1909, sofern der Mietzins unverändert geblieben ist, ebenso behandelt werden sollen, wie wenn sie die Wohnung vor dem 1 . April 1907 innegehabt hätten. — Ferner ging in der Zweiten Kammer ein zweiter Nachtrag zu dem Entwurf des Hauptfinanzetats für 1909/10 zu. Er enthält den Entwurf dös Art. 10 des Finanzgestzes für die Finanzperiode 1. April 1909 bis 31. März 1910, nach dem zur Erstellung eines Kursaalbaues in Wildbad 250000 Mk. bestimmt werden, die aus dem Betriebsfonds der Badeanstalt Wildbad zu bestreiten sind.
ss Stuttgart, 12. Juli. Der Ballon Zähringen, der gestern Sonntag mittag halb 12 Uhr mit dem Prinzen Wilhelm zu Sachsen-Weimar und zwei Leutnants an Bord in Heidelberg aufgestiegen war, ist gestern mittag halb 3 Uhr aus dem Gleis der Gäubahn glatt gelandet. Bis der Ballon entleert war, mußte ein Zug auf offener Strecke halten, ein anderer konnte nur langsam vorbeifahren. Die Gemahlin des Prinzen hatte die Fahrt des Ballons im Automobil bis Stuttgart verfolgt.
js Stuttgart, 12. Juli. Ein ungeheuerlicher Vorfall soll sich, wenn die „Schwäbische Tagwacht" recht unterrichtet ist, am Samstag bei der Firma Baresel und Bachstein, die den Tunnelbau Stuttgart, Feuerbach ausführt, zugetragen haben. Seit sechs Tagen arbeitete dort ein ca. 40 Jahre alter Arbeiter aus Ostpreußen. Fast mittellos sing dieser Mann beim Tunnelbau zu arbeiteu an, die paar Pfennige, die der Mann noch besaß, waren bald verbraucht. Um leben zu können, ging er die Bauaufseher um Vorschuß an. Der wurde ihm von allen Seiten verweigert. Ein Mitarbeiter aus Feuerbach gab dem hungernden Kollegen am Samstag morgen 30 Pfg., damit er etwas frühstücken konnte. Weil er keinen Vorschuß erhielt, wollte er ganz aufhören zu arbeiten, denn ohne Nahrung konnte er nicht Weiterarbeiten. Er wurde ins Baubureau zum Bauführer Knauz verwiesen. Von diesem wurde er aus dem Bureau hinaus die zehn Stufen hohe steile Treppe hinunster- geworfen, wo er fast bewußtlos liegen blieb. Der Mann mußte dann auf einer Tragbahre weggetragen werden. Er lag ^ Stunden im Magazin, bis er dann durch die inzwischen herbeigerufenen Schutzleute, die den Sanitätswagen besorgten, ins Katha.inenhospital verbracht wurde.
jj Stuttgart, 12. Juli. In Hedelfingen baten vier Handwerksburschen einen Landwirt sich an seinen Kirschen gütlich tun zu dürfen, was ihnen auch bereitwilligst gestattet wurde. Kaum befand sich einer der jungen Leute auf dem Baum, als auch schon ein Ast brach, wodurch der junge Mann schwere Verletzungen erlitt. Er mußte im Sanitätswagen nach Cannstatt verbracht werden.
js Plochingen, 12. Juli. Der Neckar steigt infolge des anhaltenden Regenwetters fortgesetzt und ist wieder beinahe ufervoll. Wenn das Regenwetter nicht bald aufhört, muß im Hochsommer mit Hochwasser gerechnet werden.
jj Nürtingen, 12. Juli. An der Straße nach Neckar- thailfingen wurde heute früh ein zirka 20 Jahre altes, gut gekleidetes Mädchen erschossen aufgefunden. Nach den bei der Leiche aufgefundenen Ansichtspostkarten dürfte das Mädchen gestern aus Cannstatt hieher gereist sein. Die Gerichtskommission bega^ sich alsbald an Ort und Stelle, um Näheres über den Mord festzustellen, da Selbstmord ausgeschlossen scheint.
js Nürtingen, 13. Juli. Das gestern früh bei Neckarhausen erschossen ausgefundene Mädchen ist die 19 Jahre alte Ladnerin Frida Scheurenbrand von Cannstatt. Dem traurigen Vorgang scheint eine Liebesaffäre zu Grunde zu liegen, da bei der Leiche ein Zettel lag mit den Worten: Wir haben beschlossen, gemeinsam in den Tod zu gehen. Die Untersuchung ergab, daß auf das Mädchen fünf Schüsse abgegeben wurden, ferner kann also bestimmt angenommen
werden, daß über die Tat gegenseitiges Einverständnis geherrscht hat, obwohl über den Verbleib des mutmaßlichen Täters, den ebenfalls 19 Jahre alten Mechaniker Gustav Popp von Stuttgart bis jetzt nichts ermittelt werden konnte.
' Berlin, 12. Juli. In der heutigen Sitzung des Bundesrates wurde den Gesetzentwürfen betreffend die Finanzreform in der vom Reichstage beschlossenen Fassung die Zustimmung erteilt.
' Berlin, 12. Juli. Nach den neuesten Bestimmungen trifft der Kaiser Mittwoch früh in Berlin ein. Unmittelbar an seine Ankunft wird sich die entscheidende Unterredung mit dem Fürsten Bülow schließen, sodaß die Ernennung des neuen Reichskanzlers im Laufe des Mittwoch Nachmittag zu erwarten steht.
Ausländisches.
ff London, 12. Juli. Der Standart meldet, General Kitchener werde auf einen neuen Posten berufen werden, der sich Chef des kaiserlichen Generalstabs betitelt und dessen Funktionen Ueberwachung der gesamten Organisation der Streitkräfte des Reiches sein werde.
Zum Zur«»bts«ch irr London.
" London, 12. Juli. Die Agitation gegen den Besuch des Zaren wie gegen Rußland überhaupt nimmt einen solchen Umfang an, daß man in Regierungskreisen anfängt, ernste Besorgnisse zu hegen. In über 100 noncon- formistischen Gemeinden und Kirchen wurden gestern Gebete für die in russischen Gefängnissen schmachtenden Unglücklichen abgehalten. Die Geistlichen predigten gegen die russischen Zustände, die eine Schande für Europa seien. Sie sprachen von dem „Zaren mit den unreinen Händen" und protestierten, daß England durch den Besuch dieses Mannes befleckt werde. Das Parlamentsmitglied Hardie sprach sich in einer Rede außerordentlich scharf gegen den Zarenbesuch aus. Es muß unser höchster Wunsch sein, sagte er, den Zarenbesuch zu vereiteln; jedenfalls werden unsere Sozialisten ihr Bestes tun, um zu verhüten, daß unsere Meere und Küsten verunreinigt werden. In Leicester hielt das Parlamentsmitglied Macdonald eine Rede gegen den Zarenbesuch, indem er Nikolaus II als einen abscheulichen Tyrannen be- zeichnete und es eine Schande für England nannte, diesen Besuch dulden zu müssen.
A«s der Türkei.
' Saloniki, 12. Juli. Im Bereich des 3, türkischen Armeekorps sind fast alle Truppen kriegsbereit. Der Kommandant der mobilisierten Truppen in Elassona wurde veranlaßt, zur Aufstellung der Batterien und Truppen Vorbereitungen zu treffen. In der nächsten Nähe von Saloniki hat, wie heute gemeldet wird, ein Zusammenstoß zwischen einer aus 9 Mann bestehenden griechischen Bande und der türkischen Gendarmerie stattgefunden, bei dem drei Griechen getötet und ein Gendarm verwundet wurden. Der Vizepräsident der türkischen Kammer hat im Gespräch mit ottomanischen Deputierten einige Aeußerungen getan, die auf die Lage in Konstantinopel Bezug haben. Er glaubt, daß die Militärdiktatur mit Ende des Monats aufhören kann. Eine reaktionäre Bewegung sei nicht mehr zu fürchten, auch in Kleinasien nicht. Die Besorgnis in Frankreich vor dem angeblichen Anwachsen des deutschen Einflusses sei unbegründet. General von der Goltz habe keine politische Mission. Ueber die Kretafrage sagte der Vizepräsident: Wir wollen um keinen Preis Krieg mit Griechenland, aber wir können um unserer Würde willen nicht auf das Hoheitsrecht über Kreta verzichten.
* Konstantinopel, 12. Juli. Generaloberst v. d. Goltz ist heute hier ein getroffen. Er wurde bei seiner Ankunft vom deutschen Geschäftsträger Miguel, sowie den Mitgliedern der Botschaft und einigen dreißig höheren Offizieren herzlich begrüßt. Der Aufenthalt des Herrn v. d. Goltz ist vorläufig auf einen Monat berechnet; er ist im Konak des Kommandeurs des ersten Korps, Mahmud Muk- tar abgestiegen.
Di« Wirre« i« Perfie»
* Teheran, 12. Juli. Täglich finden Gefechte statt, ohne jedoch großen Schaden anzurichten. Sapadars Hauptmacht soll bei Karatape, nördlich von Karadj, von einer großen Uebermacht auf drei Seiten umgeben sein. Die Rückzugslinie stehe aber offen, da die Kosaken aus Furcht vor den angebrachten Minen nicht vorzugehen wagen.
ss Teheran, 12. Juli. Eine Abteilung von etwa 1200 Mann Regierungstruppen mit 4 Geschützen griff gestern früh die Nationallisten 15 Meilen östlich von Teheran an. Es gelang ihnen jedoch nicht, die letzteren aus ihrer Stellung, die zwei Stunden lang heftig beschossen wurde, zu verdrängen. Die Verlustziffern sind noch unbekannt. Man glaubt, daß das Gefecht gestern abend fortgesetzt wurde.
ss Tabris, 12. Juli. Nach Meldungen aus Ardchil befindet sich die Stadt in den Händen derRevolutionäre, die die Einwohner terrorisieren. Der Gouverneur ist machtlos. In der Umgegend der Stadt Hausen Schach- sevenen, die rauben und morden. Der Frachtverkehr auf den Landstraßen ist eingestellt. Die Bevölkerung ist der Möglichkeit beraubt, die Ernte einzubringen, wodurch im ganzen Bezirk eine Hungersnotdroht.
Vermischtes.
8 Ein Landungsplatz für Luftschiffe in Stuttgart. Auf
dem Cannstatter Exerzierplatz ist in der letzten Zeit ein provisorischer Landungsplatz für Luftschiffe eingerichtet morden. Die Arbeiten fanden unter der Leitung von Kapitän Lau von der Luftschiffbaugesellschaft Zeppelin statt. Die ganze Vorrichtung ist sehr einfach, sie besteht aus einem in den Boden versenkten Betonklotz, in welchen ein eiserner Ring eingelassen ist, der aus dem Boden hervorragt. An dem Ring befindet sich noch eine kurze Drahtseilschleise. In der Nähe der Ankerstelle soll ein Schuppen zur Aufbewahrung von Betriebs- und Reservebestandteilen errichtet werden.
Konkurse.
Knobelspieß, Matthäus, Schuhmacher und Schuhwarenhändler in Ebingen. — Kübler, Anton, Graveur und Inhaber einer Jagdutensilienhandlung in Heilbronn. — Karl Barthelmeß, Küfermeister und Weinhändler in Kirchberg a. I. — Gottlieb Graner, Weingärtner in Helfenberg, Gde. Auenstein.
— Josefine Haggenmüller, Witwe, Inhaberin der Firma B. Haggenmüller, Bierbrauerei in Rosenharz, Gde. Bodnegg.
— Nachlaß der verst. Theresia Eisele geb. Zembrod, gewes. Witwe des Taglöhners Anton Eisele in Reute. — Nachlaß des ff Johann Georg Pflüger, Webers in Welzheim. — Nachlaß des Karl August Werner, Schneidermeisters in Bi- berach. — Aaver Köhler, Bäcker in Forstweiler, Gde. Tannhausen. — Anna Salzhauer, Inhaberin der Firma Anna Salzhauer, Schuhhandlung von Reutlingen, mit unbekanntem Aufenthalt abwesend. — Roth, Jakob, Bauer und Krämer in Mühlheim a. B.
Voraussichtliche- Wetter
am Mittwoch, den 14. Juli: Im Wesentlichen trocken, meist bewölkt etwas höhere Temperatur.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk, Altenfleig.
Wege in das Leben zurück sein, der in keinem Falle leicht und mühelos werden würde . . , Aber so ganz klar lag der Charakter der Fron nicht vor ihm. irgend etwas stieß ihn ab — ob in ihrer Vergangenheit — — nun, das war nicht seine Sache. Er hatte getan, was er gekonnt — des Mannes wegen!
2. Kapitel.
Die Gegend, in der das Warnitzsche Gut lag, war weder großartig, noch wild-romantisch. Der Reisende, der sie im D-Zuge durchsauste, warf von Zeit zu Zeit einen Blick durch das Fenster mit der innerlichen Beruhigung, nichts zu versäumen, wenn er sich weiter in den Zweimark-Roman vertiefte, den er gerade erstanden. Es war ja absolut nichts, zu sehen.
Der Boden war nicht ganz flach, niedrige Hügelreihen trennten die Wiesen, die mit, Wald und Getreidestrecken abwechselten. Hin und wieder schimmerte ein Wasserspiegel zwischen zwei Bodenwellen auf.
Nein, es war gar nichts Besonderes zu sehen, und doch gab es Menschen, die der Gegend Interesse abzugewinnen wußten, ja, sie liebten.
Im Gehölze, gerade wo sich der Pfad unter dem Schatten der hohen, mächtigen Föhren hinzieht, saßen zwei junge Menschen und bedauerten die Reisenden, die so blitzschnell vorüberflogen und nicht Zeit hatten, zu sehen, wie schön es hier war.
Der warme Sommertag war fast zu Ende. Die Sonne stand schon tief, und ihre Strahlen fielen ganz' schräg zwischen den Stämmen durch auf den rötlichen Boden und den kleinen Weiher, dessen Schilfumrahmung ebenso rot aufleuchtete, wie die alten Kiefern am anderen Ufer. Eine geringe Bodenerhebung verbarg die weitere Umgebung. Der Weiher lag wie in einer Bodenfalte, lang und schmal, das Wasser war
dunkel, aber durchsichtig genug, um die Steine und Schilfftflanzen auf seinem Grunde erkennen zu lassen.
Auf den weit vortretenden und sich lang hinziehenden Wurzeln einer schonen, hochragenden Eiche saßen die beiden jungen Menschen und sahen dem vorüher- rasselnden Zuge nach. Sie hielten sich an den Händen und hatten schon seit einiger Zeit nichts mehr gesprochen. Es war, als hätten die vorher gewechselten Worte alles Wissens- und Sagenswerte enthalten, als gäbe es nichts mehr zu bereden. Wie aus gleichzeitigem Impulse standen beide jetzt auf.
Der junge Mann war eine schöne, stattliche Erscheinung, die Linien seines regelmäßigen Gesichtes waren ungewöhnlich ernst und strenge, doch die dunkelgrauen Augen blickten so sonnig und selig, daß sie das ganze Gesicht wie mit einem Glanz überstrahlten.
„Ich werde noch heute abend mit meinem Großvater sprechen." Sein Blick umfaßte mit unverkennbarer Leidenschaft, aber zugleich unendlich innig und zart die schlanke Gestalt und das liebliche Antlitz des jungen Mädchens, das darunter errötete und sich in holder Befangenheit abwendete.
„Ich — ich werde mit Vater — nein, mit Mutter" — sie zögerte und stockte, lehnte sich gegen ihn und flüsterte ganz leise: „Sie können ja nichts dagegen sagen, gewiß nicht."
Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. „Ich hoffe es auch, aber wir dürfen kein Geheimnis haben. Wenn Großvater morgen zu euch kommt, muß dein Vater es natürlich wissen."
Sie nickte. „Ja, gewiß."
Noch einen Augenblick blieben sie eng aneinandergeschmiegt stehen, dann sagte sie mit unterdrücktem Jubel in der Stimme: „Und nun werde ich mein ganzes Leben hier zubringen können, hier, wo es so schön ist,
wie sonst nirgends in der Welt. Und — selbst — selbst mit dir" — es kam verschämt und schüchtern von ihren Lippen, — „könnte ich an einem andern Fleck nicht so glücklich sein."
Er nickte und blickte über den kleinen Wasserspiegel, über dem sich jetzt die Schatten zu senken an- fingen. Er fühlte jetzt, die Heimat hier war auch ihm das Schönste, Herrlichste, was es geben konnte.
Sie sagten sich Lebewohl, er nannte sie Alharda, sie ihn Ehrhardt, und mit einem letzten Händedruck trennten sie sich. Er blieb stehen, bis sie unter den Kiefern die kleine Höhe erstiegen, ihm noch einmal zugewinkt und dann verschwand — nun erst schlug er den Heimweg ein, der ihn durch den Forst dem rot verglühenden Abendhimmel entgegenführte.
Nach einer halben Stunde erreichte er das breite Eingangstor des Parkes, in dem das schloßartige Gebäude, seine Heimat lag, und eine Stunde später, nach beendeter Abendmahlzeit, saß er seinem Großvater gegenüber. Das Zimmer war noch dämmerig, dann brachte der Diener eine Lampe herein, zog die Fenstervorhänge zu und ging lautlos wieder hinaus, Großvater und Enkel waren allein.
Der alte Herr, eine große, stattliche Gestalt, mit weißem Haar und ebensolchem langen Barte, hatte etwas ungemein Ehrwürdiges. Freundlich, mit dem Ausdruck sorgender Liebe, fast mütterlich ruhte sein Blick auf Ehrhardt, seinem verjüngten Ebenbilde.
Die Lampe erhellte den schönen, hohen Raum, man erkannte die reiche, geschmackvolle Ausstattung. Keine Ileberladung. doch in allem trat als etwas Selbstverständliches gediegener Wohlstand und geläuterter feiner Geschmack zu Tage. Man begriff sofort: der alte Herr konnte in gar keiner anderen Umgebung existieren. sie war der Ausfluß seines eigensten Seins.