Der deutsche Konsul protestierte, als er von dem Vorgänge Kenntnis erhielt, in einem Schreiben an den französischen Konsul und verlangte die Freilassung der Deserteure und des marokkanischen Soldaten. Der letztere wurde sofort freige­lassen, dagegen blieben die Deserteure in Haft. Es stellte sich dann heraus, daß von den sechs Deserteuren nur drei reichsdeutscher Herkunft waren; die andern drei waren ein Oesterreicher, ein Russe und ein Schweizer. Nach vielem Hin- und herprotestieren kamen beide Regierungen überein, den Streitfall dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten, das nun am letzten Samstag seinen Schiedsspruch fällte. Das Urteil ist äußerst geschickt abgefaßt. Es gibt weder Sieger noch Besiegte. Die Entscheidung gibt den beider­seitigen Angestellten in gewissen Punkten Unrecht und es werden sich die beiden Regierungen ihr Bedauern auszu­sprechen haben. Der Sekretär des deutschen Konsulats er­hält eine scharfe Rüge, dagegen wird der Konsul selbst von jeder Schuld frei erklärt. Frankreich, das die 3 Fremden­legionäre nicht auszuliefern braucht kann mit dem Urteil zu­frieden sein. In den französischen Blättern wurde auch in lebhaften Worten der Freude Ausdruck gegeben, daß der einst so bedenkliche Zwist friedlich und für beide Völker gleich ehrenvoll beigelegt worden ist.

Die englische Jnvasionsfurcht.

England scheint tatsächlich von einem Massenwahn angesteckt zu sein. Die Furcht vor Deutschland hat die Engländer vollständig verwirrt. Nicht nur daß sie schon längere Zeit nachts ein gespenstiges lenkbares Luftschiff über England fliegen sehen, das das ganze Land mit Scheinwerfern schreckt und in Aufruhr setzt, und das selbst­verständlich nur ein deutsches Luftschiff sein kann, nein, die Tollheit geht auch so weit, daß die Deutschen einer Nachricht demDaily Chronicle" zufolge einen Tunnel unter der Nordsee bauen. Wie die Ratten bohren sie sich also unter der Nordsee einen Weg nach England. Auch im Unterhause wurde an den Kriegsminister die spaßhafte Anfrage gerichtet, ob er wisse, daß sich in England 66 000 deutsche Soldaten befänden und in einem Keller beim Charing Croß-Bahnhof 50 000 Mausergewehre und 7 s'j Millionen Patronen lagerten. Recht nüchtern und fast beschämend erwiderte der Kriegsminister die Anfrage. Der­artige Nachrichten müßten den Ruf des gesunden Menschen­verstandes der Engländer im Auslande schädigen und wer eine blasse Ahnung von den Erfordernissen einer Mobil­machung habe, müsse diese Unterstellung als lächerlich erken­nen. Lächerlich das ist auch das einzig richtige Wort, das man über die ganze Jnvasionsnarretei sagen kann.

Neueste Nachrichten.

AttenUeig, 39. Mai.

-l- In einer gestern abgehaltenen Sitzung der Ortsschul­behörde wurde auf Anregung der hohen Oberschulbehörde Herr Schullehrer Geh ring zum Oberlehrer an unserer fünfklassigen Volksschule gewählt. Es wurde damit auch hier eine schon mehrere Jahre bestehende gesetzliche Vorschrift durchgesührt, der Außerachtlassung, weil nur den Eingeweihten erklärlich, namentlich in Lehrerkreisen schon manches Kopfschütteln erregte. Wir gratulieren dem im Dienst ergrauten Schulmann von Herzen und wünschen ihm, daß er lange in guter Gesundheit und Rüstigkeit seines neuen Amtes walten darf.

Gewerbevereinssache. (Korr.) Durch Vermittlung der Königl. Zentrale für Gewerbe und Handel in Stuitgart war es dem hiesigen Gewerbeverein möglich, im Laufe dieser Woche einen Holzbeizkurs für die hiesigen Schreinermeister abzuhalten. Der Leiter, Herr Karl Looser, Schreinermeister aus Stuttgar, hat es verstanden, in kurzer Zeit die Herren Teilnehmer über die verschiedensten Arten des Holzbeizens und Räucherns aufzuklären, so daß ein jeder vollauf be­friedigt war, was auch den H. Gewerbevereinsvorstand bei der Besichtigung nach Schluß des Kurses veranlaßte, dem Herrn Karl Looser im Namen des Gcwerbevereins sowohl auch der Teilnehmer für seinen lehrreichen Vortrag und für seine Bemühungen den wärmsten Dank auszusprechen. An dem Kurs haben folgende Herren teilgenommen : Von Ältensteig die Schreinermeister Joh. Klein u. Sohn, Fr. Sprenger, Jakob Klaiß, Louis Großmann, Friedr. Walz und Dreher- meifter Friedr. Walz; von Berneck: Die Schreinermeister Jakob Huß und Fritz Huß. Zn bedauern ist nur, daß nicht noch mehr zu diesem Fach gehörige Handwerksmeister von Stadt und Umgebung an diesem wirklich interessanten und sehr lehrreichen Kurs teilzunehmen für nötig gefunden haben.

js Nagold, 28. Mai. Gestern abend brachten die Zög­linge des Seminars ihrem scheidenden Lehrer Professor Schwarzmaier, welcher in den Ruhestand tritt, einen Fackelzug. Aus der Ansprache eines Seminaristen und der Antwort des Gefeierten war die gegenseitige Liebe und Anhänglichkeit, besonders aber die Verehrung zu erkennen, welche die Zöglinge dem Scheidenden zollen. Mäunerchöre umrahmten die schöne Kundgebung.

II Neuneck, OA. Freudenstadt, 28. Mai. Gestern wurde der 64 Jahre alte verwitwete Bauer G. wegen mehrerer Sittlichkeitsverbrechen, begangen an minderjährige Personen verhaftet und ins Amtsgericht Freudenstadt eingc- liefert. .

Schwarzwälder Soantagsblatt.

js Rotteuburg, 28. Mai. Gestern abend stürzte der 73 Jahre alte Weingärtner Moritz Vollmer aus einem Bühnen­laden seiner Wohnung auf die Straße herab und war so­fort tot.

js Willsbach, OA. Weinsberg, 28. Mai. Der Bauer Gottlieb Dorsch stürzte vom obersten Teil der Scheune durch das Garbenloch auf die Tenne herunter und blieb mit zer­schmettertem Gehirn tot liegen.

Ulm, 28. Mai. Oberbürgermeister v. Wagner hat in der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien nachstehende Erklärung abgegeben: Ehe wir in die Tagesordnung der ersten nach meiner Rückkehr aus meinem Urlaub stattfinden­den gemeinschaftlichen Sitzung eintreten, habe ich der verehe­lichen Stadtvertretung meinen aufrichtigen Dank zu sagen für die einmütige Anerkennung meiner Tätigkeit, wie sie in der mir bewilligten sogenannten Dotation und anläßlich der­selben zum Ausdruck gebracht worden ist, sowie für den mir gegen die mannigfachen Verunglimpfungen und Ent­stellungen meiner guten Absichten gewährten Schutz. So sicher der Dotationsbeschluß der Stadtvertretung auf der Grundlage reiflichster, ernstester und gewissenhaftester Prüfung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte beruht, so muß ich doch in Rücksicht auf das allgemeine Wohl Bedenken tragen, die mit so großer Leidenschaft und Gehässig­keit angegriffene Spende anzunehmen, denn ich habe stets meine persönlichen Interessen denen der Allge­meinheit untergeordnet und verwahre mich auf Grund meines guten Gewissens nachdrücklich gegen die trotz gegenteiliger Be-

Karl Friedr. Freiherr von Richthofen Damsdorf,

wurde zum Vorsitzenden der Finanzkommission des Reichstages gewählt.

weise erhobenen Vorwürfe. Ich verzichte somit auf die mir bewilligte Dotation und bitte, meinen Entschluß nicht als eine Verkennung der wohlbegründeten Willensmeinung der Mitglieder der bürgerlichen Kollegien zu mißdeuten.

Ulm, 28. Mai. Im Anschluß an die bereits gemeldete Erklärung des Oberbürgermei st ers v. Wagner gab im Namen der bürgerlichen Kollegien Gemeinderat D r. Sche - fold folgende Erklärung ab: Wir bedauern, daß der Herr Oberbürgermeister sich nicht imstande sieht, die von uns fast einhellig beschlossene Dotation anzunehmen. Wir be­klagen tief die Angriffe und Kränkungen, die der Stadt- vorstand in den letzten Zeiten erdulden mußte. Auch wir, die Kollegien, haben vielseitig eine abfällige Kritik unserer Beschlüsse erfahren, dies berührt aber nicht unser gutes Ge­wissen und nicht das Bewußtsein, in ernster und gründlicher Erwägung aller Umstände das beschlossen zu haben, was wir für recht und billig halten durften. In unveränderter An­erkennung der großen und bleibenden Verdienste des Ober­bürgermeisters v. Wagner um die gedeihliche Lage der Stadt Ulm sprechen wir die Hoffnung aus, daß dieser die volle Kraft sich erhalten hat oder wieder gewinnen wird, die er braucht, um die Aufgaben seines Amtes fernerhin mit fort­schreitenden Erfolgen zu erfüllen; und an uns ist es, ihm auf dieser Bahn treue Mitarbeiter zu sein zum Segen unserer guten Stadt Ulm. Obmann Teichmann führte aus: Ich glaube, daß der Bürgerausschuß einverstanden ist, wenn ich zu den eben gesprochenen Worten die volle Zustimmung des Bürgerausschusses ausdrücke und zugleich den Wunsch, daß nunmehr Ruhe und Frieden, die so dringend notwendig sind, in der Stadt einkehren.

ss Zwiefalten, 28. Mai. Heute früh 3 Uhr ist ein Teil des großen Oekonomiegebäudes der hiesigen Heilan­stalt abgebrannt. Der große Viehstall blieb dank der vorhandenen Feuerwand verschont. In dem zerstörten Ge­bäudeteil waren die Schweineftallungen untergebracht. 8 6 Schweine, 2 Kalbeln und größerer Vorrat an Stroh sind dem Brande zum Opfer gefallen. Die Entstehungsursache konnte bis jetzt nicht ermittelt werden.

ss Friedrichshafen, 2S. Mai. Das neue Luftschiff Z. 2 ist gestern bei regnerischem Wetter aufgestiegen und gegen Norden am Horizont verschwunden. Nach dreistündiger Fahrt kehrte es nach Manzell zurück, anscheinend wegen der starken Gewitterböen uns ländere.

Wie verlautet, wird Z. 2 f heute nochmals aufsteigen und eine größere Fahrt unternehmen. Es heißt, das Ziel sei Frankfurt, doch war bis 8 Uhr vormittags weder hierüber, noch auf die Frage, ob etwa Stuttgart be­rührt werden soll, etwas bestimmtes zn erfahren.

Auf die Einladung des Grafen Zeppelin haben bis jetzt mehrere Mitglieder des Bundesrats und 113 Reichstagsabgeordnete ihr Erscheinen am 5 Juni zugesagt. Bei jedem der drei Aufstiege werden 16 Gäste, die durch Verlosung festgestellt werden, mitgenommen.

ff Pforzheim, 28. Mai. Heute nacht brannte das Zimmergeschäft von Braun u. Gebert zwischen hier und Brötzingen, das erst vor wenigen Jahren neu erbaut wurde, vollständig nieder. Der Schaden beträgt etwa 30000 Mark.

ff Berlin, 28. Mai. Die gestrige Beerdigung des Lehrers Hahn, der als Mitglied des Berliner Lehrerge- saugvereins beim Sängerwettstreit in Frankfurt vom Schlage getroffen wurde, hatte ein tragisches Nachspiel. Der Drechslermeister Lendeke, ein Teilnehmer am Begräbnis, wurde von einem heftigen Unwohlsein befallen und erlag auf dem Wege zum Krankenhaus einem Schlaganfall.

ff Berlin, 28. Mai. Bei der gestern nachmittag erfolgten Begrüßung des Kongresses für olympische Spiele erhielt Graf Zeppelin ein Ehrendiplom.

* Berlin, 28. Mai. In der F in anz ko m m i ssio n des Reichstages gab es gestern am Schluß eine äußerst erregte Geschäflsordnungsdebatte über den nächsten Punkt der Tagesordnung, als welcher die von den Konservativen beantragte Erhöhung des Kaffee- und Teezolls angesetzt war. Nationaliberale, Freisinnige und Sozialde­mokraten gaben die Erklärung ab, daß sie bei dem Vor­gehen der Mehrheit sich nicht in der Lage sehen, an den weiteren Beratungen teilzu nehmen. Die Abgg. Weber und Mommsen erklärten, daß sie nicht mehr als Berichterstatter fungieren könnten.

' Berlin, 28. Mai. In der Nachmiltagssitzung der Finanzkommissson hatten sich von 28 Mitgliedern nur die 18 der Mehrheitsparteieil eingefunden. Zwei Sozialdemo­kraten und ein Freisinniger waren anwesend hatten aber abseits Platz genommen. Im Verlauf der Nachmittagssitzung nahm die Finanzkommission den Gesetzentwurf betreffend die Besteuerung der Beleuchtungsmittel an. Der Rest des Ge­setzentwurfes wurde sn blov angenommen. Angenommen wurde auch der Antrag der Konservativen betreffend den Kaffee- und Teezoll. Der Zollsatz ist für Kaffee, roh, 60 Mk., gebrannt oder geröstet, auch gemahlen, 80 Mk. Der Teezoll wird von 25 Mk. auf 100 Mk. erhöht. An Nach­zoll sollen von Kaffee 20 Mk., von Tee 75 Mk. erhoben werden.

ff Wien, 28. Mai. In der heutigen Sitzung des Ge­meinderats verlas Oberbürgermeister Dr. Lueger ein Schreiben des deutschen Botschafters, in dem er mitteilt, der deusche Kaiser habe bei seinem jüngsten Wiener ilkufenthalt 2000 Mk. für die Armen Wiens gespendet. Die Versammlung erhob sich bei Verlesung des Schriftstücks zum Zeichen des Dankes.

ff Wien, 28. Mai. Der Oberbürgermeister Lueger legte am Grabe des Komponisten Haydn bei Eisenstadt in Ungarn namens der Stadt Wien einen Kranz nieder. Er sagte, er grüße auf ungarischem Boden das Grab des Kom­ponistender uns die heilige Volkshymne geschenkt hat, die auf diesem Boden verachtet wird." Die Deputation lehnte eine Einladung in das Schloß des Grafen Esterhazy für die Wiener Gemeindevertretung ab.

* Saloniki, 28. Mai. Die Bewachung des E r - sultans ist verschärft worden. Im Hafen liegen drei Kriegsschiffe, die mit dieser Aufgabe betraut worden sind. Auch im Schlafgemach Abdul Hamids sind Wachen aufgestellt worden. Weiter wird gemeldet, daß jetzt die Auflösung des jungtürkischen Komi­tees tatsächlich erfolgt ist; das Komitee soll, wie ange­kündigt, als Partei organisiert werden.

Der Papst über das deutsche Zentrum.

Berlin, 28. Mai. Einer Meldung desBerl. Lok.-Anz." aus Rom zufolge hat der Papst dem neuen Bischof von Dakka gegenüber bei einer Besprechung der katholischen Or­ganisationen eine bemerkenswerte Aeußerung über das deutsche Zentrum getan und wörtlich gesagt:

Nehmen Sie sich den deutschen katholischen Volksverein und das Zentrum zum Muster, nicht nur deren Organisa­tion, nein, suchen Sie auch deren Geist zu erfassen und nach­zuahmen. Tenn gerade der G e i st, der im deutschen Zentrum herrscht, hebt es so turmhoch über die katho­lischen Organisationen der anderen Nationen empor."

Voraussichtlicher Wetter

am Sonntag, den 30. Mai: Ziemlich heiter, trocken, kein erheblicher Niederschlag, nachmittags warm.

Redaktion, Druck und Veilag von L. Lank in Aitensteßt.

UM* Die nächste Nummer unseres Mattes erscheint am Dienstag.