Schwarz Wälde rSonntagsblatt.

er bekannt gab, daß er nur noch bis zur Erledigung der Finanzreform im Amte bleiben werde, daß er aber mit Rücksicht auf die politische Entwicklung, die durch die Ab­stimmung über die Erbschaftssteuer ihren Ausdruck gefunden habe, unwiderruflich zum Rücktritt entschlossen sei. Damit ist wenigstens das eine klargestellt, daß Fürst Bülow eine unwidrige Haltung, wie sie durch die Verleugnung seiner- förmlichen Erklärungen gegeben gewesen wäre, doch nicht über sich bringt, das ist gut und erfreulich insofern, als es der Mitwelt die schmerzliche Feststellung erspart, daß Fürst Büloiv den Anspruch auf politische und persönliche Achtung eingebüßt habe. Er gibt deutlich zu erkennen, daß er nur noch ein Opfer bringt, daß er es bringen zu müssen glaubt, weil es der Kaiser von ihm fordert und weil es die politische Lage zu erfordern scheint. Sachlich freilich ist das sehr an­fechtbar. Fürst Bülow hätte, wenn die verbündeten Regie­rungen von der Auflösung des Reichstags zurück­schrecken, bester daran ge­tan, auf seinem sofortigen Rücktritt zu beharren.

Schon aus der Erwägung heraus, daß ein Kanzler, der ein verdienter Mann ist und schon mit einem Fuße im Privatleben steht, nicht mehr die Autorität und den Einfluß hat, um große Hindernisse zu über­winden. Allerdings: die Konservativen sind jetzt auf einmal sehr entgegenkom­mend geworden. Sie er­klären, alles mögliche tun zu wollen, um mit der Re­gierung eine Verständigung zu erzielen. Sie haben ja ihren Zweck erreicht. Die Erbschaftssteuer ist aus der Welt geschafft, und sie ha­ben der Regierung ihre Macht gezeigt, haben sie auf die Knie gezwungen, haben den Fürsten Bülow gestürzt. Das letzte wollen sie freilich nicht wahr ha­ben. Sie waschen ihre Hände in Unschuld, beteuern, daß sie dem Fürsten Bülow nicht hätten zu nahe treten wollen, daß für ihn kein Grund vorhanden fei, zu­rückzutreten, daß sie das tief beklagen und bedauern würden, wenn es geschähe.

Das alles ist Larifari, und Fürst Bülow selbst macht keinen Hehl daraus, daß er zurücktritt,weil ihn die Konservativen im Stiche ge­lassen, weil sie den Block zertrümmert haben. Auch im Zentrum macht man ein harmloses Gesicht und tut so als habe man nicht in der Seele daran gedacht, an dem Fürsten Bülow Rache zu nehmen für die erlittene Unbill, für die Ausschaltung, für die Verdrängung von der ausschlaggebenden Stellung. Auch das ist Larifari. Die Frage ist nun die, wie und in welcher Gestalt die Reichsfinanzreform zustande­gebracht werden wird. So viel steht ja schon jetzt fest, daß eine wirkliche Besitzsteuer nicht mehr zu erwarten ist. Nur die ungeheuren indirekten Steuern und drückende Lasten für Gewerbe, Handel und Industrie werden von dieser Finanzreform übrig bleiben. Wenn esgut" geht, das heißt, wenn die Mehrheit sich den Wünschen der Regierung fügt. Wenn sie sich aber nicht fügt, wenn sie etwa auf einem Mantelgesetz besteht? Dann wird die Re­gierung doch noch zu einer Auflösung gezwungen werden, vor der sie eine so verhängnisvolle Scheu hat. Diese Scheu hat die Mehrheit sich zu nutze gemacht. Sie wußte, daß die Auflösung, die den Konservativen hätte gefährlich werden können, nicht zu fürchten war, und danach hat sie sich ein­gerichtet. Man wird das weitere Verhalten vermutlich so einzurichten wissen, daß die Regierung nicht genötigt ist, sich in den Mut der Verzweiflung zu stürzen. Das Nebel wird seinen Gang so bis zur Vollendung nehmen. Auf der Strecke bleibt Fürst Bülow, und das deutsche Volk bekommt eine Reichsfinanzreform, die eine Spottgeburt von Dreck und Feuer ist. Die Verantwortung dafür trägt die polnisch- klerikal-konservative Mehrheit. Verantwortlich sind aber auch die verbündeten Regierungen und die leitenden Staatsmänner, die durch Schwächlichkeit und Zerfahrenheit dazu beigetragen haben, die Lösung dernationalen Aufgabe" zu einem schmählichen Kladderadatsch zu führen. Tie Folgen dieser Begebenheiten werden tief in unser gesamtes staatliches Leben eingreifen. Sie sind in ihrer vollen Tragweite gar nicht zu übersehen.

Landesnachrichten.

Wöruersberg. 2. Juli. (Korr.) Gestern hat Herr Schul­lehrer Morlok mit seiner Familie den hiesigen Ort verlassen, um die ihm übertragene erste Schulstelle in Wittlensweiler zu übernehmen. Mit ihm hat leider unsere Gemeinde ein Mann verlassen, der es in der verhältnismäßig kurzen Zeit seines Hierseins verstanden hat, sich die Achtung und Wertschätzung der Gemeinde und die Sympathien von Jung und Alt zu erwerben und der insbesondere unserer Schule wohl angestanden ist. (Lehrer Morlok ist auch unsern Lesern durch seine verschiedent- lichen Beiträge wohl bekannt). Zeugnis hiervon gab die Abschiedsfeier, zu der.sich am letzten Sonntag abend im ge­mütlichen Gasthaus zum Anker die Gemeindebürger, auch auswärtige Freunde des Scheidenden, um ihn und seine Fa­

milie zusammengefunden hatten. Nach der Begrüßung der Versammelten durch den Ortsvorstand brachte der Orts­geistliche im Namen der Schule wie der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde den Dank zum Ausdruck für die viel­seitige und ersprießliche Tätigkeit des Herrn Morlok sowohl als Lehrer und Erzieher der Jugend und als Organist bei den Gottesdiensten, wie im bürgerlichen und geselligen Leben, um welch letzteres er sich durch manchen interessanten Vor­tragsabend verdient gemacht hat. Für die Familie des scheidenden Lehrers und ihr ferneres Wohlergehen brachte später der Ortsvorsteher noch besondere Wünsche dar. In seiner gemütvollen Weise erwidernd bezeugte der Scheidende, wie gerne er in seinem Wörnersberg gewesen und gewirkt und wie nur der besondere Wunsch, gerade nach Wittlens­weiler, wo er früher schon tätig war und woher seine Frau stammt, zu kommen, ihn an einen Ortswechsel habe denken lassen. Möge dort ihm und den Seinigen viel Gutes be- schieden sein, wie er bei uns ingutem Andenken bleiben wird.

- Calw, 2. Juli. Die vom hiesigen Schwarzwaldverein für diesen Montag geplante Floß fahrt kann nicht aus­geführt werden. In den letzten Jahren wurden Flöße be­nützt, welche von der Firma Gebrüder Theurer in Altensteig durch genügend Oblast mit Sitzgelegenheiten versehen worden waren. In diesem Jahr läßt die Firma keine Flöße fahren. Es hat deshalb die Floßfahrt auf der Nagold sehr abge­nommen, nur wenige Flöße, die einem Sägewerk in Dill- Weißenstein gehören, fahren noch die Nagold hinunter. Die Aufhebung der Floßfahrt wird, wie man in jedem Jahr sehen kann, durch Abnahme der Flößerei von selbst erfolgen. Die Stadt hatin diesem Jahr dem Fremdenverkehrsverein nur einen Beitrag von 500 Mk. statt seitherigen l OOO Mk. bewilligt. Der Grund zur Herabsetzung des Beitrags liegt darin, daß manche Geschäftsleute, die in erster Linie einen

Vorteil von der Hebung des Fremdenverkehrs haben, interesselos bei Seite stehen und zu eigenen Opfern nicht geneigt sind. An freiwilligen Beiträgen hat der Verein 600 Mark aufgebracht. In den Gasthösen sind bis jetzt wenig ständige Kurgäste, woran auch das ungünstige Wetter viel Schuld tragen mag. Dagegen sind die beiden christlichen Erholungshäuser Waldfrieden und Libanon sehr gut besucht. Das Gleiche trifft beim Touristenverkehr zu. Infolge der günstigeren Eisenbahnverhältniste im Nagoldtal hat der Verkehr von Stuttgart und von Pforzheim hierher stark zu- genommen und namentlich Sonntags herrscht in der Stadt und auf dem hiesigen Bahnhof äußerst reges Leben.

Z 1 bei Biberach.

Mittelbiberach, 2. Juli. 5 Uhr nachm. Seit heute früh fällt ununterbrochen ein leichter Regen. Die Lage auf dem Landungsplatz ist unverändert. Nach Aussage der Offiziere ist, selbst wenn sich das Wetter heute noch bessern sollte, an eine Fortsetzung der Fahrt nach Metz vor morgen früh nicht zu denken. Im übrigen sind Offi­ziere und Mannschaften guter Dinge und voll Zuversicht, daß sie den Z 1 noch vor Wochenschluß an feinen Be­stimmungsort bringen werden.

js Stuttgart, 2. Juli. DieW. Z." schreibt: Wir haben den Grafen Zeppelin um eine Aeußerung über die Zwischenlandung des Z. 1 ersucht und er ist dieser Bitte in nachstehender Erklärung nachgekommen: Das Luftschiff Z. 1 hat gezeigt, daß es in seiner gegenwärtigen, noch nicht genügend wasserdichten Hülle sehr starkem Regen auf die Dauer nicht gewachsen ist. Regengüsse gewöhnlicher Art hat es früher gut überstanden. Das mächtigere Luftschiff Z. 2 hat hinreichend erwiesen, daß es auch die schweren Regenböen zu überwinden vermag. Man muß zur Beur­teilung des Biberachec Zwischenfalles im Auge behalten, daß Z. 1 aus einem älteren Modell rekonstruiert ist und nicht dieselbe Auftriebskraft und Motorenstärke besitzt, wie die neueren Luftschiffe. In diesem Sinne erklärt uns auch die Luftschiffbau-Zeppelingesellschaft auf Anfrage die Landung bei Biberach. Sie weist zugleich darauf hin, daß alle Gerüchte über Differenzen zwischen der Zeppelinbau-Gesell- schaft und den Luftschissern, die den Z. 1 führen, aus der Luft gegriffen seien. Die Zeppelinbau-Gesellschaft habe mit dem der Militär-Verwaltung gehörenden Z. 1 nichts mehr zu tun, also auch keinen Anlaß, Ratschläge und Hilfe an­zubieten. Man verfolge in Friedrichshafen mit Interesse diese mehrtägige Landung, weil sie einen neuen Beweis liefere für die Landungssicherheit und Stabilität der Zeppeliu- schen Luftschiffe. Ein schwedisches Blatt teilt aus angeblich bester Quelle mit, daß die schwedische Regierung beim Grafen von Zeppelin angefragr habe, ob er für Schweden zwei Luftschiffe liefern wolle. Graf Zeppelin habe sich, wie von jenem Blatte hinzugefügt wird, dazu bereit erklärt. Wir sind auf Grund einer Anfrage bei dem Grafen selbst in der Lage mitzuteilen, daß sie den Tatsachen nicht ent­spricht.

jj Dortmund, 2. Juli. DieDortm. Ztg." meldet aus Hörde: In der Nähe der Seekante und des Schlachthaus­weges platzte heute abend ein Hauptgasrohr des Hörder Werkes. Das Gas, das aus Kohlenoxyd, Kohlensäure, Stick­stoff und Wasserstoff besteht und beinahe geruchlos ist, drang in die Häuser der Straße an der Seekante ein und betäubte etwa 40 Personen. Die Betäubten wurden sofort in das Hüttenhospital und in die beiden Hörder Krankenhäuser gebracht und mit Sauerstoffapparaten behandelt. Gestorben ist bisher niemand, vielmehr hoffen die Aerzte, daß sämtliche Betäubte mit dem Leben davon­kommen werden.

jj Berlin, 2. Juli. In dreißig sozialdemokratischen Ver­sammlungen, an denen etwa 18000 Personen teilnah- men, wurde ein Protest angenommen gegen die Finanz­reformpolitik des neuen Blockes und auf Auflösung des Reichstags gedrungen.

Eine Polarexpedition ZeppelinHergesell.

ss Berlin, 2. Juli. Unter der Leitung des Grafen Zep­pelin und des Geheimrats Professor Hergesell wurde ein deutsch-wissenschaftliches Unternehmen zur Erforschung der Polarregionen mit einem Zeppelinschen Luftschiff gegründet. Der Kaiser übernahm das Protektorat.

Ausländisches.

jj Petersburg, 2. Juli. Seit gestern sind 97 Neu­erkrankungen und 40 Todesfälle vorgekommen. Die Ge­samtzahl der Erkrankten beträgt 615.

jj Konstantinopel, 2. Juli. Das Schiedsgericht hat die Untersuchung über die Ereignisse vom 13. April zu Ende geführt und beschlossen, Abdul Hamid vor den St a at s g er i ch ts h o f zu stellen.

jj Konstantinopel, 2. Juli. Der osmanische Lloyd mel­det aus Saloniki: 2000 zur Erntearbeit nach Thessalien wandernde Mohammedaner aus Serfidge wurden bei Ellasona von griechischen Soldaten überfallen, die mehrere von ihnen töteten oder verwundeten. Infolgedessen herrscht in Serfidge große Aufregung.

BorarrSfichttIches Wetter

am Sonntag, den 4. Jnlr: Vorwiegend heiter, trocken, warm.

MM

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