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1877.

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Wochen-Rundlchau.

Zur Wlchtbewegmrg in Württemberg.

Nachdent kürzlich die Stuttgarter Nationnllibe roten, unterstützt von der Volkspartei. nrit der Auf­stellung der Kandidatur Ntülberger den Wahlkampf im t. würtlembergischen Wahlkreis eröffnet haben, hat die Sozialdemokratie nunmehr gezeigt, wie sie den Kampf zu führen gedenkt. Was die Radikalen am vorigen Montag in einer Versammlung der neugegründeten Ortsgruppe des Reichsverbands ge­gen die Sozialdemokratie an Rüpelhaftigkeit ge­leistet haben, das übersteige alles, was seit langem in der Stadt Stuttgart erlebt worden ist. In die ser Versammlung, zu der ausdrücklich nur national und monarchisch gesinnte Männer eingeladen wa reu, hielt der bekannte Reichstagsabgeordneke Gene ralleutnant z. D. u. Liebert einen Vortrag über das Themen Warum und wie bekämpfen wir die Sozialdemokratie? Der Redner, der durch sein Auf­treten bei früheren Anlässen einigermaßen in den Ruf eines Draufgängers gekommen ist, sprach dies­mal verhältnismäßig ruhig, ohne all zuviel Schär­fen, wenn er auch den ,,Sauherdenton" und den Terrorismus geißelte, der bei der äußersten Lin­ken herrscht. Nachdem er, häufig durch Zwischen rufe unterbrochen, zum Schluß gekommen war, be­gann die Debatte und damit auch ein Tumults, der nicht mehr schön war. Die Versammlung mußte frühzeitig geschlossen werden. Während düs Ver­halten der Sozialdemokratie alle besonneneren Ele­mente abstößt, macht im liberalen Lager die Eini­gung nicht bloß für die Reichstags-, sondern auch für die Landtagswahlen Fortschritte. Für die Ura- cher Wahl, die einen neuen Keil zwischen die beiden liberalen Parteien zu treiben drohte, ist nunmehr auch eine Verständigung ungebahnt, was im Hinblick ans die Folgen^ die der dortige Zwist auch für die Reichstagswahle>i hätte haben können, mit be­sonderer Freude zu begrüßen ist.

Wahlen im Reich.

Auch außerhalb Württembergs hat der Libera­lismus in der letzten Zeit sein? werbende Krafc er­wiesen. Das Reichstagsmandai von Konstanz ist in der Stichwahl dem Zentrum, das seit mehr als 20 Jahren den Wahlkreis innehatte, entrissen wor den -- nach Jmmcnstadt-Lindau und Düsseldorf der dritte Verlust, der das Zentrum seit den letzten Neu­wahlen betroffen hat. Das ist wohl geeignet, die liberalen Wähler von neuem mit zuversichtlichem Vertrauen auf ihre gute Sache zu erfüllen. Die Nachwahlen zur Zweiten .Kammer in Elsaß-Lothrin­gen haben allerdings die Hoffnungen, die man auf das dortige. Großblock--Abkommen gesetzt hat, nicht in Pollern Umfang erfüllt, weil die ausgegebene Losung doch nicht allenthalben streng befolgt worden ist. Immerhin haben Liberale und Sozialdemokraten den Haupterfolg bei den Nachwahlen davongeira- gen und der Hauptzweck des Abkommens, das Zu standekommen einer klerikalen Mehrheit zu verhin­dern, ist erreicht worden. Das Zentrum wird ein­schließlich der ihm nahestehenden Mitglieder über 26, die Linke über 24 Sitze, darunter >3 Liberale und l l Sozialdemokraten, verfügen: dazu kommen lO Mitglieder des Lothringer Blocks, die also den Ausschlag geben werden. Für den Liberalismus be­deutet das angesichts der konfessionellen Verhält­nisse, die in den Reichslanden herrschen, einen großen Erfolg. Die Hauptbedeutung dieser Wahlen aber liegt darin, daß der sogenannte Nalionatbund, dieses merk­würdige Gemisch; von Klerikalismus und einer nach Frankreich schielenden Demagogie eine völlige Nie­derlage erlitten hat. Begreiflich ist übrigens, daß die Erfolge, die der Liberalismus auch den Konservativen gegenüber davongetragen hat, die Führer der letzteren doch mit einiger Besorgnis er­füllt haben, und so versuchen sie immer und im­mer wieder mit dem Hinweis ans die sozialdemo­kratische Gefahr, über die sich ja auch die Liberalen nicht im Unklaren sind, einen Zankapfel unter die

! letzteren zu werfen, rind entweder die National- liberalen überhaupt oder doch den rechten Flügel derselben wieder an sich zu locken. So sprach neu­lich in einer konservativen Versammlung in Breslau' der Führer der preußischen Konservativen, Herr von Heydebrand, die Hoffnung aus, daß nach der gegen­wärtigen Krise wieder Pie Zeit kommen werde, da alle sich aus das gemeinsame Vaterland besinnen und zu einem Großblock zusainmentrelen. Aber ein sol­cher Großblock, der die Macht der Sozialdemokraten gebrochen hatte, hat ja schon bestanden und ist nur durch die eigennützige Politik der Konservativen wie­der zertrümmert worden. Darüber täuschen auch die schönsten Phrasen der konservativen Führer nicht hinweg und auch die Nationalliberalen, wenigstens in ihrer weitaus größten Mehrheit, lassen sicht darüber nicht täuschen. Und die Eroberung zweier konservativer Hochburgen, die ihnen seitdem gelun­gen ist, beweist, daß sie sich dabei auf dem rech­ten Weg befinden.

Marokko.

Bon Marokko ist es in der letzten Zerr still ge­wesen: am Freitag, den 3. ds., so hieß es, sollte das deutsch-französische Abkommen unterzeichnet wer­den. Ob das der Fall ist oder nicht, so wird an der Tatsache selbst, daß das Abkommen fertig ist, dadurch nichts geändert. Uebrigens mag erwähnt werden, daß ein höherer belgischer Kolonialbeam ter sich über das Gebiet, das Deutschland von Frankreich abgetreten erhält, doch etwas günstiger ausgesprochen hat, als das von unfern Äolonial- polititern geschehen ist. Er meinie, das französische Kongogebiet sei an sich ebenso reich an Naturschät­zen wie das belgische, das heute schon einen unge­heuer wertvollen Besitz darstelle, aber er gab aller­dings zu, daß das französische Gebiet durch Miß­wirtschaft, vor allem durch den dort getriebenen Raubbau außerordentlich notgelitten hat. Man dürfe jedoch den Wert der Kolonie nicht ohne weiteres nach dem Bild beurteilen, das sie gegenwärtig bietet. So hinge also der Wert unseres Landerwerbs davon ab, ob und mit welchen Opfern wir die begangenen Fehler wieder gut machen können und das ist eine Frage, aus die natürlich erst die Zukunft Antwort geben kann.

Tripolis

Die Nachrichten vom afrikanischen .Kriegsschau­platz lassen mehr und mehr die Lage der Italiener als recht schwierig erscheinen. Begünstigt durch einen heftigen Sturm, der die italienische Flotte vor Tripolis zwang, aus der Uferlandung ins offene Meer hinaus zu flüchten, von wo sie den Trup­pen am Land keine Unterstützung bieten konnte, haben Türken und Araber mit todesverachtender Tapfer­keit einen Slnrm auf die italienischen Befestigungen unternommen und 3 Forts erobert, ja sie haben sogar die Stadt selbst beschossen. Inzwischen scheint der Sturm sich wieder gelegt zu haben, so daß die italienischen Schiffe sich wieder mjt Erfolg am Kampf beteiligen konnten. Aber bei Tripolis steht die Sache jetzt so, daß die Italiener aus ein Gebiet beschränkt sind, das kaum viel größer ist, als das Stadtgebiet von Stuttgart. Dazu kommt noch, daß in der nunmehr von den Türken bela­gerten Stadt nach Meldung englischer Blätter - die italienischen Berichte sind bekanntlich mit gro­ßer Vorsicht auszunehmen und verhehlen ungünstige Vorkommnisse so lang es irgend geht - die Cho­lera in sehr bedenklicher Weise um sich greift. In einer Nacht seien im Militarhvspital 25 Mann ge­storben und schon werde auch die arabische und jü­dische Bevölkerung von der Seuche ergriffen. So sieht zur Zeit jedenfalls die Lage der Italiener ziemlich verzweifelt aus und es wird großer Trnp- pennachschübe bedürfen, um auf dem Kriegsschauplatz eine neue günstigere Wendung herbeizusühren. Schon ist auch davon die Rede, daß 50 000 Mann, nach andern noch mehr, nach dem Kriegsschauplatz ab­gehen sollen, und die Einberufung der Reserve-,' klaffen von 1889, im ganzen 100 000 Mann, soll

unmittelbar bevorstehen. Aber freilich die Kriegs- lbegcisterung, die noch vor kurzem in Italien herrschte, hat einigermaßen nachgelassen und es kom­men in den Kasernen Szenen von Unbottnäßig- teit vor, die ein bedenkliches Licht auf die Zu­stände im italienischen Heere werfen. Und nicht bloß von den Mannschaften, sondern auch von den Füh­rern der italienischen Truppen werden Dinge be­richtet, die keinen Ruhmestitel für sie -bedeuten. Ein konservatives, dem italienischen Ministerpräsi­denten Giolitti nahestehendes Blatt, dieStampa", gibt eine herzzerreißende Schilderung der unerhör­ten Grausamkeiten, mit welcher die ital. Soldaten ihre Gefangenen u. zwar auch Greise, Frauen u. Kin-- der auf Befehl ihrer Vorgesetzten behandeln. Der Korrespondent des Blattes fügt bei, daß er selbstj sich ins Mittel gelegt habe, um diese Behandlung, zu verhindern. Daß Araber, die mit den Wassere in der Hand gefangen wurden, als Ausrührer er-? schossen worden sind, ist schon berichtet worden. Nun wird auch beigefügt, daß man hierbei schließlich auf jede Förmlichkeit verzichtete, die Leute aus der Straße wo man sie gerade fand, niederschoß und die Lei­chen ins Meer warf. Man kann es den Arabern unter solchen Umständen nicht verdenken, wenn sie Gleiches mit Gleichem vergelten, so daß der Krieg einen immer wilderen Charakter annimmt. Für die Erbitterung des Kampfes spricht unter anderem eine Episode, die der schon erwähnte Berichterstatter derStampa" mitteilt: Ein Berjaglieri-Hauptmann, der umzingelt war, schoß sich selbst eine Kugel in den Kopf, um der Gefangenschaft zu entgehen. Nicht viel besser als in Tripolis scheint es den Italienern in den beiden anderen von ihnen be­setzten Städten Benghasi und Dernah zu gehen: auch dort sollen sie vor dem Ansturm der Türken Und Araber hinter ihre Verteidigungslinie znrückgegan- gen sein. Der Katzenjammer, der sich infolge der Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz allmählich ein­stellt, läßt nun freilich in der dortigen Presse merk­würdige Mutmaßungen austauchen. Die deutsche Diplomatie soll es gewesen sein, die Italien in das afrikanische Abenteuer hineinhetzte und zwar, um einen Keil zwischen Tunis und Aegypten und damit zwischen Frankreich und England zu trei­ben und andererseits Jlalieu dadurch fester an den Dreibund zu knüpfen, so ließe es sich denn auf die einfachste und natürlichste Weise erklären und rechtfertigen,-daß die italienische Diplomatie, nach­dem sie mit bewunderungswürdigem Scharfblick die deutsche Tücke durchschaut und in Deutschland den wahren Urheber der jetzigen fatalen Lage Italiens erkannt ha-, dem bisherigen Bundesgenossen den Rücken kehrt und sich Frankreich und England in die Arme wirft. Im Ernst gesprochen, wenn sich die Sache so verhielte, wie ließe es sich dann er­klären, daß Deutschland von dem Vorgehen Italiens geradezu überrascht wurde, während Frankreich und England im voraus davon unterrichtet waren? Und offen gestanden, scheint man mit solchen Kombi­nationen der deutschen Diplomatie eine Geschick^ lichteit zuzutrauen, die sie in solchem Maß bisher eigentlich noch nicht bewiesen hat. Aber wenn Ita­lien wirtlich entschlossen sein sollte vom 'Drei­bund sich loszusagen, so würde ihm jeder Vorwand willkommen sein, um diesen Schritt zu rechtfertigen.

Krise in Oesterreich»

Wenn Italien durch seine auswärtige Politik sich Schwierigkeiten geschaffen hat, die es nicht leicht überwinden wird, so leidet Oesterreich- andauernd unter den inneren Schwierigkeiten, die eine Folge seiner Zusammensetzung aus verschiedenen und ver­schieden gearteten Völkern bilden. Nach einer Amts­dauer von nur vier Monaten ist das Ministerium Gautsch zurückgetreten, weil es wegen seiner Be­günstigung der Tschechen die Unterstützung der Deut­schen verloren hat. Ob aber das neugebildete Mini­sterium unter dem Grasen Stnergkh eine längere Zukunft haben wird als sein Vorgänger, wird einst­weilen bezweifelt. Die Wiener N. Fr. Pr. schätzt den parlamentarischen Gefechtswert des neuen Mi-