Deutscher Reichstag.
(Sitzung vom 29. Mai.)
Die zweite Beratung des Gesetzentwurfes betr. die Reichs- und Staatsangehörigkeit wird fortgesetzt. Es wird eine Reihe von 88 nach der Kommissionsfasfung angenommen und verschiedene Anträge der Sozialdemokraten abgelehnt. Auch der Antrag des Abg. Hanssen (Däne), der besagt: „Ein Staatenloser, der im Reichsgebiet als Kind eines daselbst wohnhaften mit einer Deutschen verehelichten Ausländers geboren ist, muß vor? dem Staat seiner Geburt eingebürgert werden, wenn er innerhalb eines Jahres nach erreichter Volljährigkeit einen solchen Antrag stellt und den übrigen Einbürgerungsbedingungen entspricht." Das Haus vertagt sich auf morgen Nachmittag 2 Uhr. T. O.: Kurze Anfragen, Weiterberatung, Interpellation betr. Elsaß-Lothringen. Schluß 7 Uhr.
Landesnachrichten.
Mtenrteig. 30. Mai 1913.
* Nationalspende. Die hiesige Sammlung für die Nationalspende zum Kaiserjubiläum für die christl. Missionen hat 314 Mk. 20 Psg- ergeben. Sollten für diese Spende noch weitere Gaben zugedacht werden wollen, so können diese bis 1. Juli in Empfang genommen werden.
ep Für die evang. Missionen in den deutschen Schutzgebieten. Am ^Sonntag, den 15. Juni ds>, Js. als dem Tag, an dem des Regierungsjubiläums des Deutschen Kaisers in den Kirchen gedacht wird, ordnet ein soeben ausgegebener Konjistorialerlaß eine allgemeine Kirchenkollekte für die Nationalspende zum Besten der evangelischen Mission in den deutschen Schutzgebieten an. Der Erlaß fordert die Geistlichen auf, „bei der Ankündigung der Kollekte den Gemeinden ans Herz zu legen, wie wichtig es ist, daß den unter deutscher Herrschaft stehenden Eingeborenen in Kamerun und Togo, wie in den anderen Schutzgebieten die Segnungen evan- > gelischen Christentums zugänglich gemacht werden." Tie Kirchenkollekte kann in den Gemeinden unterbleiben, in denen eine solche für die Nationalspende schon stattgefunden hat.
js Nagold, 29. Mai. (Zur Stadtschultheißenwahl.) Abermals eine neue Wendung hat der Wahlkampf dadurch genommen, daß in einer von dem Kandidaten Ansel einberufenen Versammlung beschlossen wurde, heute Donnerstag abend entgegen der Absage des stellvertretenden Ortsvorstehers eine allgemeine Bürgerversammlung abzuhalten. Diese soll sich über die engere Wahl aussprechen. Der Kandidat Theurer aus Stuttgart ist zurückgetreten-.
Bei dieser Versammlung sand eine Vorabstimmung statt, wobei Ansel 33, Hehd 87, Maier 144 und Seeger 45 Stimmen erhielten. Der Kandidat Seeger ist nun auch zurückgetreten.
* Freudenstadt, 28. Mai. (Amt^sversam m- lung.) Die Amtsversammlung hatte sich ü. a. auch
Mn Lev ÄHivavza.
Von Leopold Sturm. jSchluß.j
Hoch über dem Berghang hatte die Schar der Sorben den Weg gefunden in das stille Waldtal; der Ueberfall war gelungen und blutig mordete das Schwert in den Reihen der Thüringe. Der alte Haß half zu größerer Grausamkeit. Doch nicht lange blieb es so, rasch wich die Bestürzung der Bedrohten und Hadmar riß sein Schlachtwert aus der Halle seines Hauses und munterte mit donnernder Stimme die Thüringe zum Streit aus.
Da wandte sich schnell der Kampf. So tapfer die Sorbetten Rosse fochten, so ungewohnt war ihnen der Streit im engen und felsigen Waldtal. Und als nun die Thüringe vorwärts drangen und niederstreckten, was ihnen in den Weg trat, da folgte bald ein Fliehen und hierin und dorthin ging es, hinauf in die Berge, um den tödlichen Streichen zu entrinnen.
Hadmar war allen Kämpfen voran gewesen, er blutete aus mehreren Wunden, die ihm Pfeile verursacht; er achtete ihrer nicht, sein Auge suchte nur den Führer der Feinde, der schon einmal sein Schwert gefühlt. So drang er rastlos vorwärts mit flatterndem Haar, unbehelmten Hauptes und blitzenden Auges, aber den, welchen er suchte, fand er nicht.
Doch als zurückkehrte der Thüringe Schar zum Wohnsitz Hadmars, — da stand der Saal in lichten Flammen, verschwunden war Irmgard mit ihren Frauen.
Und die zurückgebliebenen Frauen und Kinder erzählten, wie unter der Führung des Ranosch selbst eine zweite Sorbenschar aus dem Waldversteck in den Felsen an den Bergen hervorgebrochen sei, als der Kampflärm sich etwas enfernt und waffenfähige Männer nicht mehr in der Nähe gewesen seien, wie sie die verzweifelte Frau Irmgard mit ihren Dienerinnen gefesselt und dann fortgeschleppt hätten. Der Saal aus Holz war an allen vier Ecken angezündet und die zurückgebliebenen Schwachen waren außer Stande gewesen, das lodernde Feuer zu löschen.
Starr, wie eine Bildsäule, stand da Hadmar, der Häuptling. Im furchtbaren Schmerz über den Raub seines Weibes . durch den grausamen Todfeind biß er sich in die Lippen, daß das Helle Blut hervorrann. Er merkte es nicht, er
mit der Organisation des Krankenkassen- wese ns im Bezirk zu befassen. Obwohl seitens des Ministeriums die Anordnung ergangen ist, möglichst i» jedem Bezirk nur eine allgem. Ortskrankenkasse zu errichten und die bestehenden Ortskrankenkassen in eine allgem. Ortskrankenkasse zu verschmelzen, ist der Bezirks rat nicht darauf eängegangen und hat mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Bezirk beantragt, daß's amtliche 3 bestehende Krankenkassen des Bezirks (Ortskrankenkasse Freudenstadt, Ortskrankenkasse Baiersbronn und Bezirkskrankenkasse Freudenstadt) zu allgemeinen Ortskrankenkassen ausgebaut äMrden sollen. Das Oberversicherungsamt hat nun einen vorläufigen Beschluß gefaßt, die Ortskrankenkasse Baiersbronn zur allgem. Ortskrankenkasse für >den seitherigen Bezirk und die Bezirk skrankenkasse Freuden st adt zur allgemeinen Ortskrankenkasse für den übrigen Teil des Bezirks auszugestalten, dem Antrag auf Ausgestaltung der dritten Kasse, der Ortskrankenkasse Freudenstadt zur „allgemeinen" nicht zu entsprechen. Da letztere den Antrag gestellt habe, als besondere Kasse zugelassen zu werden, so werde dieser Antrag weiter behandelt. — Die Amtsversammlung tritt dem Beschluß des Bezirksrats, von der Errichtung einer allgemeinen Ortskrankenkasse für den ganzen Bezirk abzusehen und die Bezirkskrankenkasse Freudenstadt und- die Ortskrankenkasse Baiersbronn zu „allgemeinen" Ortskrankenkassen auszugestalten, einstimmig bei. — Dem Antrag des Bezirksrats entsprechend wurde beschlossen, den 2. Verwaltungs- aktuarsbczirk Dornstetten als Verwaltungsaktuarsbezirk im Hauptamt zu errichten. Der seitherige stellvU-tretende Verwaltungsaktuar Oberamtsassistent Maier wurde mit allen abgegebenen Stimmen zum Verwaltungsaktuar des 2. Bezirks gewählt. Ebenso wurde er zum Rechüungssachver- ständigen der Oberamtssparkasse im Nebenamt gewählt.
js Liebenzell, 29. Mai. In dem benachbarten Dorf Dennjächt brannte gestern vormittag 10 Uhr das Wohnhaus des Sägers Birkle nieder.
js Tübingen, 29. Mai. (Hase und Nabel) Ergötzlich war dieser Tage, so wird von der Wurmlingen Gemarkung der Tübinger Chronik geschrieben, der Kampf eines Feldhasen mit einem Raben anzusehen. Jedenfalls handelte es sich für den Hasen darum, seine Jungen gegen Anfechtungen Vonseiten des Raben — diese haben es bekanntlich auf kleine Feldhasen abgesehen — zu schützen. Der Hase hatte seinen Wohnsitz in einem Kleeacker aufgeschlagen, aus dem Hainzen standen. So bald sich der Rabe aus einem von diesen niedergelassen hatte, sprang der Hase auf, woraus der Rabe mit lautem Gekreisch seinen Standort auf einer anderen Hainze wählte. Ter Hase scheuchte seinen Feind über von Hainze zu Hainze, eine Jagd, die annähernd eine Stunde währte. Da erstand dem Hasen eine Hilss- truppe durch das Ankommen eines Teiles wirklich bewaffneter Macht: in der Nähe begannen Ge
achtete nicht seiner im Kamps erhaltenen Wunden, er starrte nur in das wogende Feuermeer, in welchem die Stätte zusammensank, welche ihm Glück und Leben und alles bereitet.
Da trat der Sänger in den Kreis, wieder schlug er seine Harfe und machtvoll erhob er die Stimme:
„Hört weiter, Ihr Thüringe, .die Worte des Sängers.
Vom Schwerte getroffen war schwer der Räuber, doch trafs ihn zum Tode nicht, wie er es -erdiente doch. Zur alten Schandtat häuft er neue, geraubt hat er Irmgard, Held Hadmars Hausfrau.
In Asche liegt da der Hochsitz des Helden, so schwört denn beim Feuer, das alles vernichtet, zu strafen den Räuber, zum Tod ihn zu bringen, zu retten Frau Irmgard
Es sinkt die Sonne jetzt hinter den Bergen, bevor sie erhebt sich, sei frei die Gefang'ne!"
Ein donnernder Heilruf folgte den Worten und Hadmar sich kraftvoll emporrichtend, rief: „Es sinkt die Sonne jetzt hinter den Bergen, bevor sie erhebt sich, sei gestraft die Tat!" Die Waffen klangen zum Zeichen der Zustimmung.
Nacht wars, aber im großen Lager des Ranosch herrschte noch viel Lärm und Gewühl. Der Häuptling jubelte, mit der Entführung der schönen Frau Irmgard hatte er, das wußte er genau, seinen Todfeind ins Herz getroffen.
Er wollte ihn noch tiefer verwunden.
In seinem Hause, von seinen Unterhäuplingen umgeben, saß Ranosch am flackernden Feuer. Vor ihm standen die gefangenen thüringischen Frauen und Mädchen, in ihrer Mitte, stolz und aufrecht, von den Verzweifelnden umgeben, Frau Irmgard.
„Du hast gehört, was Dein Los sein wird," sprach Ranosch kalt und finster; „wenn wieder die Sonne sinkt, wirst Du mein Weib, in Deiner Hand liegt es, ob freiwillig oder gezwungen. Rache habe ich gelobt, an Deinem Gatten zu nehmen, ich erhalte sie, indem ich ihm sein Weib nehme."
„Lieber den Tod!", rief Irmgard. „Gib mir ein Messer, und Du wirst sehen, daß ich nicht einen Augenblick zögere, es mir ins Herz zu stoßen." Sie hob. begeistert die Arme, während die übrigen Gefangenen sich schreiend um sie drängten.
„Nicht mit Unrecht nennt man Dich das schönste Weib", antwortete Ranosch mit grausamem Lächeln, „und dieser Trotz macht Dich noch schöner. Doch den Tod sollst Du
wehre zu knattern; es war Militär, das Felddienstübung hatte. Nun traute der Rabe offenbar dem Landfrieden doch nicht mehr, denn schleunigst nahm er Reißaus. Der Hase aber duckte im Klee nieder und sah sich nur hin und wieder, Mjännchien machend, nach dem weiteren Gang des „Krieges im Frieden" um, bis die Militärabteilung sich wieder weiter weg befand. Dann verfügte er sich in rnäch»- tigen Sätzen auf seinen Standort zurück.
st Stuttgart, 29. Mai. (Aus dem Parteileben.) Die sozialdemokratische Partei Württembergs hält am 26. und 27. Juli hier im Gewerkschaftshaus ihre Landesversammlung ab. - js EMugen, 29. Mai. (Die neue Garni- s o n.) Das Gerücht, daß eine Abteilung Feldartillerie von Ulm nach Eßlingen kommen werde, dürfte sich nicht bewahrheiten. Vielmehr wird, wie das Neue Tagblatt berichtet, ein Bataillon eines der Stuttgarter Regimenter, und zwar voraussichtlich des 7 Regiments, von dem schon früher einmal ein Bataillon nach Tübingen detachiert war, nach Eßlingen verlegt werden. — Wie wir hören, war der Vorgang, dem Eßlingen eine Bataillon Infanterie verdankt, höchst einfach : Solange die Stuttgarter Stadtverwaltung in ihren Verhandlungen mit der Militärbehörde kein Ende finden konnte«, fuhr der Eßlinger Oberbürgermeister Dr. v. Mülberger, rasch entschlossen wie er ist, nach Berlin und ries die Hilfe 1>es Zentrumsabgeordneten Erzberger an, der sie dem ehemaligen nationallibe-- ralen Kollegen im Reichstag nicht versagte und den Beschluß der Budgetkommission herbeiführte. Aus dem Stuttgarter Rathaus läßt Man jetzt versichern, man habe das Seinige getan, um das 3. Bataillon auch nach der Verstärkung in Stuttgjart festzuhalten. Die Eßlinger Stadtverwaltung scheint dies besser verstanden zu haben. ,
js Blaubeuren, 29. Mai. Vorgestern ist ein Auto, das eine seiner ersten Fahrten machte, inmitten der Stadt nicht um eine Straßenecke gekommen, mußte zurücksahren und kam mit den Hinterrädern in eine sehr tiefe Grube, die als Hausgrund für ein neu zu erstellendes Haus ausgehoben ist. Glücklicherweise bekam das Auto einen Halt an zwei schon aufgestellten Gerüststangen, obwohl diese total abgeknickt worden sind. Das Auto, das mit seinem Hinteren Teil über der Grube hing, konnte nur mit vieler Mühe aus seiner sehr gefährlichen Lage befreit werden. Die drei Insassen kamen mit dem nicht geringen Schrecken davon; sie schwebten in Lebensgefahr, wie auch die in der Grube arbeitenden Erdarbeiter. Wenn die Gerüststangen nicht gewesen wären, so wäre ein unermeßliches Unglück unvermeidlich gewesen.
js Friedrichshafen, 29. Mai. (Große Fahrt.) Vom 9. Juni ab ist das Luftschiff „Sachsen" in Baden-Baden bereit, unter der Führung Seiner Exzellenz des Grafen Zeppelin die längst geplante Fahrt nach Wien auszuführen. Es ist beabsichtigt, von Wien nach Berlin zu fliegen. Bon Berlin aus wird sich das Luftschiff zur Eröffnung
nicht erleiden, wohl aber dein Gemahl", fuhr er mit ausbrechender Wildheit fort, „sobald er in meinen Händen ist. Doch woher soll er wissen, daß sein Weib das meinige geworden ist. Irmgard wandte ihm, ohne mit einer Silbe zu antworten, den Rücken, und der Häuptling befahl zornig, die Gefangenen hinauszuführen und bis zum Abend des nächsten Tages in gutem Gewahrsam zu halten.
Inzwischen hatte Hadmar alle Männer seines Gaues bewaffnet, selbst halbwüchsige Knaben nahmen Schwert und Lanze und auch der Sänger blieb nicht zurück. So brach man auf über die Berge zum Lager des Ranosch. In stiller, dunkler Nacht bewegte sich der Zug dahin, bis man dem Feinde ziemlich nahe gekommen war.
Dann ging Hadmar mit einigen der Sorbenart kundigen Männern langsam voran, und zuletzt im Grase kriechend, kamen sie bis zum ersten Wachtposten der Sorben. Der Mann wurde überwältigt, bevor er Lärm schlagen konnte, und unter Hadmars Messer berichtete er, wo sich Irmgard im Lager befinde.
Das Zelt lag am äußersten Punkte des Lagers, aber wenn auch der Weg für die Thüringe mühsam zurückzulegen war, es war dort ruhig, man konnte die Schildwachen niederstoßen, und Irmgard mit ihren Frauen herausholen.
Die beiden Gatten tauschten nur einen Händedruck und einen Kuß, dann ging es eilfertig rückwärts bis zur Hauptmacht der Thüringe.
Unter der größten Vorsicht drangen nun diese bis dicht an das Lager heran, umzingelten es im Halbkreise, so daß sie den Sorben die Flucht nach Osten abschnitten, und brachen dann unter ihrem Kriegsruf in das Zeltlager ein, Feuerbrände in die Hütten werfend.
Es war ein Rachekampf für die erlittene schwere Unbill, und zu Hunderten sanken die Sorben unter den tödlichen Streichen. Ranosch selbst, der beim vollen Kruge seine« Sieg gefeiert, ward niedergestoßen, bevor ihn Hadmar erreichen konnte.
Die flüchtigen Sorben wurden zur Schwarza und in dieselbe hineingedrängt, und dort gab es den letzten Vernichtungskampf; nur wenige flohen nach Osten.
Rot rauschte das Schwarzawaffer im Morgenschimmer durch das Tal.