LandesnachrichLen.
Alkerrfleig, 31. Oktober.
* Gestern hat sich hier ein schwerer Unglücks - fall zugetragen. Das 5 Jahre alte Kind des Taglöhners Mutz fiel bei Lorenz Luz in den Mühlkanal und geriet in das Wasserrad. Erst als das Wasserrad samt Mostereibetrieb stillstand und nach der Ursache der Störung gesehen wurde, fand man das bedauernswerte Kind schwer verletzt im Wasserrad vor. Die Verletzungen scheinen jedoch nicht lebensgefährlich zu sein.
>! Freudenstadt, 20. Okt. Der Gipsermeister Gaiser, dessen Tochter diesen Sommer von einem belgischen Automobil überfahren und lebensgefährlich verletzt wurde, hatte dieser Tage das Mißgeschick. selbst von einem Radfahrer uberfahren zu werden, wobei er außer anderen Verletzungen einen schweren Armbruch erlitt.
!! Herrenberg, 20. Okt. Ein wegen Unterschlagung steckbrieflich' verfolgter Dienstknecht aus dem Oberlande wurde ans hiesige Amtsgericht eingeliefert. Im Amtsgerichtsgebäude unternahm er, wie der Gäu- und Ammertalbote meldet, einen Fluchtversuch, sprang durch einige Straßen der Stadt und glaubte in einem Hause der Stuttgarter Straße auf der Bühne unter den Hopfenrahmen ein sicheres Versteck gefunden zu haben. Doch wurde er bald entdeckt und geschlossen vorgeiührt. Der Betreffende, bei einem Viehhändler im Oberamt Lauphaum beschäftigt. erhielt von seinem Dienstherrn etwa 600 Mark mit dem Auftrag, einen gekauften Ochsen abzuholen. Unter falschem Namen reiste er aber hierher und lebte herrlich nnd in Freuden unter der Angabe, sein Geld von einem Verwandten geerbt zu haben. Bei seiner Verhaftung in Gärtringen war er nur noch im Besitz von wenigen Mark. -- Kronenwirt Maier in Gült stein verunglückte vorige Woche in feiner Brennerei dadurch, daß ihm ein mit Zwetschgen eingeschlagenes Faß auf die Füße fiel und ihm diese schwer verletzten. - In Bondorf stürzte vorige Woche der 25jährige, fleißige und achtbare -Lohn der Witwe Kußmaul in der Scheuer herab und mußte tot vom Platze getragen werden. Das Unglück ist umso bedauerlicher, als die Frau vor nicht langer Zeit durch Unglücks- fälle ihren Mann und einen älteren Sohn verloren hat.
- Möttlingen, 18. Okt. Gestern fand in Anwesenheit des Prälaten v. Frohnmeyer die Einweihung der restaurierten Kirche statt. Die Renovation wurde unter möglichster Schonung des Alten in schöner stilvoller Weise von den Architekten Böklen und Feil ausgeführt. Die früher von der Blum- hardtstchen Familie gestiftete Orgel wurde vom Chor in das Schiff versetzt, so daß der Chor jetzt ganz freigelegt ist und das kunstreiche Netzgewölbe erleuchtet durch die schönen Fenster mit gotischem Maßwerk in den alten Farben erglänzt. 4 L-chlnß- steine schmücken dieses Gewölbe, wovon einer Zeugnis davon gibt, daß der Chor von dem Hirsauer Kloster erbaut worden ist. Die ganze Gemeinde nahm lebhaften Anteil an der Feier und freute sich über die gelungene Ausführung der Restauration. Die Kosten belaufen sich auf 15 000 Mark, wozu die Gemeinde einen Beitrag aus der Pfingstkollekte bekam. In dem angrenzenden alten Friedhof wurde das Grab des bekannten Dr. Barth, in welchem auch die Gebeine seiner Mutter, sowie der Pfarrherren
Machtolf und Groß sich befinden, wieder ansge- bessert. - Nächsten Sonntag wird die erweiterte Kirche in Mona kam eingeweiht werden. Da die bisherige Filiale Unterhaugstett von Möttlingen abgelöst und mit Monakam, Filial von Liebenzell, zu einer Pfarrei zusammengelegt werden soll, mußte in der Monakamer Kirche mehr Raum geschaffen werden.
ss Rottweil, 20. Okt. Obwohl in den Tagesblättern schon oft Warnungen an solche, die vor Gericht Zeugenschaft zu leisten haben, ergangen sind, sich bei dem Anspruch auf ihre Gebühren sich keine unlauteren Machenschaften zu schulden kommen zu lassen, gibt es doch immer wieder Unehrliche, die. um .höhere Zeugengebühren sich zu verschaffen, den Kassenbeamten falsche Angaben machen und - hereinfallen. So hat, wie der Schwarzw. Bote berichtet, im Laufe dieses Sommers ein damals in Karlsruhe wohnhafter Metzgergeselle, der in einer Strafsache vor dem Schöffengericht in Rottweil als Zeuge vernommen worden ist, dem Kassenbeamten angegeben, er verdiene täglich 4,50 Mark und habe am Tag seiner Abreise von Karlsruhe nach Rottweil einen ganzen Tag versäumt, da ihn sein Meister nicht nur einen halben Tag habe arbeiten lassen. So wurden ihm 7,50 Mark mehr ausbezahlt, als er zu Recht zu verlangen gehabt hätte, denn die angestellten Recherchen haben ergeben, daß er um jene Zeit überhaupt gar keine Arbeit hatte. Da der junge Mann wegen Betrugs schon zweimal vorbestraft ist, erfolgte in der gestrigen Strafkammersitzung seine Verurteilung wegen Betrugs im Rückfall zu drei Monaten Gefängnis, der niedersten. gesetzlich zulässigen Strafe.
st Reutlingen, 20. Oktober. Die Typhns- epidemie ist im Sinken. Das konstatierte sowohl der Stadtvorstand OBM. Hepp als auch Polizeiamtmann Hirzel aus eine direkte Anfrage des GR. Grözinger in der heutigen öffentlichen Sitzung des Gcmeinderats.
^ Urach, 20. Okt. Vor einigen Tagen wurde das von der hiesigen Metzgergenossenschaft um etwa 150 000 Mark erbaute neue Schlachthaus feierlich eröffnet.
5 Zuffenhausen, 20. Okt. Der durch Explosion einer Petroleumlampe schwer verbrannte Milchkuranstaltsbesitzer Friedrich Binder ist seinen Verletzungen gestern erlegen.
st Stuttgart, 20. Okt. Heute nacht ist die Königin aus Böhmen, wo sie zu Besuch bei Verwandten in Ratiboritz geweilt hatte, zurückgekehrt und hat sich vormittags nach Tübingen begeben, wo sie mit dem König, der aus Friedrichshafen kam. zusammentraf, um der Einweihung des Missionsärztlichen Instituts beizuwohnen. Abends begaben sich die beiden Majestäten nach Friedrichshafen zurück.
st Stuttgart, 20. Okt. Gestern vormittag neun Uhr wurde auf dem Güterbahnhof in Cannstatt ein Eisenbahnassistent durch Anfahren einer Maschine an einen Eisenbahnwagen zwischen diesen und die Rampe eingeklemmt. Dem Manne wurden beide Füße gequetscht.
* Stuttgart, 21. Okt. Der Verband der Würt- temberger Handwerker-Genossenschaften hielt gestern im Stadtgarten unter dem Vorsitz des Verwalters Häußermann seine diesjährige Generalversammlung ab. Zu derselben war auch Präsident
v. Mosthaf erschienen. Verbandrevisor Schumacher erstattete den Rechenschaftsbericht. Dem Verband gehören jetzt insgesamt 62 Genossenschaften mit 4916 Mitgliedern an; im Jahre 1908 waren es noch 56 Genossenschaften mit 1649 Mitgliedern. Das Kapital, das von den Verbandsgenossenschaften repräsentiert wird, beläuft sich auf über 2 400 000 Mk. Zum Schluß sprach Verbandrevisor Schumacher auch noch über die R ei ch s fin a n z r e f o r m. Er be- zeichnete die Talonsteuer als gerechtfertigt; durch die erhöhte Wechselsteuer und noch mehr durch die Scheck- und Quittungsstempelsteuer werde auch das Handwerk stark bedrückt. Nach den Verhandlungen fand ein gemeinsames Mahl und später eine Besichtigung des neuen Schlachthofes bei Gaisburg statt.
* Stuttgart, 20. Okt. Der Stuttgarter Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen hielt heute seine Jahresversammlung ab. Dem vom Vorsitzenden erstatteten Bericht über das am 1. Juli zu Ende gegangene 42. Rechnungsjahr des Vereins ist zu entnehmen, daß die Errichtung eines zweiten Ledigenheims geplant sei. da das seitherige Heim, das vor zwanzig Jahren in Gemeinschaft mit dem Arbeiterbildungsverein erstellt wurde, dem wachsenden Bedürfnis nicht mehr genügen kann. Die vom Verein in Angriff genommene Sanierung der Altstadt ist jetzt bis auf zwei Hauser, die erst im nächsten Jahre bezogen werden können, durchgeführt. An Stelle von 87 alten abgerissenen Häuschen zählt die wiederaufgebaute Altstadt nicht weniger als 34 Gebänds, darunter den großen Eber- harsbau. Das, was der Verein hier geschaffen, wird allgemein anerkannt, auch von Architekten und Künstlern.
st Wangen, 20. Okt. Das viereinhalbjahrige Knäbchen der L. Keller.schen Eheleute fiel vorgestern nachmittag in einem unbewachten Augenblick in ein Gefäß mit heißer Lauche nnd verbrühte sich derart, daß es bald darauf starb.
* Marbach, 2 1 . Okt. Auf der H e r b st w an d e r- versammlung der Nationalliberalen Partei — Deutschen Partei — am Sonntag den 24. ds. Mts. in Marbach wird außer den Reichstagsabgeordneten Dr. Blankenhorn und Dr. Hieber auch Landtagsabgeordneter Regierungsrat Häffner sprechen. Häffner wird einen Bericht über die Tätigkeit des Landtags geben.
st Kleinbrettcnheim, OA. Gerabrvnn, 20. Okt. Daß Rebhühner in die Küche fliegen, dürfte wohl noch nicht vorgekommen sein und doch hat sich dies bei Gastwirt Ströbel hier zugetragen. Als dessen Fran abends bei Licht in der Küche beschäftigt war. stürzte sich ein Vogel durch das offene Fenster herein und warf dabei einen auf dem Herd stehenden Hafen um. Als man den seltenen Gast fing, stellte es sich heraus, daß es ein Rebhuhn war.
* Friedrichshofen, 20. Okt. Zu der Kölner Meldung, daß das preußische Kriegsministerium den Grafen Zeppelin gebeten habe, den Oberingenieur Dürr zu den bevorstehenden Luftmanövern in Köln zu beurlauben, weil man mit der Führung der Luftschiffe des starren Systems noch nicht genügend vertraut sei. teilt die Zeppelin-Gesellschaft mit. daß Hauptmann George, der seine Fähigkeit, ein Luftschiff zu führen, mit der Ueberführung des „Z. l" nach Metz genügend bewiesen habe, einer Unter-
Verschirdene Pole.
Novelle von Dr. L Lange.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Diesem Gedankengange Entsprechend handelte ich. Ich berichtete ihm unsere ganze Unterredung, verhehlte ihm auch die frühere nicht länger. Er zuckte zusammen, er wurde bleicher im Gesicht, aber er ertrug es doch besser als ich gedacht hatte. Er reichte mir dankend die Hand und bat mich, ihn allein zu lassen.
In den nächsten Tagen freilich sah ich. daß seine Ruhe nur eine scheinbare gewesen war. Seine Augen lagen tiefer in ihren Höhlen, seine Gesichtsfarbe zeigte von durchwachten Nächten. Ich suchte ihn zu zerstreuen, allein er wies meine Versuche mit schmerzlichem Lächeln ab.
Franziska von Rettberg kam noch ebenso oft zu seiner Schwester, als bisher. Ihr Blick ruhte bisweilen, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, teilnahmsvoll auf ihm, aber wenn dann unsere Augen einander trafen, las ich in den ihren deutlich ein „Es kann nicht anders sein!"
Sie beschäftigte sich viel mit Uanda, obwohl diese, sonst gutmütig und gefällig gegen jedermann, ihr eine mir nicht recht erklärliche Abneigung zeigte. Frau von Rettberg schien sich in den Kopf gesetzt zu haben, diese zu besiegen, und als es ihren in reichem Maße mitgebrachten Geschenken nicht gelingen wollte, ihr Uandas Neigung zu gewinnen, bat sie eines Tages Fred, ihr die kleine Schwarze auf einige Tage zu überlassen.
Fred hatte wenig Neigung dazu. „Sie werden die Kleine verderben!" äußerte er ziemlich rücksichtslos.
„Wie meinen Sie das?"
„ Ihr Charakter ist noch zu unentwickelt, um den Kontakt mit dem Ihrigen zu ertragen."
„Herr Professor!"
„Gnädige Frau?"
„Sie werden beleidigend!"
„Ich sprach nur meine Ueberzeugung aus, war weit entfernt, Sie kränken zu wollen." Sein Ton klang recht kühl. „Ich wollte nur sagen, daß Sie es wohl kaum verstehen. mit einem solchen Kind umzugehen, wie Uanda es noch ist. Sie würden sie verwöhnen, ihren Ungezogenheiten Vorschub leisten."
„Nur das meinten Sie?"
„Nur das!"
„Aber auf einige Tage könnten Sie mir Ihren Schützling doch anvertrauen."
„Sie haben doch sonst Spielzeug genug."
Sie biß sich auf die Lippen und wandte sich ab. Aber Uanda selbst bat jetzt mit einem solchen Eifer, sie auf einige Tage zu Frau von Rettberg zu lassen, daß Fred schließlich einwilligte.
Der Grund der auffallenden Bitte Uandas sollte bald klar werden.
Frau von Rettberg gab sich Mühe, sie in den kleinen weiblichen Handarbeiten zu unterrichten, in denen Uanda jedoch bei ihr nicht halb so rasche Fortschritte machte, als dies früher bei Freds Schwester der Fall gewesen war. Hätte Franziska ihrem lebhaften Temperament Folge geleistet, so hätte sie das junge Negermädchen am ersten Tage wieder zurückgesandt; nach der Unterredung mit Fred aber glaubte sie sich eine Blöße zu geben, wenn es ihr nicht gelang, den Beweis zu liefern, daß ihr Einfluß auf Uanda lediglich ein günstiger sei.
Der Aufenthalt derselben bei ihr nahm jedoch ein unerwartet rasches Ende.
Sie hatte für Uanda im Vorzimmer ihres Schlafgemaches, das von diesem nur durch eine Portiere getrennt
war, ein Bett aufschlagen lassen. Drei Tage weilte jene bereits bei ihr und nur zu den Lektionen war sie in das Haus des Professors zurückgekehrt. Bei einer solchen Gelegenheit frug Freds Schwester sie, wie es ihr bei Frau von Rettberg gefalle.
„O, ganz gut," lautete die Antwort. „Uanda ärgere Missis Franziska von Früh bis Abend."
„Das ist aber schlecht von dir!"
„O nein!"
„Doch! Wenn ich das meinem Bruder sage, wird er sehr böse sein."
„Wenn du sagen alles Mister Professor, dann Uanda sagen dir nichts mehr, gar nichts."
„Ich will ihm nichts sagen, wenn Du mir versprichst, künftig artiger gegen Frau von Rettberg zu sein. Wir müssen uns ja schämen deinetwegen!"
„Brauchen du nicht, Uanda schämen sich auch nicht."
„Das ist sehr schlimm! Ich werde Frau von Rettberg sagen, daß sie dich schlägt, wenn du so unartig bist!"
„O, Uanda sein viel stärker." Mit einer gewissen naiven Selbstbewunderung hob sie ihre muskulösen Arme empor.
„Uanda, du bist ein schreckliches Mädchen!"
„Ja, Missis Leska!" Uanda ließ bei dem Namen Valeska stets die Vorsilbe weg.
„Willst du dich denn nickt bessern?"
„Nein, Missis Leska!"
„Dann wird aber mein Bruder sehr betrübt über dich sein!"
„Wir brauchen nichts ihm sagen!" rief Uanda triumphierend. „Dann er nicht kann sein betrübt über mir!"
Es mar nichts mit ihr anzufangen; wenigstens Fräulein Valeska gab den Versuch seufzend auf.
(Schluß folgt.)