Tie türkisch-biulgarische Grenze.
Die Nachrichten von der türkisch-bulgarischen Grenze lauten sehr bedenklich. Seit Wochen gart es dort und nun ist es . zwischen den türkischen und den bulgarischen Grenzwachen zu einem förmlichen Gefecht gekommen, in dem angeblich fünf Bulgaren getötet worden sind. Das wird die Anfügung, die ohnehin schon im bulgarischen Volks herrscht, noch größer machen. Auf der andern Seite, bei den Türken, wird das neue in der mazedonischen Ortschaft Doiran ausgeführte Bom- ben-Attentat, dem angeblich 25 Mohammedaner zum Opfer gefallen sind, auch eine Steigerung der Aufregung herbeiführen, und wenn so die Leidenschaft hüben und drüben den höchsten Grad der Siedhitze erreicht hat, wird man fürchten müssen, daß es schließlich zu einer großen allgemeinen Explosion, d. h. zum Kriege zwischen Bulgarien und der Türkei kommt. Bei näherem Zusehen ist die Lage ckllerdings nicht so 'tragisch, wie sie dem oberflächlichen Blicke sich darstellt. Grenzzwischenfälle und Bombenattentate sind da unten keine Seltenheiten und der Ausbruch des Krieges hängt nicht allein vom Willen der beiderseitigen Grenzwachen, sondern auch, und zwar wesentlich, von der allgemeinen politischen und diplomatischen Lage ab. Diese aber ist dem Kriege nicht günstig.
Marokko.
I s Paris, 11. Sept. Nach einer Meldung aus Tanger, wurde der dortige italienische Vizekonsul Lciredo heute vormittag im Gesandtschaftsgebäude von einem Bittsteller, der ihn vergeblich um eine Eeidunterstützung ersucht hatte, mit einem Dolch lebensgefährlich verwundet. Der Verbrecher, ein Italiener, wurde verhaftet.
Eine Taifun-Katastrophe in China.
Eine Taifun-Katastrophe verursachte in der Provinz Tsche-Kiang furchtbare Verheerungen. Die Opfer werden auf 40—39 990 Tote geschätzt.
Vermischtes.
§ Ein Henkersmahl in Frankfurt anno domini 1788. Jedermann weiß, daß ein zum Tod Verurteilter vor der Hinrichtung noch eine Mächlzeit gereicht bekommt, zu welcher er die Speise selbst bestimmen darf. In Reichsstädten war in früheren Zeiten diese Sitte zur Unsitte ausgewachsen. Außer dem Delinquenten nahmen an dem sogenannten Henkersmahl noch der Geistliche und einige Subalternbeamte des Magistrats teil. Und daß es bei solchen Mahlzeiten manchmal hoch herging, beweist folgender im „Journal von und für Deutschland" (Jahrgang 1788) mitgeteilte Küchenzettel einer Henkersmahlzeit vom 21. Februar d. Js., morgens 6 Uhr. Dabei wurden nämlich verzehrt: „Gerstensuppe, Gemüse, 3 Pfund Bratwürste, 10 Pfund Rindfleisch, 6 Pfund gebackene Karpfen, 12 Pfund Kalbsbraten gespickt, 30 Milchbrote und Biskuit." Selbstverständlich fehlte es auch nicht am nötigen Wein. Ganz besonders originell ist der Vorschlag eines der gewöhnlich zu diesen Mahlzeiten Zugezogenen, der in Anbetracht des Umstandes, daß die meisten Hinrichtungen in aller
Frühe stattfanden und man unmöglich schon so früh etwas genießen könne, darum ersuchte, man möchte die Henkerstnahlzeit künftig erstnachvoll- zogener Hinrichtung abhalten!
Z Von der Pfändung einer ganzen Stadt weiß die „Nationalzeitung" zu berichten. Port Erin, ein Badeort auf der Jsle os Man, wurde am Donnerstag durch Beschluß des obersten Gerichtshofes vom Gerichtsvollzieher mit Beschlag belegt. Vor einigen Jahren schloß die Behörde von Port Erin mit dem früheren Oberamtmann Mr. A. N. Laugh- ton einen Kaufvertrag über ein Grundstück ab, das die Bucht übersieht. Die inzwischen neugewählte Stadtbehörde weigerte sich, den Kaufvertrag zu erfüllen. Herr Laughton klagte, erzielte ein obsiegendes Urteil in der Höhe des Kaufpreises von 2250 Pfund Sterling. Der gesamte Grundbesitz der Stadt, die vorhandenen Gelder und die Ansprüche auf Steuern und Abgaben wurden gepfändet.
Z Ein wandernder Wald. Der wandernde Wald aus „Macbeth" ist in England gegenwärtig in Wirklichkeit vorhanden. Es ist allerdings nicht der Birnam-Wald, sondern der Bassels-Wald in Gla- morgan, der sich nach einem Berichte des Grafschaftsrates seit über einer Woche langsam von seinem ursprünglichen Platze fortbewegt. Natürlich hat die merkwürdige Erscheinung sehr rasch ihre Erklärung gefunden. Der Wald liegt an einem Berghange. Eine 120 Meter lange Strecke dieses Hanges hat sich losgelöst und rutscht als geschlossene Masse abwärts. Die Bäume, lauter Ulmen, haben zum Teil ihre aufrechte Haltung behalten, andere sind halb umgekippt und liegen in allen möglichen Richtungen durcheinander.
8 Ein erschütterndes Drama hat sich in der Redaktion des Pariser Blattes, »Le petit Journal" zugetragen. Einer der leitenden Redakteure Robert Valin ließ den jungen Redakteur Francois Miron zu sich kommen und machte ihm wegen eines begangenen Fehlers heftige Vorwürfe. Plötzlich erblaßte Miron und fiel tot zu Boden. Der Redakteur Valin war über diesen Vorfall so erschüttert, daß er sich eine Kugel in den Kopf jagte.
Z Vogelschutz und Fischzucht. Als ich vor Jahren längere Zeit im Südwestwinkel des Kaspischen Meeres weilte, dieser bekannten Winterherberge' der sibirischen Wasservogelwelt, war dort das Meer, soweit das Auge reichte, an manchen Tagen derart dicht mit Bogelgeschwadern bedeckt, daß man, so plaudert -ein Mitarbeiter des ./Kosmos"^ Handweiser für Naturfreunde (Stuttgart), Wasser überhaupt nicht zu erkennen vermochte. Es waren zumeist Kormorane, Taucher, Möwen, Säger, Reiher. Schwäne, Gänse, Enten, Pelikane und dergleichen, also größtenteils ausgesprochene Fischräuber. Da die Fischerei (ich erinnere nur an den Störsang) in diesen Gegenden die Haupterwerbsquelle bildet, befürchtete die russische Regierung eine Beeinträchtigung durch die großen Vogslscha- ren und ließ letztere einige Jahre hindurch systematisch abschießen. Die Folge war aber nicht etwa eine Vermehrung der Fische, sondern im Gegenteil eine starke Verminderung, da sich bei ihnen alsbald Nahrungsmangel infolge Ueberzahl bemerkbar machte und verheerende Krankheiten austraten, die ganz anders unter ihnen aufräumten, als alle die gefiederten Fischseinde. Das Abschußgebot wurde denn auch alsbald zurückgenommen
und den Vögeln eine gewisse Schonung gewährt; die Folge war, daß bald das alte Verhältnis wieder eintrat, d. h. der Kaspisee nach wie vor eine der fischreichsten Gegenden der Erde blieb; Und so ist es überall: wo es viele Sumpf- und Wasservögel gibt, fehlt es auch nicht an Fischen.
Auch ein Fehler. Wirl: »Tie neue Köchin paßt mir gar nicht; tue kocht viel zu gut, da bleibt ja für die Schweiner! gar nichts übrig!"
Gemütlich. Stromer: »Ist det hier richtig, wo die fünf Mark Belohnung für den entlaufenen Mops ausgesctzt sind?" Hausfrau: »Um Gottes willen, bringen Sie ihn? — »Noch nicht, Madameken, aber ich werde gleich auf die Suche gehen, und da wollt' ich höflichst um 'n kleinen Vorschuß gebeten haben!"
Netter Trost. Patient: »Dieses Jahr haben Sie mir aber eine gepfefferte Rechnung geschickt, Herr Doktor; ich soll da hundert Mark mehr zahlen, als im vergangenen Jahr?" — Na, damit können sie wohl zufrieden sein! Den dreifachen Betrag ersparen Sie allein dadurch, daß ich Ihnen 's Bier und die Zigarren verboten habe!"
Handel «nd Verkehr.
* Reutlingen, 9. Sept. Viehmarkt. Dem heutigen Viehmarkt wurden zugetrieben: Ochsen 166, verkauft 68 zu 375—790 Mk., Kühe 82, verkauft 55 zu 210—585 Mk., Kalbeln und Jungvieh 206, verkauft 115 zu 150—436 Mk., Kälber 55, verkauft 35 zu 80—115 Mk., Läuferschweine 50, verkauft 50 zu 40—95 Mk., Michschweine 270, verkauft 195 zu 23—35 Mk.
' Reutlingen, 10. Sept. Mo st obstm a r kt. Auf dem Güterbahnhof waren zugeführt 1 Waggon aus der Schweiz, 1 Waggon aus Württemberg; Preis 3 Mk. per Zlr.
" Preiserhöhung für Schuhwaren. Infolge der ganz erheblichen Preissteigerung für sämtliche Ledersorten, bedingt durch die enorm teuere Rohware, sieht sich die Tuttlinger Schuhindustrie gezwungen, ihre Verkaufspreise für Schuhwaren entsprechend zu erhöhen.
Konkurse.
- Friederike Berges, Spezereihandlung in Bückingen, Ehefrau des Kaufmanns Albrecht Berges daselbst. — Kaspar Kling, Wirt und Maurermeister in Kirchdorf. — Nachlaß des am 24. März 1912 verstorbenen Taglöhners Julius Schneider von Deißlingen OA. Rottweil. — August Schlag, Bauer und Milchhändler in Ochsenbach.
Voraussichtliches Wetter
am Freitag, 13. Sept.: Zunächst Nebel, dann hell, trocken,
mild.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.
Truck und Verlag der W. Rieter'schen Buchdruckerei in Altensteig.
isi billig, bequem, spsnsem,
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gehabt, aber eben, wie ich sah, daß auch Ihnen die Weihe- ftimmung eines Morgens im Walde nahe ging, da habe rch Sie ganz ins Herz geschlossen, als seien Sie meine leibliche Tochter."
»Dann darf ich jetzt auch Vater Friedlieb zu Ihnen sagen?"
„Von Herzen gern, mein liebes Fräulein."
Beide schüttelten sich lange die Hände. Da trat Dittert zu ihnen. Aber wie verändert sah er aus! Seine Augen strahlten von Lebensmut und Selbstvertrauen, jede Spur von Schwermut war daraus gewichen. Selbst seine Körperhaltung war straffer, sein Gang elastischer.
.Friedlieb, ich muß sofort nach der Stadt abreisen und dort einige Zeit bleiben. Sorgen Sie derweil für meine Sachen; hier ist der Schlüssel zu meinem Zimmer. Aber wo bleiben Sie so lange, Fräulein?"
An diese Frage hatte Binchen noch gar nicht gedacht. Eine trübe Wolke umschattete ihre Stirn, als sie darüber nachdachte. Endlich sagte sie: „Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu meiner Tante zu reisen."
„Das geht jetzt schlecht, liebes Fräulein, da Ihre Anwesenheit bei dem bevorstehenden Prozeß dringend nötig sein wird. Sie müssen hier in der Gegend bleiben, damit Sie jederzeit als Zeugin erscheinen können."
„Dann ist es vielleicht gut, wenn ich mich solange in dem Dorfe Vater Friedliebs aufhalte oder wieder nach Krumlov Sehe, wo mir der Kronenwirt als ein rechtschaffener Mann erschienen ist."
„In dem Dorfe Friedliebs gibt eS nur emen ganz gewöhnlichen Krug, wo Sie unmöglich wohnen können. Deshalb fft es besser, wir gehen nach Krumlov, wo Sie bei dem Kronenwirt Quartier nehmen können. Friedlieb wird die Gefälligkeit haben, uns dorthin zu begleiten.
Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden. Die
Vorbereitungen waren bald getroffen und nach kurzer Zeit brach man auf. Friedlich trug Binchens Handgepäck und den Koffer, sie selbst nahm Ditters Arm, den dieser ihr bot. Plötzlich blieb er stehen.
„Verzeihen Sie, Fräulein, meine Rücksichtslosigkeit. Ich habe noch nicht einmal gefragt, ob Sie überhaupt den Weg nach Krumlov zurücklegett können. Sie haben ja die ganze Nacht nicht geruht. Auch weiß ich nicht, ob Sie schon etwas gcfrühstückt haben. Wollen Sie nicht lieber erst noch einige Stunden ruhen?"
„O nein, ich bin gar nicht müde. Ich fühle mich im Gegenteil frisch und stark, und es macht mir Vergnügen, so früh diese herrliche Wanderung durch den Wald zu machen. Ich möchte jetzt um keinen Preis in einem Wagen sitzen und durch- gcrüttelt und geschüttelt zu werden. Gefrühstückt habe ich auch schon mit Vater Friedlieb zusammen, sodaß ich bis Mittag sicher keinen Hunger mehr bekomme."
Binchen gedachte ihrer Herfahrt in dem gräßlichen Wagen unter der Leitung des lahmen Peter. Ein sonderbares, glückliches Gefühl überkam sie, sie hätte laut aufjubeln mögen.
Dittert veranlaßte Binchen im Laufe des Gesprächs von ihrer eigenen Vergangenheit zu erzählen, was sie auch ohne Scheu bereitwilligst tat. Dabei erfuhr er zum ersten Mal ihren vollen Namen. Unter angenehmem Geplauder legten sie den Weg zurück. Plötzlich fragte Dittert ganz bestürtzt: .Sind Sie denn auch noch genügend mit Geldmitteln versehen, Fräulein Binchen? Ich bin so egoistisch in meine eigene Angelegenheit versenkt, daß ich tatsächlich Ihnen gegenüber jede Rücksicht vergessen habe."
„O, es geht wohl für einige Tage," entgegnete Binchen errötend. „Ich werde sofort deshalb an Tante schreiben."
„Tuen Sie das bitte nicht. In wenigen Tagen werde ich schon wissen, ob wir auf größere Einnahmequellen zu rechnen
haben oder ob alles nur ein kurzer Traum war, nach dessen Ende ich wieder in mein leeres Nichts zurückversinken muß."
Binchen wandte, noch tiefer errötend, den Kopf zur Sette, aber an dem Beben ihres Armes vermochte Dittert ihre innere Bewegung zu erkennen. Leise, ganz leise drückte er ihren Arm fester an sich.
„Fräulein Binchen", fuhr er dann gedämpft fort, und ein heiliger Ernst sprach aus seinen Worten, «ich erachte es für meine selbstverständliche Pflicht, mein neues Lebensglück, das mir jetzt winkt, nicht anders mir zu denken, als gemeinschaftlich mit der, welcher ich es allein zu verdanken habe, die nach dem unerforfchlichen Ratschluß dessen, der unser Schicksal aus lichten Höhen lenkt, zu diesem Werk berufen wurde. Einst bot ich meinem Vetter Wolny an, mit ihm die Erbschaft zu teilen. Ihnen mache ich nicht ein solches Anerbieten, da ich hoffe, daß der Glücksfall doch uns beide treffen wird. Noch kann ich
Ihnen nicht näher erklären, wie ich mir dies denke, die Ungewißheit meiner Aussichten verbietet es mir. Aber das edle Vertrauen, mit dem Sie mir, dem fremden, mittellosen Sonderling, den man sogar für halbwegs irre hielt, entgegengekommen sind, läßt mich für die Zukunft die schönsten Hoffnungen hegen. Und leben Sie wohl, liebes Fräulein Binchen, in einigen Tagen sehen wir uns wieder. Ich will Sie hier schon verlassen, um der müßigen Neugier der Krum- lover keinen unnötigen Stoff zum Klatsch zu bieten. Behüt' Sie Gott!"
Fortsetzung folgt.