische Ver­kehrswesen hat einen hohen Grad der Vervollkomm­nung erreicht. Alle unsere Einheiten blitzen tele­phonische Einrichtungen. Unsere Soldaten können im Bedarfsfälle das Eisenbahn-Personal ersetzen. Unsere Luft-Dreadnoughts vom Typ Sikorskh sind bekannt. Wir können daher hoffen, daß, wenn die Umstände es erheischen, unsere russische Armee nicht nur stark erscheinen wird, sondern auch gut unterrichtet, wohl- bewafsnet und mit allen technischen Neuerungen ver­sehen. Unsere Armee, die bisher in Feindesland zu kämpfen Pflegte wird die Grundsätze des Verteidi­gung,ssystems, in denen sie unterrichtet wurde, nicht vergessen. Unsere Armee, deren Effektivstärke auf längere Zeit um ein Drittel vermehrt worden ist durch die Stärke ihrer Kavallerie und die Güte ihrer Ausrüstung an die erste Stelle gerückt. Es' ist wichtig, daß die russische öffentliche Meinung sich dessen be­wußt ist, daß das' Vaterland aus jede Möglichkeit ge­faßt ist. Wer die militärische Macht >eines> Landes!, dessen Herrscher in der Frage der Friedenskonferenz im Haag die Initiative ergriffen hat, kann (nur den Staaten unangenehm sein, die aggressive Absich­ten haben. Niemand darf Gelüste' auf irgend welche Teile des russischen Reiches haben. Ebenso wie der Herrscher wünscht Rußland den Frieden, aber es ist im Bedarfsfälle auch bereit.

Von Nah und Fern.

Das Fliegerkorps der englischen Armee ist in

den letzten zwei Tagen schwer heimgesucht worden. Am Dienstag verunglückte im Fluglager auf der Sa­lisbury-Ebene Hauptmann Downer tödlich, am Mitt­woch fielen Hauptmann Allen und Leutnant Bur- roughs in einem Zweidecker herab. Beide waren so­fort tot. Dieses Unglück wurde durch daF Abfallen des Ruders verursacht. Im ganzen sind in den letzten Wochen in England drei Militär-Flugmaschinen zer­trümmert und vier Flieger getötet worden. Bon fach­männischer Seite wird die Vermutung ausgesprochen, daß die Konstruktion der in der staatlichen Flugzeugs- Fabrik hergestellten Aeroplane nicht einwandfrei ist.

Ein w eiteresFlüg unglück in der Türkei. Der Ka­tastrophe auf dem Fernslüg Konstantinopel-Kairo folgt wie aus! Konstantinopel gemeldet wird, eine nicht minder tragische zweite auf dem Fuß. Die Flie­ger Nurri und Jsmael Hakki hatten, nachdem sie in der Vorwoche Konstantinopel verlassen hatten, vor­gestern Jaffa erreicht. Dort unternahmen sie in mä­ßiger Höhe Flüge um die Stadt. PlötzGch stürzte der Flugapparat ins offene Meer. Nurri konnte von Fi­schern, die mit ihren Barke,n herbeieilten, gerettet werden, Jsmael Hakki ertrank.

Aus dem Gerichtssaal.

Berlin, 11. März. Gegen den Sergeanten Waske vom Augusta-Garde-Grenadier-Negiment wurde heute von dem Oberkriegsgericht verhandelt, weil er den Grenadier Krämer gezwungen hatte, einen Spucknaps auszutrinken. Am 26. November hatte der Sergeant Waskd mit dem Grenadier Krä­mer auf der Stube einen Austritt, bei dem es,sich um einen Korb handelte, der dem Untergebenen ge­hörte und vom Feldwebel unter dessen Bett gefunden worden war. Der Sergeant ließ darauf den Grena­dier mehreremale aus der Stube hin- und herlaufen und befahl ihm dann, sich niederzulegen, und zwar vor den Spucknaps. Der Untergebene tat, wie ihm geheißen, und legte sich so, daß der Kopf dicht vor den Spucknaps kam. Nun erhielt er von dem Serge­anten den Befehl :Sauf!" und der Grenadier führte auch diesen Befehl aus und trank aus! dem Spucknapf. Er erhob sich dann wieder und spie aus. Ein Ein­jähriger, der den Vorgang mit angesehen hatte und darüber empört war, meldete das 'Geschehene dem Vorgesetzten. Das Kriegsgericht erkannte seinerzeit gegen den Sergeanten, der dem Grenadier Krämer außerdem noch bei einer anderen Gelegenheit eine Backpfeife versetzt hatte, auf drei Monate Gefängnis. Der Angeklagte glaubte sich zu streng bestraft, und er legte Berufung beim Oberkriegsgericht ein. Der Gerichtsherr dagegen legte Berufung ein, weil ihm das Strafmaß zu gering war und weil gegen den Angeklagten nicht auch auf Degradation erkannt Wor­den war. Das Oberkriegsgericht verhandelte gestern in nichtöffentlicher Sitzung. Nach längerer Sitzung wurde das Urteil öffentlich verkündet. Es! lautete wiederum auf drei Monate Gefätrtzgnsis und außerdem erkannte das Berufungsgericht aus De- gradation. In der Urteilsbegründung wurde be­sonders auf das unappetitliche der Handslungsweise des Angeklagten hingewiesen.

Fürst Wilhelm in Albanien.

Aus Durazzo wird derF. Z." von ihrem dor- j tigen Berichterstatter geschrieben: l Donnerstag, den 5. März ist Essad Pascha und

die albanische Deputation, die in Neuwied dem Prin­zen zu Wied die Krone Albaniens angeboten hatte, in Durazzo angekommen. Am Freitag besichtigte der Pascha die Gtadt. In den drei Wochen seiner Abwe- , senheit hat sie sich merklich verändert. Am meisten ! mußte wohl den Pascha eines überraschen: die Ter- ! rasse mit der alten venetianisch- n Befestigung, die sich

! über seinem Hause befindet unv die bis vor einigen

! Tagen der Tummelplatz seinerLeibgarde", d. h.

! seiner bewaffneten Diener war, ist mittlerweile von ! vier Kanonen besetzt worden, die Italien dem jungen i Ztaat geschenkt hat. Es sind allerdings alte Herr­schaften, diese 4 Geschütze, von denen man hier wohl nicht mehr erwartet, als daß sie ffich bei festlichen Gelegenheiten würdig und geräuschvoll vernehmen i lassen. Ihr Debüt auf albanischem Boden ffällt mit ; dem Debüt des neuen Herrschers zusammen, s Samstag Nachmittag ungefähr um 2i/Z Uhr hat ! der Prinz zu Wied denTaurus", der weit von der Reede Anker gelegt hatte, verlassen und das Motor- ! boot bestiegen, das seit zwei Wochen die Zierde des! Hafens von Durazzo bildet. Die begleitenden Kriegsl- schiffe gaben Salutschüsse, die vier Kanonen über der Wohnung des Paschas antworteten, der Fürst betrat die Landungsbrücke und nun vollzog sich program­mäßig das Empfangszeremoniell. Die Feier verlies kurz und uninteressant. Düs Prinzenpaar schritt.

! durch das Spalier, das! von Gendarmen, Behörden,

- Deputationen, Schulkindern gebildet wurde, zum ! Schloß. Tie misera Plebs wurde durch einen etwa

fünfzig Schritte entfernten Kordon in entsprechender Distanz gehalten.

Diese Vorsichtsmaßregeln waren übrigens' über­flüssig, denn die große Menge war der Ankunft des Fürsten wegen weder aufgeregt noch besonders erfreut. Geradezu erstaunlich ist der Gleichmut, mit der die ungebildete Menge, d. h. die große Mehrheit der Bevölkerung dem Einzug zusah. Umso begei­sterter taten die Nationalisten oder, wie man sie in den letzten Tagen auch nennt, die Jungalbaner. Die gebildeten Albaner aus Italien, aus Rumänien, aus Amerika, aus dem Inland, besonders aus Koriltza, der vor einigen Tagen von den Griechen geräumten gro­ßen albanischen Patriotenstadt, waren im Rroft- Schreien unermüdlich.

Der Hafenplatz war natürlich festlich dekoriert. Nicht gerade geschmackvoll. Kulissenartige Dekoratio­nen, die einmal die Zierde eines italienischen Jahr­markt-Karussells bildeten, mußten u. a. zur Verschö­nerung der Mole von Durazzo herhalten. In der Mitte des Platzes war eine Estrade für die Stadtmu­sik von Bari errichtet, die eifrig alle Nationalhymnen spielte. Rot und schwarz, die neuen albanischen Natio­nalfarben, sind jetzt hier vorherrschend ; es ist sozusa­gen alles aus Rougd et Noir gestimmt. Aus ddm Zollamt weht die erste albanische Handelsflagge: die gewöhnliche rote Flagge mit dem großen schwarzen Doppeladler und dem kleinen weißen Stern weist in der rechten unteren Ecke auch einen Merkurstab auf. Ein Frachtsegler im Hafen hatte übrigens den Mut, die griechische Flagge zu hissen, aber als' das schon erwähnte Motorboot mit einem Beamten noch vor Ankunft des Prinzen dem Segler einen kurzen Besuch abstattete, verschwand das! blauweiße Tuch sofort. Ueber dem beflaggten Zollamt, auf ei­nem relativ gut erhaltenen Teil der alten venetia-

Vermischkes.

ß König Albert und der Schlitzrock. Der belgische König Albert bemerkte, wie die BrüsselerVlaamsche Gazet" berichtet, neulich bei einem Ball am Hofe, daß eine Dame der hohen Gesellschaft nicht nur sehr tief ausgeschnitten war, sondern auch ein nicht beson­ders weit hinunterreichendes ge schlitz te s Kleid trug. Er winkte den Hofmarschall Grafen de Merode heran und flüsterte ihm einige Worte in die Ohren. Graf de Merode ging daraufhin geradenwegs auf die Dame zu, bot ihr galant den Arm und durchschritt mit ihr den Saal. Die Dame war anfänglich sehr ge­schmeichelt, fiel aber aus allen Himmeln, als in der Nähe einer der Türen der Hofmarschall ihr sagte: Gnädige Frau, Seine Majestät haben bemerkt, daß Ihr Kleid aufgetrennt ist, und haben mich be­auftragt, Sie zu einer Kammerfrau zu bringen, die den Sch aden be seitigen soll..." Ehe dieDüme zur Besinnung gekommen war, saß sie bereits in ihrem Wagen, der sie heimbrachte.

Handel und Verkehr.

* Calw, 11. März. Auf dem heute ftattg efundenen Vie h- und Schw einemarkt waren zugeführt: 117 St. Läufer, Preis: 65112 Mk. das Paar, 323 St. Milchschweine, 2645 Mk. das Paar. Bei lebhaftem Handel wurde fast alles umgesetzt. Verkauft wurden: 11 Pferde, 484 Stück Rindvieh. Das Fettvieh konnte nicht abgesetzt werden. Dagegen war eine starke Nachfrage und lebhafter Handel bei kräftigen Kühen und Kalbeln : An Preisen wurde bezahlt: für 1 Paar Ochsen von 8001490 Mk., für Kühe mit Kalb 360576 Mk., für Kalbinnen 490 Mk., für Kälber 90 bis 110 Mk., für Farren 420500 Mk.

* Herrenberg, 9. März. Vorige Woche wurden hier mehrere Ballen Hopfen aufgekauft und für den Zentner 175 bis 190 Mk. bezahlt.

ss Stuttgart, 12. März. (Schlachtviehmarkt.) Zugetrieberr 204 Großvieh, 588 Kälber, 936 Schweine.

Erlös aus Vs Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qual, a) ausgemLfiete von 91 bis 94 Pfg., 2. Qual, b) fleischig» und ältere von bis Pfg., Bullen (Farren) 1. Qual, g) vollfleischigs, von 83 bis 85 Pfg., 2. Qualität b) älter« und weniger fleischige von 80 bis 82 Pfg., Stiere mrd Jungrinder 1. Qual, s) ausgemästete von 93 bis 96 Pfg., 2. Qualität b) fleischige von 89 bis 92 Pfg., 3. Qual, v) geringere von 85 bis 89 Pfg.; Kühe 1. Qual, s) jung« gemästete von bis Pfg., 2. Qualität k- älter« gemästete von 70 bis 77 Pfg., 3. Qualität o) geringer« von bis Pfg., Kälber: 1. Qualität s) beste Saug­kälber von 104 bis 108 Pfg., 2. Qualität k>) gute Saug­kälber von 98 bis 103 Pfg., 3. Qualität o) geringere Saug­kälber von 90 bis 97 Pfg., Schweine 1. Qual. ») jung» fleischige von 64 bis 65 Pfg., 2. Qualität d) jüngere fett« von 63 bis 64 Pfg., 3. Qual, o) geringere von 58 bis 60 Pfg.

Konkurse.

Karl Hinderer, Glasermeister in Aalen. Nachlaß des am 9. Novbr. 1913 in Aichstetten gestorbenen Martin Katzen­stein, Gemeindestraßenwärters in Aichstetten. Ulrich Aubert jun., Fabrikant in Albisreute Gde. Schlier, Inhaber der FirmaPapier- und Pappenfabrik Lauratal, Inh. A. Ulrich*. Rosa Ruß, Witwe, zum Bazar in Rottweil. Nachlaß des am 6. Febr. 1914 verst. Christian Löffler, gewes. Amts­dieners und Bauern in Waldbach, dessen Witwe Johanne Christine Löffler geb. Schweikert in Waldbach.

Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lau!.

Druck und Verlag der W. Ricker'schen Buchdrucksrci, Altenft-G

nischen Stadtmauer waren übrigens! interessante Zaungäste zu sehen: in schwere Mäntel gehüllte und verschleierte Mohammedanerinnen hatten sich auf die­ser Jahrhunderte alten Tribüne eingefunden.

Ter Konak befindet sich am Strand, und daK Fürstenpaar hat es von der Landungsbrüche sehr! nahe gehabt. Schon nach kürzer Zeit konnte der Fürst vom Balkon aus salutieren und mangels! anderer (Verständigungsmöglichkeit wieder und wieder salu­tieren, indes! die Fürstin mit dem Taschentuch winkte und winkte. Am Abend fand ein Feuerwerk! statt. Daß der Einzug des Fürsten sich relativ bescheiden vollzo­gen hat, soll keineswegs getadelt werden. Albanien hat keine Straßen und keine Schulen, es' brauchte deshalb auch für große Festlichkeiten kein Geld zu haben.

Der Fürst hat sein Schloß vorläufig noch nicht verlassen. Von Zeit zu Zjeit erscheint er an einem Fenster und blickt auf den Hasenplatz und auf die Kriegsschiffe, die draußen vor Anker liegen; eine günstige Gelegenheit für diejenigen, die aus fürstli­chen Gesichtszügen die welthistorische Wetterkarte ab­lesen können. Die Kontrollkommission hat ihre Schul­digkeit getan, sie sott noch henke Albanien verlassen. Die Fremden.die Lu 'diesem Anlaß nflch Durazzv gekommen sind > die österreichischen Maurer, Tischler Gärtner vom Palast, die meisten Mitglieder der ausl- ländischen albanischen Deputation werden ebenfalls mit den nächsten Schiffen bald nach allen Richtungen abdampfdn. Der Rest ist Arbeit. Er soll es wenig­stens sein. Denn ebensowenig man Bosnien seinerzeit mit einer Militärkapelle erobern konnte, kann mau Albanien vermittels eines! Feuerwerkes zu einem eu­ropäischen Staat machen.