n Stuttgart, 10. Juli. Der Finanzaus­schuß der Zweiten Kammer beschloß bezüglich der noch nicht erledigten abweichenden Beschlüsse der Ersten Kammer durchweg ein Beharren aus den früheren Beschlüssen der Zweiten Kammer. Sodann wurden als Berichterstatter über den Gesetzentwurf betr. den Rechnungshof der Vorsitzende v. Kiene, über den Gesetzentwurf betr. den Staatshaushalt der Abg. Liesching bestellt. Es wurde in Aussicht genommen, die Beratung dieser beiden Gesetzent­würfe etwa im November vorzunehmen.

ss Stuttgart, 10. Juli. (Das Ende des De­serteurs.« Wie bereits kurz gemeldet, schein deut­scher Soldat in Wittenbach Kanton St. Gallen, bei einem Einbruch in das Stationsgebäude, als er den Polizeiwachtmeister Giger mit seinem Seitengewehr angrisf, erschossen und getötet worden. Es handelt sich um den 1892 in Ebingen geborenen Karl Merz, der vor einiger Zeit vom Grenadierregiment 119 hier desertierte und sich in seiner Uniform in der Nordostschweiz Herumtrieb. Er hat den Polizeiwacht­meister schwer verletzt. Nachdem er den Schuß aus dessen Revolver empfangen hatte, lies er noch 60 Meter weit und brach tot zusammen. Merz soll auch einige Tage zuvor schon in der Station Hauptwil eingebrochen sein.

ss Untertürkhcim, 10. Juli. (Schlechte Zei­ten.) Die Daimlerwerke haben sich infolge schleppenden Geschäftsganges zu einer Verkürzung ihrer Arbeitszeit genötigt gesehen. Vom kommenden Montag an ist die Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich herabgesetzt worden.

ff Waiblingen, 10. Juli. (Gustav Adolf- Verein.) In der Tagung des Gustav Adolf-Ver­eins erhielt beim Dreiervorschlag die evangelische Gemeinde Waldsee dis große Liebesgabe mit 3683 Mark, die unterliegenden Gemeinden Großdeinbach und Weilderstadt bekamen je 400 Mk. als Trostgabe verwilligt.

!s Vom mittleren Neckar, 10. Juli. Recht be­trügend gestalten sich allmählich für viele unserer Weingärtner die diesjährigen Herbst ans - sichten. Weit größeren Schaden als der Frost im Frühjahr, von dem sich die Weinberge wieder ganz ordentlich erholt hatten, richtete die Blatt'sallkrank- heit an, die die Trauben befällt und sie vernichtet,, während die Blätter häufig weniger in Mitleiden­schaft gezogen werden. So kommt es, daß viele Weinberge, die äußerlich betrachtet noch in schön­stem Grün prangen, nur noch Trauben mit dem cha­rakteristischen weißen Pilzüberzug bezw. in mehr vor­geschrittenem Zustande mit dürren Beeren haben.

il Hohenhaslach, OA. Vaihingen, 10. Juli. (Der Vater vom Sohn erschlagen.; Gestern abend 7 Uhr kamen die Eheleute Gottl. Kurz in Strei­tigkeiten, in deren Verlauf Kurz seine Ehefrau mit Stechen bedrohte. Die Frau rief um Hilfe, worauf der «älteste Sohn herbeikam und dem Vater mit einer Haue einen Hieb aus den Kopf versetzte. Es war seine Ueberführung ins LudwigsbArger Be­zirkskrankenhaus nötig, wo er heute früh starb.

ff Gmünd, 10. Juli. Nach hierher gelangten Mitteilungen ist am letzten Dienstag mittags gegen einhalb 1 Uhr vom Bodenseedampfer Prinzregent ein Mann ins Wasser gefallen. Es wurde ihm, nachdem der Unfall bemerkt worden war, sofort ein Ret­tungsring nachgeworfen, doch erfolglos. Der Hut

AuS den Schmerzen quellen Freuden,

Aus der Freude quillt der Schmerz.

War' kein Wechsel von den beiden.

Folgten nicht ani Freuden Leiden,

Würd' nicbt warm ein Menscheicherz.

Jusiinus Kerner.

Patrtzirrblrrt.

Roman von Reinhold Ortmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten'.

12. Kapitel.

Dreimal hatte das Mädchen an die Tür des Schlaf­gemaches klopfen müssen, ehe der Maler aus seinem tiefen, gesunden Schlafe erwachte.

Huberts Blick streifte die Taschenuhr auf dem Nachtkäst­chen, während er die Aufforderung zum Eintritt ergehen ließ, und verdrießlich fuhr er die Dienerin an:

Was ist denn geschehen, daß Sie mich in aller Herrgottsfrühe stören müssen? Es ist ja kaum sieben Uhr vorüber."

Ich bitte um Entschuldigung, Herr Almröder aber es ist ein Herr gekommen, der Sie durchaus gleich sprechen möchte. Er hat mir diese Karte für Sie gegeben."

Henry Frederiksen", las Hubert, und darunter die mit dem Bleistift hingeworfenen Worte:

In dringender Angelegenheit, und bitte unter vier Augen."

Die fatale Empfindung, daß ihm da sicherlich etwas höchst Unangenekmes bevorstände, zuckte durch Almröders Nerven. Unwillkürlich erinnerte er sich der Stunde, da er

des Unglücklichen wurde aufgefischt. Ins Schweiß­leder der aus einem Gmünder Geschäft stammenden Hutes war der Name M. Schretzenmaier, Gmünd eingestanzt. Der 46 Jahre alte Metalldrücker glei­chen Namens, der hier ein eigenes Geschäft in der Judenmühle betrieb, ist seit Montag verreist, sodaß leidey. anzunehmen ist, daß er im Bodensee den Tod gefunden hat.

fs Mergentheim, 10. Juli. (Vom Kurhaus.) Das neue Dependancegebäude des Kurhauses konnte in den letzten Tagen seiner Bestimmung übergeben werden. >

ff Oberweiler, OA. Ravensburg, 10. Juli. (Töd­licher Sturz.) Der frühere Schultheiß und Be­zirksrat Konrad Volkwein stürzte vom Heuboden, wo er mit Strohbändermachen beschäftigt war, in die Scheune und war sofort tot.

fl Mengen, 10. Juli. Beim unbefugten Ueber- schreiten der Gleise geriet gestern nachmittag ein­halb 3 Uhr der etwa 60 Jahre alte Postfuhrhalter Joh. Eberhard von Hohenthengen zwischen die Puf­fer zweier rangierenden Wagen. Seine Verletzun­gen waren derart, daß er nach einer Viertelstunde starb.

Deutsches Reich.

ff Pforzheim, 10. Juli. Gestern nacht 10 Uhr entstand hier auf dem neuen Güterbahnhof Groß- seuer. Die neue Lagerhalle des Güterbeförderers Gropp brannte vollständig ab. Ter Schaden be­trägt 80100 000 Mark. Die Halle war 25 Meter lang. Darin befanden sich große Mengen Wein, Erdöl, Spiritus, Benzin, Fett, Oel, Holzwolle und Möbel für Wohnungseinrichtungen. Das Feuer war weithin sichtbar.

ff Karlsruhe, 10. Juli. Im badischen Schwarz­wald und in den Vogesen ist ein empfindlicher Wettersturz eingetreien. In den oberen Lagen ist die Temperatur bis auf den Gefrierpunkt gesunken. Wiederholt sind Graupeln und Hagelfchläge nie­dergegangen.

js Gardelegen, 10. Juli. Bei der Reichstags­stichwahl im Wahlkreise Salzwedsl-Gardelegen er­hielt von Kröcher (Kons.) 11100 Stimmen, Dr. Böhme (Bauernbund) 13 803 Stimmen. Das Ergeb­nis einiger kleiner Ortschaften steht noch aus, doch ist die Wahl von Dr. Böhme gesichert.

Die Streikunruhen in Mülhausen.

ss Mülhausen i. E., 10. Juli. Die Lage im Streikgebiet ist auch heute wieder ruhig und unverändert. Nach 5 Uhr wurden die beiden Opfer, die bei den Streikkravallen ums Leben ge­kommen sind, unter außerordentlich großer Be­teiligung der Arbeiterschaft in Dörnach beerdigt. Den Särgen voran wurden an 20 Kränze, größ­tenteils mit roten Schleifen und Inschriften, ge­tragen. Am Grabe sprachen u. a. Reichstagsab­geordneter Emmel und der Gauleiter Voigt aus Stratzburg. Die nach tausenden zählende Menge verhielt sich ruhig. Morgen abend findet in der Markthalle eine von der Sozialdemokratie einbe- rufene öffentliche Protestversammlung statt.

in Hamburg die Bekanntschaft seines Schwagers gemacht, and die Vorstellung, daß es sich möglicherweise bei diesem unerwarieten Besuch um ähnliche Dinge handeln könne wie damals, ließ seine Müdigkeit rasch verschwinden.

^Führen Sie den Herrn in mein Zimmer und sagen Sie ihm, daß ich sogleich kommen würde. Uebrigens ist meine Frau von seinem Hiersein unterrichtet?"

Nein. Der Herr verlangte doch nur, Herrn Almröder zu sprechen. Und die gnädige Frau haben an diesem Morgen noch nicht geklingelt."

Dann brauchen Sie ihr auch vorläufig nichts davon zu sagen, falls Sie etwa zu ihr gerufen werden sollten."

Das Mädchen ging. Hubert fuhr mit dem Kopf in die Waschschüssel, um die letzten Nachwirkungen der durch­schwärmten Nacht zu verscheuchen, und kleidete sich hastig an. Als er nach Verlauf von kaum fünf Minuten seinem Schwager gegenübertrat, fühlte er sich so klar und nüchtern wie je, und er musterte den Besucher mit einem schnellen scharfen Blick, wie um sich aus seinem Aussehen darüber zu unterrichten, welche Haltung er von vornherein ihm gegenüber einzunehmen habe.

Und er war mit dem Ergebnis der kurzen, stummen Prüfung sehr wenig zufrieden. Henry Frederiksen hatte sich seit ihrer letzten Begegnung nicht zu seinem Vorteil verändert. Sein schmales, feines Gesicht war erschreckend hager geworden, und es war wohl nicht einzig aus Rechnung der dämmerigen Morgenbeleuchtung zu setzen, daß seine Wangen beinahe aschfahl erschienen. In seiner Haltung freilich verriet sich nichts von ungewöhnlicher Er- regung, und wenn die ruhige Unbefangenheit, mit der er dem Maler die Hand entgegenstreckte, eine erheuchelte war, so besaß er jedenfalls eine bewunderungswürdige Herrschaft über seine Nerven.

Guten Morgen, Hubert! Ich habe um Entschuldigung zu bitten, daß ich dich schon so früh aus den Federn sagte. Aber ich kann mich nicht lange in München auf­halten, und ich hatte triftige Gründe für den Wunsch, rnsere Angelegenheit so bald als möglich zu erledigen."

st Bergen, 10.. Juli. TieHohenzollern" mit dem Kaiser an Bord ist heute nachmittag um 5 einhalb Uhr hier eingetrossen. Konsul Mohr be­gab sich sofort an Bord. Später ging auch, General von Mnntheraf-Morgenstjerne an Bord derHohen­zollern."

ff Madrid, 10. Juli. Der König hat einen Er­laß unterzeichnet betreffend die Einstellung von Freiwilligen für den Dienst in Afrika. Der Kriegs- minister Prüft die Frage betreffend die Schaffung einer Fremdenlegion in der spanischen Zonein Marokko.

Der «e«e Balkankrieg.

Friedenssehnsucht.

Bulgarien scheint sich in einer sehr ungün­stigen Situation zu befinden: es bemüht sich um den Frieden:

* Paris, 10. Juli. DieAgence Havas" mel­det aus Petersburg: Bulgarien erklärte, um Blutvergießen zu vermeiden, überlasse Bulgarien es völlig Rußland, die Einstellung der Feindseligkeiten herbeizuführerr.

Diese Nachricht kommt überraschend. Aus den Kriegsnachrichteu konnte man wohl schließen, daß Bulgarien gegenüber den Griechen im Nachteil ist, Serben gegenüber glaubte man es entschieden im Vorteil. Die letzten Kämpfe scheinen für die Bul­garen ungünstig ausgefallen zu sein. Dazu kommt: einmal die Unfähigkeit des bulgarischen Minister­präsidenten Danew, die drohende rumänische Ein­mischung rechtzeitig zu beschwichtigen, und zum zwei­ten die furchtbare Erschöpfung, in die der thrazische Feldzug die bulgarischen Truppen und das ganze bulgarische Volk versetzt hat. Bulgarien hat ja un­ter dem ersten Balkankriege in ganz anderem Maße gelitten wie seine Bundesgenossen: es hat bei wei­tem die schwersten Blntopfer getragen; 30 000 Mann soll nach zuverlässigen Angaben allein sein Menschenverlust betragen, dazu kommt eine ent­sprechende Anzahl Verwundeter und Kranker und eine entsprechende Erschöpfung der noch waffen­fähigen Gesunden; das ist ein furchtbarer Aderlaß für ein Volk von 4.3 Millionen und in neueren Zeiten wohl ohne Beispiel. Wenn Bulgarien sich wirklich bereits heute, da der neue Krieg kaum begonnen hat, um Vermittlung eines Waffenstill­standes bemüht, liegt hier wohl die Erklärung dafür.

Ob Serbien und Griechenland jetzt zum Frieden .bereit ist, ist eine andere Frage. Beide Staaten werden keine kleinen Ansprüche machen.

ff Paris, 10. Juli. Nach Blättermeldungen hat Sasonow infolge des Ansuchens Bulgariens un­verzüglich die Regierungen Serbiens und Grie­chenlands gebeten, ihm bekannt zu geben, un­ter welchen Bedingungen sie Frieden schließen wollen. Sasonow wäre geneigt, die Kriegführenden zu ersuchen, einen Waffenstill­stand abznschließen und die Delegierten nach Petersburg zu entsenden. Man glaubt, daß Sasonow die Intervention nicht angenommen hätte, wenn die bulgarische Regierung sich nicht bereit erklärt hätte, den Serben und Griechen Zugeständ­nisse zu machen und den Rumänen einen Teil der von ihnen beanspruchten Gebiete abzutreten.

Das klang befremdlich, aber doch nicht gerade wie die Einleitung zu einem peinlichen Geständnis, und Hubert sah darum keinen Anlaß, dem Bruder feiner Frau den freundschaftlichen Händedruck kardialer Begrüßung zu ver­sagen.

Dein Besuch ist mir selbstverständlich zu jeder Stunde des Tages und der Nacht gleich angenehm," sagte er, aun ebenfalls nach Kräften bemüht, seine unruhigeSpannung zu verbergen.Aber das mit dem kurzen Aufenthalt ist doch woht nicht ganz buchstäblich zu nehmen. Da wir dich einmal glücklich hier haben, werden wir dich selbst- serstündlich auch nicht so bald wieder loslassen. Du .ommst gerade recht, um unser großes Künstlerfest mit- zufeiern."

Mir einerGeste derUngeduldschüttelteHenry Frederiksen den Kopf.

Von Vergnügungen kann für mich nicht die Rede ein, Hubert! Die Veranlassung zu meiner Reise nach München ist eine rein ge§chäftliche. Ich habe vor einigen iragm einen Brief von Helga erhalten, dessen Inhalt dir vermutlich bekannt ist."

Aln rüder wurde plötzlich ernst und zurückhaltend.

Ah, sie hat also doch an dich geschrieben, obwohl ich sie ausdrücklich ersuchte, es nicht zu tun! Ich kann nur ja ungefähr denken, weshalb es geschehen ist: aber aon dem Inhalt des hinter meinem Rücken geschriebenen Briefes weiß ich nichts."

Nun, am Ende ist das ja auch gleichgültig. Denn Helgas Brief hat jetzt keine weitere Bedeutung mehr, als daß er für mich Veranlassung geworden ist, mir Klarheit über gewisse Verhältnisse zu schassen, bei deren Beurteilung ich bis dahin das Opfer einer argen Täuschung gewesen war."

Ah! Das soll doch nicht etwa heißen, daß die Warnung deines Vetters eine berechtigte war oder am Ende gar, daß sie bereits zu spät gekommen ist?"

Ob sie zu spät gekommen ist oder nicht, für dich und Helqa ist das ohne Belang. Denn es ist selbstver-

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