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1877.
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Kr- 147.
Nusgabeort Altensteig-Stadt.
Gouutag, ds« 87. Jimi.
Amtsblatt für Pfalzgrasenweiler.
ISttS.
Wochen-Rundschau.
Aus dem Landtage.
Die Beratung des Eisenbahnetars in der Abgeordneten^ kammer ist diesmal sehr gründlich gewesen, und es find dabei mancherlei Dinge von großer Bedeutung berührt worden. Las ist nur natürlich, denn die Eisenbahnen sind das Schmerzenskind Württembergs. Sie sollten eigentlich und von Rechtswegen dem Staatssäckel etwas einbringen, aber sie decken zur Zeit nicht einmal mehr die Auswendungen sür die Verzinsung des Anlagekapitals. Das drängt von selbst dahin, auf Mittel und Wege zur Verbesserung zu sinnen. Wahrscheinlich wird es in nicht zu ferner Zeit zu einer Erhöhung der Tarife mindestens für die vierte Klasse von 2 aus 2,3 Psg. kommen. Von dem Kommissionsberichterftatter v. Kiene (Z.) wurde ein dahingehender Vorschlag gemacht, und Ministerpräsident v. Weizsäcker zeigte sich ihm nicht abgeneigt. Einstweilen muß man freilich abwarten, was etwa bei der Reichssinanzreform aus der Fahrkarien- steuer gemacht wird. Die Vertreter der Fraktionen äußerten sich über diese Frage nicht, gemäß einem Beschlüße, die Tariffrage bis zum Abschluß des Eisenbahnetats zurückzu- fiellen. Weiterhin wurde viel über die Güterwagengemeinschaft und was damit zusammenhängt, gesprochen. Ministerpräsident v. Weizsäcker wies dabei die laut gewordenen Klagen als ungerechtsertigr oder übertrieben zurück und sprach die Hoffnung aus, daß die Güterwagengemeinschaft, die eine Forderung des gesunden Menschenverstandes und ein Produkt des finanziellen Bedürfnisses sei, noch weiter führen werde. Im übrigen teilte der Ministerpräsident mit, daß der Reinertrag der Staatsbahncn etwas günstiger sei, als zu Anfang des Jahres 1908 erwartet wurde; immerhin verbleibe noch ein Fehlbetrag von 2 480 000 Mk., der jedoch aus dem Reservefonds der Eisenbahnen gedeckt werden könne. Tie Hoffnung des Ministerpräsidenten auf eine weitere Entwicklung der Gemeinschaftsidee wurde von verschiedenen Rednern aufgegriffen und geteilt. Namens der Deutschen Partei erklärte Abg. v. Balz, es müsse noch einmal ausgesprochen werden, daß es zahlreiche Stimmen gebe, die geneigt wären über eine Betriebsmittelgemeinschaft hinauszugehen. Je größer die Gemeinschaft, desto größer auch der Vorteil. Alan könne auch eine andere Form finden, als die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft, eine Form, die konstitutionelle Bedenken ausschließe. Die Deutsche Partei halte es für richtig, aus politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gründen die Gemeinschaft weiter auszubauen. Unsere Selbständigkeit habe nur das Ergebnis, daß wir unser Difizit decken dürfen. Namens des Zentrums erklärte Abg. v. Kiene, seine Partei sei für die Betriebsmittel gemeinschaft, aber aus konstitutionellen, politischen und volkswirtschaftlichen Gründen gegen eine Finanz- und Betriebsgemeinschaft. Schließlich wurden die Anträge der Finanzkommission angenommen, die dahingehen, auf eine Beseitigung der bezüglich der Güterwagengestellung laut gewordenen Klagen hinzuwirken, die Angliederung der Generaldirektion der Eisenbahnen und der Post an das Ministerium des Auswärtigen oder an ein zu bildendes Verkehrsministerium in Erwägung Zu ziehen. Eine längere Erörterung gab es weiterhin über die Bahnhofsbauten, namentlich den Stuttgarter, und die Stellung der Techniker. In dieser Beziehung wurde manches bemängelt und was der Ministerpräsident dagegen anführte war nicht durchweg überzeugend. Beispielsweise bleibt es eine merkwürdige Sache, daß dem Techniker, der die Pläne für den Stuttgarter Bahnhofsbau gemacht hat, Pläne die das Reichseisenbahnamt als mustergültig bezeichnet hat, nicht auch die Bauleitung übertragen worden ist, sondern einem anderen Techniker. — Die Erste Kammer wird am 30. Juni
zusammentreten, und man nimmt an, daß sie dann bis zum Schlüße des Landtags — voraussichtlich Mitte August! — beisammen bleiben wird. 'Zu erledigen hat sie ja noch eine ganze Menge Stoff.
Die Finanzlage Württembergs.
Der Berichterstatter der Finanzkommission der Ersten Kammer Geh. Rat v. Schall hat einen sehr gründlichen Ueber- blick über den Staalshaushaltsetat und die allgemeine finanzielle Lage des Landes verfaßt, der mancherlei beherzigenswerte Fingerzeige gibt. Er weist daraus hin, daß der Fehlbetrag im Etat sich auf 17 Millionen beläuft, womit unsere Finanzlage einen bis jetzt wohl noch nicht dagewesenen Tiefstand erreicht habe. Geh. Rat v. Schall seht eingehend auseinander, daß die ganze Etatsaufftellung unzulänglich ist, und macht Vorschläge einer Verbesserung. Er geht dann den Ursachen der schlechten Finanzlage nach und findet sie namentlich in den großen Bauforderungen und in der übermäßigen und wachsenden Inanspruchnahme von Kreditmittel und in Verbindung damit das Anschwellen der Staatsschuld. Für die Kräftigung und Stärkung ver Finanzen seien neben der Selbstbeschränkung in der Steigerung der Ausgaben ebenso wesentlich eine pflegliche, auf möglichste Ergiebigkeit bedachte Verwaltung der vorhandenen oder neu zu gewinnenden Einnahmequellen. Durch Erhöhung der bestehenden Steuern werden die Fehlbeträge kaum mehr gedeckt werden können. Steigerung der Einnahmen aus dem Kammergut und den Eisenbahnen müssen angefirebt werden.
Die Finanzreform-Krisis.
Nun wird seit der vorigen Woche im Reichstage über die Finanzresorm verhandelt, und diese Verhandlungen sind dazu bestimmt, endlich, endlich nicht nur Klarheit zu bringen, sondern auch eine Entscheidung, aber bis jetzt ist weder das eine noch das andere eingetreten. Zm Gegenteil, die Situation ist womöglich noch verworrener, noch kritischer geworden. Seit das Deutsche Reich besteht, hat man kaum etwas ähnliches erlebt. In einem freilich haben die Debatten schon sehr bald vollkommene Klarheit ergeben, nämlich darin, daß von dem Ausgang dieses Kampfes um die Reichssinanzreform das Verbleiben des Fürsten Bülow im Amte abhängt. Er selbst hat in der Rede, mit der er am Mittwoch voriger Woche die Debatte über die Ersatzsteuern der Regierung einleitete, gar keinen Zweifel darüber gelassen, daß er entschlossen ist, zurückzutreten, wenn die Finanrzreform in der Art der Beschlüsse der konservativ-klerikal-polnischen Rumpfkommission vom Reichstage gestaltet werden sollte. Fürst Bülow hat namentlich erklärt, daß die verbündeten Regierungen, nicht etwa er allein, an der Erbanfallsteuer festhalten. Es sei eine Pflicht ausgleichender Gerechtigkeit, 500 Millionen Steuer nicht nur auf die Mittelklasse, und die Minderbemittelten zu legen, sondern auch den Besitz entsprechend heranzuziehen. Eine Finanzreform, wie sie die Konservativen und das Zentrum im Sinne haben, will Fürst Bülow nicht mitmachen. Er will eine Durchsetzung der Finanzreform gegen die Liberalen ebenso wenig mitmachen, und er hat dabei zur Begründung seines Standpunkts die Bedeutung des Liberalismus sür das Staatsleben eindringlich hervorgehoben. Freilich hat er, damit das Lob und die Anerkennung nicht allzu arg gen Himmel schreien, eine Kritik des Liberalismus angeschloffen, die sich gegen seinen Doktrinarismus, gegen sein Kleben am Programm wandte. Der ausgleichenden Gerechtigkeit wegen hat er es übrigens den Konservativen ähnlich gemacht. Er hat noch einmal seine Verdienste um die Landwirtschaft gerühmt und sein gut agrarisches Herz bloßgelegt, beinahe rührend, aber dann beklagte er die Haltung der Konservativen bei der Reichssinanzreform und ermahnte sie, abzulassen von diesem Tun, das in der Zukunft sich noch einmal bitter rächen werde. Er erklärte
auch, daß er sich den Konservativen ebensowenig unterordnen könne wie einer andern Partei. Sehr scharf äußerte er sich über das Zentrum; hier ist das Tafeltuch ein für allemal zerschnitten. Fürst Bülow und das Zentrum werden nie wieder zusammen arbeiten. Freilich erklärte der Reichskanzler, daß er durchaus nicht den Wunsch gehabt habe noch habe das Zentrum bei der Finanzreform auszuschalten; das Zentrum selbst ist es gewesen, das sich seine Stellung gesucht hat. Fürst Bülow wies zum Beweise dafür, wie weit das Zentrum in seiner Feindschaft gegen ihn, den Reichskanzler, geht, darauf hin, daß es sogar die gesellschaftlichen Beziehungen zu ihm abgebrochen habe. Im Ganzen war die Rede des Reichskanzlers ein Ultimatum. Bleiben die Konservativen bei ihrer Haltung und wird die Erbschaftssteuer zu Fall gebracht, so wird Fürst Bülow sich die Frage vorlegen, ob er nicht einem Nachfolger Platz machen soll. Annehmen wird er eine solche Finanzreform nicht. Allerdings ist das nur eine Seite der Frage, denn es handelt sich nicht um den Fürsten Bülow allein, sondern es handelt sich um die verbündeten Regierungen. Was werden sie tun? Das ist die Frage. Der Inhaber des Reichskanzlerpostens kann wechseln, die verbündeten Regierungen aber bleiben, und sie haben sich darüber zu entscheiden, welche Finanzreform sie schließlich annehmen wollen und welche nicht. Nach allen Aeußerungen, die von dem Reichsschatzsekretär sowohl wie von den einzelstaatlichen Finanzministern im Reichstage gemacht worden sind — auch der württembergische Finanzminister von Geßler hat eine sehr eindringliche Rede gehalten — beharren die verbündeten Regierungen durchaus auf der Erbanfallsteuer und sie weisen zugleich das Programm der konservativ - klerikal - polnischen Koalition in seinen wichtigsten Teilen, wie die Kotierungssteuer auf Wertpapiere, entschieden von der Hand. Aber auf den „neuen Block" macht das keinen Eindruck. Er bleibt auf seinem Standpunkt stehen und erklärt einmal unter keinen Umständen, die Erbschaftssteuer anzunehmen und zu anderem auf die Kotierungssteuer nicht zu verzichten. Man kleidet das in die Formel, daß die Besitzsteuer das mobile Kapital treffen müsse, namentlich das mobile Kapital an der Börse. Das letzte ist ohne Zweifel sehr geschickt, denn die Börse hat wenig Freunde in den weitesten Kreisen, und es ist immer sehr populär, sie schärfer heranzuziehen. Von sehr sachverständigen Leuten, wie dem preuß. Finanzminister v. Rheinbaben, der konservativ bis in die Knochen ist, dem Reichsbankpräsidenten Havenstein und vielen anderen, ist darauf hingewiesen worden, daß die vorgeschlagene Kotierung schwerwiegende Folgen haben müsse. Dem wird nun aber wieder entgegengehalten, daß man über Einzelheiten ja reden könne, daß man Verbesserungen schaffen könne: aber bei dem Prinzip müsse es bleiben. Der Hauptredner der Konservativen, Graf Westarp, hat insonderheit auch dem Fürsten Bülow eine Absage erteilt, und zugleich versucht, den Liberalen alle Schuld beizumessen. Er sagte, daß in einem früheren Stadium ein Teil der Konservativen wohl für die Erbschaftssteuer zu haben gewesen wäre, aber damit sei es nun, da die Liberalen bei den Verbrauchssteuern kein Entgegenkommen gezeigt hätten, vorbei. Jetzt hätten sich die Konservativen mit dem Zentrum zusammengefunden, und sie seien entschlossen, weiterhin im Einvernehmen mit dem Zentrum zu handeln. Damit wollten sie den Fürsten Bülow beileibe nicht stürzen; aber in Wirklichkeit kommt es doch darauf hinaus, daß den Konservativen nichts mehr daran liegt, ob der Reichskanzler geht oder bleibt. Die Vorwürfe gegen den Liberalismus wurden von dieser Seite nachdrücklich zurückgewiesen. Der Führer der Nanonalliberalen, Basfermann, erklärte, daß seine Partei geschlossen für die Erbschaftssteuer eintrete und sich unter keinen Umständen auf die Vorschläge der Rumpfkommission einlassen will. Die Rede Bassermanns war namentlich deshalb wichtig, weil sie den Hoffnungen der Rechten, die nationalliberale Partei, mindestens einen eilT