Deutscher Reichstag.

Berlin, 22. April,

Die Wehr- und Deckungsvorlagen.

Am Bundesratstisch: der Reichskanzler., die SieatSsetcetäre Kühn, v, Tirpiz und Listö, sowie der Kriegsminister v. Heeringen und viele Bun desralsbevollmächtigte. Hans und Tribünen sind gu! besucht. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sit zimg um 2.2>I Uhr. Das Haus tritt in die erste Beratung der Wehr und Deckiingsvorlageii ein. Rciihskaiiztter v. Be! hm anHoll weg: Die Vortagen sind nicht eingebracht im Hrnblick auf eine unmittelbar drohende Gefahr. In der äugen blrcklichen cnrop. Situation liegt für uns lein Grund zur Beunruhigung vor. Trotzdem wäre es gewissen los, unsere Rüstungen nicht unseren Mitteln und nu screr Kraft entsprechend dauernd instand zu hatten. Auch die Nation ist dieser Ansicht. Dafür zeugen vielfach Stimmen ans dein Botte selbst stir die Verstärkung und Bervolttommnung unterer Muht mittel. Deutschland ist kriegsbereit, wenn der Krieg ihm ausgezwungen wird: Händel such, es nicht. Wir brauchen unsere starke Rüstung nicht allein zur Abtvehr eines möglichen Angriffes, sondern auch zur Wahrung unserer Stellung. Ich habe die lieber zeugung, und alle anderen Anzeichen sprechen da für. daß keine der Regierungen der Großmächte einen Konflikt mit uns wünscht oder herdeizusiih ren sucht. Aber die Regierungen eritschet den nicht allein über K r i e g u n d F r i ech en. Nach unserer Wehrkraft bemißt man unseren Wert als Freund und Bundesgenossen, unsere Bedeutung als eventuellen Gegner: das Gewicht, unseres Schwertes in den internationalen Fragen, die uns berühren, die Rücksicht, die andere auf unsere In tcressen nehmen. Alle Mächte ringsum verfahren nach demselben Grundsatz. Ich würde es als unrich tig ansehen, wenn ich irr, Interesse der Borlagen, den nahen Krieg an di? Wand malen wollte. Und such Sie werden dem Lande einen Dienst erwei sen. wenn Sie das Notwendige nicht irr. Gefühl' erregter Befürchtungen, sondern in Ruhe und Ernst der Entschließung gewähren. Bravo rechts. >

Was die D ectu n g s f r a g e n anlangt, so dür sen wir ebensowenig von den Grundsätzen einer gesunden Finanzpolitik abweichen, wie wir von den ! -notwendigen Ausgaben für unsere militärische Si cherheir abgehen können. Keine Armee kann ohne die Lückendeckung guter Finanzen agieren. Aber zu­gleich sind für eine starke Wehrmacht das beste Fundament gute Finanzen. (Sehr richtig rechts. Mit Unrecht hat man der vorliegenden Denkschrift Mangel an Solidität vvrgeworfen. Natürlich wohnt allen eventuellen Zukunftsschätznngeu eine gewisse Unsicherheit i nne, aber es scheint, als ob die mm serem Finanzplan gemachten Vorwürfe nicht aus schließlich politische Erwägungen zur Grundlage ha ben. Sehr richtig rechts. Wir haben daraus v er­dichtet, die Erbschaftssteuer eirrznbrin gen, weil wir überzeugt sind, ohne spie aus kommen z-u können, Zuruf links:Wie lange? und weil wir mit der Einbringung der Erb schaslsstener die Kluft unter den bürgerlichen Par­teien erweitern, uns aber die eventuelle Deckung für die Wehrvorlagen nicht gesichert statten. Man hat mir vorgeworfen, daß ich die weitvvrgestreckie Hand der Sozialdemokratie zurückgestoßen habe. Aber wo ist. diese Hand? Ist sie bereit, die Wehrvorlagen zu geben ? (Zuruf bei den Soz.: Nein'. Bei den Wehrvorlagen ist eine möglichst große Einmütigkeit der Volksvertretung erforderlich. Ich kann des ! halb die Linke nur bitten, die vorgeschlagene Auf i Hebung der sogenanntenLiebesg a b e " nicht dar­unter leiden lassen, daß die verlangte Erbanfall- steucr nicht gebracht werden muß. (Heiterkeit. Sie selbst nach links haben dieLiebesgabe" Jahr­zehnte lang bekämpft. Die Genehmigung der Vor ! schlage der verbündeten Regierungen sind im In lercsie unserer Wehrhaftigkeit stets ein Erforder­nis, das hoch über den Kämpfen der Parteien steht. Nichts wird verlangt, was nicht zum Ausbau un serer Wehrorganisation erforderlich wäre. Keine An spräche an die Opferwilligkeit der Nation werden gemach-, die an das Maß dessen auch nur heran reichen, was andere Völler für ihre Wehrhaftigkeit aufwenden. Neue Macht und Stärke soll dem deut schen Reich aus den Vorlagen erwachsen. Aber­schon vorher sollte die schnelle und möglichst ein müüge Annahme dieser Gesetze zur Erhöhung des Ansehens and der Machtstellung des Reiches dienen. (Bravo rechts. I ch b i n gewiß, daß bei Ihren En ts ch ließ ung en d e r Ein h e i ts g ed a n ke und die einsichtsvolle Vaterlandsliebe der Nation das entscheiden? Wo Dl sprechen wird. Lebhaftes Bravo rechtst

Kriegsmi n(i st ervvnH e e ringen: Wie die .früher vorgelegten Präsenzgesetze soll auch das jetzt vorliegende einen allmählichen Ausbau des denk scheu -Heeres bezwecken, doch sollen die dringendsten Schäden, die sich gezeigt haben, nach und nach .behoben werden. Soll durch die vorliegenden Ent -wirse eine größere Schlagferiigkeit geschaffen wer­

den, so muß das schnell geschehen. Die 'Armee und die Armeekorps müssen schon im Frieden vollstän big fest gebildet sein, wenn sie vor dem Feind bestehen sollen. Hand in Hand mit der Verstärkung der Korps geht die Vermehrung des Beurlaubten stand es. Für die Funkenlelegraphie und das Flug wesen sind Verstärkungen des Personals vorgesehen, ferner eine Vermehrung der Generalstabsosfiziere und der Hauptleute. "Auch die Verjüngung des Os sizicrtorps ist im Auge behalten worden. Wir ha ben dos Vertrauen zu dem Reichstag, daß er seine Genehmigung unserer Forderungen nicht versagen wird.

Staatsse k r e tär des R e i ch s m ar ! ne amts von Tirpitz: Durch die neue Flottenvor­lage soll das bisherige Flvttenprogramm nicht be rührt werden. Zwei Mißstände haben sich ans unserer Flotte herausgestellt: Die Entlassung der Reservi­sten im Herbst nimm! unserer Flotte einen Teil ihrer Schlo.gsertigkcit. Solange unsere Marine op ring war, war die Beseitigung dieses Mißstandes nicht so dringend. Jetzt aber ist Abhilfe dringend notwendig. Der zweite Mißstand liegt in dem ge­ringen Verhältnis unserer sofort verwendbaren Hilfsstreiiträfte zu der Gesamtstärte unserer Flotte. Dies kommt zum Teil von den gewaltigen Neue­rungen des letzten Jahrzehnts in Marine und Ar tilleriewefen. Unsere Reserveformarionen 'ind jetzt im Mobilmachungsfalt erst später schlagfertig als wir früher berechnet hakten. Wir mußten aller­dings .im Interesse unserer Finanzen manche Wünsche zurückstellen, nur uni eine Vermehrung unserer so fort verwendbaren Streitkräste zu erreichen. Es ist beabsichtigt, den Ban von drei großen und zwei kleinen Schiffen, die Indienststellung von 6 großen tind 9 kleinen Schissen, die Vermehrung des Per sonals zu dieser Indienststellung. Die Kosten sollen sich aus mehrere Jahre verteilen. Sie sind nicht besonders groß. (Zuruf links: Na, es geht. Sie sind si« den engsten Grenzen gehalten. (Bravo rechts:

Staats s e kJ-? t ä r K ü h n: Wir dürfen den Weg einer gesunden Finanzwinschast nicht verlas­sen. Neue Steuern sollen nicht unnötig und nicht ans Vorrat eingesührt werden. -Lachen links.-. Cs ist ein eigenartiges Schauspiel, daß eine große Gruppe des Volkes, die sich durch Abneigung ge­gen das Steuerzahlen auszeichnet (Heiterkeit-, jetzt die Erbschaftssteuer mit altem Nachdruck verlangt. Sie wird kommen, aber heute kann sie nicht kom­men. Ich bin nie ein prinzipieller Gegner der Erb­schaftssteuer gewesen und die. Regierung hat zweimal einen solchen Entwurf eingebracht. Wie sollte sie also ein prinzipieller Gegner der Erbschaftssteuer sein. (Heiterkeit und Unruhe.i Eine derartige Steuer ist nur berechtigt, wenn große Maßnahmen zu tref­fen sind, die ohne -den Ertrag dieser Steuer nicht ver­wirklicht werden können, augenblicklich brauchen wir aber nur eine mäßige Deckung. Wir dürfen die Landwirtschaft aus die Dauer nicht schädigen. Des­halb beschränken wir uns daraus, das Kontingent außerhalb der Reservaisstaaten zu beseitigen, in i rer halb dieser aber nur etmak zu reduzieren. Wir sind mH den finanziellen Forderungen bis zur äußer sten Grenze herabgegangen. Dies haben wir getan in dem vollen Bewußtsein, daß wir die Steuer- kraft des Volkes schonen müssen, nicht nur in Bezug ans die Erbschaftssteuer. Wir (halten die Schonung für notwendig aus. wirtschaftlichen nirb politischen Gründen. Eine Reserve muß da sein für "eine Na­tion, die wie die unsrige stets gegen die Gefähr eines Angriffskrieges gerüstet sein muß. Eine solche Nation muß ihr Pulver trocken und ihre Einnahme quellen flüssig halten. (Beifall, -

Hesse Soz.-: Nach den heutigen Anssüh rnngen haben wir >ehr bald wieder mit einer neuen Heercsvorlage zu rechnen. Niemand von uns denkt daran, Deutschland wehrlos zu machen, wir treten aber den Eroberungsgelüsten mit allem Nachdruck entgegen. Eine demokratisch organisierte Bolkswehr ist das beste Schutzmittel gegen Uebersätte ans un sere kulturellen Werte. Unser Vorgehen in der ftungssrage gibt das Signal zu weitere Rüstungen. Unser Reich ist mächtig genug, um auch in der Ab rüstungssrage voranzngehen, ohne den Anschein der -schwäche zu erregen. Die Ausbesserung der Mann schaslslöhne hätte wenigstens gleichzeitig mit die ser Vorlage erfolgen sollen. Wir bekämpfen eine Politik der Gewalt und der Bedrückung. Wir wollen eine friedliche Völkerverbrüderung. Spahn -Ztr. : Jeder von uns wird sich die Frage vorlegen müs­sen, ob ein Bedürfnis für diese Vorlage oorhan den ist. Die Entwickelung unserer Zeit und der ita lienisch türkische Krieg beweisen, daß keine Frist mehr zwischen der Rüstung und dem Angriff liegeil wird. Unsere Aufwendung von 180 Millionen für unsere Wehrmacht wäre nutzlos, wenn wir im Falke eines Krieges nicht sofort schlagfertig daftehen würden. Wir sehen, daß die uns benachbarten Nationen» ihre Organisation vervollkommnen. Da dürfen wir nicht die Opfer scheuen, um diesem Vorgehen zu begegnen. Wir müssen uns darüber verständigen, daß die Maunschastslöhne nicht erst vom nächsten Etat, sondern schon vom l. Oktober ab erhöht wer­den. Einstimmig sind wir einig darin, daß das

gegeben werden muß, was notwendig ist zur Ver­teidigung unseres Vaterlandes. Tatsache ist, daß un sere Reserveslotte für die ersten Angriffe nicht ver­wendbar ist im Gegensatz zu der englischen Reserve flotte. Eine Vermehrung unserer Flotte und damit eine Verstärkung unserer Mariuepecsonals ist da­her unvermeidlich. Wir wünschen, daß diese Vor­lage nicht zu einer neuen Bi-anntweinsteuergesetz gebung führt. Die Erbschaftssteuer müssen wir un rer allen Umständen ciblehuen. Hoffentlich gelingt es in der Kommission, auch hinsichtlich der Del knngsfcage eine Einigung zu erzielen. Abg. Her­zog (Wirtsch. Vgg. : Wir unterstreichen die Worte des Reichskanzlers, daß aus allen Kreisen der Rur nach einer Revision unserer Wehrmacht kommt, aus Kreisen, die mit Besorgnis die Energie betrach­ten, mit der andere Staaten und Völker ihre Wehr­macht verbessern. (Beifall. Daraus wird die Wer terberatung aus morgen Nachmittag l Uhr vertagt. Schluß halb 7 Uhr.

23 April.

* Ucbirlragsn wurde die erledigte Stelle eines

Siaatsstraßenuieisters mit dem Amtssitz in Nagold dem StnatZstraßemneister Bernhardt in Obern­dorf. t

* Die Maut- und Maucuseuch-r ist weiter in Wart und Wildberg ausgebrocheu,.

* Cbhnusen, 82. April. Am letzten Mittwoch, konnte das Richtfest für das hiesige Gemeinde h a. ns gehalten werden. Das stattliche Gebäude macht in einer erhöhten, freien Lage, auf der Anhöhe beim Gasth. z Waldhorn, einen guten Eindruck.

st Neuenbürg, 22. April. (Vom Auto übersah reu. Aus der Wildbaderstraße gegen Pforzheim zu wurde am 2l. ds. kurz nach Mitternacht von Lein Pforzheimer Chauffeur Richard Bornemann e in un­bekannter Mann tot gefahren. Der Unbe kannte scheint Gipser öder Maurer gewesen zu sein. Er ist ca. 40 Jahre alt und blond, !,70 Mir. groß. Das Auto war nicht zu schnell gefahren, aber der Mann war über die Straße gesprungen. Das Auto führte ein altes Ehepaar von einer Hochzeit in Birkenseld nach Hanse.

!(Bondorf, OU Herrenberg, 22. April.. Der von hier gebürtige 60 Jahre alte Heizer Jakob Wer irrer kam in einer Ziegelei in Böblingen der Trans Mission zu nahe, wobei ihm die Kleider und ein Arm vollständig vom Leib gerissen wurden. Sein Zustand ist bedenklich, aber bis jetzt nicht lebens gefährlich. i

st Rottcuburg, 22. April. Der Liederkranz feierte gestern unter zahlreicher Beteiligung sein 90. Stiftungsfest mit einem Festkonzert unter Leitung des Kapellmeisters Schneckenburger.

st Reutlingen, 22. April. Nervöse Ueberreizung infolge geschäftlicher Schwierigkeiten drückten dem hiesigen Maschinensabrikanten W. L. den Revolver än die Hand. Nachdem er gestern abend seine Fa milienangehörigen zu einem Spaziergang, ermun­tert hatte und diese die Wohnung verlassen hatten, schoß er sich eine Kugel in die Brust Lebens gefährlich verletzt wurde er ins Bezirkskrankenhaus verbracht. Der Spinnereidirektor Richard Ammer in Mühlhansen a. N., ein Sohn des hiesigen Leder sabritäuien Ernst Ammer, lauste die Metallgießerei des lürzlich verstorbenen Fabrikanten Alfred Wagner sonn Villa in der Kaiserstraße um 169 000 Mark.

Stuttgart, 29. April. P. le Seur-Berlin, des sen letztjährige Vorträge in bester Erinnerung stehen, spricht am.24. Avril bis 2. Mai in Stuttgart im Zirkusgebäude am 'Marienplatz überHülse für Zweifler",der Grundstein des Christenglaubens", das neue Leben,"die Gefahr der Kirche", . ,Un erbittliche Forderungen" undGerichtsgedanken". Die Vorträge beschließen mit zwei großen Son derversammlungen für Frauen und Männer.

( Stuttgart, 22. April. Bekanntlich ist zu Gun sten desReformÄstionsjubilämns > 917" eine Spende eingeleilet worden. Sie hat bereits eine Höhe von ca. 120 000 Mark erreicht. Württemberg ist an die­ser Summe mit rund 6500 Mark beteiligt.

st Cannstatt, 22. April. Am Freitag nachmittag entgleisten aus der Verbindungsbahn von Fell'bach nach Unlertürkheim in nächster Nähe des Kranken Hauses von einem abwärts fahrenden Güterzug die vor dein Schlußwagen lausenden vier Wagen. Dias Gleis Cannstatt-Fellbach war mehrere Stunden ge sperrt und der Betrieb wurde eingleisig weiterge­führt, was bei einzelnen Personenzügen Berspätuu gen zur Folge, hatte.

st Heilbronn, 22. April. Der Schmied Läm irrerer, der bekanntlich von seiner Frau beschul digt wurde, sie ans dem Fenster des 3. Stocks auf die Straße geworfen zu haben, ist aus der Untersuchungshllfi entlassen worden. Er bestreitet auch jetzt noch die Tat. Die Verhandlung vor der hiesigen Strafkammer wird in nächster Zeit statt finden.