! Schramberg, 4. Oktober. In der Nacht vom Samstag zum Sonntag brach gegen halb zwei Uhr früh in der Möbelfabrik Moser Feuer aus. In der kürzesten Zeit stand der mit Vorräten ange­füllte Dachstock des erst vor ca. drei Jahren neu erbauten prächtigen Fabrikgebäudes in Hellen Flam­men. Als der Dachstuhl eingestürzt war, griff das Feuer aus das tieferliegende Stockwerk über, wo es an fertigen Möbeln und im Poliersaal reichlich Nah­rung fand. Ein Moment nur und es war auch hier alles ein Flammenmeer. Die feuerfeste Decke des zweiten Stockwerks verhinderte ein Uebergreifen des Feuers auf die unteren Stockwerke, doch stürzte die Decke infolge der Belastung durch Schutt und Wasser gegen Morgen ein, sodaß mit Ausnahme des Ma­schinensaals das ganze Gebäude vernichtet ist. Die Feuerwehr tat ihr möglichstes, allein gegenüber die­sem gewaltigen Brand war sie fast machtlos, weil insbesondere das Wasser zu wenig Druck hatte.

si Schramberg, 4. Okt. In der städtischen Turn­halle wurde eine Ausstellung des Schwäbischen Gau­verbandes gegen den Alkoholismus eröffnet.

^ Tuttlingen, 4. Okt. Der 19 Jahre alte Ru­dolf Dold schoß sich gestern abend eine Kugel in die Schläfe. Er dürfte kaum mit dem Leben davon­kommen. Der Grund zur Tat ist unbekannt.

st Plochingen, 4. Okt. Durch Abstürzen von einem Faß zog sich vor einigen Tagen der in der Waldhornbrauerei beschäftigte Bierbrauer Reisinger so schwere Verletzungen am Hinterkopse zu, daß er in der Nacht vom Samstag auf Sonntag im Kran­kenhaus gestorben ist. Der 17 Jahre alte Schlos­ser Gottlieb Seyerle von hier stürzte am vergangenen Samstag vormittag in der Kiesbaggerei in Pfau- Hausen so unglücklich ab, daß er gleichfalls in der Nacht vom Samstag auf Sonntag gestorben ist.

st Gmünd, 4. Okt. In St. Katharina wurde der Taglöhner Bernhard Kienzle in seinem Zimmer, dessen Türe gesprengt wurde, nachdem man über sein Ausbleiben beunruhigt war, tot aufgefunden.

35. Kongreß für Innere Mission.

sj Stuttgart, 4. Okt. Der 35. Kongreß für Innere Mission wurde heute nach 2 Eröffnungsgottesdiensten in der Stifts- und in der Hospitalkirche, bei denen Prälat Tr. von Weitbrecht in Stuttgart und Hofprediger a. D. Keßler- Dresden predigten, um 8 Uhr abends mit einer imposanten Begrüßungsversammlung im großen Festsaal der .Liederhalle*, der bis auf den letzten Platz gefüllt war, in Gegenwart der Herzogin Wera von Württemberg und zahl­reicher Vertreter kirchlicher und weltlicher Behörden und Vereine eingeleitet. Den Abend beschloß ein Vortrag des geschäftsführenden Sekretärs des Zentralausschusses, Pastor W. Scheffen-Berlin über: .Die Innere Mission Deutschlands, ein Ueberblick über die in den letzten Jahren ihr gestellten Aufgaben*. Orgelspiel und Gemeindegesang gaben der Feier eine würdige Umrahmung.

* Offenburg, 2. Oktober. Vor der Strafkamm er I des hiesigen Landgerichts wurde heute der 39 Jahre alte verheiratete Buchhalter Franz Mößmer aus Sigmarin­gen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte in den letzten Jahren während seiner Beschäftigung bei dem jetzt ausgehobenen Fürstlich Fürstenbergischen Rentamt Wolfach UnterschlagungeninHöhe von etwa 7 2 0 0 0 Mark verübt. Mössmer huldigte dem Börsenspiel und hat auch über seine Verhältnisse gelebt. Die Spekulationen,

die innerhalb Ist Fahren einen Umsatz von 8 Millionen erreichten, scheinen zum Teil geglückt zu sein. Die Standes­herrschaft ist für ihren Schaden gedeckt. Nach den Angaben Mößmers hätte sich die Mehrzahl der Fürsten bel­gischen Beamten in D o n a ue s ch i n g e n, wo er bis Oktober 1906 bedienstet war, ebenfalls mit Börsen­spekulationen befaßt und dadurch sei auch er hierzu bewogen worden.

* Frankfurt a. M., 4. Okt. Der Parsevalballon wird auf Einladung der Stadtverwaltung von Koblenz diese Stadt besuchen und auf seiner Fahrt dorthin auf dem Exer­zierplatz Karthaus eine Landung vornehmen. Diese Fahrt soll möglichst Donnerstag unternommen werden.

ss Würzburg, 4. Okt. In Helmstadt fand gestern die Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an die Verwundung des Prinzen Ludwig von Bayern in dem Gefechte gegen Preußen im Jahre 1866 statt. Prinz Ludwig wohnte der Feier bei und besprach in längerer Rede die Folgen des Kampfes von 1866 für die Deutschen und sagte: Dem deutschen Volke war eine glänzendere Gegenwart beschieden als je zuvor, aber um so unheilvoller gestaltete sich das Schicksal der von Deutschland losgeriffenen Deutschen in Oesterreich-Ungarn. Die Hauptaufgabe für diese ist, fest zusammenzuhalten und Zwietracht zu vermeiden. Dadurch, daß Bismarck 1866 Oesterreich nicht einen Fuß breit Boden abverlangte, wurde der Anschluß der Südstaaten und die deutsche Einigkeit möglich. So konnte der Dreibund entstehen. Prinz Ludwig schloß mit einem Hoch auf den Prinzregenten.

' Hamburg, 4. Okt. Direktor Colsman besichtigte heute in der Nähe Hamburgs Plätze, die sich als Landungsplätze für Luftschiffe eigneten. Eine hier gegründete Gesellschaft für Luftschiffahrt und Aviatik beabsichtigt namentlich die Unterhaltung eines Landungsplatzes für Luftschiffe, den Bau einer Ballonhalle, sowie den Erwerb eines Luftschiffes und den Betrieb mit ihm. Sie beabsichtigt ferner, eine zweite Lustschiffstation zu errichten mit einem größeren Zeppelinballon und einigen Fahrzeugen leichteren Materials, die mit 3 Mo­toren ausgestattet und die bis 40 Personen tragen könnten. Diese Fahrzeuge sollen zum Besuch der Nord- und Oftsee­bäder dienen. Auch will man Fahrten nach Kopenhagen und sogar nach England mit entsprechender Verminderung der teilnehmenden Personen unternehmen. Mit dieser neu­gegründeten Gesellschaft hat Colsmans Besuch jedoch nichts zu tun.

Eiftnbah« ItrrglüS.

ss Aus Baden, 4. Okt. Ein schwerer Eisenbahnunfall ereignete sich gestern vormittag kurz nach 9 Uhr auf der Station Zuzenhauien bei Meckesheim. Tort kreuzte der 7.42 Uhr abgehende Personenzug 434 HeilbronnHeidelberg mit dem 8.15 Uhr in Heidelberg abgehenden Personenzug 433, HeidelbergHeilbronn. Während nun der Zug von Heidel­berg her die Einfahrtsweiche passierte, stellte der Hilfswärter Siegenmüller aus Hoffenheim die Weiche zurück in der Meinung, der Zug habe sie schon passiert. Vier Wagen befanden sich aber noch vor der Weiche. Diese 4 Wagen entgleisten sofort und 2 von ihnen stürzten den Bahndamm hinab. Der dritte Wagen stand vom Gleis quer gegen den Dammabhang und der vierte, (der letzte des Zuges) blieb neben dem Gleis stehen. Im Zeitraum von wenigen Augen­blicken war ein wirrer Durcheinander entstanden, in das sich die gellenden Hilferufe der Passagiere mischten, die in den abgestürzten Wagen übereinander gekeilt waren. Die Passa­giere des Heilbronner Zuges beteiligten sich lebhaft an den Rettungsarbeiten. Mit Hilfe von Leitern wurden nach und nach sämtliche Reisende in Sicherheit gebracht. Zufällig be­fanden sich zwei Aerzte im Zuge, die sofort im Bahnhofs­

wartsaal einen Verbandsaal einrichteten. Dabei zeigte sich, daß kein Menschenleben zu beklagen war. Sieben Personen wurden leicht verletzt, darunter ein Herr Leder­mann mit Frau aus Heidelberg, eine Person wurde schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt, ein Herr aus Mannheim. Der Materialschaden ist sehr erheblich. Das Gleis ist zerstört, die Wagen zur Hälfte zertrümmert. Von Meckesheim kam rasch weitere Hilfe, später auch von Heidel­berg und Neckarelz, um das Gleis wieder fahrbar zu machen. Den ganzen Tag gestern erlitten die Züge dieser Strecke große Verspätungen, da in Zuzenhausen umgestiegen werden mußte. Wie dem Neckar-Echo von der Bahnstation Heil­bronn auf Anfrage mitgeteilt wird, ist der durchgehende Ver­kehr gestern nachmittag 5 Uhr wieder ausgenommen worden.

Ausländisches.

* Budapest, 4. Okt. Im ungarischen Abgeordnetenhause ging heute das Gerücht um, daß nächster Tage ein Beam­te n m i n i st e r i u m mit dem Grafen Festetics an der Spitze zu erwarten sei.

Bern, 4. Okt. Das von dem französischen Bildhauer Rene de Saint Marceaux geschaffene Weltpostdenkmal wurde heute eingeweiht.

' Zürich, 4. Okt. Wie hier bekannt, sind jetzt sämtliche Teilnehmer an der Gordon-Bennett-Weitfahrt gelandet.

!s Rom, 4. Okt. Wegen in der Stadt Adria gegen den Bischof Boggiani von Rovigo erfolgten Demonstrationen, bei denen der Bischof mit Steinen beworfen und mit Stock­schlägen verwundet wurde, hat der Papst ein Interdikt über die Stadt verhängt. Danach sind von der dortigen Geist­lichkeit auf eine Woche alle kirchlichen Funktionen, abgesehen von der Taufe und der letzten Oelung, einzustellen.

* Paris, 4. Oktbr. Minister Millerand teilte mit, daß für den 1. November die W i e d e r e i n st e l lu n g aller bei den Unruhen verabschiedeten Postbeamten in Aussicht genommen sei. Es würden alle Beamte, mit Ausnahme einiger Rädelsführer, deren Einstellung unmöglich sei) wieder ausgenommen werden. Es handle sich um keine Amnestie, sondern um eine allgemeine Beruhigung.

Charleville, 4. Okt. Eine deutsche Abordnung aus Gera (Reuß) weihte heute auf dem Friedhof in Beaumont- en-Argonne ein Denkmat zu Ehren der im Kriege von 1870 71 dort gefallenen Deutschenein. Anden übrigen auf dem Friedhof befindlichen Kriegerdenkmälern wurden Kränze niedergelegt.

Bedrückung der Armenier.

* Den armenischen Kreisen in Berlin wird aus Tiflis geschrieben: Wie bekannt hat die russische Regierung seit einem Jahre eine allgemeine Verfolgung gegen das Armenier- tum erhoben. Unter den Verhafteten befindet sich auch der bekannte armenische Schriftsteller A. Aharonian, dessen Ge­sundheitszustand so bedenklich ist, daß Anatole France, Viktor Berard und andere durch die russische Botschaft in Paris die russische Regierung um die Erleichterung seiner Lage ersucht haben. Trotz dieser Intervention seiner berühmten Kollegen bleibt der beliebte armenische Dichter bis jetzt ein­gekerkert in Baku; trotzdem neulich die Aerzte bei ihm galoppierende Schwindsucht festgesrellt haben. In verschiedenen Städten des ganzen Rußlands sind Hunderte von intelligenten Armeniern ins Gefängnis geworfen. Obwohl sie als Revo­lutionäre und Verschwörer angeklagt werden, besteht ihre Schuld nur darin, daß sie während der von der Regierung selbst im Jahre 1905 inszenierten tatarischen Angriffe, die Selbst­verteidigung der armenischen Bevölkerung organisiert hatten. Die Untersuchung führt der Untersuchungsrichter Lischin, «in gefühlloser Tschinownik des alten Regimes.

M L«fef»ucht. N

Nichts ist über einen festen Plan, einen großen Zweck er füllt alle Stunden und bringt ins Leben Einheit.

In schwerem Verdacht.

Kriminalroman.

- Nachdruck verboten.

Gefaßt, ruhig machte der Kommissar sich an die Ar­beit. ^Zuerst nahm er das wichtigste vor: die Untersuchung des Schreibtisches des Kranken. Wieder kam die Aufregung von vorher über ihn und das Herz schlug ihm heftig ge­gen die Rippen, während er mit scharf spähenden Augen und suchenden Fingern alle Schubfächer durchforschte. Doch nichts, nichts, nicht das geringste Verdächtige, nichts, was den unglaublichen Angaben der Zeugen Ramberg und Frau Kraßnick zur Grundlage hätte dienen können. Aufatmend, mit wachsender Zuversicht ging der Kommissar an die Durchsuchung der anderen Räume. Aber auch hier nicht das geringste Resultat. Es blieben nur noch die Keller­und Bodenräume übrig. Ter Beamte pnff einen «ustiaen Marsch, während er in den verstaubten, in den Bodenkam­mern aufgestapelten Kisten und Gerümpel umherwühlte. Eigentlich überflüssige Arbeit, die er sich da machte, denn was sollte sich Wohl in den alten, wahrscheinlich längst außer Gebrauch gesetzten Gegenständen finden lassen? Aber er wollte seine Pflicht tun bis zum letzten Punkt. Wenn sich hier im dunklen Schlupfwinkel Dinge verbargen, die ge­eignet waren, die Anqaben der beiden Krasinick entlastenden

Zeugen zu bekräftigen, dann mußten sie unter allen Ilm stünden ans Tageslicht befördert werden. Ein Unschuldiger durfte nicht auf die Richtstätte geschleppt werden. Das war nicht seine Absicht, das war nie seine Absicht gewesen.

In einem dunklen Winkel stand ein alter schwerer masiiver Koffer. Seit Jabren schien er nicht mehr benutzt Er war über und über mit Staub bedeckt und die eisernen Reiten, mit denen er umspannt war, hatten sich zum Teil gelöst und hingen verrostet herab. Trotzdem war das Ding verschlossen und der Kommissar rüttelte an dem hölzernen Behältnis. Es schien leer. Geöffnet mußte es aber wer­den. Doch wo in der Eile einen Schlüssel beschaffen? Erst nach der Stadt schicken und einen Schlosser herbeiholen lassen? Ach Unsinn, an dem alten Kasten war ja doch nichts mehr zu verderben! Schnell griff der Beamte nach Zange und Hammer, die er schon wiederholt während seiner Ar beit benutzt hatte. In kaum einer Minute war das alters­schwache Schloß gesprengt. Mechanisch klappte Kommissar Hirt den Deckel zurück und griff mit der Hand in den hohen, tiefen Koffer. . Nichts! . . . doch da auf dem Bo­den raschelte etwas. Ein glatter, leichter Gegenstand. Er griff zu und zog ihn herauf. Aber kaum hatte er einen Blick auf das ans Tageslicht Beförderte geworfen, als er entsetzt zurücktaumelte. Eine Manschette war es, über und über mit Blut besudelt. Er stand starr und betrachtete das verhängnisvolle Beweisstück unausgesetzt, während ibm die Knie zitterten und alles Blut aus seinem Gesicht wich. Und dann, sich mit einer übermenschlichen Anstrengung fastend, trat er wieder näher an den Koffer und tauchte noch ein­mal seine Rechte in den tiefen Raum hinab. Auch eine zweite Manschette kam zum Vorschein. Auch sie war mit großen Blutflecken bedeckt. Und noch ein dritter Gegenstand geriet ihm in die tastende Hand, ein langes, schmales Etwas er hob es herauf. Es war ein in einem Lederfutteral steckender Dolch.

Kriminalkommissar Hirt ließ sich erschöpft auf dem Kofferrand nieder und sah mit einem Gemisch von Neugier und Grauen auf die Waffe. Sie war von eigentümlicher Form, stilettartig, dreischneidig und der Griff mit zwei roten Steinen besetzt. Die Klinge aber wies große dunkle Flecken auf.

Der Polizeibeamte stöhnte, er hielt die unwiderleglichen Beweise von Teßdorfs Schuld in den Händen, Teßdorf war der Mörder und Kraßnick war unschuldig verurteilt hauptsächlich auf seine Aussagen und Belastungen hin, Der Angstschweiß stieg dem Einsamen auf die Stirn, während er sich blitzschnell die Folgen vergegenwärtigte, die diese Entdeckung für ihn haben würde. Nun mußte er dem Staatsanwalt die soeben entdeckten Beweisstücke verlegen und damit erklären: ich war ein ungeschickter, täppischer Polizeibeamter und habe das in mich gesetzte Vertrauen schnöde getäuscht. Mehr als das, ich habe meine Pflicht gewissenlos mit Füßen getreten. Ich selbst bin ein Ver­brecher, reif für das Urteil des Strafrichters.

So saß er eine ganze Weile, die hohe, sehnige Gestalt in sich zusammengesunken, mit ausdruckslosem Auge zu Bo­den stierend. Da schnellte,er mit plötzlichem Ruck in die Höhe und warf einen forschenden, scheuen Blick um sich. Niemand, keine lebende Seele hatte ihn beobachtet, niemand wußte von dem Funde der kompromittierenden Gegenstände. Wenn er sie nun einfach beiseite schaffte? Dann blieb nichts als die Aussage eines fieberkranken, sterbenden Menschen, die nichts bewies und die als wertlos betrachtet werden konnte.

Es war der schwerste, martervollste Kampf in seinem Leben, den der Polizeikommissar jetzt auf der stillen, ein­samen Bodenkammer durchkämpfte. Zwei oder drei Mi­nuten verstrichen. Dann schritt der Beamte, die drei Fund­stücke in den Händen, dem Ausgang zu. Sein Entschlaf Mr gefaßt. Er hatte gefehlt, in gutem Glauben gefehlt.