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^ 284. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 87. Jahrgang.
Erscheinungsweise: Sinai wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamis- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahmc 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Dienstag, de» 3. Dezember 1912.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung,
betreffend Straßensperre.
Infolge der Verbesserung der Staatsstraße Nr. 108, Pforzheim-Calw, beim Marlgrafenbrunnenstich auf Markung Liebenzell wird diese Staatsstraße in etwa 3 Wochen zwischen Liebenzell und Dennjächt für schwere Fuhrwerke, insbesondere Langholzfuhrwerke, auf etwa 2 Monate gesperrt.
Zur Ermöglichung der Abfuhr von Langholz aus Waldungen vor der Straßensperre wird hierauf jetzt schon aufmerksam gemacht.
Calw, den 30. November 1912.
. K. Oberamt: K. Straßenbauinspektioii:
Binder. Schaal.
Bekanntmachung.
Die durch den Tod des bisherigen Agenten erledigte
Agentur der Wiirtt. Sparkasse in Neubulach ist der Christin« Maier, Bauernwitwe daselbst, übertragen worden.
Calw, den 2. Dezember 1912.
K. Oberami: K. Dekanatamt:
Binder. Roos.
Parlamentarisches.
Berlin, 2. Dez. 1912.
Aus dem Reichstag.
Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 2.19 Uhr. Am Bundesratstisch sind erschienen: Reichskanzler von Bethmann Hollweg sowie die Staatssekretäre Delbrück, Lisko, Krätke, Tirpitz, Kühn, von Kider- len Wächter, Dr. Sols und der württemb. Gesandte, Frhr. von Varnbül e r. Das Haus und die Tribünen find sehr gut besetzt. Auf der Tagesordnung steht die 1. Lesung des Etats. Präsident Dr. Kämpf teilt mit, daß der Reichskanzler beabsichtige, gleich zu Anfang der Sitzung eine Erklärung über die auswärtige Lage abzugeben, daran möge sich die allgemeine Aussprache über die auswärtige Lage anschlietzen und alsdann die weitere Etatsberatung folgen. Reichskanzler von Bethmann Hollweg bespricht die auswärtige Lage, insbesondere die Ereignisse auf dem Balkan, die seit Jahrzehnten die Großmächte hervorragend beschäftigten. Die Großmächte waren stets bestrebt, einen Ausbruch möglichst lange hintanzuhalten und bis zuletzt den Konflikt zu verhindern. Seit dem uns im letzten Sommer der Zusammenschluß des Balkanbundes be
kannt wurde, mußten wir diesen Ausbruch für unvermeidlich ansehen. Ich kann jedoch die bestimmte Hoffnung aussprechen, daß es gelingen wird, den Kampf zu lokalisieren. Wenn unsere Interessen am Balkan hinter denen anderer Mächte zurllckstehen, so sind wir doch an der ökonomischen Gestaltung im Orient sehr wesentlich direkt interessiert, beispielsweise an den Sicherheiten für die türkischen Staatsgläubiger. Wenn Spekulationen der kriegführenden Mächte unter einander vorliegen, wird zu prüfen sein, inwieweit sie in die Interessensphäre der anderen Mächte eingreisen. Sollten sich, was wir nicht hoffen, unlösbare Gegensätze ergeben, so werden die direkt interessierten Mächte ihre Ansprüche zur Geltung zu bringen haben, auch unsere Bundesgenossen. Wenn diese aber bei der Geltendmachung ihrer Interessen wider alles Erwarten von dritter Seite angegriffen und dabei in ihrer Existenz bedroht sein sollten, so werden wir unserer Bündnispflicht getreu fest und entschlossen an ihre Seite zu treten haben und an der Seite unserer Verbündeten zur Wahrung unserer eigenen Stellung in Europa, zur Verteidigung der Sicherheit und Zukunft unseres eigenen Landes fechten. Ich bin fest überzeugt, daß wir bei einer solchen Politik das ganze Volk hinter uns haben werden. Abg. Ledebour (S.): Eine solche Zusammenstellung von Gemeinplätzen und Plattitüden haben wir lange nicht gehört. Aus den Ausführungen des Reichskanzlers kann man nicht ersehen, zu welchem Zeitpunkt Deutschland mit den Waffen in der Hand an die Seite seines Bundesgenossen zu treten hat. Die deutsche Politik hat es Abdul Hamid gestattet, ungestraft die Metzeleien unter den Armeniern zu veranstalten. Auch der Versuch, den preußischen Drill dem türkischen Heere beizubringen, mußte notwendigerweise scheitern, weil der gesamte Zustand des türkischen Reiches infolge des brutalen Despotismus langsam aber sicher der Auflösung entgegenaehen mußte. Nur das internationale klassenbewußte Proletariat 'kann den Frieden erhalten. Gerade über die sachliche Qualifikation der Stellung Oesterreichs hätte der Reichskanzler sich mehr aussprechen müssen. Die Forderung der Serben nach einem Zugang zur Adria erkennt die Sozialdemokratie an, ebenso die Autonomie Albaniens. Ich möchte aber davor warnen, irgend einen gegenwärtig stellungslosen deutschen Prinzen den Albanesen aufzudrängen. Staatssekretär von Kiderlen Wächter: Gegen 2 Stellen in der Rede des Abg. Ledebour muß ich Verwahrung einlegen. Er hat Angriffe gerichtet gegen den uns befreundeten Herrscher eines großen Nachbarreiches, mit dem wir in Frieden und Freundschaft leben und zu leben wünschen. Die Angriffe sind nicht zu motivieren. Sie weichen ab von den Friedensideen, die der Abge
ordnete für sich in Anspruch nimmt. (Sehr gpt.) Ich weise diese Angriffe hier zurück und bin überzeugt von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses. (Lebh. Beifall.) Sodann hat der Abgeordnete die Regierung nochmals ermahnt, ihre Beziehungen zu England zu bessern und er hat uns Vorwürfe gemacht, als ob wir einen Zwist mit England nährten. Die Aeuherungen sind mir ein willkommener Anlaß es auszusprechen, daß während der ganzen letzten Krise unsere Beziehungen speziell zu England besonders vertrauensvoll waren. Spahn (Z.): Bezüglich Oesterreich-Ungarns handelt es sich um einen Defensivkrieg und da müssen wir uns an die Seite Oesterreichs stellen. An der Entwicklung der Dinge auf dem Balkan haben wir insofern ein Interesse, als wir dort gute wirtschaftliche Verhältnisse wünschen, besonders haben wir ein Interesse daran, daß durch den Ausbau der Bahnen der Weg nach Kleinasien offen bleibt. Graf Kanitz (kons.): Viel neues hat der Reichskanzler nicht gesagt, durch lange Reden wird aber die Situation nicht gebessert. Es ist dringend zu wünschen, daß der Druck des drohenden Riesenbrandes bald beseitigt werde. Bassermann (natl.): Die Erklärungen des Reichskanzlers über den Gedankenaustausch werden mit Befriedigung ausgenommen werden. Wir müssen die Türkei lebensfähig erhalten und dürfen kein Protektorat über Teile der asiatischen Türkei errichten. Bezüglich der Behandlung der Beziehungen zu England und Frankreich empfehle ich eine abwartende Haltung. Die maßlosen Angriffe der sozialistischen Presse auf Oesterreich sind eine Ungezogenheit. Die Regierung sollte sich öfters über die auswärtige Politik aussprechen. Wir billigen die deutsche Balkanpolitik und daß wir Oesterreich-Ün- garn treu zur Seite stehen. Schulz (Rp.) begrüßt die entschlossene Haltung des Dreibundes. Eine kraftvolle Reichspolitik nach innen und außen ist heute mehr denn je notwendig. Morgen Weiterberatung. Vorher kleine Anfragen. Schluß )47 Uhr.
Zur Landesproporzwahl.
In einer Sitzung des Landesausschusses der Deutschen Partei wurde beschlossen, die Wahlvorschläge zu den Landesproporzwahlen mit denen der Volkspartei zu verbinden. Als Kandidaten wurden aufgestellt im Neckar- und Jagstkreis: Oberregierungsrat Häffner, Oberbürgermeister Dr. v. Mülberger, Landwirt Aldinger-Münchingen, Amtmann Bazille-Stuttgart, Flaschnermeister Binder, Eemeinderat und Vorsitzender des Eewerbevereins in Heilbronn, Generalsekretär Robert Müller, Geschäftsführer des Poftunter- beamtenverbandes, Landwirt Schaible-Jagstzell, Kauf-
kichtenstein.
92) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.
„Mein Freund, mein Vater! "rief Georg, indem er freudig errötete.
„Ja, das bin ich) der Freund deines Vaters, dein Vater; drum war ich oft stolz auf dich, wenn du auch in den feindlichen Reihen standest, dein Name wurde, so jung du bist, mit Ehrfurcht genannt, denn Treue und Mut ehrt ein Mann auch an dem Feinde. Und glaube mir, es kam den meisten von uns erwünscht, daß der Herzog entkam; was konnten wir mit ihm beginnen? Der Truchseß hätte vielleicht einen übereilten Streich gemacht, den wir alle zu büßen gehabt hätten."
„Und was wird mein Schicksal sein? fragte Georg. „Werde ich lange in Haft gehalten werden? Wo ist der Ritter von öichtenstein? O mein Weib! Darf sie mich nicht besuchen?"
Frondsberg lächelte geheimnisvoll. „Das wird schwer halten," sagte er; ^,du wirst unter sicherer Bedeckung auf eine Feste geführt und einem Wächter übergeben werden, der dich streng bewachen und nicht so bald entlassen wird. Doch sei nicht ängstlich, der Ritter von Lichtenstein wird mit dir dorthin abgeführt werden, und ihr beide müsset auf ein Jahr Urfehde schwören."
Frondsberg wurde hier durch drei Männer unterbrochen, die in das Zelt stürmten, es war der
Feldhauptmann von Breitenstein und Dietrich von Kraft, die den Ritter von Lichtenstein in ihrer Mitte führten.
„Hab' ich dich wieder, wackerer Junge!" rief Breitenstein, indem er Georgs Hand drückte. „Du machst mir schöne Streiche; dein alter Oheim hat dich mir auf die Seele gebunden, ich solle einen tüchtigen Kämpen aus dir ziehen, der dem Bunde Ehre mache, und nun läufst du zu dem Feind und haust und stichst aus uns und hättest gestern beinahe die Schlacht gewonnen, durch dein tollkühnes Stückchen auf unsere Geschütze."
„Jeder nach seiner Art," entgegnete Frondsberg; „er hat uns aber auch in Feindes Reihen Ehre gemacht."
Der Ritter von Lichtenstein umarmte seinen Sohn. „Er ist in Sicherheit," flüsterte er ihm zu, und beider Augen glänzten von Freuede, zu der Rettung des unglücklichen Fürsten beigetragen zu haben. Da fielen die Blicke des alten Ritters auf den grünen Mantel, der noch immer um Georgs Schultern hing, er erstaunte, er sah ihn näher an. „Ha! jetzt erst verstehe ich ganz, wie alles so kommen konnte," sprach er bewegt, und eine Träne der Freude hing in seinen grauen Wimpern; „sie nahmen dich für ihn, was wäre aus ihm geworden, wenn dich der Mut nur einen Augenblick verlassen hätte? Du hast mehr getan als wir alle, du hast gesiegt, wenn wir jetzt auch Besiegte heißen, komm an mein Herz, du würdiger Sohn."
„Und Marx Stumpf von Schweinsberg?" fragte Georg; „auch er gefangen?"
„Er hat sich durchgehauen, wer vermöchte auch seinen Hieben zu wiederstehen? Meine alten Knochen sind mürbe, an mir liegt nichts mehr, aber er ist dem Herzog nachgezogen und wird ihm eine bessere Hilfe sein als fünfzig Reiter. Doch den Pfeifer sah ich nicht, sage, wie ist er entkommen aus dem Streit?"
„Als ein Held," erwiderte der junge Mann, von der Wehmut der Erinnerung bewegt, „er liegt erstochen an der Brücke."
„Tot?" rief Lichtenstein, und seine Stimme zitterte. „Die treue Seele! Doch wohl ihm, er hat getan wie ein Edler und ist gestorben, treu, wie es Männern ziemt!"
Frondsberg näherte sich ihnen und unterbrach ihre Reden. „Ihr scheint mir so niedergeschlagen,", sagte er; „seid mutig und getrost, alter Herr! Das Kriegsglück ist wandelbar, und Euer Herzog wird wohl auch wieder zu seinem Lande kommen, wer weiß, ob es nicht bester ist, daß wir ihn noch auf einige Zeit in die Fremde schickten. Leget Helm und Panzer ab; das Gefecht zum Frühstück wird Euch die Lust zum Mittagessen nicht verdorben haben. Setzet Euch zu uns. Ich erwarte gegen Mittag den Wächter, unter dessen LLHut Ihr auf eine Burg gebracht werden sollet. Bis dahin lastet uns noch zusammen fröhlich sein!"
(Fortsetzung folgt.)