Lndwigsbrrrg, ö. Jul-. D -:s denachbarte Bei- hingen o. N. war gestern vormittag der Schau ^ pt'atz eines s ü r cd t e r ti ch ein Unglücks. In der Transsormatorenstation des Elektrizitätswer­kes Beihingen Pleidelsheim machte sich der 24jäh rige Hilfsmonteur Eugen Keller aus Pleidels­heim entgegen seiner Instruktion an der Stark- stromhochfpannuttg, trotzdem die Stromzuführung nicht unterbrochen war, zu schaffen und wurde getöt. Der Körper war gräßlich verbrannt. Bei dem Versuche, dem Verunglückten Hilfe zu bringen und den Strom auszuschalten, erlitt der ,82 Jahre alte Montage-Inspektor Kiivert aus Schönwald den Tod. Auch weitere Monteure gerieten in schwere Gefahr, kamen aber mit dem Schrecken davon. An Kispert wurden Wiederbelebungsver­suche gemacht, doch blieben sie erfolglos. In Bei- hinger? hat der traurige Vorfall eine große Auf­regung hervorgerufen. !

Tie Werkleitung gibt über das Unglück fol­gende Darstellung: Beim Ausbau eines Schalters in der Transformatorenstation Beihingen-Ort sind gestern vormittag der bei der Allgemeinen Elek­trizitäts-Gesellschaft, Bauabteilung Heilbronn, be­schäftigte Montage-Inspektor Kispert aus Schön­wald und der Monteur Keller aus Pleidelsheim tödlich verunglückt. Die Ursache des Unfalls ist auf eine Unvorsichtigkeit des Monteurs Keller zu- rückzusühren, der sich, entgegen den ausdrückli­chen Anweisungen, an den Hochspannungsapparaten beschäftigte, obgleich die Zuführungsleitung unter Spannung stand. Montageinspektor Kispert wollte den Monteur befreien und ist bei diesem Rettungs­versuch selbst tödlich verunglückt. Ein weiterer Monteur, der Kispert zur Hilfe eilen wollte, kam mit dem Schrecken davon.

Mühlacker, 5. Juli. In nächster Zeit er­richten die hiesigen Ziegelwerke ein großes Un- terkunfrshaus mit gemeinschaftlichen Wohnräumen für die ausländischen Arbeiter. Der Neubau wird mit ollen Einrichtungen der Neuzeit versehen sein, die für ein hygienisches Wohnen erforderlich sind. Auch das alte Arbeiterhaus wird einem Umbau unterzogen. Es soll u. a. ein Bad und ein großer Speisesaal eingerichtet werden. Man hofft dadurch, dem Ausbruch von epidemischen Krankheiten un­ter den ausländischen Arbeitern zu begegnen.

Zur Landtagswahl.

st Äirckheim u. T., 5. Juli. Forstmeister Weg­mann, dem die Konservativen und der Bauern­bund das Mandat für die Landtagswahl ange­tragen hatten, hat es abgelehnt. Dagegen wird der Abgeordnete Beurlen von der Volkspartei höchst­wahrscheinlich wieder als Kandidat auftreten.

Ncbergangsbestimmungen zur Reichsversicherungs- ordnung.

In einer soeben im Reichsgesetzblatt veröffent­lichten Bekanntmachung bestimmt der Bnndesrat folgendes: Für die Zeit, bis die Vorschriften des zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung in Kraft treten, kann die oberste Verwaltungsbehörde die Aufgaben, die auf dem Gebiete der Kranken­versicherung den unteren Verwaltungsbehörden und den Aufsichtsbehörden der Krankenkassen obliegen, den Vorsitzenden der Versichernngsämter übertra­gen. Die bei den unteren Verwaltungsbehörden und Aufsichtsbehörden schwebenden Angelegenhei­ten gehen dann in der Lage, in der sie sich befinden, auf die Vorsitzenden der Versichernngs­ämter über und sind von diesen zu erledigen^. Tie oberste Verwaltungsbehörde kann hierüber Nä­heres bestimmen. Die Beisitzer der bisher besteh­enden Schiedsgerichte sind als Beisitzer in den Oberversicherungsämtern so lange zuzuziehen, vis die auf Grund der M 71 ff. der Reichsversicher­ungsordnung gewählten Beisitzer ihr Amt antreten. Die oberste Verwaltungsbehörde kann hierüber gleichfalls Näheres bestimmen.

Aus dem Gerichtssaal.

! Rottwcil, 5. Juli. t e u s r d ? f r a u d a- tion.i Gestern wurde von der Strafkammer das Urteil gegen den Schuhfabrikanten W'.lhelm Kel­ler von Ebingen? wegen erheblicher Einkommen- steuerdefroudation verkündet. Keller, der gegen eine Strafverfügung der Steuerbehörde gerichtliche Entscheidung beantragt hatte, wurde zu tiner Geld­strafe in Höhe des achtfachen Betrags der hin terzogenen Steuer, nämlich zu 17524 Marc für den Staat und 8762 Mt. für die Stadt Ebingen verurteilt. Der Angeklagte hatte im Jahre Nb,>7 fein Einkommen, das rund 97 000 Mark betrug, nur mit 50 300 Mark satiert. Wegen fahrlässiger unrichliger Einkommenscmgabe pro 1908 wurde er außerdem zu !"0 Mark Geldstrafe verurteilt.

i Ravensburg, 5. Juli. Gestern saß der u8 Jahre alte ledige Dieustküecht Josef Birk von Hat- zenturn OA. Ravensburg eines Verbrechens des Totschlags angeklagt auf der Anklagebank vor dem Schwurgericht. Die Anklage legte ihm zur Last, er habe in der Nacht vom Pfingstmontag ans Dienstag, 24.-25. Mai ds. Js., zu Bcstensurt den

25 Jahre alten Hausknecht Otto Binser von Bu chenberg vorsätzlich jedoch ohne Ueberlegung getö­tet, indem er von seiner Schlafkammer aus auf den etwa 14 Meter entfernt auf der Straße da- vonfpringenden Binser auf die Gesiahr hin, ihn zu töten, aus seinem mit starken Schroten ge­ladenen Gewehr einen Schuß abfeuerte, dessen La­dung den Binser in den Kops traf und infolge von Blutergüssen ins Gehirn und Zertrümmerung der Gehirnsubstanz nach wenigen Stunden den Tod herbeiführte. Birk und Binser standen in Baien- surt in Dienst, ersterer bei einem Bauern, letzterer bei emem Metzger, sie standen gut miteinander, doch war in letzter Zeck das Verhältnis wegen Zuträgereien etwas gespannt. Birk begab sich am Psingstdienstag abend frühzeitig ins Bett, sein Schlafzimmer befand sich im ersten Stock im Hause seines Menstherrn. Ein Fenster der Schlafkarnmcr stand die Nacht über offen. Als Binser in der fraglichen Nacht zwischen 12 und 1 Uhr in ange­trunkenem Zustande nach Haufe ging, sagte er zu seinem Begleiter, jetzt wecke er den Sepp (An­geklagten) aus, und warf Sand und kleine .Kie­selsteine durch dessen Fenster. Trotzdem Birk, der infolge der Ruhestörung erwacht war, drohte, er schieße jetzt, warf Binser noch fünf Steine in die Kammer, wobei Birk ins Gesicht getroffen wurde. Im Aerger hierüber griff er zum Gewehr und gab auf den davonspringenden Binser den verhängnis­vollen Schuß !ab. Binser brach auf der Stelle zusammen, und starb nach wenigen Stunden. Der Angeklagte machte geltend, er habe nur einen Schreckschuß abgegeben wollen, die Absicht, den Ruhestörer zu töten sei ihm fern gelegen. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten nur eines Vergehens der fahrlässigen Tötung schuldig. Das Urteil lautete demgemäß auf l Jahr Gesängnisl.

Nus dem Reichr.

Ein Lpionageprozeß.

Is Leipzig, 5. Juli. Im Spionageprozeß Eilers-Klink wurde heule nachmittag nach 4 Uhr das Urteil verkündet. Der Angeklagle Eilers wurde wegen versuchten Verbrechens gegen K 3 des Spionagegesetzes zu 4 Jahren Zuchthaus, 6 Jahren Ehrverlust und Siellung unier Polizeiaufsicht, unter Anrechnung von 5 Atonalen Untersuchungshaft, verurteilt. Die Mitangeklagte Klink wurde wegen Unterlassung einer Anzeige gegen Eilers zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt, welche als durch die Untersuchungshaft für verbüßt erachtet werden. Eilers hatte auf Helgoland einen Fremden kennen gelernt, dem er versprochen hatte, geheim zu haltende Sachen zu übermitteln. Nach längerer Korrespondenz hatte er zwei Zeichnungen aus Helgoland angefertigl und wollte sie dem Fremden übergeben, worauf er 100 Mk. erhalten sollte. Er wurde aber in Berlin vorher seftgenommen. Die Zeichnun­gen halte er in der Wohnung der Mutter seiner Braut auf­bewahrt, wovon seine Braut Kenntnis hatte, es aber unter­ließ, Anzeige zu erstatten.

Ausländisches.

Ter italieiris chckürkif che Krie!g.

js Konstantinopel, 5. Juli. Nach Meldungen, welche im Kriegsministerium eingeirosfen sind, hat am 27. Juni ein Kampf zwischen türkischen Truppen und Anhängern des Said Jüris statlgefunden, wobei d:e Türken 2 Kanonen der Gegner unbrauchbar machten und die Gegner in die Flucht schlugen.

_8'DieZZa-eikaifer-Zusarrruienkrmft.

jj Baltischport, 5. Juli. Um 10 Uhr vormittags lan­dete die Dampspmasse. Kaiser Wilhelm in der Uniform des Regiments Wiborg mit dem Andreasordcn und Kaiser Niko­laus in russischer Uniform mit dem Schwarzen Aolerorden wurden vom Gouverneur und dem Hässliches empfangen. Die Majestäten schritten unter den Klängen der deutschen Hymne die Front der Ehrenwache ab und nahmen ihren Vorbeimarsch entgegen. Sodann begaben sich die Majestäten zu Fuß nach dem Paradefeld. Nach Abschreilen der Fronten folgte die Besichtigung des Regiments Wiborg, die im Exer­zieren einer Kompagnie und eines Bataillons, sowie einem zweimaligen Vorbeimarsch des Regiments bestand. Kaiser Wilhelm dankte den russischen Truppen in russischer Sprache. Darauf brachte Kaiser Nikolaus ein Hurra auf Kaiser Wil­helm aus, dann Kaiser Wilhelm ein Hurra aus Kaiser Niko­laus. Dieser dankte den Truppen. Kaiser Wilhelm besich­tigte die Fahne und sprach mit den Georgrittern. Die Majestäten und Großsürst Nikolaus ließen sich gemeinsam mit dem Regiment photographieren und kehrten daun unter den Hurrarufen der Truppen und des Publikums zurück. Aus vern Rückweg besichtigten sie die Festungswälle. Gegen 10.30 Uhr begaben sich Kaiser Wilhelm, Kaiser Nikolaus, der Reichskanzler, Prinz Adalbert und die Umgebung aus den Standard, wo Frühstückstafel stattsand.

jj Baltischport, ö. Juli. Kaiser Wilhelm war von dem glänzenden Verlaus der Regimentsbesichligung sehr befriedigt. Er hat viele Offiziere und zahlreiche mit dem Georgskreuz dekorierte Angehörige des Regiments angesprochen. Nach der Besichtigung unternahmen die Majestäten einen längeren Gang zu den aus der Zeit Peters des Großen stammenden Befestigungswelken. Während dieses Rundgangs wurde das schon erwähnte Gruppenbild, das Kaiser Wilhelm im Kreise seines Regiments zeigt, ausgenommen.

Uaaterrstaud irr Württemberg zu Anfang Juli.

Nach den Mitteilungen des Statistischen Landesamts waren Winterweizen, Winterdinkel und Winlerroggen gut, Sommergerste gut, Sommerweizen und Sommerroggen an­nähernd gut, Haber annähernd mittel, Kartoffel gut, Hopfen gut bis mittel. Wiesen gut, Luzerne gut bis mittel, Klee gut bis mittel mit Annäherung an mittel. Aepfel und Birnen mittel, Weinberge gut bis mittel mit Annäherung an mittel. Die Wintergetreidefrüchte stehen recht befriedigend und ver­sprachen einen guten Ertrag, doch haben sich infolge der häufigen Gewitterregen die Früchte, namentlich Dinkel und Weizen, da und dort gelagert. Mit der Ernte des Winter­roggens wird in den milderen Gegenden in Bälde begonnen werden. Auch das Sommergetreide zeigt einen guten Stand, mit einziger Ausnahme des Habers. Fast aus sämtlichen Bezirken des Landes wird berichtet, daß zwar nicht alle, aber doch viele Haberbestände durch starkes Auftreten der Fritsliege und von Drahtwürmern sehr notleiden, so daß be­reits manche Haberfelder abgemäht werden mußten. Im Durchschnitt des Landes wird jedenfalls die Haberernte Heuer unter Mittel ausfallen. Die Kartoffeln stehen allenthalben recht schön, die Kartoffelkrankheit ist bis jetzt nur ganz ver­einzelt aufgetreten. Auch die sonstigen Hackfrüchte haben sich infolge der feuchtwarmen Witterung recht befriedigend ent­wickelt. Der Hopsen ist im allgemeinen gesund und bisher frei von Schädlingen. Die in der Hauptsache abgeschlossene Heuernte ist zwar durch Gewitterregen öfters unterbrochen, zumeist aber ordentlich unter Dach gebracht worden und hat nach Menge und Güte einen über Erwarten guten Ertrag geliefert. Nur vereinzelt wird berichtet, daß infolge Fehlens des Bodengrases der Ertrag, namentlich hinsichtlich der Qualität, zu wünschen übrig ließ. Auch der zweite Schnitt der Futterpflanzen schiebt recht schön nach. Nur der Klee zeigt stellenweise Lücken und manche Kleefelder mußten nach dem ersten Schnitt umgepflügt werden. Der Stand der Obstbäume ist sehr verschieden, die Aussichten sind teils bester, teils aber infolge starken Abfallens der Früchte schlechter ge­worden, auch werden die Obstbäume mancherorts stark von Raupen heimgcsucht. Doch steht im Durchschnitt des Landes in Aepfel und Birnen noch immer ein mittelguter Ertrag in Aussicht. Die Reben haben eine gute Blütezeit hinter sich. Im ganzen genommen lassen die Weinberge nach dem derzeitigen Stand im Durchschnitt des Landes einen mittel­guten Ertrag, d. i. einen sog. »halben Herbst* erhoffen.

Vermischtes.

8 Eia Beispiel ersetzt hundert Befehle. In der »Zeü- schrifk für Jugenderziehung" erzählt ein Lehrer folgendes hübsche Geschichtchen aus seiner Praxis: Schon eine Woche dauerle der Kampf, den ich mit meiner kürzlich übernommenen Klasse führte, und noch war ich nicht endgültig Sieger ge­worden. Es handelte sich eigentlich um eine Kleinigkeir, und doch war der passive und aktive Widerstand von Seiten der Schüler ein sehr heftiger. Ich verlangte nach der ersten Lektion, daß sie während des mündlichen Unter­richtes mit auf der Brust gekreuzten Armen dasitzen müßten. Diese auf der Sekundarschulstufe vielleicht etwas pedantische Verhaltungsvorschrift war in diesem besondern Falle sehr be­rechtigt, denn die Kinder waren ausnahmslos von einer beinahe krankhaften Aufgeregtheit. Beine, Arme, Finger und Kops waren unausgesetzt in Tätigkeit, so daß von einer kon­zentrierten Arbeit keine Rede sein konnte. Um, ohne viele Worte zu verlieren, die Kinder an die Haltung zu gewöhnen, wie ich sie im Interesse eines ungestörten Unterrichts sowohl als der Selbstdisziplin des Schülers verlange, stelle ich mich während des Vortrages oder der Repetitionen selber immer mit gekreuzten Armen vor die Klaffe; die Stellung hat den großen Vorteil, daß der Lehrer durch sein Vorbild jeden einzelnen Schüler, der sich etwa vergessen will, daran er­innert, daß diese Körperhaltung nicht nur gewünscht wird, sondern daß sie vom Lehrer vorgemacht wird. In diesem Falle wirkte das gute Beispiel nicht; daß ich an die Willens­kraft appellierte, hals auch nur bei Vereinzelten. Dieser Appell zeitigte gute Vorsätze, ohne Früchte zu reifen; Straf­predigten verfehlten ihre Wirkung für eine Stunde nicht; aber zur dauernden Bildung einer festen, guten und ruhigen Haltung reichten sie nicht aus. Der mir ganz ungewohnte Mißerfolg reizte mich doch etwas-Na, ich dächte, was ich mache, das dürstet ihr schon auch tun!" sage ich am zweiten Diontag, als gegen Schluß der Stunde, während ich in mustergültiger Stellung vor meiner Klaffe gestanden, wieder ein Knabe »Klavier spielt", der andere Kügelchen dreht, ein anderer mit den Füßen baumelt, ein Mädchen die Zopfmasche ausplätlet und die Nachbarin auf dem Buck- umschlag herumkritzelt. »Langweilt ihr euch denn?" »0 nein, im Gegenteil, die Stunden lind immer zu rasch vor­bei!" tönt es von allen Seiten. »Aber warum sitzt ihr dann nicht ruhig?" »Ach wir denken gar nicht daran, daß wir unruhig sind." »Habt ihr euch nicht alle vor­genommen, daß ihr euch zwingen wollt, euren Willen zu üben und als erste und leichteste Willensbildungsübung die korrekte Körperhaltung gewählt habt? Wer täglich gute Vorsätze faßt, ohne sie in Taten umzusetzen, ist ein willens­schwacher Mensch. Wir können unsere Willensstärke da am besten erproben, wo es gilt gewaltsam gegen eine alte Gewohnheit anzukämpfen und sie zu verdrängen. Ich muß meinen Willen täglich in gar manchen Fällen anspornen. Damil ihr aber seht, daß man alles kann, was man sich ernstlich vornimmt, erlaube ich euch, daß ihr mir auch ein Gebot oder Verbot geben dürft, ich werde mich daran halten, als ob ihr meine Lehrer wäret. Wer in dieser Woche eine üble Gewohnheit an mir bemerkt hat, der darf es sagen, und ich werde sie mir von heute auf morgen abgewöhneu, weil ich will, und ihr dürft mich daran erinnern, wenn ich es ver-