Gegründet
1877.
Die Tagesausgabe lostet vierteljährlich Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.28
außerhalb Mk. 1.35.
Die Wochenausgabe (Schwarzwälder Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich 80 Pfg.
Utten-teig.M
^Amtsblatt für
MgemeinesKiyelge-
x/on üsr -
ck/aqolo
Fernsprecher Nr. 11.
Anzeigenpreis
bei einmaliger Einrückung 10 Pfg. die einspaltige Zeile oder deren Raum; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt
Reklame 18 Pfg. die Textzeile.
öHWWölder TWszeiluug für die Mrmtstezikie RWld, rreudenWt md Calw.:: Mchm-AlisM: „Schwarzwölder Smalagsblatt"
«». li«7
Ausgabe in Altensteig-Stadt.
Mittwoch, ds«LS. Rovembe«
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
1912.
Die großeMäuschung.
Die große Täuschung hat auf den Schlacht- j feldern Rumeliens ihr jähes Ende erreicht. Ein ! Koloß auf tönernen Füßen ist zusarnmengebrochen.
! Die Tage der europäischen Türkei find gezählt.
Das Gefecht von Kirk-Kilisse ist der Anfang vom Ende gewesen. Die dort hervorgerufene Panik hatte genügt, die osrnanische Armee bis in die Kampslinie Muradli-Wisa zurückzuwerfen. Die amtlichen Meldungen des Konstantinopeler Kriegsministeriums entsprachen nicht derWahr - heit. Die sogenannte Ergenelinie Babaeski-Lüle- z Bnrgas-Wisa ist nicht verteidigt worden. Nach den I Kämpfen in der Frontstellung Adrianopel-Kirk-Ki- ! lisse sind die an die erstgenannte Stadt angxc- lehnten Truppen in diese Festung geflohen. Fast . alle übrigen sind über Babaeski und Lüle-Bnrgas ^ direkt auf das etwa 20 Kilometer nördlich von Rodosto gelegene Muradli zurückgegangen, und nur Reste von 2 Divisionen des 3. Armeekorps unter Mahmud Mukhtar vermochten sich in südöstlicher Richtung in die Nähe von Wisa zurückzuziehen. Bei Lüle-Bnrgas machte das einigermaßen intakte 2. Armeekorps Torghut-Paschas Front gegen die Verfolger, um die Flüchtlinge aufzunehtnen, und rückte nach beendeter Aufgabe in die Linie Muradli-Wisa ein. Den Bulgaren ist es mithin gelungen, durch den Sieg bei Kirk-Kilisse Mich zwei wichtige Gefechtsstellungen, nämlich die bei Adrianopel-Kirk-Kilisse und die im Er- genetale, zu überrennen und die Türken in die unvorbereitete Position Muradli-Wisa unter Verschiebung ihrer Kampfrichtung nach Nordwesten zu drängen. Um Wisa also drehte sich die Rückwärtsbewegung der Türken.
König Ferdinand muß eine ausgezeichnete Bewegung mit seiner Armee ausgeführt haben. Er hatte bald erkannt, daß der schwächste Punkt seiner Gegner der geschlagene, panikartige znrück- flutende linke S üd w e stf lü gle l der Türken sei und richtete daher dorthin seinen Hauptangriff, der ja anfangs auf den rechten, also den Ostflügel der Gegner gerichtet war. Die Märsche der bulgarischen Infanterie und Artillerie, die auf völlig durch Regengüsse durchweichten Boden ausgeführt wurden, verdienen das größte Lob und beweisen, auf welcher Höhe die bulgarische Feldans- bildung steht.
Während man irr Konstantinopel noch immer an das zähe Standhalten der türkischen Armee in der Linie Babaeski-Lüle-Burgas-Wisa glaubte, erhielt ihr Mitarbeiter von einem zuverlässigen, vom Schlachtfelde zurückkehrenden Berichterstatter die Nachricht, daß die bulgarischen Vorposten dicht vor Muradli ständen, daß die Moral der Os- manen gleich Null zu bewerten und der Fall von Rodosto stündlich zu erwarten sei, und so ist es auch gekommen. Die hier herrschende Zensur tat ihr möglichstes, alle Meldungen über die türkischen Mißerfolge zu unterdrücken. Die ins Feld mitgegangenen Berichterstatter sind über- hsupt nicht, imstande gewesen, ihrem Beruf obzuliegen. Der Korrespondent der „Daily News" wurde, als er das Lager bei Tschorln verlaf- ! hn wollte, durch einen Säbelhieb des Postens s über den Kopf schwer verletzt und ein russischer Berichterstatter gefangen genommen. Erst nach dem Rückzuge über Muradli, über welchen alle Einzelheiten hier unbekannt sind, gelang es den Herren, zu flüchten. Zwei von ihnen sind über Rodosto hier wieder eingetroffen.
Sic erzählen grauenhafte Di ns ge. Die Bulgaren haben nicht lanige gefackelt und ihre moralisch haltlosen Gegner sofort nach ihrer eigenen Konzentration bei Muradli scharf an- MPackt. Nach nur eintägigem schwerem Kampf, i>.ri dem die Türken besonders durch die feindlich'! Artillerie litten, eroberten die Bulgaren Mu- radli und nahmen Rodosto am folgenden Tage in Besitz. In letzterer Stadt waren die geschlagenen hungernden Flüchtlinge zu Tausenden eingedrungen und über die Lebensmittel hergefallen. Es ent-
I stand dort ein entsetzliches Massaker, bei dem Frauen, Kinder und Gre i's e zu Hunderten erscklagen und geschändet wurden. Die im kleinen Hafen ankernden Schiffe wurden gestürmt, die am Ufer haltenden Bootsführer, die sich weigerten, Mannschaften an Bord der .draußen liegenden Dampfer und Segler zu bringen, ermordet. Den türkischen Soldaten war es nur darum zu tun, zu entkommen und den Vorfolgern Steinwüsten zu hinterlassen. Während der Flucht waren schon Babaeski, Dimotika und Lüle-Bnrgas in Brand .gesteckt worden. Auch Rodosto mußte daran glauben
Schon seit rund drei Wochen war die sogenannte Tschataldschalinie, die sich im Südwesten, ans Marmara-Meer, im Nordosten ans Schwarze Meer cmlehnt und vor deren Front sich als Hindernisse sumpfige Niederungen hinziehen, zur Verteidigung vorbereitet worden. — In diese letzte haben sich die Türken zur Entscheidung zurückgezogen. Augenzeugen berichten, daß auch dort saumselig gearbeitet worden ist, daß der Ausbau selbst dieser Verteidigungslinie nicht den modernen Anforderungen genügt, daß vor allen Dingen die Widerstandskraft der Türken vollständig gebrochen sei. Infolge der auf hem südöstlichen Flügel erlittenen Niederlage hat sich, um nicht von Konstantinopel abgeschnitten und ins Schwarze Meer geworfen zu werden, Mahmud Mukhtar auf die letzte Hauptstellung znrückziehen müssen. In Midia werden noch immer nordanato- lische Truppen ausgebootet. Dort befehligt der halb vergessene Mahmud Schefket-Pascha, der, wie es scheint, einzige Mann der jungen Türkei, der pflichttreu gearbeitet und das Heer vorzüglich ausgerüstet hat. Mahmud Schefket, dessen Tätigkeit man nicht genug anerkennen kann und auf den Jahre lang die Augen der ganzen Welt gerichtet waren, hat durch feinen Eifer und seine Leistungen zum Teile „verschuldet", daß Europa sich derartig im Urteile über den inneren Wert der türkischen Armee irrte. Das Wort: „Wie der Herr, so der Knecht", ist am Bosporus zur Lüge gestempelt worden. Der Pascha soll mit rund 80000 Mann, das heißt mit seinen frischen Landungstruppen und dem rechten, verhältnismäßig brauchbaren Flügel Mahmud Mnkhtars die letzte Offensive gegen den bulgarischen linken Flügel beginnen. Ob es so weit kommen wird? Das Schicksal kann es leicht wollen, daß der Südostflügel der Tfcha- taldfchüstetlnng dur ch bro ch e n wird, ehe die Bewegung Mahmud Schefkets Bedeutung gewinnt, und daß dann 80 000 Türken ins Schwarze Meer geworfen und zu einem neuen „Sedan" gezwungen werden.
In Konstantinopel ist man besorgt! Man befürchtet den Einzug der hungrigen Flüchtlinge. Die Hohe Pforte trifft Maßregeln zum Schutz der Hauptstadt. Der greise Feldmarschall Fnad Pascha soll mit den Generalen der noch fech tenden Armee die Feldtrnppen in der Tschataldfcha- linie entwaffnen und nach den nahe liegenden Häsen senden, von sie in die Heimat zurück- befördert werden. Ein internationales Geschwader, dem die deutschen Schulschiffe „Bineta", „Hertha" und „Geier" angehören, trifft mit Erlaubnis der türkischen Regierung am Bosporus ein. „Goeben" und „Breslau" lausen heute hierher aus. Kriegsschiffe anderer Mächte gleichfalls, so daß die Europäer sich im Notfälle an Bord retten können.
In türkischen Kreisen erinnert man daran, daß den Osmanen der 500jährige Besitz Konst a n ti n o p e ls , eine dann folgende schwere Niederlage, der hierdurch bedingte Vckrlnst des europäischen Besitzes, sowie ein entsetzliches Massaker aller Nichtmohammedaner Konstantinopels beim Verlassen der Hauptstadt durch Mohammed geweissagt worden sei.
Das Ende der Tür Sei in Eurvpa scheint sich zu nähsrn. Der Status gno auf dem Balkan wurde bei Kirk-Kilisse, Lüle-Bnrgas, Midia und Muradli zerschossen.
Die serbische Flagge am Adriatischen Meer.
Der Balkankrieg macht keine Sorge mehr, nachdem die Aufteilung der Türkei beschlossene und von niemanden angefochtene Tatsache ist. Nur gegen die Festsetzung Serbiens am Adriatischen Meere erhebt Oesterreich-Ungarn Protest und hat seine Drohung, für den Fall des Festhaltens Serbiens an den Adriaplänen mit bewaffneter Hand einzugreifen, noch nicht zurückgezogen. Oesterreich- Ungarn ist auf das Adriatische Meer als Zufahrtstraße zum offenen Meer in noch höherem Grade als bisher schon angewiesen, wenn die Dardanellensperre aufgehoben und den russischen Kriegsschiffen freie Durchfahrt durch diefe Wasserstraße gewährt werden wird. In Wien befürchtet man keine ernsteren Ungelegenheiten von einer Festsetzung Serbiens an de? Adria, sieht aber voraus, daß ein serbischer Kriegshafen daselbst nichts" anders sein würde als ein russischer und widerstrebt daher mit äußerster Entschiedenheit den Belgrader Eroberungjsabsichten.
Rußland begünstigt nicht nur die serbischen Pläne, sondern trifft auch bereits militärische Maßnahmen, um ihnen zur Verwirklichung zu verhelfen. Nun fehlt es zwar in Petersburg selbst nicht an Stimmen, die jede europäische Kriegsgefahr in Abrede stellen. Andererseits sind die Schwierigkeiten nicht zu unterschätzen, die durch die Entfessellung der Leidenschaften entstehen müssen. Wenn der englische Premierminister Asgnith in seiner Guildhallrede sagte, eine Gefahr bestände nur, wenn man die adriatische Frage borwegnähme, würde sich aber unschwer beseitigen lassen, wenn man sie im Rahmen der gesamten Baltanange- legenheit regelte, so wird doch manch einer diesen Ausspruch nicht unterschreiben wollen. Er steht etwa auf derselben Höhe, wie die gleichzeitige Aeußerung des Martneministers Churchill, England sollte seine Flottenrüstungen dermaßen forzieren, daß Deutschland jeden Wettbewerb als aussichtslos einstellen müßte, damit würde der ewigen Rivalität, die die Quelle aller Zwietracht zwischen beiden Mächten sei, am sichersten ein Ende gemacht werden.
Vielleicht gelingt es den Bemühungen der Diplomatie aber doch noch, einen Ausweg aus der Sackgasse, ohne daß es zu einem Zusammenstoß kommt, zu finden. Neue Vorschläge werden täglich gen acht. Die furchtbaren Folgen, die ein europäischer Krieg nach sich ziehen müßte, werden von allen Mächten nach Gebühr gewürdigt. Die Hoffnung, daß trotz der schlimmen Verwickelungen der Friede schließlich doch noch erhalten bleiben wird, gründet sich hauptsächlich auf die soeben wieder bekundete Festigkeit des Dreibundes uni is Loyalität der Politik der drei Staaten diefes Bundes.
Landesnachrichren.
Bltenrteig, 13. November ISIS.
* Wähl erve r s amm l ung . An die heute Abend
im „Grünen Baum" stattfindende Wählerversammlung sei hiemit nochmals erinnert. Der Landtagskandidat der vereinigten liberalen Parteien, Herr Stadtwundarzt Vogel. Altensteig, wird dortselbst sein Programm zum Vortrag bringen und außerdem wird der Reichstagsabigeordnetzs Keinath ans Stuttgart sprechen über: „Die po litische Lage in Land und Reich." Der Beginn der Versammlung ist auf 7 einhalb Uhr festgesetzt. Es ist , rensache aller Wähler, an diesem Abend recht zahlreich zu erscheinen. s
* Die Abgrenzung der amtlichen Geschäfte der Ve- zirksnotare. Ta Zweifel darüber entstanden sind, ob und inwieweit die von einem Bezirksnotar vollzogenen Beurkundungen vv" Verträgen über die Veräußerung eines Erbteils und über den Verzicht eines Abkömmlings auf seinen Anteil