der heutigen Verhandlung vor dem Kriegsgericht machte der Angeklagte gellend, er habe den Tele grammträger mit seinem Gewehr nnr aushallen wollen, absichtlich zugeschlagen habe er nicht. Die militärischen Zeugen konnten über die Art und Weise, wie die Verletzung entstanden ist, keine ent scheidende Angabe machen. Zwei Postunterbedien­stete die den Vorfall mitangesehen haben, hatten den Eindruck, daß der Angeklagte den Telegramm träger absichtlich geschlagen hat, Tie bezeugten, daß dieser den Schlag erhaltet! habe, als er sich um geschaut und schon außerhalb des Gliedes befunden habe. Bei der Verhandlung kam zur Sprache, daß hier vielfach der Bestimmung, daß aus dem Marsch befindliche Truppenabteilungen nicht durchkreuzt werden dürfen, entgegengehandelt werde. Der Ver­treter der Anklage beantragte, den Angeklagten we gen vorsätzlicher Körperverletzung zu drei Wochen Gefängnis zu verurteilen. Das Kriegsgericht hielt vorsätzliche Körperverletzung nicht als erwiesen und verurteilte Bah nur wegen fahrlässiger Körperver. letzung durch unvorsichtigen Waffengebrauch zu 5 Tagen gelinden Arrest.

zj Stuttgart, 4. Juni. In der Kgl. Hofapotheke scheint sich nach der Lüdd, Apothekerzeitung eine umfassende Aenderung vorzubereiten. Herr Geh. Hofrat Ochsenreiter hat um seine Versetzung in den Ruhestand nachgesucht, nachdem er die Hosapotheke 30 Jahre hindurch geleitet hat. Aus Anlaß dieses Rücktrittes ist die Apotheke zur Verpachtung aus­geschrieben. Gleichzeitig ist freilich auch die Mög­lichkeit eröffnet, daß der bisherige Betrieb der Ver­waltung auf Rechnung der Hofdomänenkammer durch einen anzustellenden Hofapotheker aufrecht er­halten wird. Die Hofapotheke, die Dank der Tüch­tigkeit der bisherigen Leiter und ihrer günstigen Lage sich eines großen Zuspruchs seitens des Pub­likums erfreut, ist seit Jahrhunderten auf Rech nung der Krone betrieben worden. Der Reinertrag kommt wohltätigen Zwecken zu gut.

st Zuffenhausen, 4. Juni. Als heute mittag die 62 Jahre alte Witwe Seiler aus Markgrön­ingen in den schon in Bewegung befindlichen Zug nach Leonberg einsteigen wollte, geriet sie unter die Räder, die ihr quer über die Brust gingen und sie sofort töteten. Die Verunglückte war kurz vor­her mit dem Zug aus der Richtung Heilbronn hier angekommen und wollte sich zu einer Beerdigung nach Höfingen begeben.

st Allmendingen, OA. Ehingen, 4. Juni. Beim Langholzabladen in der hiesigen Sägerei kam durch eine Wendung der Pferde ein Stamm zu früh ins Rollen und schlug dem Sägwerksbesitzer Josef Ziehr den rechten Fuß oberhalb des Knöchels vollstän­dig ab.

st Heilbronn, 4. Juni. Der hoffnungsvolle 16 Jahre alte Sohn einer hiesigen Familie nahm vor etwa 14 Tagen in der ,,Neckarhalde" ein Bad im Neckar. Dabei verletzte er sich anscheinend durch einen Glasscherben am Fuße. Die Wunde heilte ver­hältnismäßig sehr rasch. Am letzten Samstag wurde der Verletzte plötzlich von Starrkrampf befallen und mußte ins Krankenhaus verbracht werden, wo er unter gräßlichen Schmerzen starb. Der dritte Komplize, der im Februar ds. Jrs. dabei beteiligt war, als einem vom Ball nach Hause gehenden Metzgerburschen die Uhr entrissen wurde, ist ge­stern hier eingeliefert worden. Er, Werner mit Na­

men, wurde in Frankreich verhaftet. Seine Aus lieferung erfolgte auf dem Wege diplomatischer Un terhandlungen. Er wird sich mit den zwei Mitbe­teiligten Treiber und Schrank vor dem Schwurge­richt wegen Raubs zu verantworten haben. Ein sunger Weingartner von hier siel mit dem Gesicht so unglücklich in eine Heugabel und verwundete sich so schwer, daß er mittelst Chaise nach Hause be­fördert werden müßte.

st Vom Unterland, 5. Juni. Ein Gang durch die Weinberge ist jetzt durchweg sehr erfreulich. Holz und Blatt sind gesund. Die jungen Träub- chen brechen schön hervor.

st Schorndorf, 4. Juni. Wie in der letztem Gemeindekollegiensitzung initgeteilt worden ist, wird seitens der Domänendirektion der Bau eines zweiten evangelischen Stadtpfarrhauses in Bälde in An­griff genommen werden.

jj Beutelsbach, OA. Schorndorf, 4. Juni. Wie der Schwäbischen Tagwacht mitgeteilt wird, ist Schultheiß Beißwanger in Geradstetten von seinem Posten als Grundbuchbeamter enthoben und au seiner Stelle Notar Seybold hier mit der Füh­rung der Grundbuchgeschäfte beauftragt worden. Man bringt die Enthebung in Zusammenhang mit den Beschwerden, die gegen Beißwanger kürzlich in einer Versammlung in der Liederhalle erhoben wur­den; ein paar Tage darauf erfolgte die Abnahme des Grundbuchs.

st Backnang, '4. Juni. Das am Donnerstag nachmittag hier niedergegangene schwere Hagel­wetter hat aus Markung Backnang erheblichen Schaden angerichtet. Zehn Minuten lang fielen die Schlossen in der Größe von Taubeneiern und Haselnüssen, sodaß man haufenweise die Schlossen auf der Straße zusammenkehren konnte. In den Gärten, an den Obstbäumen und auf den Feldern wurde großer Schaden angerichtet. Zum Teil ist die /halbe Ernte vernichtet. Auch auf Ge­markung Allmersbach und Lippoldsweiler, sowie Un- terweißenbach hat das Unwetter schwer gehaust. Die gleichen Meldungen kommen aus Assalterbach, Kirch- berg a. d. M., Rielingshausen, Erbstetten, Burgstall, Ober-, Mittel- und Unterschöntal und ganz beson­ders aus Weiler zum Stein und Siegelhausen, wo sogar Fenster schwer zertrümmert wurden. Der Ge­samtschaden ist noch nicht abgeschätzt, doch dürfte er aller Voraussicht nach sehr hoch sein.

st Essingen, OA, Aalen, 4. Juni. Auf eine tragische Weise kam heute der in rüstigstem 'Man­nesalter stehende Gärtner Johannes Stegmaier ums Leben. Er war damit beschäftigt, die Güllengrube zu leeren. Während dieser Arbeit bekam er ?inen epileptischen Anfall und stürzte in die Grube, in der er hilflos ertrinken müßte. Der so unglücklich ums Leben Gekommene Hinterläßt eine H'amilie, die allgemein betrauert wird.

st Pom Fränkischen, 4. Juni. Händler Müller in Urfershofen bei Rothenburg geriet mit seinem Schwiegersohn, dem Landwirt Stemmer, aus dem Felde in Streit, in dessen Verlauf der Schwieger­vater seinen Schwiegersohn mit einem Taschenmes­ser so schwer verletzte, daß der Tod nach wenigen Stunden eintrat. Der Täter ist in Haft.

st Friedrichshafen, 4. Juni. L. Z. 6 ist heute nachmittag vier Uhr zu einer kurzen Fahrt aufge­stiegen, die in der Richtung nach Konstanz führte. Um halb sechs Uhr erfolgte eine glatte Landung.

Um dreiwiertel sechs Uhr stieg das Luftschiff zum zweitenmal auf und schlug die Richtung nach Lin­dau ein. Die Führung des Luftschiffes Hatte bei beiden Fahrten Graf Zeppelin selbst, der heute vor­mittag mit den Herren vom Aufsichtsrat der Deut­schen Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft beraten hatte. An beiden Fahrten nahmen je zehn Gäste, darunter die Aufsichtsratsmitglieder, teil.

st Frie-richshafen, 4. Juni. Das Luftschiff ist von seiner zweiten Fahrt um halb sieben Uhr nach glatter Landung in die Halle zurückgekehrt. Die Mitglieder des Aufsichtsrates der Deutschen Luft­schiffbau-Aktiengesellschaft beteiligten sich heute abend an einem vom Grafen Zeppelin gegebenen Essen.

h Kriedrichshafen, 4. Juni. Der Aufsichtsrat der Deutschen Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft, der zur Zeit in Friedrichshafen vereinigt ist, hat be­schlossen, bei der Zeppelin-Luftschiffbau-Gesellschaft ein neues Luftschiff zu bestellen, doch ist es noch nicht definitiv in Auftrag gegeben, da zuerst eine technische Kommission darüber beschließen soll, welche Bedingungen das Luftschiff zu erfüllen hat. Der Aufsichtsrat hat ferner den Bau einer Luftschiff­halle in Frankfurt a. M. beschlossen. Außerdem soll in Hamburg eine Halle errichtet werden. Doch schweben hierüber noch Verhandlungen, die voraus­sichtlich zu einem günstigen Ergebnis führen werden.

XX. Bundestag des Württ. Kriegerbundes.

st LudwrgSburg, 5. Juni. In der festlich ge­schmückten Stadt Ludwigsburg begann gestern der XX. Bundestag des Wür tte m b ergis ch e n Kriegerbundes. Aus allen Teilen des Landes waren die dem Bunde angeschlossenen Vereine mit etwa 16 000 Mitgliedern in langen Extrazügen her­beigeeilt. Auch von anderen bundesstaatlichen Ver­einen waren Vertretungen erschienen, so vom Kyff- häuserbund der Deutschen Landeskriegerverbände, vom Deutschen Kriegerbund, vom Preußischen Lan­deskriegerverband, vom Bayerischen Veteranen- und Kriegerbund, vom Sächsischen Militärvereinsbund. Nachdem gestern mittag halb ein Uhr das Präsi­dium und die Ehrengäste empfangen worden waren, fand um vier Uhr eine Sitzung des Gesamt­präsidiums statt, der um fünf Uhr ein Kon­zert im Rats kellergarten und um acht Uhr ein Bankett im Exerzierhaus folgten. - Der heu­tige Tag wurde durch eine Tagwache um sechs Uhr früh eingeleitet. Auf halb neun Uhr war die Sit­zung des Bundestages anberaumt. Um neun Uhr eröffnete der Bundespräsident, Generalleut-/ nant v. Greifs, die Sitzung. Zunächst hieß Ober­bürgermeister Dr. Hartenstein als Vertreter der Stadt Ludwigsburg die Gäste herzlich willkommen, indem er aus führte, daß keine andere Stadt für dis Tagung des Württembergischen Kriegerbundes ge­eigneter sei, als Ludwigsburg, in dem ja jeder fünfte Mann ein Soldat sei. Hierauf dankte Generalleut­nant v. Greifs dem Oberbürgermeister für seine Worte und begrüßte die Erschienenen, vor allem die Vertreter der Vereine anderer BundesstaateNj. In seiner Rede führte er unter anderem aus, daß in den 27 Jahren, die seit der Abhaltung des letzten Bundestages in der Stadt Ludwigsburg ver­flossen seien, der Verein von etwa 24 000 auf rund 111 000 Mitglieder gestiegen sei, unter denen sich noch 13 824 Feldzugsteilnehmer befinden. Er schloß mir dem Wunsche, daß alle Mitglieder des Bundes

Hl W

Magst du die Lüge noch so gut

In das Gewand der Wahrheit kleiden,

Der Dümmste ist nicht dumm genug,

Um beide nicht zu unterscheiden.

Bodenstebr.

Dornenwege."

Roman von C. Tressel.

(Fortsetzung.! Nachdruck verboten.

Ach, diese Rast im Schutze des Starken! Sie gehörte nicht ',u jeneu Selbstbewußten ihres Geschlechts, die kein Be­dürfnis nach mitteilsamer Anlehnung und den Trost gesicherter Ruhe haben, und sie hatte zu lange allein gestanden in ihrem bitteren Leiden und Bedrängnissen, um nicht die augenblickliche Geborgenheit wie einen tiefen seligen Frieden zu empfinden.

Eine kleine Weile überließ sie sich still dieser köstlichen Waffenruhe. Allein sie konnte nicht lange währen, denn ihre Zukunft hieß erneuter Kampf. Ihre Kräfte zusammen­nehmend, richtete sie sich auf, indem sie leise sagte: .Ich danke, lieber Herr Geheimrat, Sie haben mir wohlgetan."

»Und daß ich just im rechten Moment zur Stelle war. Da schelle mir noch einer den Zufall/ lächelte er ihr ermunternd zu. »Kam nämlich gestern aus Karlsbad/ erzählte er weiter,und bin augenblicklich auf meiner ärztlich verordneten Bewegungstour, bei welcher Gelegenheit ich mich zugleich nach meinem kleinen Mündel in ihrer schönen Tier­gartenvilla umznsehen gedachte. Da läuft mir Fräulein Marion plötzlich mit der Flüchtigkeit eines jungen Rehes über den Weg. Ich hinter ihr her, aber niit solchem Dauerlauf konnten meine so viel älteren Glieder natürlich nicht Schritt Hallen. Sie waren mir immer einige Längen voraus, kleiner Durch- aänaer. Endlich aber batten Sie genug von der Eskapade.

Auch Ihre Kraft war am Ende, und ich erreichte Sie gerade, als Sie ohnmächtig zusammenbrachen. Marion, wenn nun ein anderer Sie in dieser Lage gefunden hätte! So einsam ist selbst dieses entlegenere Stück Tiergarten nicht, daß Sie vor belästigenden, oder auch nur neugierigen Paffanten sicher gewesen wären.

»Eigentlich müßte ich Ihnen, kraft meiner Befugnis, einen ordentlichen Vorwurf machen. Ich bring'Z bloß nicht fertig, sie sehen gar zu kläglich aus. Einer Unbesonnenheit kann ich Sie auch kaum fähig halten. Was bedeutet aber Ihr tolles Hierherstürmen? Sie haben ja nicht mal Handschuhe an."

Da erst bemerkte sie den Verstoß gegen die gute Sitte, schamrot suchte sie nun eilig den Formfehler zu verbessern, »a ein hastiger Griff in die Jackentasche sie die bis dahin nicht Vermißten finden ließ.

Damit aber kam ihr auch das schreckvolle Erinnern zurück. ,Lieber Herr Geheimrat/ sagte sie mit zuckenden Lippen, .wenn Sie alles wissen, werden Sie begreifen, daß mir diese steine Unterlassungssünde gar nicht zum Bewußtsein kam."

»Gewiß, liebe Marion, ich nehme auch nur ein un- zewöhnliches Ereignis an. Nun sprechen Sie sich das Herz rei. Wir kennen einander eine hübsch lange Zeit, und Sie baden Vertrauen zum alten Breitenborn, wie? Kommen Sie, Tind, nehmen Sie meinen Arm. Ich bringe Sie unverzüglich nach Hause. Die Tante dürfte in Sorge um Sie sein. Auf Sem Wege erzählen Sie dann/

»'Nicht zu ihr/ rief Marion schaudernd. Nie wieder betrete ich das Haus. Ach, ich war ja schon lange von ihr fort/

»Mein Gott, was heißt das? Sie sind nicht mehr bei Fräulein v. Mollentin? Wo soll ich Sie denn hinführen?"

Sie hing den Kopf. »Ich weiß nicht/ stammelte sie. »Ich habe kein Heim-keinen Menschen-ach, Gott"

Wenige Schritte war sie an seinem Arm gegangen. Nun stockte ihr Fuß. Der Geheimrat fühlte, daß sie sich schwerer luflehnte. Er sah besorgt in ihr todblasses Gesicht.

»Mir ist so sehr schwach," murmelte sie mit geschloffenen Augen" vielleicht, weil ich den ganzen Tag nichts gegessen habe-"

Er starrte sie an, als rede sie irre.

»Marion/ rief er außer sich, »wo kommen Sie denn her? Sie müssen doch irgend ein Unterkommen haben."

»Ich verließ meme Stellung heute früh, hatte eine weck« and heiße Fahrt, und dann kam das Furchtbare das Entsetzliche/

Ihr Gesicht verzerrte sich, als sähe sie eine grauenhafte Vision, in tödlicher'Angst umklammerte sie seinen Arm.-

Aber nichts ergriff ihn momentan so, als die Vorstellung, das junge reizende Mädchen, die zarte Tochter seines lang­jährigen lieben Freundes werde von einem brutalen Hunger­gefühl dis zur Ohnmacht gequält.

Fassungslos suchte er in allen Taschen herum und fand endlich einige Schokoladetäfelchen, die er ihr eine nach der anderen in den Mund steckte und die sie völlig mechanisch hinunterschlnckte.

»Ich schleppe nämlich dergleichen für ein paar kleine tzeckermäulchen herum/ sagte er dabei. »Ein Glück, daß sie mir noch nicht alle in den Weg kamen, sonst wäre diese große törichte Marion leer ausgegangen. Wird's ein btßche« besser, Kind?"

Sie schien sich in der Tat etwas zu erholen und ver- mochte langsam weiterzugehen, bis sie eine Fahrstraße erreichten, wo Breitenborn einen Wagen erlangte.

Er hals Marion hinein, ließ das Halbverdeck aufschlage» und bedeutete dem Kutscher, einstwellen nach Zeit durch de« Tiergarten zu fahren. »So, Kindchen, das ist besser für Sie. Gleich werden wir bei den Zelten fein, da sollen Sie zu­nächst ein Gläschen starken Wein haben und etwas genießen, wir wollen die treulosen Lebensgeister schon wieder einsangen." Sie ließ alles dankbar mit sich geschehen. Und als ihr di« Kräfte zurückkehrten, ihre Lippen wieder ein gesundes Rot zeigten, bat er: »Wenn Sie jetzt fähig sind, so lösen S« mir all diese Rätsel. Sie hätten mir längst schreiben sollen. Wozu ist denn der Vormund da?"

»Ich wußte nicht, wo Sie waren, Herr Geheimrat."

»Aber Kind, Briefe werden doch nachgeschickt, und mein« Berliner Adresse kannten Sie doch."

»Eigentlich dachte ich nicht daran," gestand sie kleinlaut .wollt« mir auch gern selber helfen."