Unter'm Schnee der Blütenbäume Träumet still ein altes Paar,
Denk der Zeiten, die verflossen,
Schauet wieder Jahr um Jahr: —
Wie im Frühling ihres Lebens Bei der Nachtigallen Klang Sie sich Liebe einst geschworen,
Treue für ein Leben lang.
Lenz auf Lenz ist hingefchwunden;
Zarte Blüten brach der Tod,
Aber manche schöne Früchte Auch der Herbst des Lebens bot.
Nahe sind sie nun dem Hafen Nach der sturmbewegten Fahrt,
Die in allen Schicksalsfällen Ihre Liebe sich gewahrt.
Ein Wunsch nur ist noch geblieben Tier in ihres Herzens Schrein:
Nach dem Wallen hier auf Erden Droben auch vereint zu sein.-
Maria Knapp.
„Lieselotte"
Roman von Fritz Gantzer.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Ein linder Märzhauch ging am Morgen nach allem wüsten Toben und Sturmcsbransen über die keimende Welt und küßte scherzend die knospenden Zweige der Buchenhecke, die um den Rasenplatz vor dem Herrenhanse lief. Veilchenduft und erster Lerchensang träumten dem schämigen Frührot entgegen.
Im Dämmergrau erhob sich Heinz nnü schlüpfte rasch und elastisch in die Kleider. Seit Jahren schon halte er sein eigenes Schlnfgemach; er stand stets bei weitem früher auf als Sydonie und wollte es vermeiden, sie zu stören.
Als er sich angekleiüet hatte, öffnete er beide Fensterflügel und lehnte sich weit hinaus. Er sog den herben, frischen Morgendust mit vollen Zügen ein. O, wie wohl das tat I Und wie die keusche Frühluft des jungen Tages zu einem Ritt lockte! . .
Leichtfüßig schritt er über de» erwachenden Hof. In den Stallen wurde es lebendig. Die Knechte schlurrten, in jeder Hand einen Wassereimer tragend, zum Brunnen. Kreischend ging der Laut des Pnmpenschwengels durch die Morgenstille.
Bald führte man ihm die Fuchsstute vor. Frisch und straff stieg er in den Sattel und ritt galoppierend davon. Der.Helle Klang, der entstand, wenn die Hufe des Pferdes das Pilaster berührten, brach sich wohltvnend an den langen Wänden der WnUchastogcbäude und Machte die noch halb- verscvlafenen Tauben lebendig, daß sie ins Feld flogen.
Bom Dorfe her sah er die Arbeiter den Fußweg heranf- kommen, der nach der Grube führte. Als er an ihnen Vorüverritt, grüßten sie mit einem breiten, freundlichen Grinsen und einem Hellen ,,'n Morgen, gnä' Herr!"
Bon Driebnsch her stapfte ein einzelner weit ansschreitend und den Stock gewichtig in die dampfende Erde stoßend, einen Ackerrain entlang — Wiegandt, der frühste der Frühaufsteher. Er kam Heinz entgegen und zog, noch weit entfernt, die von Jahr zu Jahr mehr »erweiternde Mütze aus grauem Tuch.
„Wie die Saat lacht!" rief er Heinz zu, als er dicht vor ihm war, und beschrieb mit seinem erhobenen Stock einen gigantischen Bogen in die Runde. Sehen Sie das Lachen auch, Herr von Düringen?"
„Gewiß, Wiegandt!" entgegnete Heinz lachend und zügelte das Pferd.
„Guten Morgen auch, gnädiger Herr! — Nichts für ungut wegen der Frage, aber wer solch Heidengeld aus der Kohlengrube rausbultert, wie Sie, hängt leicht über kurz oder laug die ganze Landwirtschaft an den Nagel und sieht die Halme nicht mehr lachen!" Wiegandt sah Heinz pfiffig au.
„I, wo werd' ich denn. Bester! Das mit der Kohlengrube ist ja ganz schön, aber die Landwirtschaft ist meine erste Liebe. Und Sie wissen ja, — die erste Liebe ist iinmer die beste und ihr bleibt man am treusten."
„Wenn man sie auch manchmal vergißt und einer anderen uachhängt," dachte Wiegandt ergänzend und knurrte leise. Als er aber den verlorenen Blick beobachtete, mit dem Heinz nach seinen Worten gen Driebnsch hinüberiah, fügte er laut hinzu:
„Na ja, das mit der „ersten" Liebe ist solche aparte Sache. Wissen Sie, was unser alter Schäfer Äottelberg iinmer sagte? Nicht? Na, der meinte: „Ut det Schoap ward keen Zickenbuck — un die erste Liew sieht keen Brutkranz.* — Na ja, das ist nicht immer wahr; — denn manche Menschen haben bloß ihre erste und einzige Liebe. Manche finden dann aber hinterher noch eine zweite — ich ineine, wie Sie mit Ihrer Kohlengrube — und denken, die erste sei ein altes Möbel, das man in die Rumpelkammer werfen müsse. Doppel freut'ts mich daher, daß Sie der alten Liebe treu bleiben wollen *
Sein Auge umspannte das ganze weite grüne Feld und schweifte liebkosend bis zur Jejmitzer Chaussee hi», dir sich
Echwarztvälder Sonntagsblatt.
dunkclgrau durch die lachenden Saaten wand wie ein griesgrämiger Geselle, der sich just über alles ärgert — und wär's über die Sonne am Himmel oder — den Kops an der Stecknadel.
Ganz unten klapperte ein Wagen auf ihr dahin. Ein müder, abgetriebener Gaul zog ihn und setzte melancholisch ein Bein vor das- andere... Das Bild paßte nicht hinein in den frischen Morgen.
Wiegandts Bücke blieben gespannt an dem Gefährt haften. Er pfiff leise durch die Zähne und bruminte: „Was will der Kerl hier schon wieder!" Dann wandte er sich nach Heinz um, der noch das bittere Lächeln auf dem Gesicht trug, was vorhin bei der langen Abhandlung des Inspektors über die „erste Liebe* sich hiiicingcstoZeu, und sagre:
„Drüben fährt der Krawattenmacher, Herr von Düringen, der Lump von einem — Melchior Rosenstock. Ich kenne ihn an dem krummen Buckel und an der Geiernase.*
Heinz folgte dem weitausgestreckten Arm des Sprechers mit den Augen und schob die Stirn in finstere Falten. Denn er dachte an bittere sorgengraue Stunden seines Lebens, die ihm der Genannte bereitet hatte. — Aber gleich darauf lachte er herzlich und laut und schlug mit der Hand durch die Lust, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen, das wohl summt, aber nicht stechen kann-
„Aber Wiegandt, seine Nase können Sie ja gar nicht sehen !' rief er gut gelaunt. „Lassen Sie nur noch die Kirche im Dorfe bleiben und schneiden Sie nicht gar zu arg auf!'
voruverrrtl. Er hatte zuerst vor. sich bei chm zu erkundigen, wen er gebracht habe. Aber er unterließ es dann doch ui^ wies einen Gedanken, der ihm eben durch den Kops gegangen war, leicht lächelnd von sich.
Wirklich lächerlich, daran zu denken! —
Inspektor Zeisewitz kam ihm von den Ställen her entgegen.
.Im Hanse wartet jemand auf Sie, Herr von Düringen," sagte er. „Schon eine ganze Stunde. Eben wollte ich mein Pferd satteln lassen, um Ihnen entgegenzureiten. Der Mensch gebärdet sich wie ein Unsinniger und will es nicht glauben, daß Sie nur einen Spazierritt unternommen haben.*
„Wer ist es denn?" fragte Heinz ruhig und sprang aus dem Sattel.
„Seinen Namen kenne ich nicht- Er sieht aus wie ein Jude. Ich glaube, es ist derselbe, dem die Knechte vor Jahren einmal in den Ställen das Fell verbläuten!"
Heinz wußte nichts von der damals geübten Lynchjustiz, verstand daher auch die letzten Worte seines Inspektors nicht und schüttelte den Kopf.
„sehen Sie, da tritt er schon wieder vor die Tür,* fuhr Zeisewitz fort und erhob den Arm. „Das hat er in der letzten Viertelstunde mindestens dreimal getan *
Ja, es war wirklich Rosenstock! Er erblickte Heinz jetzt und eilte auf ihn zu.
Mit einem Gefühl des Abscheus, aber ohne jegliche Befürchtung, daß dieser unerwartete Besuch ihm neue Unannehmlichkeiten bringen könne, ging er ihm gemessenen Schrittes
entgegen. Er erwog, daß ein Melchior Rosenstock es in seiner Unverfrorenheit fertigbringen könne, neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen und beschloß, ihn kurzerhand vom Hofe zu weisen.
Den Gruß seines einstigen Peinigers beachtete er kaum und musterte die vor ihm ge- geneigt stehende Gestalt mit einem verächtlichen Blick, vom schäbigen Hut an bis abwärts zu den unsauberen, schlecht geputzten Stiefeln.
„Was wünschen Sie? fragte er ganz kühl und gleichmäßig und fuhr dann schärfer fort:
„Ich bin übrigens erstaunt. Sie hier zu sehen und erkläre Ihnen von vornherein, daß ich nicht geneigt bin, mit Ihnen zu verhandeln."
„Oho, Herr von Düringen, das werden Sie müssen!" versicherte Rosenstock und warf sich im Gefühl seines guten Rechtes in die Brust. An Stelle der kriechenden Ergebenheit und hündischen Unterwürfigkeit traten Trotz und ein hämisches Aufleuchten in den zwinkernden, tückischen Fuchsaugen.
Heinz reizte dieser Ton.. Seine Rechte schloß sich fester um den silbernen Griff der Reitpeitsche. Er runzelte dio Stirn und fühlte sich zu Schlimmem versucht. Nur mit Mühe mäßigte er sich und sagte mir vor Erregung zitternder Stimme:
„Ich muß nichts. Um aber jeden Schein einer Ungerechtigkeit Ihnen gegenüber zu vermeiden, will ich Sie anhüren. Reden Sie!"
Melchior Rosenstock hatte schon seine Brieftasche hervor, gezogen und entnahm ihr nup einige Schriftstücke.
„Ich bin im Besitze zweier Wechsel", begann er, die Papiere auseinanderfaltend.
„Meinetwegen!" »»tervrach ihn Heinz spöttisch.
„Um so besser, Herr von Düringen," fuhr Rosenstock fort» „Dann werden Sie wohl auch sogleich die 200 000 Mark mir einhändigen können!"
„Sie sind verrückt!* entfuhr es Heinz. „Was kümmern mich anderer Leute Wechsel!"
„Anderer Leiste? He! Was soll das heißen? Ist Ihnen Ihr Direktor Bertold Katlenburg ein Fremder?"
„Mein Direktor?* Heinz starrte ungläubig auf den der- schmitzt Lächelnden. Wollte man sich einen verfrühten Aprilscherz mit ihm erlauben?
„Zum .Kuckuck mit Ihrem Hintermberghalten!" rief er zornbebend. „Was soll's?"
„Nun, Herr Bertold Katlenburg, dem Sie ja Prokura erteilten, hat diese beiden Wechsel hier ausgestellt und daraufhin den genannten Betrag erhalten. Heute ist der Fälligkeitstermin. Wollen Sic sich überzeugen?* Rosenstock hielt Heinz die beiden Akzepte unter die Augen und hüstelte hämisch.
Heinz taumelte zurück und wurde erdfahl im Gesicht. „Was ?" kam es mühsam über seine Lippen. „Das hätte mein Direktor getan?*
Aber gleich darauf faßte sich und lächelte beruhigt. Hier konnten lediglich Mißverständnisse vorlirgrn; denn er wußte nichts von diesen Wechseln.
Zum Thronwechsel in England
König Georg V. mit dem Thronstckger Prinz Eduard Albeei.
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„Dessen Nase nicht sehen!? Herr von Düringens die seh' ich sieben Meilen gegen den Wind."
„Na, na, Wiegandt," bezweifelte Heinz lachend. „Uebrigens glaube ich nicht, daß es der Kerl ist."
„Wetten, Herr von Düringen?" fragte der Inspektor siegesgewiß. „Ich lasse mir den Hals abschneiden — aber nicht von dem Roieustock — wenn ich mich irre.*
„Ei, io lassen Sie ihn fahren! Wer weiß, wen er heimsuchen will. Ich werde nicht die Ehre haben, ihn begrüßen zu dürfen"
Heinz richtete sich im Sattel aus wie ein freier, von niemand abhängiger Man», blickte stolz um sich und ritt nach einem freundlichen Gruße davon.
„Lieber auch den Satanas selbst, als diesen Schubbejack,* brummte Wiegandt weiterschreitend in sich hinein und grübelte, während er davonstapfte, mit welchem Gute in der Nachbarschaft es wacklig stehen könne. Es fiel ihm aber nichts ein und so lächelte er schließlich ingrimmig: „Er wird sehen wollen, ob aus der Asche seines elenden Papierfetzens von damals Tausendmarkscheine aufgegangen sind. — Alter Filou!*
Heinz dehnte seinen Ritt weiter aus, als er anfänglich beabsichtigt hatte. Erst gegen neun kehrte er zurück. Bor der Hofeinfahrt hielt ein leichter Korbwagen. Der ans dem Bock sitzende Ästscher verzehrte, mit vollen Back«: kauend, sein Frühstück und zog devot dir Mütze, als, Heinz an dem, Gefährt