Dresden, >8/Jan. Vor^erufener Seite wird rnitgeteilt: „Die Behauptung, daß Sachsen geneigt sei, seinen ablehnenden Standpunkt in Sachen der Schiffahrtsabgaben aufzugeben, wird hier in maßgebenden Kreisen als freie Erfindung bezeichnet."
si Karlsruhe, l8. Jan. In der heutigen Sitzung der 2. Kammer interpellierte der Abg. Vogel-Mannheim (Dem.) dis Regierung wegen der Frage der Neckarkarl alifation. Der Staatsminister v. Dusch erwiderte, die Jnteressenfrage werde gewahrt und nichts versäumt. Was die Verhandlungen mit Württemberg betreffe, so könne er jetzt eine Erklärung nicht abgeben.
* Berlin, 17. Januar. In der fortgesetzten Beratung der Budgetkommission des Reichstags über die Nachtragssorderung für Südwest- afrika machte Staatssekretär Dernburg ausführliche Angaben über die Bahnvorlage. Die Einnahmen der Diamanten müssen dazu verwendet werden, die Landesteile, in denen eine dauernde wirtschaftliche Entwicklung sich zeige, durch Erschließung von Eisenbahnen zu fördern. Nach der Da- marabahnkonzession stand den Konzessionären das Recht zu, den Tarif nach ihrem Ermessen festzusetzen. Es bestehe die Gefahr, daß die Otawigesell- fchaft die Tarife für die in ihren Bergwerken geförderten Mineralien festsetze und die anderen Tarife bedeutend erhöhe. Der Erwerb der Otawibahn durch das Reich sei vorteilhaft. Der Kaufpreis entspreche dem, was heute eine vom Reich zu bauende Bahn kosten würde. Von außerordentlicher Wichtigkeit sei dabei, daß eine Bindung der Tarife stattfinde. Die Uebernahme der Otawibahn geschehe zu Bedingungen, unter denen der Kaufpreis verzinst und amortisiert werde und sich noch ein Uebsrschuß ergebe. Nicht so sicher sei die Rentabilität der Nord- Südbahn. Des weiteren führte Dernburg dann aus, daß der Kauf der Otawibahn zum gegenwärtigen Zeitpunkt für das Reich vorteilhaft sei. Wenn er jetzt nicht geschehe, so müßten 9 Millionen für den Umbau der Bahn von Swakopmund nach Karibik' aufgewendet werden. Der Staatssekretär machte ferner vertrauliche Mitteilungen über die Verhandlungen mit der Otawigesellschaft.
' * Berlin, 18. Jan. Das Fest des Schwarzen Adilerordens wurde heute vormittag im hiesigen Schloß gefeiert. Der Kaiser nahm einen Aufnahmeakt vor und hielt ein Kapitel ab. Anwesend waren der Kronprinz nebst den übrigen Fürstlichkeiten und den fürstlichen Rittern, sowie die anderen kapitelfähigen Ritter. In üblicher Weise fand die Investierung der Ritter statt.
Der deutsch-türkische Zwischenfall.
* Köln, 18. Jan. Die „Köln. Ztg." meldet aus Konstantinopel: Bei dem Zwischenfall in Serres, Lei dem ein türkischer Polizist durch zwei Revolverschüsse des deutschen Reichsangehörigen Ruspert tödlich verletzt wurde, will Ruspert in Notwehr gehandelt haben. Dagegen wird von türk. Seite der Hergang so dargestellt, als ob Ruspert in der Trunkenheit mit feinem Revolver Unfug getrieben habe, worauf ihm der Polizist die Waffe habe wegnehmen wollen. Darüber sei es dann zu einem Streit gekommen, und Ruspert habe bei seiner Verhaftung noch mehrere Revolverjchüsse abgefeuert. Die Angelegenheit hat in Serres große Erregung hervor-
gerufen, und als der Justizminister auf diplomatr sches Eingreifen hin die Uebernahme des Verhafteten an den Deutschland in Serres vertretenden österreichisch-ungarischen Bizekonsul anordnete, wurden Protestversammlungen abgehalten und sämtliche Gerichtspersonen erbaten ihre Entlassung. Der Befehl wurde unter diesen Umständen nicht ausgeführt. Bei weiterer Untersuchung des Falles hat sich nun herausgestellt, daß der österreichisch-ungarische Vertreter in Serres, ein kaufmännischer Wahlkonsul, sich nicht in der Lage befindet, Ruspert in einer unbedingte Sicherheit verbürgenden Weise in Haft zu nehmen, und daß ferner die Möglichkeit ausgeschlossen ist, in Serres ein regelrechtes Konsular-Gerichtsverfahren abzuhalten. Andererseits scheint ein Transport nach Saloniki bei der herrschenden Erregung nicht ohne Gefahr. Unter diesen Umständen dürfte eine Vereinbarung dahin getroffen werden, daß vorläufig gestattet wird, den Verhafteten in türkischem Gewahrsam zu behalten, wobei selbstverständlich Bürgschaft für eine durchaus angemessene Behandlung gegeben werden müßte. Ebenso versteht es sich von selbst, daß die Untersuchung des Falls unter der gesetzlich vorgesehenen Assistenz deutscher Konsularorgane zu erfolgen hat.
„Volkspartei" oder „Fortschrittspartei" ?
Die Frkf. Ztg. schreibt:
Nachdem nun auch der Zentralausschuß der Freisinnigen Volkspartei sich für den Zusammenschluß der linksliberalen Parteien ausgesprochen hat, wird die Einigung der Linken in wenigen Monaten sich vollziehen. Ueber das Einigungsprogramm ist die Verständigung im wesentlichen erreicht; hoffentlich finden auch noch einige der besonderen Wünsche Berücksichtigung. Am meisten gehen die Meinungen noch über den Namen der Einigungspartei hinaus. Man wünscht eine kürzere Parteibezeichnung als die vom Biererausschuß vorgeschlagene, hat aber noch nicht einen allen genehmen Ersatz gefunden. Im Süden findet der einfache und volkstümliche Name „Volkspartei" den allgemeinsten Anklang, auch die Freisinnige Bereinigung würde ohne weiteres dafür sein, und nirgends erweckt er Erinnerungen an frühere Differenzen. Der Zentralausschuß der Freisinnigen Volkspartei hat sich nun aber für den Namen „Fortschrittspartei" ausgesprochen. Natürlich bedeutet das nicht, daß damit dieser Name nun auch schon als gewählt auzusehen ist. Der Vorschlag ist erst der Prüfung der anderen Parteien zu unterziehen und wird dann noch den Biererausschuß beschäftigen. Man würde auch fehlgehen, wenn man die Stimmung nach den Aeußerungen einzelner Persönlichkeiten beurteilen würde. Es ist vielmehr sicher, daß der Name „Fortschrittspartei" auf vielfachen Widerspruch stoßen würde, namentlich im Süden und Südwesten, schon weil er an manche Gegensätze aus der Vergangenheit erinnert. Dieses Moment wird jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden, weder vom Viererausschuß noch von den Parteien, welche die Sache zu behandeln haben.
Ausländisches.
ausgesprochen wird. In dem Handschreiben an Dr. Wekerle wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der bisherige Ministerpräsident seine bewährten Fähigkeiten und reiche Erfahrungen dem öffentlichen Dienste auch künftighin nicht entziehen werde. Das Amtsblatt veröffentlicht ferner dis Ministerliste. Ministerpräsident Khuen Hedervary empfing nach der Eidesleistung in Wien den Besuch des Ministers Grafen Aehrenthal und wurde dann vom Thronfolger Franz Ferdinand in Audienz empfangen.
* Nach dem Ergebnis der ersten beiden Wahltage in England haben die Unionisten 92, die Liberalen 79, die Sozialisten 17, die Arbeiterpartei 13 Sitze erhalten. Die Unionisten gewannen 29. Insgesamt haben die Liberalen bisher 37 Sitze eingebüßt, andererseits aber 9 Sitze gewonnen, so daß ihr Verlust 28 Sitze beträgt.
ss Tiflis, 18. Jan. Ein vollbesetzter Straßenbahnwagen entgleiste wegen Versagens der Bremse und stürzte auf dem steilen Abweg um. Bis abends wurden sieben Tote und elf Schwerverwundete geborgen.
Allerlei.
* Die Diebstähle auf den italienischen Bahnen und Bahnhöfen nehmen überhand. Die Eisenbahnverwaltung mußte im vorigen Jahre in 32 000 Fällen (!) Schadenersatz in Höhe von zweieindrittel Millionen Lire leisten.
* Aus Königshütte wird berichtet: Die 30- jährige Frau eines Bergmanns, die in der Dunkelheit die Schlackenmulde einer Kohlengrube betrat, um Kohlenreste zu sammeln, geriet an die Stelle, auf die plötzlich Bergleute von oben einen Wagen mit glühenden Schlacken ausschütteten. Die Frau war bald eine vollständig verkohlte Leiche.
* Die Untersuchung der Teile, die der Leiche der ehemaligen Braut Hofrichters entnommen wurden, hat keine Spur von Chankali ergeben.
* 500 Berliner Barbiere, die Sonntags ihre Läden über halb zwei Uhr offen gehalten hatten, wurden zu je 30 Mark Strafe verurteilt!
* In der S chadensersatztlage des bei der Echlerdinger K a r a st r o p h e verunglückten Mechanikers Boehier gegen den Grafen Zeppelin hat das Landgericht Beweis Beschluß dahin verkündigt, daß die Majore Graß, Parseval und Sperling am 2. und 3. März vernommen werden.
ss Budapest, 18. Jan. Das „Amtsblatt" veröffentlicht in einer Sonderausgabe ein kgb Handschreiben an die Minister, in dem diesen die voll- kvmmene Anerkennung für treue und eifrige Dienste
ß Man muß originell sein, dachte einerund setzte in ein Berliner Blatt ein Herrutsgesuch, weiches also beschaffen war: Um die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen, war zunächst am Kopfe der Anzeige in kräftigen Linien ein Stuhl gezeichnet und daneben standen in großen Buchstaben die Worte: „Setz dich!" Dann kam die eigentliche Anzeige: „Sind Sie ein Weib, gescheit und gut zugleich, so hören Sie: Habe den Kram jetzt definitiv satt, als da find garniertes Filet und Fasan und immer dieselben Gesichter, dieselben Gewänder, dieselben Gespräche. Möchte derohalben (zwecks Heirat!) eine wirklich gebildete geniale Dame (keine Drahtpuppe) kennen lernen, die, ohne einen allzugewaltigen Tick zu haben, doch den Durchschnitt um etliche Kilometer überragt. Muß schöpferische Kraft haben oder doch befähigt sein, sich in das geistige Schaffen eines Federknechts hineinzuleben und hineinzulieben. Bin humoristischer Schriftsteller
L » kes» u cSt.
Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrschet weise im häuslichen Kreise.
Schiller.
Das Enkelkind.
Von G. Siruder.
(Nachdruck verboten.)
3. Kapitel.
In dem ausgedehnten Parke der Villa Drachenfels befanden sich dre> Personen beisammen, die Frau Baronin von Diesenbach, eine hübsche, etwas zu bleiche Frau von etwa 28 Jahren, deren Sohn Oskar und Fräulein Irma Winter. Während der jugendliche Stammhalter des Tiefen- bach'schen Geschlechtes mit einem hölzernen Pferde sich zu schaffen machte, und demselben durch kräftige Peitschenhiebe vergeblich etwas mehr Feuer und Temperament beizubringen suchte, sahen die beiden Damen, die aus einer Gartenbank saßen, lächelnd dem Treiben des Knaben zu und unterhielten sich dabei angelegentlich miteinander.
„Mein Mann," sagte die Baronin, „hat ja, wie ich Ihnen bereits erzählt, jenem alten Herrn einen Besuch abge- stattel, uns er ist merkwürdiger Weise in hohem Grade von demselben eingenommen Ich sage merkwürdiger Weise, wie Sie sowohl, liebe Irma, wie auch Oskar mir mitteilten, Sie hätten sich vor dem alten Herrn beinahe gefürchtet wegen seines finsteren Gesichtes und seines abstoßenden Benehmens."
„Daß Oskar sich vor ihm gefürchtet hat, ist ja richtig, gnädige Frau," entgegnete Irma; „was dagegen meine Person anbelangt, so befinden sich die Frau Baronin im
Irrtum. Ich hake nur gesagt, daß mir der alte Herr ganz gewaltig imponierte, aber von irgendwelcher Furcht' vor ihm war ich damals so weit entfernt, daß es mir herzlich leid tat, als er sich so rasch wieder verabschiedete."
„Das muß ein ganz wunderbarer Mann sein, dieser Herr Neubert, der trotz seiner Grobheit alle Mcnschenherzen im Sturme für sich einnimmt. Schade, daß er uns nicht einmal besuchen kommt, ich hätte sonst gern die Probe angestellt, ob er auch auf mich einen solchen unwiderstehlichen Eindruck machen würde."
„Nun, unwiderstehlich ist der alte Herr kaum," lachte Irma, „und ich glaube auch nicht, daß er darauf ausgeht, den Ruf um sich zu verbreiten, als ob ihm diese Eiaen- schaft zukäme."
„In diesem Sinne habe ich auch jenes Wort nicht gebrauchen wollen," versetzte lächelnd die Baronin, „denn über sein Aeußeres und sein Benehmen hat mein Mann mich genügend aufgeklärt. Wie der Letztere meint, wäre Herr Neubert durch irgend ein besonderes trauriges und schmerzliches Ereignis so menschenscheu und unfreundlich geworden, und die Neugierde, hierüber Näheres zu erfahren, hat in mir den lebhaften Wunsch rege gemacht, den Herrn allein zu sprechen."
»Ich für meine Person hätte niemals die Kourage, den alten Herrn hierüber' auszufragen, und ich glaube auch, daß die gnädige Frau, wenn dieselbe Herrn Neubert je gegenüberständen, schwerlich das Herz finden würden, in die Geheimnisse dieses verschlossenen und finsteren Mannes eindringen zu wollen."
„Darauf wollte ich es denn doch ankommen lassen," meinte etwas hochmütig die Baronin. „So ein Mensch aus bürgerlichem Stande, der anscheinend nur gerade so viel besitzt, um eben auskömmlich zu leben, dürste sich doch wohl hoch geehrt fühlen, wenn er von mir wegen seiner Vergangenheit befragt würde."
„Ich fürchte, Herr Neubert ist stolzer und selbstbewußter, als die gnädige Frau nur glauben können," wagte Irma einzuwerfen, worauf die Baronin sehr von oben herab erwiderte :
„Der Stolz eines obskuren Herrn Neubert gegenüber einer Baronin von Tiefenbach wäre doch so schlecht angebracht und so lächerlich, daß auch wohl dem griesgrämigen Alten es schwerlich einfallen würde, mir gegenüber den Stolzen zu spielen. Doch da kommt ja mein Mann, und in seiner Bgleitung befindet sich mein Vetter Robert. Ah, da werden wir einige angenehme Tage verleben."
Die Baronin war aufgesprungen und ging ihrem Vetter, einem stattlichen Herrn von etwa 30 Jahren mit einem frischen, energischen Gesichte entgegen, um ihm mit lebhafter Freude die Hand zu drücken. Der Herr Vetter erfaßte leicht die ihm dargebotene Hand und führte sie galant an die Lippen, wobei er einige schmeichelhafte Worte über das vortreffliche Aussehen seiner Koustne, der die frische Landluft ausgezeichnet zu bekommen schiene, an die Baronin richtete.
Noch einige der gewöhnlichen Redensarten, wie sie bei einem solchen Familienbesuche zu fallen pflegen, wurden gewechselt, und dann schlug der Baron vor, sich gemeinschaftlich nach der Villa zu begeben, damit der gewiß hungrige Gast sich mit Speise und Trank erquicken könne.
Ohne sich weiter um Irma zu kümmern, verließen die drei den Park in Begleitung Oskars, der auf seinen Vater zugeeilt war und den dieser alsbald in glücklicher Vaterfreude auf seinen Arm genommen hatte.
Wohl noch eine halbe Stunde blieb Irma, die aus ihrem Handkörbchen eine Stickerei hervorgeholt hatte, sich emsig mit ihrer Arbeit beschäftigend, auf der Bank zurück, und dann erhob auch sie sich, um einmal nach dem kleinen Oskar zu sehen.
Eben wollte sie in das Portal zu der Villa eintreten, als aus demselben jener Vetter ihr gerade entgegen kam.