da - es war kein Ei, sondern nur eine hohle Eier­schale und darin lag eine blonde Haarlocke,- dieses Experiment kostete nur 300 Mark. Inzwischen waren die bösen Geister wieder tätig geworden und des­halb schickte die Zigeunerin das nächste Mal eine andere Frau und ließ sagen, sie dürfe nur dann wieder kommen, wenn die Frau sie ausdrücklich bitten lasse; das tat die Frau natürlich und die Zigeunerin kam wieder, bezauberte wiederuni ein Ei und diesmal kam ein Totenkopf zum Vorschein ; er war kunstvoll aus einem Knochen geschnitzt. Das endlich war die Erfüllung; aber es kostete 500 M.: denn die Zigeunerin mußte nunmehr noch eine Wall­fahrt machen. Die Wirtsfrau gab 250 Mark her, weil sie nicht mehr im Haus hatte, entlieh den Rest und den holte dann am anderen Morgen ein wild und romantisch aussehender Mann ab, der auf Befehl der Geister nur eins Minute im Haus bleiben durfte. Damit war die Geschichte zu Ende, denn ihr Geld und die Zigeunerin und den Mann sah die Wirtsfrau niemals wieder. Auch die Kir­chenbaulose gewannen nichts. Da endlich gingen der geprellteist Frau die Augen auf. Auf welche Weise die Sache aber dann zur Anzeige kam, wurde in der, Verhandlung nicht festgestellt. Die Ange­klagte ist unter ihrem richtigen und verschiedenen falschen Namen unzählige Mal vorbestraft; sie ver­suchte nicht einmal den alten Schwindel, daß sie selbst an ihre Geister und an ihre Prophetengabe geglaubt habe, sondern gab lächelnd zu, daß alles ausgemachter Schwindel gewesen sei. Sie wurde zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr vier Monaten verurteilt. St. T.

Tolleranz.

* Stuttgart, 18. Dez. Seit Herbst vorigen Jahres ist an Stelle des seit etwa 180 Jahren in der württembergischen Landeskirche unverändert gebliebenen Konfirmationsbüchleins ein neues eingeführt. Stadtpfarrer John von der Stuttgarter Johanneskirche, der die in dem Büchlein enthaltenen Lehren als Abweichungen vom Grund­bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche be- zeichnete u. es deshalb als mit seinem Gewissen un­vereinbar hielt, danach zu lehren, legte seinem Un­terricht im vorigen und in diesem Herbst nach wie vor das alte Büchlein zu Grunde. Die Oberkirchen­behörde hatte das schon im vorigen Herbst zunächst auf ein Jahr geduldet, und sie hat auch in diesem Jahr bis auf weiteres Duldung zugesagt,nicht zwar in der Weise, daß Stadtpfarrer John der Ge­brauch des alten Konfirmationsbüchleins an Stelle des neuen gestattet worden wäre hierzu hätte die Oberkirchenbehörde.gar keine formelle Berech­tigung vielmehr in der Art, daß die Behörde den Gewissensbedenken Johns, wie der Eigenart des Falles (Festhalten einer jahrhundertalten Ordnung) Rechnung tragend, unter ausdrücklicher Betonung der Ungesetzlichkeit des Verhaltens Johns von einem disziplinären Vorgehen zunächst absieht und eine zuwartende Stellung einnimmt, jedoch nur in so­lange, als keine Schädigung der allgemein kirch­lichen Verhältnisse zu befürchten ist". Die Entschei­dung läßt, wie derKirchl. Anz." sagt,den formal­juridischen Gesichtspunkt zurücktreten hinter entschie­den evangelischen Erwägungen", und das ist zu be­grüßen.

st Sternensels, OA. Maulbronn, 20. Dez. Heute mittag halb drei Uhr entstand auf bis jetzt unauf­geklärte Weise in dem Wohnhaus des Friedr. Streck­fuß Feuer, das auch Wohnhaus und Scheuer der Friedr. Knoll Witwe ergriff und in Asche legte. Während des Brandes wurde ein vierjähriges Kind vermißt und glaubte man anfänglich, es sei ver­brannt, jedoch wurde es abends noch in der Ecke eines Hauses, wenn auch ganz durchnäßt, unver­sehrt aufgefunden.

st Heilbronn, 20. Dez. In der Nacht vom ver­gangenen Freitag auf Samstag bemerkte eine Schutzmannspatrouille nachts gegen 11 Uhr in der Südstraße einen Mann, der in bewußtlosem Zu­stande auf dem Boden lag. Der Hilfsbedürftige, des­sen Persönlichkeit alsbald festgestellt werden konnte, wurde, in seine Wohnung verbracht und ein Arzt herbeigerufen. Letzterer konstatierte, daß hier ein Vergiftungsvsrsuch vorlag, weshalb der Kranke so­fort dem Krankenhaus übergeben wurde, wo er noch in derselben Nacht verstorben ist.

* Waiblingen, 20. Dez. Ein bedauerlicher Un­fall ereignete sich hier am Samstag abend. Paul Carle sen. war, nachdem er das Vieh gefüttert hatte, und die Treppe zur Wohnung empor gestiegen war, plötzlich rücklings wiederum hinabgestürzt und hat sich dabei einen Schädelbruch zugezvgen, was den alsbaldigen Tod des 67jährigen beliebten Mannes zur Folge hatte. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß dem Unglück ein Schlaganfall vorausging.

st Göppingen, 20. Dez. Zum Zweck der Er­richtung eines Fabrikunternehmens in der Ze­mentindustrie an der Hauptbahn Stuttgart-Ulm sind auf Hochdorser Markung in der Nähe von Rei­chenbach größere Geländeaufkäufe erfolgt; auch mit der Gemeinde Hochdorf schweben Unterhandlungen wegen des Ankaufs von Gemeindeeigentum. Die Fabrik soll mit dem Zementsteinbruch durch eine elektrische Fördereinrichtung verbunden werden.

st Geislingen a. St., 20. Dez. An den Folgen eines Schlaganfalles ist Künstler Brandenberg von hier im Alter von 40 Jahren gestern abend gestorben. Der Verstorbene war in allen Kreisen eine bekannte und beliebte Persönlichkeit.

st Bsn der oberen Donau, 20. Dez. Der dem Landwirt Adolf Braun gehörige große Hühner- brunnenhof bei Engen ist am Samstag abend vollständig abgebrannt.

st Ravensburg, 20. Dez. Die 40 Jahre alte Witwe des vor zwei Jahren gestorbenen Drogisten H. Geyer hier hat am Freitag abend ihre Wohnung verlassen, angeblich um in der Nachbarschaft noch einige Einkäufe zu machen, und wird seither ver­mißt. Am Samstag vormittag ist nun am Schussen- kanal ein Frauenhut und Pelz gefunden worden, die als der Vermißten gehörend erkannt wurden. Da von der Fundstelle Fußspuren gegen den Kanal hinführten, ist zu vermuten, daß die Bedauernswerte, bei der in jüngster Zeit Anzeichen von beginnender Schwermut bemerkt wurden, den Tod im Wasser- gesucht und gefunden hat. Trotzdem die ganze Schüssen auf weite Strecken abgesucht wurde, konnte aber die Leiche noch nicht gefunden werden.

DieKönigin der Nacht"

Sceroman von H. Hill.

Nachdruck verboten.

Es war ein großer, vierschrötiger Mann, von Bulldoggen- Typus, und obwohl er zu weit von mir entfernt saß, als daß ich seine Gesichtszäge hätte beobachten können, so machte er mir doch im allgemeinen den Eindruck, als wäre er, was man so einengefährlichen Bruder" nennt. Sein schäbiger, schlecht sitzender Anzug aus grauer Serge und der unge- flochlene, plumpe Slrohhut, der auf dem Nebenstuhle lag, sagten mir auch nichts weiter, als daß er ein Seemann von nichr besonders hohem Range war; ich hielt ihn für den Heizer oder Bootsmann eines kleinen Steamers. Als Mr. Matthew Mayfield etiva fünf Minuten fort war, trampelte er schwer- fällig durch die andere Tür und verschwand.

Als ich währenddessen meine Mahlzeit beendet und die Zeche bezahlt hatte, war es fünf Uhr, und in der Hoffnung, der Kapitän derMiranda". wäre jetzt an Bord gekommen, ging ich nach dem Schiffe zurück. Tie Matrosen hatten ihre Arbeit beendet und hielten sich im Bug auf, wo ein dritter Mann, ebenfalls ein Italiener, zu ihnen stieß, nach seinen schmutzigen, nach Tabak riechenden Kleidern zu urteilen, wohl gleichzeitig der Heizer und Maschinist dieser eigentümlichen und abgenutztenJacht".

Mein Erscheinen auf der Failreeptreppe schien bei der Be­satzung einiges Aufsehen zu erregen, und bevor ich noch meine Frage nach demCapitano" stellen konnte, stand einer von ihnen auf und zeigte nach einem von oben schii».mernüen Licht, während die andern nuch mit seltsamen Bucken be­trachteten. Auf die Meldung des Mannes kam als 'Antwort ein Ruf von unten, und sofort erschien ein Kopf über der Kajütenleiter, bei dessen 'Anblick i.ch betroffen zurückprallte.

Der Grund war der: der Kopf gehörte den: plumpen, vrer schrötigen Individuum an, welches ich vor einer Stunde mit Mayfield gesehen hatte.

Kapitän Forrester?" rief er.

Ja. Ich bin auf Veranlassung des Mr. Mayfield her­gekommen," versetzte ich.

Er drehte sich um und verschwand für zwei Sekunden von der Kajütenleiter, kam dann direkt auf Deck und bat mich, an Bord zu gehen.

Luxuriös werden Sie es auf dieser Jacht nicht finden," sprach er, während ich über die Fallreep treppe schritt,aber dafür fährt sie verteufelt schnell."

Ich vermute. Sie sind Kapitän Dicey," sagte ich, als er mich mit einem kräftigen Händedruck empfing.

Das bin ich, an mir ist auch nicht viel zu sehen, aber ich bin auch ein verteufelter Kerl," lautere die Antwort.Sie sind doch bereit, das Geld auszuzalsten, wie es abgemacht ist?"

Ich legte ihm die festgesetzte Summe in seine schmutzige Hand und wollte ihm eben erklären, er sollte die anderen zwanzig Pfund bei der Landung haben, vorausgesetzt, daß wir dieKönigin der Nacht" einholten, als er mich mit der Be­merkung unterbrach, er sei sich keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß er das Schiff zur rechten Zeit erreichen würde, das war so gut, als wenn er das Geld schon hätte.

Na, und jetzt, wo die Ladung an Bord ist, hindert uns ja nichts, gleich unter Segel zu gehen," fügte er hinzu. Sie können sich selber unterhalten, bis ich das Nötige besorge. Wenn wir aus dem Hafen heraus sind, werde ich Ihnen Ihre Kabine und den Salon zeigen."

Nach diesen Worten ging er zu seinen Leuten, rief ihnen etwas auf italienisch zu, und als sie auf ihren Posten saßen, wurde das Dregtau ausgeworfen, und wir fuhren in der untergehenden Sonne durch den Golf. Dicey selbst steuerte von der kleinen Erhöhung, die man kaum eine Brücke nennen konnte, und sah nach dem Schornstein, während ich selbst mich im Hinterteil des Schiffes niederließ und die Fahrgeschwin­digkeit des Schiffes mit kritischen Blicken abwog. Sobald wir mitVolldampf" fuhren, kam ich zu der Ueberzeugung, daß

st Köln a. Rh., 20. Dez. Wie der Köln. Ztg. aus Konstantinopel gemeldet wird, hat die Regierung mit der Bagdadbahn und andererseits diese mit der Mersina-Tarsus-Adanabahn eine Vereinbarung getroffen, nach welcher die Bagdadbahn die an­fänglich festgelegte Strecke nach Adana aufgibt, nach Jenidze geleitet wird und von dort bis Adana das Eisenbahnnetz Mersina-Adana benutzt.

* Berlin, 20. Dez. Im Namen der Vereinig­ung Hamburger Reeder hat der Vorsitzende, Direktor Ballin, eine Eingabe an den Reichskanzler gerichtet, in der im Interesse der Schiffahrt und der Eisen­industrie gebeten wird, daß das Reich die Mannes- mannsche Bergkonzession in Marokko dem deutschen Handel sichere.

* Potsdam, 20. Dez. Die Kronprinzessin ist in der vergangenen Nacht anläßlich des Todes ihres Großvaters, des Großfürsten Michael von Rußland nach Cannes abgereist.

* Kiel, 20. Dszbr. Prinz Heinrich von Preußen reist nachmittags 3 Uhr nach Potsdam ab, von wo er sich nach Brüssel begibt, um dort am Mittwoch den Kaiser bei den BeisstzungsfLier- lichkeiten zu vertreten.

st Planen, 20. Dez. Heule sind 1000 Sticker in den Aus stand getreten, da ihre Forderungen von den Fabrikanten nicht bewilligt wurden. 1500 Arbeiterinnen sind dadurch brotlos geworden.

Ausländisches»

* Mailand, 20. Dez. Me der Pariser Korre­spondent des Secolo meldet, wird Prinzessin Klementine von Belgien sofort nach Ab­lauf des Trauerjahres den Prinzen Viktor Na­poleon heiraten. Der verstorbene König hatte sich dieser Heirat energisch widersetzt und erklärt, er werde niemals in eine Ehe zwischen einer bel­gischen Prinzessin und einem französischen Thron­anwärter einwilligen.

* Paris, 20. Dez. Der Marineminister und sein Unterstaatsserretär Cheron haben die Unter­schrift des Präsidenten unter ein Dekret erhalten, das die vollständige Reorganisation der Marineverwaltung vorbereitet.

ff Brüssel, 20. Dez. Prinzessin Luise ist heute abend um 7 Uhr auf dem Bahnhof Schaerbeck in Begleitung zweier Damen angekommem An ver­deutschen Grenze erwartete im Aufträge des Kö­nigs Albert General Dony die Prinzessin.

st Helsingsors, 20. Dez. Von dem finnischen Zuschuß zu den russischen Militä rausgaben für 1908/1909 ist heute die Hälfte im Betrage von 10 Mill. Mark an die russische Staatskasse ausge­zahlt worden.

* St. Petersburg, 20. Dez. Während 1! Mo­naten des abgelaufenen Jahres wurden vom Kriegs­gericht 13 18 Todesurteile gefällt und da­von 510 voll st reckt. Auf den November entfal­len 144 Todesurteile und 34 Hinrichtungen.

* St. Petersburg, 20. Dez. Rußland nimmt im fernen Osten umfangreiche Truppenverlsg- ungen vor. Bon Irkutsk sind 50000 Mann nach dem Osten verschoben worden. Die Gesamtstärke der dort stehenden russischen Truppen beträgt nunmehr ungefähr 250 000 Mann.

die BezeicbnnngFlieger" aus dieMiranda" entschieden nicht angewendct werden konnte. Ihre Maschinen waren zwar besser, als man nach ihrem verfallenen Aussehen schließen konnte, aber schnell fuhr sie nicht, so daß ich um den Ausfall der Sache besorgt zu werden anfing, und mich fragte, ob es mir gelingen würde, meine Feinde zu erreichen.

Auch in anderer Hinsicht bemächtigte sich meiner ein Gefühl der Unbehaglichkeit, denn jetzt konnte ich eigentlich erst die Umstände beurteilen, unter denen ich auf dieses seltsame Schiff gekommen war. Mr. Matthew Mayfields Benehmen und Erscheinung hatten keinen sehr günstigen Eindruck auf nach gemacht, und eigentlich hatte mich nur der Dienst, den er mir erwiesen, einigermaßen mit ihm ausgesöhnt. Mein Vertrauen zu ihm halte durch den augewcheintichen Wunsch, mir im Restaurant auszuweichen, einen starken Schlag be­kommen, und je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger sah ich einen Grund für sein Benehmen, falls seine Behaup­tungen aus Wahrheit beruhten. Wenn alles in Ordnung war, so brauchte er sich ja nur zu entschuldigen, konnte sagen, daß er seine Pläne geändert und mich Dicey vorstellen.

Auch dieMiranda" und ihre Mannschaft gab zu Be­trachtungen Anlaß, die keineswegs sehr beruhigend waren. Das mochte in einer früheren Phase seiner Geschichte als Jacht benutzt worden sein, aber sicherlich deutete nichts an ihr daraus hin, daß sie kürzlich in Tätigkeit gewesen. Sie machte mir vielmehr den Eindruck eines abgetakelten Steamers, den man schleunigst 'zu einer schnellen Seefahrt in Stand gesetzt. Auch die Leute waren mit Ausnahme des Kapitäns sämtlich Italiener, was bei einer in englischen Händen befind­lichen Jacht zum mindesten ungewöhnlich war und ebenfalls zu der Annahme berechtigte, daß das Schiff zu einem be­sonderen Zwecke ausgerüstet oder angekauft worden war. Aber wenn das stimmte, welchen Zweck mochte man verfolgen? War es anznnehmen, daß Mayfield und Dicey nur die Emissäre von Vizard und Zavertal waren und die Aufgabe batten, mich in eine neue Falle zu locken? ^

(Fortsetzung folgt.)