st Stuttgart, 4. Sept. Zu der Internationalen Hundeausstellung-Stuttgart sind 1665 Hunde gemeldet. Die letzte im Jahre 1908 abgehaltene Ausstellung war mit nicht ganz 800 Hunden beschickt. Interessant dürfte die Mitteilung sein, daß vom Stadtpolizeiamt Stuttgart 6 Polizeihunde in einem besonderen Collektionsraum ausgestellt werden. Tie Beschickungszahl wurde bis jetzt in ganz Deutschland noch nicht erreicht.
st Untertürkheim, 4. Septl (Der Fleisch,- krieg.) Obgleich der in einer Versammlung beschlossene vierwöchige Fleisch- und Wurstbohkott größtenteils nur von den Arbeitern eingehalten wird, haben die Metzger sehr darunter zu leiden. Alle die Hunderte von Arbeitern, die früher auf dem Weg ins Geschäft in den Metzgereien ihr Vesper einkauften, bleiben fern und die Bewegung geht so weit, daß in den Fabrikbetrieben während der Besperpause sogar eine Kontrolle über die Art der Speisen ausgeübt wird.
st Baihingen a. E., 4. Sept. Die bürgerlichen Kollegien haben mit allen gegen 2 Stimmen auf die Anregung eines Antrags von 48 hiesigen Geschäftsleuten beschlossen, vom 1. Oktober bis 3lst März den 8 Uhr Ladenschluß einzusühren.
st BMensLach, 4. Sept. (Der Köpe nicker Streich.) Mit dem falschen Landjäger, der die verschiedenen Gemeindekassen inspizierte und das Geld mit sich nahm, ist zugleich ein Obsthändler, der in der Gegend Obst aufkaufte und verstellte, verschwunden und man vermutet, daß er ein Helfershelfer des Gauners in der Gendarmenuniform ist. Wie sich erst jetzt herausstellt, suchte deri Schwindler auch die Gemeindekasse in Schmidhausen zu beschlagnahmen. Der dortige Gemeinde- Pfleger weigerte sich jedoch, die Kasse ihm allein zu übergeben. Nach ihren Streichen wurde der „Landjäger" mit seinem Obsthändler noch nachmittags im Bottwartal gesehen. Nachdem sie sich in Helfenberg gütlich getan hatten, kauften sie sich in Beilstein Fahrräder und fuhren davon.
st Gmünd, 4. Sept.' (Einquartierung^ Heute vormittag zog das Dragoner-Regiment Nr. 26 (Stuttgart-Cannstatt) aus der Gegend von Rechberghausen kommend hier ein, um für zwei Tage Quartier zu beziehen- Der Regimentsstab und 3 Schwadronen sind in Gmünd untergebracht ista. 20 Offiziere, 380 Mann und 400 Pferde.) Die beiden anderen Schwadronen liegen in Lindach und Herlikofen. Am Freitag erfolgt der Weitermarsch in östlicher Richtung. — Gestern war der Stab des Dragonerregiments Nr. 25 (Ludwigsburg) hier einquartiert.
st Metzingen, 4. Sept. Beim Angerüsten des Schreiner Bazlen'schen Neubaus glitt der 14 Jahre alte Sohn des Gipsermeisters Lipp auf einewz Brett aus. Um nicht in die Tiefe zu stürzen, hielt sich der junge Mann an einem Draht der elektrischen Starkstromleitung fest, wurde aber durch die hohe Spannung des Stromes sofort getöter .Nur mit Mühe gelang es, den Unglücklichen von dem Draht freizubekommen. Alle Wiederoclebuugsve'. suche waren erfolglos.
st Ulm, 4. SepG (lieberfall.) Ein amf Samstag aus der Schweiz hierher gekommener Monteur, der früher schon hier beschäftigt war und sich nun wieder um eine Stelle umschauen
M Lesefrucht. M
Das bloße Dasein hat noch keinen Wert —
Was hat der Mensch nun davon, daß er lebt?
Um eine gute Speise froh zu essen
Und nach des Tages Mühe müd' zu schlafen?
Den Seinen Freude macken, Freude sein Den «einigen — das ist der goldne Kern,
Das mack! die Seinen und die Welt ihm lieb.
Leopold Schefer.
Um ein Erbe.
Familienroman von Karl Meisner.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Binchen wollte die Wahrnehmungen des jungen Mannes bestätigen, besann sich aber anders. Hatte Herr Balthasar es nicht für nötig befunden, dem alten Friedlieb von seinem nächtlichen Besuch in der Ruine und dem Gespräch etwas zu erzählen, so war es ihre Pflicht, ebenfalls darüber zu schweigen.
Immer wieder drehte sie sich nach jedem Geräusch, das sich vernehmen ließ um, in der Hoffnung, ihr sonderlicher Gastgeber würde noch einmal wiederkommen. Aber er ließ sich nicht mehr blicken. Gedankenvoll beendete sie ihr Frühstück und bereitete sich zum Aufbruch vor.
Ter junge Mann, Hermann nannte ihn sein Vater, hatte ihr Gepäck schon auf einen Schiebekarren gepackt und war fertig zum Abmarsch.
Binchen reichte dem alten Waldwart die Hand zum Abschied und bedankte sich herzlich für seine ihr erwiesenen Gefälligkeiten.
wollte, besuchte am Sonntag verschiedene Wirtschaften in Söflingen und kam abends in Gesellschaft einiger Italiener. Als der Italiener gegen Morgen nach Ulm zurückkehren wollte, schlossen sich ihm fünf Italiener an, um ihm angeblich den nächsten Weg zu zeigen. Sie führten den Monteur aber nicht Ulm zu, sondern gegen den Bahnhof. Als der Monteur, der dies erkannte, sich weigerte weiterzugehen, schlugen ihn seine Begleiter zu Boden, verprügelten und knebelten ihn und raubten ihm Uhr mit Kette und 32 Mk. Bargeld. Der Monteur hat ziemlich starke Verletzungen davongetragen. Er war in der Lage, seine Angreifer so genau zu beschreiben, daß sie sämtliche verhaftet werden konnten.
ff BWeraich, 4. Sept., (Eine billige Sau.) Einen bösen Reinfall erlitt heute ein Bauer aus Langenschemmern auf dem hiesigen Schweinemarkt. Mit schmunzelnder Miene, in Gedanken an den winkenden „klingenden" Ertrag trieb er eine feiste Sau aus den Markt. Als ihn dort ein Schweinehändler aus dem Oberamt Ehingen nach dem Preis der Sau fragte, glaubte unser Bauer ein Bombengeschäft zu machen und bot dem Händler seine Sau um „einhalb Pfund Nickel" an. Rasch schlug dieser ein und das Geschäft wurde abgemacht. Doch- mit welcher Enttäuschung für unfern Bauern! 63 Nickelstücke gingen auf einhalb Pfund Gewicht. Also für 6,30 Mark mußte er seine „klingenden" Hoffnungen befriedigt sehen.
st Kcmzach, 4. Sept. Heute nacht kam in dem Anwesen des Sägmühlenbesitzers Karl Blank Feuer zum Ausbruch, das rasch an Ausdehnung gewann. Die Feuerwehren von hier und Dürmentingen waren zur Stelle, konnten aber gegen das entfesselte Element nicht viel ausrichten. Das Wohnhaus mit Sagemühle und der halbe Holzplatz wurden ein Raub der Flammen.
Aus dem Gerichtssaal.
st' Ulm, 4. Sept. Das Kriegsgericht verurteilte in nichtöffentlicher Sitzung den Hauptmann Gras v. Boullion der 4. Komp. Gren.-Reg. 123 wegen Mißbrauchs der Dienstgewalt zu 5 Wochen Stubenarrest. Zur Verhandlung waren über 20 Zeugen geladen.
Aus dem Reiche.
st Frankfurt a. M., 4. Sept. Wie die Deutsche Luftschissahrts-Aktien-Gesellschaft mitteilt, wird das Luftschiff „Viktoria Puise", das sich z. Zt. in Baden-Baden befindet, an Stelle der beschädigten „Hansa" die geplante Reise nach Kopenhagen ausführen. Zu diesem Zweck wird das Luftschiff am kommenden Freitag früh in Baden-Baden zur Fahrt nach Hamburg aufsteigen, von wo es am Sonntag früh die Reise nach Kopenhagen antreten wird. Die Rückfahrt von dort wird an demselben Tage erfolgen. Am 10. Sept. wird die „Viktoria Luise" in Baden-Baden zurückerwartet. Wie verlautet, wird Graf Zeppelin an der Fahrt teil- nechmen.
* Dortmund, 4. Sept. Traubs Freunde brachten ein Jahresgehalt auf, das ihm zur Verfügung gestellt werden soll.
„Bitte, richten Sie auch Herrn Balthasar meinen schönsten Dank aus für das delikate Frühstück."
Binchen folgte nun ihrem Begleiter durch die verschlungenen Waldpfade. Bald dachte sie an die Zukunft, an die neuen Verhältnisse, in die sie treten würde, bald schweiften ihre Gedanken zurück zu den Ereignissen der letzten vierundzwanzig Stunden. ' '
Endlich lichtete sich der Wald.
„Das ist das Schloß Liechtenberg," sagte Hermann.
Man sah ein ziemlich großes Gebäude mit mehreren Türmchen, von einer Mauer und einem breiten, morastigen Graben umgeben. Sie mußten um das halbe Schloß herumgehen, um zu dem Torweg zu gelangen. Die Brücke, die über den Graben führte, war verwahrlost, das eiserne Gittertor, über und über mit Rost überzogen, hing schief in seinen Angeln und stand offen.
Sie betraten den inneren Hofraum. Auch hier zeigten sich überall die Spuren der Vernachlässigung. Der Hof war nicht gereinigt, zwischen den Steinen wucherte stellenweise Gras und Unkraut. Die meisten Fensterläden des hohen Gebäudes waren geschloffen, still und tot lag das ganze Schloß da, einen ungünstigen, fast beängstigenden Eindruck erweckend.
Endlich bemerkten sie einen Knecht, der schläfrig an einer Stalltür der Nebengebäude lehnte. Binchen ging zu ihm und sagte, sie wünschte den Schloßherrn zu sprechen, er möchte ihre Ankunft melden. Mit blödem, feindseligem Gesichtsausdruck schaute der Mensch das Mädchen an, dann brummte er etwas Unverständliches vor sich hin, änderte seine Stellung und ging endlich auf die Haupttreppe zu, die ins Schloß führte.
Binchen ließ ihr Gepäck aus diese Treppe abladen, gab Hermann einen angemessenen Lohn und trug ihm nochmals herzliche Grüße an seinen Vater und schönen Dank an Herrn Balthasar auf. Hermann versprach, die Grüße auszurichten und entfernte sich dann mit offenbarer Eile. Sie überlegte
Der Lotterievertrag mit Preußen augenommeu.
ff München, 4. Sept. Die Kammer der Reichsräte genehmigte die neue, von der Kammer der Abgeordneten bereits angenommene Lokalbahnvorlage mit einem Gesamtaufwand von 8 Millionen Mark und begann darauf die Beratung über den Lotterievertrag mit Preußen. Berichterstatter war Graf Crailsheim. Bekanntlich hatte die Kammer der Abgeordneten den Lotterievertrag mit Preußen abgelehnt und der Regierung empfohlen, eine eigene bayrische Klassenlotterie einzurichten. Im Ausschuß der Kammer der Reichsräte wurde jedoch der Vertrag niit Preußen genehmigt. Der Berichterstatter ersuchte das Plenum, dem Beschluß des Ausschusses beizutreten. Auch der Finanzminister trat nochmals für die Vorlage ein und befürwortete sie aus finanziellen Gründen. Darauf sprach Reichsrat von Schanz gegen die Vorlage. Ministerpräsident Frhr. von Hertling würdigte hierauf in eingehender Weise die politische Seite der Vorlage wst auch die finanziellen Gründe, die für ihre Annahme sprächen. Die Vorlage wurde sodann mit allen gegen 3 Stimmen angenommen. Die anwesenden Prinzen des kgl. Hauses hatten ebenfalls für die Annahme gestimmt.
Ausländisches.
* Bregenz, 4. Sepft In Vorarlberg ist teilweise Hochwasser eingetreten. Die Bregenzerwaldbahn mußte wegen Erdrutschungen ihren Betrieb einstellen.
ff Innsbruck, 4. Sept. Ingenieur Krieger aus Nürnberg ist in den Dolomiten abgestürzt. Die zerschmetterte Leiche ist geborgen worden und wird nach Nürnberg übergeführt.
st Wien, 4. Sept. Heute vormittag fand im Sitzungssaal im Abgeordnetenhaus in Anwesenheit des deutschen Geschäftsträgers, Prinzen von Stol- berg Weringerode, des Justizministeriums und des Unterrichtsministers, sowie der Spitzen der Zivilbehörden die feierliche Eröffnung des 31. Großdeutschen Juristentages statt. Die Teilnahme ist überaus groß.
st Budapest, 4. Sept. Im Militärlager von Oerkeny, wo gegenwärtig Artillerieübungen stattfinden, ereignete sich beim Aufstieg eines Ballons ein schwerer Unfall. Bei den Vorbereitungen zum Aufstieg wurden die Sicherheitsstricke des Ballons des starken Windes wegen von mehr als 100 Artilleristen gehalten. Nachdem Oberleutnant Nietsch- dörfer den Korb bestiegen hatte, entriß ein Windstoß den Ballon. Die Soldaten ließen in einem Meter Höhe die Stricke los, drei Artilleristen jedoch, die dazu nicht mehr imstande waren, wurden mit empor gerissen unjd stürzten a tks einer Höhe von über 100 Mets er ab. Sie waren sofort tot. Oberleutnant Nietschdörfer landete glatt und unversehrt bei Lajos-Mizse.
* Petersburg, 3. Sept. Der untergegangene Dampfer „Kursk" sollte das von Frankreich gestiftete Denkmal für das Schlachtfeld von Boroll i n o hierherbringen. Das Denkmal und der Bildhauer Besenval sind untergegangen. Die französische Militärmission, die das Denkmal übergeben sollte, traf heute früh hier ein.
* Newyork, 3. Sept. Präsident Taft dürste Englands Verlangen, die P a n a m a k a!n a l-Affäre dem Schiedsgericht im Haag zu überweisen, ablehnen, da es die Küstenfahrt, .also eine rein amerikanische Angelegenheit, betreffe.
nun, ob sie noch länger hier warten oder selbst ins Haus gehen sollte. Da erschien endlich der Knecht wieder in Begleitung einer weiblichen Person. Er deutete auf Binchen und sagte kurz „das ist sie," worauf er sich wieder stumpfsinnig an die Stalltür lehnte.
Von der Person, die nun oben auf der Treppe stand, war nicht leicht zu sagen, ob sie Frau oder Mädchen war. Auch über ihr Alter konnte man in Ungewißheit sein. Ihre Körperformen waren stattlich, und man hätte sie vielleicht schön nennen können, wenn nicht ein boshafter, häßlicher Zug ihr den Stempel übergroßer Sinnlichkeit und Gemeinheit aufgedrückt hätte. Auch in dem unstäten Auge lag ein häßliches Flimmern von Falschheit und Tücke. Sie betrachtete Binchen eingehend, und ein Gefühl des Hasses beschlich sie, da sie deren anmutigen Liebreiz gewahrte.
Binchen war diese stumme Musterung peinlich. Sie brach daher zuerst das Schweigen.
„Kanu ich Herrn Schloßbesitzer Wolny sprechen?"
„Sie find wohl das neue Kinderfräulein, Mamsell Luy, )as wir gestern vergebens erwarten mußten?"
„Ja, ich heiße Binchen Luy. Mein Kutscher verirrte sich zesteru auf der Fahrt von Krumlov hierher im Walde. Deshalb konnte ich mich erst heute durch den Sohn des alten Fried- lieb hierher führen lassen."
In diesem Augenblick öffnete sich wieder die Tür und ein Herr trat heraus. Seine Kleidung war zwar elegant, aber aachlässig. Auch sein Gesicht hätte einigermaßen schön genannt werden können, wenn es nicht durch einen sinnlich rohen Zug entstellt worden wäre. Vor seinem scharfen, niedrige Leidenschaften verratenden Blick schlug Binchen die Augen nieder.
„Mit wem reden Sie da, Mamsell Koristka? Ist das vielleicht das erwartete Fräulein Luy?"
„Ja," antwortete diese schneidend, „das ist sie. Sie kommt ;ben aus dem Walde, in dem sich angeblich ihr Kutscher aus