Landesnachrichlen.

Ritenrlelg, 11 November 1»1S.

* Fernsprechsache. Tie hiesige Bezirkskranken­tasse ist heute unter Nr. 62 an das Fernsprechnetz angeschlossen worden.

* Auszeichnung. Der Köniz hat den Olga-Or- öen der Freiin Helene von Gültlingen in Lud­wigsburg verliehen.

ß Vierzigerfest. Eine wohlgelunge Feier größeren Um­fangs veranstalteten aus Anlaß des Eintritts insdas Schwaben­alter, am letzten Samstag abend die im Jahr 1873 hier geborenen Altersgenossen im Gailhof z. Schwanen hier. Zu derselben waren Gäste aus Basel, Durlach und Pforz­heim erschienen und bald entwickelte sich bei Wein und musikalischer Unterhaltung eine gehobene Stimmung unter den Teilnehmern. Nach dem vorzüglichen Festmahl folgten verschiedene Vorträge und Deklamationen heitern und ernsten Charakters und nur zu rasch nahte die Stunde, die zum Aufbruch mahnte. Zu Ehren der aus der Ferne erschienenen Gäste fand am Sonntag eine kleine Nachfeier üatl, verbunden mit einer photographischen Aufnahme der Altersgenossen. Voll Befriedigung und in dem Wunsche, in 10 Jahren ein ähnliches Fest zu feiern, schieden die auswärtigen Gäste wieder von ihrer geliebten Heimat.

ep. Der im Juni ds. Js. neugegründeteVer­band für besoldete KrantLnp sieg ersinnen chriftl. Ge­sinnung", der sich die Uuszabe setzt, tüchtige Kran­kenpflegerinnen zum Dienst in Gemeinde- und Pri­vatpflege auszubilden, hat im Herrenberger Bezirks- krantenhaus mit der Vorbildung von 3 Schwestern einen Anfang gemacht und ist in der Lage, von Mitte Nov. eine .schon vorgebildete Schwester zur Verfügung zu stellen. Der Verband zählt jetzt 21 in freiem Dienst stehende Berbandsschwestern und 9 Hospitantinnen zu Mitgliedern.

ep. Ein Tropenkranlenhaus in Tübingen. Der

VereinDeutsches Institut für ärztliche Mission" hielt im Ott. seine Jahresversammlung in Frank­furt, in deren Mittelpunkt die Frag.e der Erbauung eines Tropenkrantenhauses oder -genesungsheims stand. Bis jetzt ist in Tübingen nur das Studien­heim für angehende Missionsärzte nebst räumlich beschränkter Krankenstation und einem Schwestern­heim. Nachdem ein Reutlinger Freund die Mittel zur Erwerbung eines Bauplatzes gestiftet Hat, tonnte die Versammlung den Bau einer Tropen­klinik mit 30 Betten beschließen. Das Miss.-ärztl. Institut ist nun beinahe ganz mit Medizinstudie­renden (27j besetzt.

-r. Rohrdors, 10. Nov. (Fi s ch e r e i v e r ei n.) Gestern hielt der FischereivereinOberes Nagold- tal" unter dem Vorsitz von Oberamtmann Komme- rell in der Sonne seine jährliche Generalversamm­lung ab, die von etwa 40 Mitgliedern besucht war. Zuerst wurde der schönen und wirklich vorbildlich eingerichteten neuen Fischzuchtanlage von Adolf Gropp ein Besuch abgestattet. Der Vorstand wies in seiner Begrüßungsansprache auch auf diese An­lage hin und wünschte dem Unternehmer Glück. Ter Schriftführer trug nun den Jahres- und Kas­senbericht vor. Der Verein zählt wie im Vorjahr 90 Mitglieder, hatte eine Einnahme von 180 Mt. und eine Ausgabe von 215,49 Mt., sodaß ein Ab­mangel von 35,49 Mt. vorhanden ist. Auf Ver­einstosten wurden 30 000 Stück Forellenbrut mit

Buntes Feuilleton.

Warschau.

Die Weichsel gibt der Hauptstadt des alten Königreichs Polen ihre eindrucksvolle Schönheit. 600 m ist der Strom dort, wo das Königsschloß, Zamek Krolewski, von Warschau steht, nahe dabei die mehr als einen km lange Alexander­brücke, von der aus Strom und Schloß ein mächtiges Bild darbieten. Während aus der linken Seite des Flusses die Vorstädte in die Ebene sich ausdehnen, steigt am rechten Ufer steil ein Höhenzug bis auf 40 m empor, auf den auch hart am Strom das Königsschloß gesetzt wurde, ein Bau, den schon die masovischen Herzoge begannen und Sigmund III. aus dem Hause Wasa so sinnlich vollendete. So er­hielt es' Renaissancesormen, die bei dem Helm des mächtigen Turms stark ins Barock gehen. Heute ist das Schloß Sitz des Generalgouverneurs von Russisch-Polen, und wo einst die polnischen Könige ihren Marstall hatten unter der großen Schloßterrasse, da haben sich die Tscherkessen und Kosaken der Leibwache des Generalgouoer >.eurs einquartiect. Dem Schloß gegenüber aus der linken Stromseite liegt dis historisch gewordene, vielumkämpfte Vorstadt Praga, berühmt durch die klassische Siegesbotschaft des Generals Suwarow an dis Kaiserin Katharina II.:Hurra, Pcaza!* und die prompte Antwort der Herrscherin:Bravo Fsldmarschall!*

Im ganzen hat die Stadt einen durchaus modernen Charakter, den auch dle zahlreichen Paläste der polnischen Großen nicht verändern. Die Krasinski, Camoijski, Potocki, die LubomirSki und Poniatowski haben hier ihre Prachtbauten im Stil der italienischen Renaissance und des italienischen Barock errichtet. Heute sind diese Paläste meist für mil-

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einem Aufwand von .150 Mt. in die Gewässer der Mitglieder crusg.esetzt, vom Landessischereiverein er­hielten wir 600 Forellenjährlinge gratis, die in die untere Nagold kamen. Die Fangergebnisse waren im letzten Jahr günstige. Fischkrankheiten sind nicht ausgetreten, Krebse halten sich in der un­teren Nagold und haben sich dort auch vermehrt. Es wurde nun eine Reihe Don die Fischer inter­essierenden Punkte besprochen, die hohen Pacht­preise der Fischwasser, dis Maschenweite der Netze, die Fischerkarten, die Abgrenzung, der einzelnen Fischwasserstrecken, die Zusammenlegung, der Fischwasser w. Zu letzterem Punkte bemerkte Ober­förster Rommel in Altensteig, daß dies so schwierig wie bei den Jagden sei ünd daß eben manche auch kleinere Fischwasserstrecken haben wollen, wie dies die letzte staatliche Verpachtung gezeigt habe. Eine Bezeichnung der Fischwassergrenzen ist auch im Interesse der Aussichtsorgane notwendig. Bei der Beratung des an den Landessischereiverein zu erstattenden Jahresberichts wurden noch manche Wünsche vorgebracht, die in das zu erwartende neue Fischereigesetzes ausgenommen werden sollten insbesondere wurde die "Wahrnehmung Tier leidi­gen Ueberhandnahme des Fisch,Mases in der Nagold, der sogenannten Wasserpest besprochen und vom Vorstand in Aussicht gestellt, daß er eine Verein­barung von Wasserwerkbesitzern und Fischereibe- >rechtigten der Oberämter Nggold u. Calw zur Be­kämpfung des Uebelstandes treffen wolle. Wenn an einigen Sonntagen den Sommer über alle Fallen geöffnet würden, dann würde sicher viel von dem Fischgras verschwinden. Auch der Staat, der doch auch ein Interesse an der Sache haben dürfte/ (hohe Pachtpreise der Fischwasser), sollte wie früher bei den Flößern so jetzt für die Fischer etwas in der Sache mithelfen. Beschlossen wurde, künftig statt Brut Forellenjährlinge auf Vereinskosten aus­zusetzen. Zum Schluß erteilte der Vorstand dem Kassier Entlastung und dankte allen die erschie­nen und ihre Ansichten ausgetauscht hatten. Lo­renz Luz von Altensteig brachte dem Vorstand den Dank für seine Mühewaltung in einem Hoch dar. Den Schluß bildete, wie üblich, ein Fischessen, zu dein die Mitglieder Rentschlsr und Gropp die Fische gespendet hatten, und deren Zubereitung der Son- nentüche alle Ehre machte. Petri Heil!

)( Hochdorf, 10. Nov. Gestern Montag wurde der neuerbaute, durch Umbau des alten Schulhauses bedingte Schnlsaal seiner Bestimmung übergeben. Am Freitag und Samstag wurden die neuen und praktischen Schulbänke sowie der Ofen montiert und ausprobiert. Der Schulsaal macht in seinem Hel­len Anstrich mit den hohen Fenstern einen ganz ge­fälligen Eindruck. Ein Lehrmittelzimmer, das di­rekt neben dem Schulsaal angebracht ist, vervoll­ständigt die nötige Einrichtung. Außerdem ist der Schülerabort wie sonst überall üblich in einem besonderen Gebäude hinter dem Schulhaus erstellt. Aber nicht nur der Schulsaal allein, sondern auch das Ratszimmer hat ein ganz anderes 'Gesicht be­kommen. Aus dem engen, dumpfen Raum ist, nach­dem der angebaute Arrest und das Partiezimmer in eine andere Ecke verlegt, ein Heller luftiger Saal geworden, der jedem 'späteren Besucher durch die feine Tönung seiner Farben angenehm ins Auge fallen wird. Die zukünftige Lehrerwohnung ver­fügt jetzt außer Küche und Speisezimmer nebst Waschküche über 6 geräumige und Helte Zimmer.

tärische und andere staatlichen Behörden verwendet. Was August der Starke als Königsresidenz baute, ist dem Erd­boden g'eichzemacht. Nur der Park mit seinen herrlichen alten Bäumen, der Sächsische Gurren, erinnert an zwei Polenkönige aus dem Hause Wettin.

Nationalpoinisches in ausgesprochener Eigenart tritt uns in Warschau kaum entgegen, nur vor dem mächtigen Denk­mal des Adam Mickiswicz. würdigig des großen polnischen Dichters, erinnert man sich daran, daß hier in Zeiten höchster nationalpolinscher Erregung das Herz Polens schlug. Ruß­land hat Warschau unter starker Faust. Die Stadl hat sich selbst die Zwingburg bauen müssen, die mächtige Zitadelle aus dem höchsten Punki der Stadt. Dis russische Kirche baute sich zum Malzeichen der russischen Herrsch Pt Kathe­dralen mit vergoldeten Kuppeln. Die schönste und reichüe unter ihnen ist dis Alerander-Newskij-Kathedrale mit dem freistehenden Glockenturm, den auch die goldene Kuppel ziert. An ältere tolerante Zeiten erinnert der mächtige Rundbau der Lutherischen Kirche, der das Stadtbild beherrscht und von der Höhe seiner Kupvel den schönsten Rundblick auf Stadt und Land gewährt. Auch die römische Kirche hat zahlreiche Gotteshäuser, muß aber dulden, daß im Palast des Erzbischofs auch das lutherische und reformierte Konsi­storium unlergsbcacht sind, friedlich unter einem Dach.

Was dem Straßenbild den eigentlichen Charakter gibt, das sind die Juven. 270 000 vom Volk Israel wohnen in Warschau, ein Drittel der Gesamtbevölkerung dieser Groß­stadt. Die armen Juden, deren es viele gibt, wohnen in engen, schmutzigen Stadtvierteln. Sie tragen alle, die Armen und die Reichen, die eigene Tracht, den langen Kaftan, eine striche Mütze, natürlich auch die beim polnischen Juden un­erläßlichen gedrehten Locken vor den Ohren. Welche Be­deutung die Juden in Warschau und in Polen für das Volksleben überhaupt haben, zeigr folgende kleine Geschichte:

- Nagold, 10. Nov. (Vortrag.) Auf Veran­lassung des evang. Arbeitervereins sprach Amtmann Maier im Ankersaale überVolksversicherung" und alle die damit zusammenhängenden Bestrebungen und Bemühungen sowohl von seiten privater Ge­sellschaften, der Lebensversicherungen als von seiten des Staates. Die Mitglieder des Hiesigzen evang. Arbeitervereins wollen sich nun derVolksversicher­ung A.-G. in Berlin" anschließen, deren günstige Bedingungen vom Redner nach allen Seiten be­leuchtet wurden. Um dem mehr als ein Jahr hier wirkenden Stadtpfarrverweser Haap, der nach Tübingen kommt, einen Abschied zu bereiten, ver­anstaltete der hiesige JüngKngsverein, dessen Vor­stand derselbe war, gestern abend sine Familien­feier, bei der3 Tage aus Gelterts Leben" zur Aufführung gelangte. Verwalter Bauer vom Bad Rötenbach sprach im Namen des Vereins dem Scheidenden den Dank für seine Bemühungen um die jungen Leute und um den Verein, Dekan Pflei- derer aber auch noch dazu im Namen der evang. Kirchengemeinde für das aus, was der Vertreter des 2. Stadtpfarramts der ganzen hiesig,en StaLt war. Stadtpfarrverweser Haap dankte für die Ehr­ungen und wandte sich hauptsächlich noch ermah­nend und aufmunternd an die jungen Mitglieder des Jünglingsvereins.

Deutsches Reich.

ss Straßburg, 10. Nov. Angesichts der Erregung, die in Zabern und in einem Teil der reichsländischen Presse wegen angeblicher für die Elsässer beleidigender Aeußerungen eines Oifiziers des Infanterieregiments 99 in Zabern herrscht, ist auf Grund der Erkundigungen festzustellen, daß jener Offizier in der Jnstruktionsstunde von den tätlichen An­griffen, die in letzter Zeit gegen Soldaten gerichtet worden seien, gesprochen Hai. Er warnte die Rekruten vor Händeln und Schlägereien. Sollten sie aber einmal von einem sol­chenWackes* angegriffen werden, so sollten sie sich ihrer Haut wehren und kräftig dreinhauen. Wenn dabei ein solcher Kerl, der es wage, einen Soldaten anzugreifen, über den Hausen gestochen werde, so schade das nichts. Wenn sich einer richtig benehme, so erhalte er von ihm «dem Leut­nant) noch eine Belohnung von 10 Mk. und kein Vorgesetzter werde dagegen etwas einzuwenden haben. Mit dem Worte Wackes*. so wird gesagt, wollte der Offizier keinen Elsässer teleidigen. EinWackes* sei für ihn ein Rowdy. In West­falen nenne man z. B. diese Sorte von MenschenBöttcher* und in OstpreußenLorbaß". Ueber die aus Zabern von gestern und vorgestern gemeldeten Ausschreitungen ist beim hiesigen Generalkommando bis zur Stunde noch keine Meldung Angegangen.

Larmszenen in Zabern.

* Zabern, 10. Nov. Ein Unteroffizier (nach einer anderen Meldung soll es ein Leutnant gewesen sein) hatte dieser Tage bei der Verlesung des..Strafregi­sters eines Rekruten eine unvorsichtige Aeußernng getan. Dies wurde in der Stadt bekannt. Abends wurde der Unteroffizier bezw. der Leutnant beim Verlassen des Offizierskasinos ausgepsifsen. Es mußte die Feuerwehr aufgeboten werden. Aber erst einer Militärabteilung .gelang es, die Ruhe wieder herzustellen.

Der Kutscher, der den Reisenden mit seinem Gipäck auf den russischen Bahnhof bringen soll, macht einige hundert Meter vor dem Bahnhof plötzlich Halt. Ec will ans diese Weise einen höheren Lohn als dis Taxe erpressen. Ganz und gar nicht geneigt, so erheblich mehr als die Taxe zu bezahlen, droht der Reisende dem Kutscher mit dem Schutzmann, den Godowoi. Sofort macht der Kutscher den Gegenvorschlag, einen vorübergehenden Juden als Schmuser beizuziehen. Da die Zeit drängt, geht der Reisende darauf ein. So wird man schließlich handelseins, etwas über die Taxe, und der Kutscher fährt vollends zum Bahnhof.

8 Die Rückkehr der russische« Eismeer-Expeditio»

In Petropawlowst in Kamtschatka sind jetzt die Eisbrecher Taimyr* undWaigatsch* der russischen Expedition Wilitzki dort eingetroffen. Schon vor drei Wochen war bei dem An­laufen der Dampfer in einem Hafen von Alaska die Nach­richt don der Rückkehr der Expedition signalisiert, und es war gleichzeitig gemeldet worden, daß Kapitän Wilitzki im östlichen Teile des Eismeeres nördlich von Sibirien ein Land von der Größe Grönlands entdeckt habe. Wir haben diese Nachricht schon damals als nicht sonderlich wahrscheinlich be­zeichnet, und wie jetzt die Expeditionsmitglieder erklärt haben, ist die Behauptung, das von ihnen neuentdeckte Kaiser-Nikolaus Il.-L nd habe die Größe Grönlands, tatsächlich falsch. Auf der Rückfahrt von dort haben sie eine kleine vulkanische Insel entdeckt, die sie nach dem Thronfolger Alexei zu nennen Vor­schlägen. Außerdem haben sie zwei Kisten von der geologischen Sammlung des Barons von Toll gefunden, der im Jahre 1886 eine erfolgreiche Expedition nach den Neusibirischen Inseln unternommen Hai, aber damals einen Teil seiner Aammlungen zurücklassen mußte.