js Kirchheim u. T., 30. Sept. Kirchenpfleger Adam Dietz in Gutenberg wurde von einem ins Rollen geratenen Wagen derart an ein Haus ge­drückt, daß ihm der Brustkorb eingedrückt wurde. Der Tod trat nach kurzer Zeit ein.

Zur Landtagswahl.

ff Besigheim, 30. Sept.- Die Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei des hiesigen Bezirks sind trotz des Landesabkommens mit der Deutschen Partei nicht geneigt, den von letzterer aufgestellten bauernbündlerisch deutschparteilichen Kandidaten Schmid in Bietigheim zu unterstützen. Sie wollen vielmehr einen Mann aus ihrem eigenen Lager aus den Schild erheben. Diesen Mann haben sie in der Person des Weingutsbesitzers Thebens in Lauffen gefunden.

ff Vaihingen a. E., 30. Sept. Die Fortschritt­liche Volkspartei hat als Kandidaten für die kommende Landtagswahl den Landtagsabgeordneten Rechtsanwalt Dr. Eisele wieder aufgestellt. Dr. Eisele hat angenommen.

ff Schorndovf, 30. Sept. Gestern nachmittag fand hier eine Vertrauensmännerversammlung der Fortschrittlichen Volkspartei statt, in der Gemeinde­rat Eberhard Krämer aus Stuttgart einstimmig als Landtagskandidat für das hiesige Oberamt ausgestellt wurde.

ff Mergentheim, 30. Sept. In einer gestern stattgefundenen Vertrauensmannerversarnrnlung des Bundes der Landwirte wurde für den Bezirk Mer­gentheim der Reichstagsabgeordnete Schultheiß Bogt-Bittelbronn als Landtagskandidat aufgestellt.

Zu AeWeumog

Tie Regierungsmaßregeln gegen di« Flc schtenerung.

Die Preußische Staatsregierung beschloß, gegen die herrschende Fleischteuerung vorübergehend Er­leichterungen der Vieh- und Fleischeinfuhr eintre- ten zu lassen.

Für große Städte, die als Märkte für die Vieh- und Fleischpreise ganzer Landesteile maß­gebend sind, soll die Einfuhr von frischem Rind­fleisch aus dem europäischen Rußland und von frischem Rind- und Schweinefleisch ans Serbien, Rumänien und Bulgarien im Wege besonderer Ge­nehmigung zugelassen werden, wenn das Fleisch zu einem unter behördlicher Mitwirkung festgesetz­ten möglichst niedrigen Preise an die Verbraucher verkauft wird. Die Beförderung des Fleisches bis zum Bestimmungsort muß in plombierten Wagen erfolgen. Unter den gleichen Bedingungen soll die Einfuhr von frischem Schweinefleisch aus Rußland im Wege besonderer Genehmigung in einzelnen größeren Städten des Ostens, bei denen für eine derartige Versorgung ein besonderes Bedürfnis be­steht, gestattet werden. Ferner soll die Einfuhr von Schlachtrindern aus den Niederlanden im Wege besonderer Genehmigung in hierzu geeignete öffent­liche Schlachthöfe großer Städte unter den für die Einfuhr von Schlachtvieh aus Oesterreichl-Ungarn geltenden veterinärpolizeilichen Vorsichtsmaßregeln und Bedingungen gestattet werden. Diese beson­deren Genehmigungen sollen unbeschadet der be­stehen bleibenden allgemeinen Einfuhrverbote er­teilt werden. Das Verbot der Einfuhr von fri­

schem Rindfleisch aus Belgien wird aufgehoben wer­den. Für den Fall des Bedürfnisses ist eine vor­übergehende Erhöhung des für das oberschlesische Industriegebiet bestimmten Kontingents russischer Schlachtschweine in Aussicht genommen.

Um die Mitwirkung der Gemeinden an der Fleischversorgung zu fördern, wird der Bundesrat ermächtigt werden, vom 1. Oktober 1912 bis 3l. Marz 1914 an Gemeinden, die frisches auch ge­frorenes Fleisch von Vieh aus dem Ausland für eigene Rechnung einführen und zu den vorgeschrie­benen angemessenen Preisen an die Verbraucher gelangen lassen, den erhobenen Eingangszoll bis auf einen Betrag zu erstatten, der sich ergibt, wenn anstatt der Zollsätze von 35 oder 27 Mk. der Zollsatz von 18 Mk. für den Doppelzentner zugrunde gelegt wird.

Die Maßnahmen zur Milderung: der Fleisch­teuerung werden von der Linken und bis in die Kreise der Rechten hinein als ungenügend be­zeichnet und zum Teil erschallt der Ruf nach dem Reichstage auss neue. DieDeutsche Tageszeitung", das Organ des Bundes der Landwirte, hat da­gegen die schärfsten Bedenken und sagt, daß das Vertrauen der Landwirtschaft zu der Regierung durch obige Maßnahmen einer schweren Erschütter­ungsprobe unterworfen werde.

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st Stuttgart, 30. Sept.. Der Staatsanzeiger veröffentlicht die vom preußischen Staatsmini­sterium getroffenen Maßnahmen zur Linderung der Fleischteuerung und schreibt weiter: Das württem- bergische Ministerium des Innern wird Anträge, in denen um die Einfuhr von frischem Fleisch in die Städte Stuttgart, Ulm und Heilb'ronn aus den vorbezeichneten Staaten oder von Rindvieh aus den Niederlanden in den mit Gleisanschluß versehenen Schlachthof zu Stuttgart nachgesucht wird, sofern die erwähnten Bedingungen einge­holten werden, bei den für die Gestattung der Einfuhr und Durchfuhr zuständigen Regierungen der in Betracht kommenden deutschen Bundesstaaten befürworten. Die Einfuhr von frischem Rind- oder Schweinefleisch aus Rumänien, Serbien und Bul­garien über die Arlbergbahn in die Städte Stutt­gart, Ulm und Heilbronn wird auf bezügliche An­träge das Ministerium des Innern von sich aus genehmigen. In den Anträgen auf Genehmigung der Fleisch- oder Vieheinfuhr ist die Mengss, die Zeit und der Weg der Einfuhr anzugeben. Zur Einfuhr von frischem Rindfleisch aus Belgien be­darf es einer besonderen Genehmigung nicht mehr, sobald Preußen, wie in Aussicht gestellt ist, das Einfuhrverbot aufgehoben hat. Bemerkt wird noch, daß die Einfuhr von Rindvieh und von Kälbern ohne besondere Genehmigung gestattet ist: aus Oesterreich-Ungarn in die öffentlichen Schlacht­häuser zu Stuttgart, Eßlingen, Heilbronn und Ulm, unter den Bedingungen der Ministerialverfügung vom 13. April 1913 uns Dänemark, Schweden und Norwegen in die genannten Schlachthäuser, unter den Bedingungen der Ministerialverfügung vom 14. Junr 1911 aus den schweizerischen Kantonen Aar­gau, Basel-Stadt, Basel-Land, Bern, Freiburg, Lu­zern, Schaffhausen, Solothurn, Unterwalden, Uri und Zug, unter den Bedingungen der Ministerial- verfügung vom 21. Sept. 1910 in sämtliche öffent­liche Schlachthäuser ebenso auch aus Luxemburg. Die Einfuhr von frischem Rind- und Kalbfleisch

ohne besondere Genehmigung ist zulässig: aus Oesterreich-Ungarn, Belgien, Italien, Schweiz (auch von dort geschlachtetem argentinischen Vieh), Frank­reich, England, Holland, Luxemburg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Australien und Afrika. Frisches Schweinefleisch darf aus diesen Staaten und außerdem noch aus Amerika eingeführt werden, ebenso Schaf- und Ziegenfleisch. Die Einfuhr von zubecertetem Fleisch ist aus allen Staaten gestattet.

Lus drm Reiche.

st Berlin, 30. Sept. Der Lokalanzeiger meldet: Der Leutnant Hofer vom Feldartillerieregi- ment 67, der im Kaisermanöver auf einer Rump­lertaube mit seinem Beobachtungsoffizier Haupt­mann von Rundstedt vom Großen Generalstab in die Aeste eines Baumes geriet und ab stürzte, ist im Garnisonslazarett seinen Verletzungen erlegen. Eine Gehirnlähmung machte seinem Leben ein Ende. Das Befinden des Hauptmanns, der sich ebenfalls im Garnisonslazarett befindet, hat sich gebessert.

Ein Zusammenstoß in Südwestafrika.

* Berlin, 30. Sept. Aus Südwestafrika wird amtlich gemeldet: Am 27. September ist auf einem Patrouillenritt am Auob westlich Hunirob der Rei­ter Müller von der 9. Kompagnie der Schutz- truvpe erschossen w orden.

st Petersburg, 30. Sept. Nach einem kaiserlichen Mas, der unter dem 8. Sept. gegengezeichnet und heute veröffentlicht worden ist, sind zum Zwecke einer P r o b s m o b i lm ach u n g die Reservisten zahlreicher Kreise zu den Fahnen einberufen worden.

st London, 30. Sept. Ein heftiger Sturm ist auf der Höhe des Tyne ausgebrochen und hat beträchtlichen Schaden angerichtet. Drei Dachten find an die Küste getrieben und zerstört worden. Infolge des heftigen Regens muß ein Teil der Werftarbeiter feiern. An der Küste von Nothurn- berland geht die See sehr hoch.

st Perpignan, 30. Sept.. Wie aus Barcelona gemeldet wird, wächst die Zahl der Ausständigen auf allen Linien. Ministerpräsident Canalejas hat an den Bürgermeister von Barcelona ein Tele­gramm gerichtet, in dem er erklärt, er wünsche den Streik so bald wie möglich beendigt zu se­hen, wolle aber weder auf die Arbeiter nach aus die Eisenbahngefellschaften einen Druck ausüben. Fortgesetzt treffen neue Truppenverstärkungen in Barcelona ein.

Samos.

st .Konstantinopel, 30. Sept. Zwischen den Re­bellen und den türkischen Truppen auf Samos ist ein Otägiger Waffenstillstand abgeschlossen worden. Authentischen Nachrichten zufolge, haben der Großwesir und der Minister des Aeußern dem grie­chischen Gesandten erklärt, der Zwischenfall aus Samos sei gewiß bedauerlich. Die Pforte, die keine direkte Verbindung mit der Insel Habe, muß das Ergebnis der Untersuchung abwarten und, falls die griechische Lesart den Tatsachen entspreche, das Erforderliche veranlassen. Der griechische Gesandte erklärte, Griechenland müsse auf seiner Forderung nach Genugtuung bestehen.

Das moderne Geschäft.

b. Aus Newyork kam vor einigen Tagen die Mel­dung, dort sei der Bau eines neuen Warenhauses in Angriff genommen, das, Grunderwerb und Bau­kosten zusammengerechnet, rund 120 Millionen be­anspruchen werde, also etwa so viel Geld wie der neue Riesenbahnhof in Leipzig, der der größte der Welt ist. Diese Nachricht zeigt, daß die Ent­wicklung des modernen Geschäftsverkehrs, wie sie im Warenhaus« sich wiederspiegelt, eine unaufhalt­same ist, und wenn wir in Deutschland auch noch nicht zu einem solchen Koloß gekommen sind, so hoben wir doch derartige Unternehmungen, in wel­chen ein halbes Hundert Millionen Mark angelegt ist. Wenn wir daran denken, wie die Kosten für das neue deutsche Reichs tags ge bäude auf nur 20 Millionen s. Z. veranschlagt waren, sv merken wir, wie die Zeiten sich geändert haben, wie die In dustrie dem Staat über wird.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das moderne Geschäft mancher bescheidenen, aber tüch tigen bürgerlichen Existenz den Garaus gemacht und überhaupt den Drang nach der Gewinnung einer selbständigen gewerblichen Stellung im Leben gelähmt hat. Wir sehen in den größten deutschen Städten in den Bezirken, die die Nachbarschaft eines Riesen-Berkaufshauses bilden, die Läden zum Teil verödet, den Wert des Grundbesitzes oft ver­mindert, und so kommt es, daß nicht allein die Gewerbetreibenden auf diese Etablissements wenig gut zu sprechen sind. Es ist allerdings eine ver

gebliche Mühe, dasjenige Publikum, das sich an diese Geschäftsweife gewöhnt hat, zu anderen Auf­fassungen zu bringen, und für dessen Wünsche wird damit auch eine Lücke ausgesüllt. Aber das ist doch nur in einer bestimmten Reihe von Städten und Unternehmungen eine Tatsache, denn es ist zu bemerken, wie sich die Eigenart des Deutschen in einem solchen Maße zu besinnen be­ginnt, daß ihr auch das moderne Geschäft Rech­nung tragen muß.

Das Deutsche Reich hat eine ganz erhebliche Zahl von Großstädten, aber in ihnen leben nicht ausschließlich Menschen, die übermodernen Anschau­ungen und Gewohnheiten huldigen. Wenn schon am Hellen Tagle Konzertweisen erklingen, so be­weist das noch nicht, daß nur an das Amüsieren gedacht wird. Und noch weniger denken alle die Tausende daran, sich in ihren Wohnräumen und Lebensgewohnheiten uniformieren zu lassen. Wenn auch noch so oft behauptet wird, dies und jenes sei die wahre neue Mode, die Mehrzahl nimmt Havcn. was ibr gefällt, und bleibt sonst den per­sönlichen Anschauungen im hohen Maße treu. Das wird auch solange, wir denken immer, so bleiben, als jede Heranwachsende Generation eine deutsche und keine internationale Erziehung erhält. In die­ser Beziehung stiften diekleinen deutschen Vater­länder", über die einstmals so viel gespöttelt ist, reichen Segen, denn sie bewahren davor, daß alles nach einem Zentrum schaut, wie die Dan- kees nach Newyork, die Engländer nach London, die Franzosen nach Paris blicken.

Unsere Mittel- und Kleinstädter wahren sich noch entschiedener, wie schon viele Großstädter, ihre Eigenart. Sie sind keineswegs einfachfutsch", wenn sie z. B. ins Berliner Nachtleben geschaut haben, die Wissens-Kunde trübt noch lange nicht die Kritik und die Einsicht, wie wenig doch an dem ganzenZauber" eigentlich dran ist. Und ähnlich steht es auch auf den Gebieten des Ge­schäftslebens, der Geschmack läßt sich nun einmal nicht knechten. Die extravaganten Moden haben keine allzulange Lebensdauer, und die größte Sen­sation schrumpft unter der deutschen Nüchternheit zusammen zur winzigen Unbedeutsam kerb So sind dem Warenhause nach amerikanischem Prinzip von selbst seine Grenzen bei uns gezogen und dem bürgerlichen Tätigkeitsdrangs bleiben Wege genug geöffnet. Freilich sind diese Wege nicht immer mit Blumen bestreut.

Die. deutsche Eigenart wird da, wo sie sich wirklictz ausprägt, auch vom Auslande weit mehr beachtet, als das internationale Bild, das mit­unter als Zukunftsherrlichkeit darzustellen behebt wird. München, Hamburg, Köln, Dresden, Stutt­gart, Heidelberg usw. haben im Verhältnis einen ganz gewaltigen Fremdenverkehr, der von Jahr zu Jahr anwächst. Darum sollen wir uns in acht nehmen, stets nachzumachen, was der amerikanische Snobismus uns präsentiert. Dessen Lebensprinzip ist das Geldverdienen, wir wollen aber von un­serem Dasein noch etwas anderes und wertvolleres haben.