einen Anlaß, zu wünschen, daß sich die gegensätz­liche Stellung Badens versteife.

Es ist nie zu svät, Fehler zu vermeiden, die noch nicht gemacht sind und die ernste wirtschaft­liche oder politische Nachwirkungen leicht haben könnten. Freilich hat in der ganzen Frage der Schiffahrtsabgaben das, was man Staatskunst heißt, mannigfach gefehlt.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 11. Januar.

Vizepräsident Spahn eröffnet die Sitzung um viertel drei Uhr. Am Bundesratstisch ist Staats­sekretär Delbrück anwesend. Vizepräsident Spahn begrüßt die Abgeordneten und wünscht, daß die Ar­beiten des Hauses einen gedeihlichen Fortgang neh­men mögen. (Bravoü Er teilt sodann mit, daß der Abg. v. Chrzanowski (Pole« - 1. Wahlkreis Posen sein Mandat niedergelegt habe. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation Linck (natl.), Pachnicke (frs. Vgg.- und Bothmer (Frs.) betr. die mecklenburgische Verfassung. Abg. Linck (ntl.) begründet die Interpellation und führt aus, die mecklenburgischen Regierungen haben eine Vorlage gemacht, die aber an dem Widerstand der Ritterschaft scheiterte. Verhandlungen mit der Rit­terschaft versprechen überhaupt keinen Erfolg mehr. Der jetzige Zustand ist daher, wie auch allgemein in der Bevölkerung anerkannt wird, unhaltbar. Des­halb muß das Reich eingreifen. Nur dadurch kann der bisherige Zustand geändert werden. Es ist an der Zeit, daß nunmehr sämtliche Parteien im Reichs­tag klare Stellung zu dieser Frage nehmen. Der Bnndcsrat sollte in bundesfreundlichen Verhand­lungen nachhaltigen Einfluß auf dis mecklenburgische Sacke ausüben. Die Reichsverfassung sollte dahin ergänzt werden, daß für jeden Bundesstaat eine aus Wahlen hervorgegangene Vertretung verlangt wird. Staatssekretär v. Delbrück: Seit Behand­lung der mecklenburgischen Verfassungsfrage im vo­rigen Jahre hat sich die Lage dadurch geändert, daß inzwischen die Verfassungsvorlage der mecklenburg­ischen Regierungen abgelehnt worden ist und daß die Verhandlungen der beiden Regierungen mit ihren Ständen bedauerlicherweise vergeblich geblieben sind. Hierdurch bleibt die Frage übrig, ob nicht mit Rück­sicht auf die hohe Bedeutung einer endgiltigen zu­friedenstellenden Regelung dieser Frage ein Ein­greifen des Reiches auf Grund der Neichsverfassung zu erwägen ist. Im Namen der Reichsregierung erkläre ich, daß wir es nicht für angezeigt halten, diesen Weg beschreiten, da dies mit den föderati­ven Grundlagen, auf denen das Reich beruht, nicht vereinbar ist. (Beifall rechts und Lachen links.) Mecklenb. Bevollm. zum Bundesrat Frhr. v. Bran­der! stein: Die Hoffnung der Mecklenburgsch-schwe- rinschen Regierung, eine Einigung zwischen beiden Ständen zu erzielen, hat sich leider nicht erfüllt. Die Ritterschaft erklärte sich nur zum Ausbau der Verfassung auf ständischer Grundlage bereit. Die Regierung zog daher ihre Vorlage zurück und be­hielt sich die Wiederaufnahme der Verhandlungen vor. Bei dieser Sachlage sind wir nicht im Stande, die früher im Reichstag abgegebene Erklärung auf­recht zu erhalten. Zur Zeit besteht keine Aussicht, mit der Ritterschaft zu einer Einigung zu gelangen. Andererseits sieht sich die großherzogl. Regierung nicht veranlaßt, ein Eingreifen des Reiches zu be­antragen und auch nicht, ein solches zu wünschen. Dies geschieht mit Rücksicht auf die Selbständig­keit der Bundesstaaten und auf den föderativen Cha­rakter der Reichsverfassung. Gleichwohl ist die heu­tige Verhandlung für die großherzogliche Regierung von Wert, weil durch sie die gewünschte Klärung der Lage erleichtert wird. Die Regierung entnimmt daraus die Bestätigung ihrer eigenen Auffassung, daß die von ihr als notwendig erachtete Verfas­sungsreform zur Zeit nicht zu erreichen ist. Na­mens der strelitzjchen Regierung habe ich lediglich hervorzuheben, daß für sie kein Anlaß gegeben ist, nach der vorausgegangenen Ablehnung der Reform- Vorlage am eine Besvrechung einzugehen. (Beifall rech, , Lachen links.) Auf Antrag Pachnickes (frs. Vgg. > findet Besvrechung der Interpellation statt. Abg. v. Treue nfels lkons. !: Namens meiner po­litischen Freunde erkläre ich, daß wir vollständig auf dem Boden der Ausführungen des Staatssekre­tärs Delbrück stehen. Abg. Dr. Pachnicke (frs. Vgg.!: Die mecklenburgische Frage ist anerkannt eine deutsche Frage. Man soll das mecklenburgische Volk nicht unter eine Hand voll Gutsbesitzer demü­tigen. Die jetzigen Zustände, auch die wirtschaft­lichen und kulturellen, sind zurückgeblieben und ver­altet. Staatssekretär v. Delbrück: Gegenüber dem Abg. Linck, der ein außerverfassungsmäßiges Ein­schreiten des Reichs in Gestalt bundesfreundlicher Einwirkung auf die mecklenburgischen Regierungen schaffen will, muß ich bemerken, daß hierfür kein Anlaß vorliegt. Die Voraussetzungen der Art. 19 und ,8 Abs. 2 der Reichsverfassung liegen nicht

vor, weil es sich nicht um eine bestimmte, sondern um eine erst einzuführende Verfassung handelt. Die Bundesregierungen haben jetzt einstimmig die Frage verneint, ob die Möglichkeit eines Eingreifens gegebensei. Man müßte dem Reiche Befugnisse geben, in solchen Fällen auch mit einem Zwang einzugreifen. Geschieht dies aber, so nimmt das Reich den Bundesstaaten die Befugnis, ihre Verfassung selbständig und nach eigenem Gut­dünken zu regeln. Damit wäre der föderative Cha­rakter des Reichs geändert und gegen ein Spezial­gesetz, fast möchte man sagen ein Ausnahmegesetz, das sich gegen einen einzelnen Staat richtet, be­stehen 'denn doch die schwersten Bedenken. (Beifall rechts.) Abg. Froh me (Soz.) bezeichnet die meck­lenburgischen Zustände als eine Schmach und eins Schande für das ganze Reich. Die mecklenburgische Bevölkerung werde sich eine solche Entrechtung auf die Dauer nicht gefallen lassen. Nach weiteren Aeußerungen vertagt das Haus die Weiterberatung auf morgen 1 Nhr. Vorher Interpellation betr. Maßregelungen in Oberschlesien. Schluß 6 Uhr.

Tagespolitik.

In Frankreich trat gestern das Parlament zu seiner ordentlichen Session zusammen. Es wird die letzte Session der gegenwärtigen Kammer sein, da im Mai die Neuwahlen stattfinden werden. Mit Rücksicht auf die Wahlen wird die Session auch sehr kurz sein.

* *

Der neue türkische Großwesir, Hakki Pascha, hat die Kabinettsbildung zum erfolgreichen Abschluß gebracht und dem Sultan die vollzählige Liste der neuen Minister vvrlegen können. Große Verschiebungen sind im neuen Kabinette, cm Gegen­satz zum alten, nicht eingetretsn. Nur das Unter­richtsministerium und das Kriegsministerium haben neue Leiter erhalten. Bon diesen beansprucht der neue Kriegsminister das allgemeine Interesse, denn Mahmud Schefket Pascha ist es, der das Portefeuille nach längerem Widerstreben übernommen hat. Sein Name ist der Welt als hervorragender türkischer General bekannt. Unter seiner militärischen Führung wurde das alte Regime endgültig gestürzt, und als Generalissismus der türkischen Armee hat er seit­dem einen entscheidenden Einfluß auf die Ge­staltung der türkischen Armee ausgeübt. Den Deut­schen ist er noch besonders bekannt, da er als Gast des Kaisers den letzten großen Herbstmanövern in Württemberg beigewohnt hat.

Die Geheimpolizei von Portugal entdeckte ein großes über das ganze Land ausgebreitetss Kom­plott gegen das Leben Königs Manuels und nahm bei den Untersuchungen und Haussuchun­gen etwa 40 Verhaftungen vor. Unter den Verhaf­teten befinden sich verschiedene alte Anarchisten, die schon an der Verschwörung gegen das Leben König Carols beteiligt gewesen sind. Unter der Bevölke­rung herrscht große Erregung.

Landesnachrichten.

Att«rrsteig, 12. Januar.

* Das Ministerium des Innern macht in einem Erlaß darauf aufmerksam, daß die Verpackung der 25 Pf g.-Stücke in Beuteln zu 100 Mark oder in Rollen zu 10 Mark vorzunehmen ist. Die K. Oberämter werden beauftragt, hiervon den Ober­amts-, Gemeinde- und Stiftungspflegern zur Nach­achtung Kenntnis zu geben. Die K. Zentralstelle empfiehlt den Handels- und Gewerbetreibenden die Einhaltung eines gleichen Verfahrens bei Ver­packung dieser Münzsorte.

* Frendenstadt, 11. Jan. ImGrenzer" wird das 1. Verzeichnis der Wi n te r ku r g ä ste bekannt­gegeben. Statt Schnee und Gelegenheit den Win­tersport auszuüben, wird vom Erwachen der Na­tur, von Knospen und frischen Blättern, von blühen­den Schlüsselblumen usw. berichtet.

If Neuenbürg, 11. Jan. In Loffenau ist unter den Händen der Hebamme eine junge Frau plötzlich gestorben. Die Behörde hat sich der Sache bemächtigt, da Umstöße vorliegen sollen.

st Horb, 11 . Jan. Eine geriebene Zigeu­nerin ließ sich vorgestern mittag in einem hie­sigen Kolonialwarengeschäft einige Pfund Kaffee ge­ben und ihn in einen Topf, unter den sie eine Schürze gebreitet hatte, schütten. In dem gleichen Augenblick stellte sie den Topf an eine Ecke des Ladentisches mit dem Bemerken, daß sie in zehn Minuten den Kaffee beim Rückkommen mitnehmen u. zahlen würde, da sie sonst noch etwas zu besorgen habe. Wer aber nicht kam, war unsere Zigeunerin

und als dann der Geschäftsmann den Topf unter­suchte, fand er überhaupt keinen Boden vor. Den Kaffee hatte die Zigeunerin wohlgemut in ihrer Schürze fortgetragen.

js Tübingen, 11. Jan. Im verflossenen Jahr sind hier 2900 Strafanzeigen angefallen, 8000 Mark Geld­strafen wurden zudiktierl. Man sieht, die Studenten (solche sinds doch in der Hauptsache) bringen auch nach dieser Richtung schöne Einnahmen.

st Stuttgart, 11. Jan. Die Wirkung der von Partei und Gewerkschaften ergriffenen Maßregeln gegen die Milchverteuerung hat sich prompt eingestellt. Die Milchhändlervereinigung Stuttgart hat am Sonntag beschlossen, auf den alten Preis von 20 Pfg. für das Liter Milch zurückzugehen! Der Beschluß ist gestern, Montag, bereits in Wirk­samkeit getreten. In Zahlen ausgedrückt bedeutet der Erfolg der organisierten Arbeiterschaft für die Stuttgarter Bevölkerung eine Ersparnis von minde­stens 400 000 Mark jährlich, für die kinderreiche Arbeiterfamilie eine Minderausgabe von 15 bis 25 Mark im Jahre. Partei und Gewerkschaften wer­den den Milchvertrieb fortsetzen. (Schwab. Tagwacht.)

st Stuttgart, 11. Jan. (Strafkammer.) Am 16. Dezember kam der vorbestrafte ledige 41 Jahre alte Kaufmann Johann Bröcker von Hamburg in die Wohnung eines hiesigen Fabrikanten und sagte zu dem Dienstmädchen, er möchte den Herrn spre­chen. Das Dienstmädchen führte ihn in ein Zim­mer und meldete ihn bei der Herrschaft an. Wäh­rend Bröcker allein im Zimmer war, sah er in einem Nebenzimmer auf einem Tisch eine goldene Kette, eine goldene Geldbörse und eine Uhr liegen. Er nahm rasch die Sachen weg, steckte sie ein und ver­schwand damit. Als er die gestohlenen Gegen­stände, die einen Gesamtwert von über 600 Mark hatten, verkaufen wollte, wurde er verhaftet. Brö­cker ist wegen ähnlicher Diebstähle vorbestraft. Er hatte sich unter dem gleichen Vorwand in Woh­nungen Eingang verschafft und dann Diebstähle be­gangen. Bei dem Fabrikanten wollte er um sine Unterstützung nachsuchen. Die Strafkammer ver­urteilte ihn in Anbetracht seiner vielen und erheb­lichen Vorstrafen zu einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus.

* Stuttgart, 11. Jan. Vor dem Landgericht kam heute der S.chadenersatzprozeß des frühe­ren Mechanikers Böhler gegen den Grafen Zep­pelin zur Verhandlung. Auf den Vergleichsvor­schlag ging Gras Zeppelin nicht ein. Ueber den von R.A. Lindenmaier gestellten Antrag, die Majore Parseval, Groß und Sperling als Sachverständige zu laden, wird das Gericht in 8 Tagen den Beschluß verkündigen.

* Stuttgart, 12. Jan. Der erst vor kurzem aus der Postverwaltung in die verantwortungsreiche Stellung eines Vorstands der Verwaltungsabteilung bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen als

.Nachfolger Stierlins berufene Regierungsdirektor v. Zluhan kann Heute auf eine 40jährige amt­liche Tätigkeit zurückblicken. Seine Karriere hat Herr v. Zluhan begonnen als Postamtsassistent.

st Hedelsiugen, OA. Cannstatt, 11. Jan. Nach einer Mitteilung des hiesigen Ortsvorstehers ist der Anschluß der Gemeinde an das Stuttgarter Straßenbahnnetz gesichert und zwar soll die Sache derart beschleunigt werden, daß schon bis Mai pder Juni mit der Eröffnung der Bahn zu rechnen ist. Da die Erbauung einer linksufrigen Neckarbahn noch in weiter Ferne liegt, wird die neue Straßen­bahnverbindung für die Einwohnerschaft ein gro­ßer Vorteil sein, zumal wenn die Straßenbahn auch noch bis nach Eßlingen weitergeführt wird.

* Laudenbach, OA. Mergentheim, 10. Januar. Gestern fand hier im Gasthaus zur Krone die Grün­dung einer Getreideverkaufsgenossen­schaft mit dem Sitz in Laudenbach statt.

ff Von der badischen Grenze, 11. Jan. Am letzten Mittwoch vormittag erhielt die Familie Bottling von Mark­dorf, die durch Brandunglück und Verlust eines Kindes da­bei so schwer heimgesucht wurde, aus Stuttgart einen Brief, in dem ihr mitgeteilt wurde, das Kind sei noch am Leben, es sei von einem in Stuttgart wohnenden Mann, aus Mark­dorf gebürtig, namens E. entführt und nach Stuttgart ver­bracht worden. Wenn Bottling einen gewissen Geldbetrag sofort an die und die Adresse schicke, werde er sein Kind wieder erhalten. Am Mittwoch nachmittag dagegen wurden, wie schon mitgeteilt, die Ueberreste des verbrannten Kindes unter dem Schutt auf dem Brandplatze aufgefunden und am Freitag beerdigt. Der mysteriöse Brief wurde dem an­läßlich des Leichenfundes hierher gekommenen Gerichte über­geben und die Staatsanwaltschaft wird nun den Stuttgarter Schwindlern das Nötige besorgen.

* Hechingeir, 10. Jan. Der Anschluß des Oberamtsbezirks Hechingen an die Herre'nber- ger elektrische Ueberlandzentrale bildete den Gegenstand einer Versammlung, die unter dem Vorsitz von Oberamtmann Dr. Schönfeld hier statt­fand. Schultheiß Wizemann von Unterjesingen, der Vorsitzende der Ueberlandzentrale Herrenberg, sprach