Gegründet

1877.

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Fernsprecher Nr. 11.

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Unparteiische Tageszeitung und AnzeigeblaLL, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, HreudensLadt, Talw u. Neuenbürg.

Soitirt«rgS-ArrrS«berSchwavzwäldeV Ssnntagrblatt"

- Sonntags-Anzeiger und FamNen-ZeiLung für die Bewohner des Schwarzwaldes. - . -

Nr 8S7.

Avsgadeort Alte«steig°Stadr.

Ton«Lag, S««- 10 , OkLskee.

Amtsblatt für Psalzgrasenweiler.

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Wochen-Kundschau.

Wanderarbeitsstätten.

Eine bemerkenswerte Einrichtung trat am 1. Oktober in Württemberg in Wirksamkeit: die Wan­derarbeitsstätten. Zunächst werden deren 37 er­öffnet, die im mittleren Teile des Landes ein abge- fchlosfenes Netz bilden. Es ist beabsichtigt, dieses Netz auf das ganze Land auszudehnen. Die Kosten tragen die Amtskörperschaften der betreffenden Oberämter, denen vom Staate und dem Verein zur Förderung des Wanderarbeitsstättenwesens Beiträge gegeben werden. Die im Zusammenhang damit stehende Obdachlosenverpflegung und Beschäftigung gaben die Stadtverwaltungen übernommen, denen die Landarmenverbände die Kosten ersetzen. Die Wanderarbeitsstätten sind bestimmt, arbeitsuchenden arbeitsfähigen mittellosen Wanderern gegen Lei­stung einer gewissen Arbeit und gegen den Nach­weis einer bestimmten Wanderordnung Obdach und Verpflegung zu gewähren. In den Wanderarbeits­stätten ist überall da, wo ein städtisches Arbeitsamt noch nicht vorhanden ist, ein Arbeitsnachweis ein­gerichtet. Man hofft dadurch namentlich auch auf dem Lande den Landwirten und Gewerbetreibenden die Gewinnung von Arbeitskräften zu erleichtern. Verweigert der Wanderer eine für seine Kräfte passende Arbeitsstelle, so geht er der Verpflegung in den Wanderarbeitsstätten verlustig. In den Wan- derarbeitsstätten wird jeder mittellose Wanderer aus­genommen, sofern er einen lediglich als Aus­weis dienenden Wanderschein führt, der auf Grund einiger Papiere wie Quittungskarte und poli­zeiliche Abmeldebescheinigung gegen 50 Pfg. Gebühr oder eine entsprechende Arbeitsleistung ausgestellt wird. Für Obdach und Verpflegung in den Wander­arbeitsstätten hat der Wanderer täglich eine vier­stündige Arbeit zu leisten, worauf er, wenn er nicht eine Arbeitsstelle findet, die Wanderung zur nächsten Wanderarbeitsstätte anzutreten hat. Hält er die Wanderordnung ohne genügenden Grund nicht ein, so verliert er die Wohltat der Wanderarbeitsstätten- Verpflegung und wird als obdachlos an die Orts­armenbehörde verwiesen, die von ihm 'für Unter­kunft und Verpflegung eine zweitägige Arbeitslei­stung als Beweis seiner Arbeitswilligkeit verlangt. Die Arbeit wird meistens im Holzzerkleinern be­stehen. Durch die Wanderarbeitsstätten soll dem Stromertum, das vielfach eine wahre Landplage geworden ist, entgegengewirkt werden. Zu diesem Zwecke hat das Ministerium die Oberämter ange­wiesen, gegen die innerhalb des Netzes der Wander­arbeitsstätten betroffenen arbeitsfähigen Stromer mit den höchsten zulässigen Haftstrafen vorzugehen. Man rechnet bei der Durchführung der neuen Ein­richtung besonders auch auf die Mitwirkung und Unterstützung der Bevölkerung in der Weise, daß sie die Bettler nicht unterstützt, sondern an die Wanderarbeitsstätten verweist.

Parteitag der Volkspartei.

Die Deutsche Bolkspartei, die man in Nord­deutschland meist diesüddeutsche Volkspartei" nennt, weil ihre Anhänger fast durchweg in Süd­deutschland sitzen, hat am letzten Sonntag in Heidel­berg ihren Parteitag abgehalten. Sein Verlauf ist so gewesen, daß man im volksparteilichen Lager davon äußert befriedigt ist, und auch in politi­

scher Beziehung hat er sehr Bemerkenswertes ge­bracht. Vor allem handelte es sich um die Frage der Vereinigung der Linksliberalen. Abg. v. Payer hielt darüber eine große Rede voll kluger und ver­ständiger Gedanken und er gab dabei einen wohl­abgewogenen Ueberblick über die letzten reichspoli­tischen Vorgänge und die gegenwärtige politische Lage. Die Einigung der Linksliberalen befürwortete Payer sehr entschieden und mit eindringlichen Grün­den. Mit dem Ausbau der linksliberalen Fraktions­gemeinschaft sei es nicht getan, vielmehr müsse eine große einheitliche Partei geschaffen werden, die etwas

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0, Cook und Familie.

bedeute und geschlossen auftrete. Die Linksliberalen seien durch ihre Zersplitterung mit schuld an unseren unbefriedigenden Verhältnissen. Gerade die Volks­partei habe bei der Verschmelzung Opfer zu bringen, aber sie trete in der Erkenntnis ihrer Notwendig­keit entschieden dafür ein. Jetzt sei der richtige Zeit­punkt da, und der Viererausschuß habe das Richtige in Bezug auf die weitere Behandlung getroffen. In der anschließenden Debatte erhoben sich auch einige Stimmen gegen die Verschmelzung, und namentlich ein paar Demokraten aus Bayern, darunter Land­tagsabgeordneter Quidde, zeigten sich als Gegner- bemerkbar. Aber das hatte weiter keine Bedeutung, denn bei der Abstimmung über die vorgefchlagene Resolution zeigte sich, daß es sich nur um eine winzige Minderheit handelt.

Haußmann-Bebel.

Abgeordneter Konrad Haußmann veröffentlichte imMärz" einenoffenen Brief" an dengeehrten Kollegen" Bebel, worin er den Versuch unternimmt, diesen für eine Aenderung der Methoden der Sozial­demokratie zu gewinnen. Haußmann setzt mit großer Eindringlichkeit die Widersprüche in der Sozial­demokratie, ihre völlige Unfruchtbarkeit und die durch sie hervorgerufene Verbitterung des öffent­lichen Lebens auseinander. Selbst in der Sozial­

demokratie rege sich der Zweifel, ob man nicht die bisherige Methode revidieren solle, und da möge er, Bebel, mit dem ganzen Gewicht seines Ansehens dafür eintreten. Aber Bebel ist alt und kränklich und wird auf seine alten Tage kaum noch etwas Neues, etwas Revisionistisches, anfangen. Die sozial­demokratische Presse spottet denn auch weidlich über Haußmann,das große Kind aus Schwaben", dessen Geschreibsel unglaublich naiv und töricht sei. Bebel selbst hat dem Abg. Haußmann in einem Privat­briefe, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist, geantwortet, natürlich ablehnend. Die Sozial­demokratie muß nach Bebel so sein, wie sie ist. Wenn sie den Liberalismus bekämpft, so liegt das eben an dessen Verdertheit. Bebel werde sich freuen, wenn die Sozialdemokratie Forderungen der Libe­ralen unterstützen könne nur findet eben das, was die Liberalen wollen, selten Gnade vor den Augen der Sozialdemokraten.

Einegrotzdeutsche" Rede.

Eine Rede des Prinzen Ludwig von Bayern, des künftigen Regenten, hat in dieser Woche Aufsehen gemacht. Es ist nicht das erstemal, denn er teilt mit dem Kaiser die Eigenschaft, daß er sich gern rednerisch vernehmen läßt und dabei mitunter sehr aus sich herausgeht. Zwar ist er als Redner nicht so glänzend, so prunkhast als der Kaiser, aber er meistert das Wort auch sehr gut, und dann ist er ein äußerst kenntnisreicher Mann, der etwas zu sagen weiß und seinen Gedanken in der Oesfentlichkeit Geltung zu verschaffen sucht. Unter seinen Reden hat am meisten jene Aussehen erregt, die er anläßlich der Zarenkrönung in Moskau hielt, als der deutsche Konsul den falschen Zungenschlag bekam, mit Bezug aus die deutschen Bundessürsten von Vasallen des deutschen Kaisers zu sprechen. Prinz Ludwig ant­wortete mit einer zugespitzten Darlegung der staats­rechtlichen Lage, die Aussehen erregte und in Berlin an hohen Stellen mit einiger Verstimmung ausge­nommen wurde, die allerdings längst verflogen ist. Sie konnte schon um deswillen nicht Vorhalten, weil Prinz Ludwig dem Kaiser und dem Reiche durchaus gibt, was ihnen gebührt, und weil er in seinem Fühlen und Handeln in jeder Beziehung sich als einen wahrhaft deutsch gesinnten Mann bewährt. Auch in seiner neuesten Rede zeigt sich das. Er hat sie bei einer Denkmalsenthüllung in dem unter- fränkischen Städtchen Helmstadt gehalten. Das Denkmal gilt ihm selbst; er ist nämlich in dem Gefechte vom 25. Juli 1866 dort schwer verwundet worden. Es war eines der letzten Gefechte des deut­schen Bruderkrieges. Die Bayern, die bei Helmstadt gegen die Preußen fochten und den kürzeren zogen, standen unter dem Befehl seines Vaters des Prinzen Luitpold, des jetzigen Regenten. Prinz Ludwig war Ordonnanzoffizier und erhielt einen Schuß in den Oberschenkel. Die Kugel soll er heute noch mit sich herumtragen. In seiner Rede nun gedachte er dieses Krieges, der, so unglückselig er auch war, doch die glückliche Folge hatte, daß er die Einigung der deut­schen Stämme und die Gründung des deutschen Reiches brachte. Um so unheilvoller, so sagte Prinz Ludwig, habe sich das Schicksal der Deutschen in Oesterreich gestaltet. Von Deutschland losgerisseu, seien die Deutschen in Oesterreich in eine schwierige, fast trostlose Lage geraten. Es sei, als wenn der Herzschlag unterbunden worden sei. Es bleibe den Deutschen in Oesterreich nichts anders übrig, als