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Nr. 280
Lnsgabe i« Mtessteig-Stsdr.
Samstag, bsrr 25. Oktober.
AMtSblatt für Pfalzgrasruweiler.
1913.
Der Dersicherungsstempel.
Mit dein 1. Oktober tritt der Reichsstempel über Versicherungen ins Leben. Bisher unterlagen Hie Versicherungen einzelstaatlicher Besteuerung'. Diese stimmte weder in der Höhe der Belastung noch auch nur in den Besteuerungsgrundsätzen überein. Als unbillige Härte wurde es von den Versicherungsgesellschaften immer empfunden, daß die einzelstaatliche Ordnung der Möglichkeit mehrfacher Besteuerung desselben Versicherungsganges Raum ließ. Indem die Landesabgabe zumeist zu entrichten ist nicht nur da, wo die Versicherungsurkunde ausgestellt oder ausgehängt wird, sondern auch dort, wo die versicherten Gegenstände sich befinden, wird in Fällen, in denen die Urkunde im .Geltungsbereiche des einen Landesgesetzes errichtet wird und die versicherten Gegenstände im Geltungsbereich eines anderen Landesgesetzes liegen, eine doppelte Steuerpflicht ausgelöst, und zu dieser könnte eine weitere Steuerpflicht sich gesellen, wann etwa während der Dauer der Versicherung deren Gegenstände in den Geltungsbereich eines dritten Steuergesetzes gelangen. Diese Gefahr wehrfacher Besteuerung zu vermeiden, haben sich einzelne Bundesstaaten durch Abschluß von Gegenseitigkeitsverträgen angelegen sein lassen. Dieser Zustand hat aber nicht befriedigt. In wesentlich verstärktem Maße ist daher, seit für das Versicherungswesen der wirtschaftlichen Einheitlichkeit des Reichsgebiets Rechnung getragen worden ist, der Wunsch hervorgetreten, die bestehenden Unstimmigkeiten dadurch zu beseitigen, daß auch in steuerlicher Hinsicht das Versicherungswesen einem einheitlichen Rechte unterstellt wird. Das Reich nimmt den Versicherungsstempel ganz, indem weder allgemein künftig einzelstaatliche Stempelabgaben zugelassen noch auch nur der einzelstaatliche!, Gesetzgebung für diejenigen Versicherungszweigp Raum bleibt, die von dem Reichsgesetz mit einer Abgabe nicht belegt sind. Der Reichsstempelabgaben werden unterworfen alle Versicherungen, die im Inland befindliche Gegenstände betreffen oder mit Personen abgeschlossen worden sind, die im Inland ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben. Damit wird das ausländische Geschäft der inländischen Versicherungsgesellschaften von der steuerlichen Erfassung ausgeschlossen, andererseits das inländische Geschäft ausländischer Versicherungsgesellschaften auch insoweit in die Besteuerung einbezogen, als es unmittelbar vom Ansland mit einem inländischen Versicherungsnehmer getätigt wird, ohne daß die ausländische Gesellschaft im Inland auch nur durch einen Bevollmächtigten irgendwelcher Art vertreten wird. Ob die Versicherung von Privatanstalten oder öffentlichen Anstalten betrieben wird, ist ohne Belang. Ebensowenig, kommt es daraus an, ab der Versicherer ein Einzelunternehmer oder ob er eine Personenvereinigung oder eine Anstalt ist und welche Rechtsform die Vereinigung oder Anstalt hat. Befreit ist die gesamte Sozialversicherung, Versicherungen von Bediensteten und Arbeitern gegen Todesfall oder Körperverletzung im Gewerbebetrieb, Krankenversicherungen, Arbeitslosen- und Stellenlosigkeitsversicherung; außerdem sind in die Steuerpflicht nicht einbezogen die Rückversicherung- Hagel- und Viehversicherung und zur Schonung wenig bemittelter Versicherungsnehmer Versicherungen über geringfügige Summen. Träger der Steuerpflicht ist der Versicherungsnehmer mit der Maßgabe, daß die Steuer von dem Versicherer oder dessen Bevollmächtigten zu entrichten ist. Die Veranlagung und Erhebung der Abgabe knüpft an die Beurkundungen über die Zahlung des Versicherungsentgelts an.. Aus der Feuerversicherung von Mobiliar wird ein Gesamtertrag von 24 440000 Mark, von Immobilien von 5 150 000 Mk., der .Einbruchsdiebstahl- und Glasversicherungi von 1050000 Mark, Transport- und Seeversicherung von 840000 Mark, der Lebensversicherung von 4 620000 Mk., der Unfall- und Haftpflichtversicherung von 610000 Mk., sonstigen Versicherungen von 10000 Mk., zusammen 36 720 000 Mk. geschätzt.
Dieser Betrag mindert sich für die Zeit bis 30. September 1916 um den ganzen Betrag und bis 30. September 1919 um die Hälfte der bisherigen Jahreseinnahme der Bundesstaaten, die schätzungsweise mit 6 Millionen Mark angenommen wird, so daß als Jahresertrag verbleiben für die Zeit vom 1. Oktober 1913 bis 30. Sept. 1916 30 Millionen Mark und von 1. Okt. bis 30. Sept. 1919 33 Millionen Mark. Der Steuersatz ist nach der Höhe der Versicherungssumme bemessen, die Abgabe wird für den Zeitraum erhoben, auf den die Prämienzahlung sich bezieht, und zwar im voraus. Als Ort der Steuerentrichtung ist dis Verwendung von Vordrucken oder Stempelmarken vorgesehen. Die näheren Bestimmungen über die Erhebung, trifft der Bundesrat.
Gegen Schund und Schmutz.
Verstärkter gesetzlicher Schutz gegen Schund und Schmutz in Wort und Bild wird neuerdings von vielen Seiten gefordert. Auch die Reichstagsmehrheit hat sich bereits dafür ausgesprochen. Aber auch bei vermehrter Staatshilfe bleibt doch die Selbsthilfe die Hauptsache, daß nämlich jeder einzelne in dem Bereiche, für den er verantwortlich ist, also zunächst vor allem in der Familie, dazu beitrage, gedruckte und bildliche Schunderzeugnisse fernzuhalten, damit so wahr werde das gute Wort: Ein jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier!
Aus den Weg nach diesem Ziele drängt die Erkenntnis der schweren Gefahren, die der Gesamtwohlfahrt unseres Volkes aus dem Schund und Schmutz in Wort und Bild drohen. Zur Volksgesundheit gehört nicht bloß die des Körpers, sondern auch die des Geistes. ^ Wie zur Währung der körperlichen Gesundheit mit gutem Recht die Nahrungsmittelfälschung bekämpft und geahndet wird, so beansprucht nicht minder die Pflege des sittlichen Wohls die Abwehr von Schriften und Vorführungen jeglicher Art, die gegen dieses Wohl freveln. Wären alle, die lesen können, die Heranwachsenden wie die Erwachsenen, so sittlich reif, so innerlich gefestigt und stark, daß sie ganz von selber, aus eigenem Urteil und Widerwillen, alle Schund- und Schmutzwaren, die ihnen zur geistigen Speise an geboten und vorgesetzt werden, ebenso wie augenfällig verdorbene und verderbliche Rahrungsstoffe ablehnten und verachteten, so würde es besonderer Maßnahmen gegen schlechte und verderbliche Schriften und Bilder nicht bedürfen, weil ja solche weder Käufer noch Leser finden könnten. Aber dem ist mit Nichten so. Gerade die gefährlichsten Schriften und bildlichen Darstellungen finden weithin Verbreitung und Zuspruch. Die Fälle sind nicht selten, daß Schundwerke Millionen von Abnehmern erzielen und den Verlegern Millionen einbringen. Es wird angenommen, daß in Deutschland alljährlich 50 Millionen Mark für schlechte Druckwaren ausgegeben werden. Ein einziger großstädtischer Verlag, der sich mit der Herstellung und dem Vertrieb 'von Hintertreppenromanen, Traum-, Geister- und Gespensterbüchern befaßt, hat nach eigener Angabe in einem Jahre nicht weniger als 25 Millionen im Umherziehen vertriebener Hefte abgesetzt.
Wie leicht empfänglich ist namentlich die Jugend! Für das Edle ünd Schöne, aber auch für das Schlechte, Verführerische, das sie, selbst wenn gute Erziehung ihr die Waffen dagegen verleihen, als solches nicht immer sofort zu erkennen und von sich zu weisen vermag. Wie oft schon ist durch Gerichtsverhandlungen über jugendliche Missetaten erwiesen worden, daß dazu per Keim durch Schriften gelegt worden ist, die 'mit breitem Behagen wüste Abenteurer oder gar gemeine Verbrecher gleichsam wie Helden und Vorbilder schildern! Gewiß kommt es nicht immer so weit, daß sich die Eindrücke, die jugendliche Gemüter von dem Schund und Schmutz in Wort und Bild empfangen, in die Tat Umsätzen, die sogar schließlich
gerichtliche Sühne erheischt; aber es ist an zerrüttender und vergiftender Wirkung schon mehr als genug, wenn Sinn und Geschmack von dem Natürlichen und Gesunden abgelenkt und heillos! perdorben werden, wenn die Einbildungskraft daran gewöhnt wird, sich in der Vorstellung des! Schaurigen und Scheußlichen, des Entarteten Und Verkommenen zu ergehen.
Groß genug schon ist die Gefahr, wenn der Inhalt von Schriften und Theaterparbietungen so beschaffen ist, daß dadurch der Hang zu einer ollem Hohen und Idealen abgekehrten Lebensan- schauung und Lebensführung gefördert wird, die ausschließlich auf die Befriedigung aller niederen Triebe und Bedürfnisse ausgeht und dazu ver- hilft, daß liederliche Gesinnungen überwuchern, die Familienbande sich lockern und die guten Sitten untergraben und in Verfall gebracht werden. Un- > säglich viel wird heute bei Volk und Jugend, in der Familie und im öffentlichen Leben im Namen von Kunst und sogenannter Literatur gesündigt, insonderheit durch zügellose Witzblätter, "die, was seither als unantastbar und verehrungswürdig angesehen wurde, in den Schmutz oder Witzelei" und Spötterei ziehen.
Gegen Schund und Schmutz in Wort und Bild' gelte die gute Regel, daß für die geistige Jugend- und Volksnahrung das Beste gerade gut genug ist. Lieber wenig, aber Auserlesenes, als viel, das wertlos oder gar schlecht ist!
Rundschau.
Ter 2. Krupp-Prozeß
begann am Donnerstag früh vor der 11. Strafkammer des Landgerichts 1 in Berlin. Angeklagt sind der Bürovorstand Brandt und Direktor Eccius. Gegen beide Angeklagte wird der Vorwurf der Bestechung aus Z 333 des Strafgesetzbuchs erhoben. Brandt allein wird außerdem beschuldigt, gegen Z 4 des Gesetzes bezüglich den Verrat militärischer Geheimnisse verstoßen zu haben. Es sind viele Sachverständige und Zeugen geladen.
Neue militärische Luftschiffe.
In nächster Zeit soll eine Vernehmung, der Luftflotte der Armee um vier neue Schiffe stattfinden. Die Abnahme eines neuen Parseval, der den Namen „P. 4" erhalten soll, steht unmittelbar bevor. Die Werkstättenfahrten des Luftschiffes haben bereits begonnen, voraussichtlich wird die militärische Abnahmekommission in der nächsten Woche in Bitterfeld eintreffen. - Das neue Militärluft- scbiff „M. 4" hat sich bei den bisherigen Probefahrten ausgezeichnet bewährt und eine Geschwindigkeit von über 20 Sekundenmetern erreicht. Es dürfte demnächst in die Luftflotte einrangiert werden und zunächst in Berlin verbleiben. Weiter wird in den nächsten Wochen die Abnahme eines neuen Zeppelin, des „Z. 6", vor sich gehen. In acht bis zehn Wochen ist auch die Abnahme eines neuen Schütte-Lanz vorgesehen, der zum Ersatz des bei Schneidemühl am 16. Juli ds. Js. zerstörten „S. L. "-Luftschiffs bestimmt ist.
Ein Militärbefreiungsfchwindel in Oesterreich.
Ueber den Militärschmuggel der Canadischen Pacific-Gesellschaft werden aufsehenerregende Dinge gemeldet. Darnach soll die Pacific-Gesellschaft diei „Ausfuhr" militärischer Personen aus Oesterreich planmäßig betrieben haben und dabei nicht aus! eigener Initiative, sondern in fremdem Sold gehandelt haben. Die Leute hatten ausnahmslos russische Pässe, die ganz ordnungsmäßig ansgefertigt worden waren und die Pacific-Gesellschaft hat von Rußland beständig Unterstützung erfahren. Es.soll sich bei der ganzen Angelegenheit um eine bewußt und systematisch durchgesührte Lchädigsing der österreichisch-ungarischen Wehrvorlage auf russische Veranlassung und in russischem Solde gehandelt haben. Kaiser Franz Joseph soll über die näheren Daten, die die Untersuchung ergaben, sehr niedergeschlagen sein.