.Der Württembergische Jndustrieverband hat be­reits eine Eingabe zu Gunsten der Nachlaßsteuer an den Reichstag gerichtet und mich beauftragt, dieselbe auch Ew. Durchlaucht zu überreichen. Im Lande Württem­berg findet man weder Kohlen noch Eisen und dennoch ist die Eisenindustrie in das Land gezogen durch die Ein­führung der Fertig-Jndustrien. Wir betrachten aber die Interessen der Industrie als denen der Landwirtschaft nicht entgegenstehend, im Gegenteil, beide Erwerbszweige als aufeinander angewiesen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, aufklärend zu wirken, daß ebensowenig wie die Industrie sich von den speziellen Interessen einiger Gruppen der Großindustrie beherrschen lassen darf, die Landwirt­schaft sich auch nicht in den Dienst der speziellen Interessen des Großgrundbesitzes stellen soll. Daß letzteres aber gerade bei der Nachlaßsteuer der Fall ist, haben wir durch Bei­spiele nachgewisen. Wir hoffen auf eine Umkehr und auf ein Zusammenwirken der Landwirtschaft mit der Industrie, um zu erreichen, daß die Steuer etwas mehr vom Besitz in progressiver Weise getragen werden und daß die Steuer und Zölle überhaupt so gestaltet werden, daß sie sich mehr der Wohlfahrt der Mehrheit unserer Bevölkerung an­passen.

Auf die Ansprachen erwiderte der Reichskanzler mit einer längeren Rede deren wichtigen Schluß wir folgen lassen wollen:

Ich erwarte also, um mich kurz zusammenzufassen, von der Reichsfinanzreform das folgende:

Sie soll aufbringen 500 Millionen Mark. Sie soll diese Summe, abgesehen von 25 Mill. Mark neuer Matrikularbeiträge, aufbringen inFormreichseigener Einnahmen und zwar, wenn die Fahrkarten­steuer in verbesserter Form bestehen bleibt, mit 350 bis 360 Mill. Mark vom Konsum und mit 90100 Millionen vom Besitz. Bei den Konsumsteuern sollen Branntwein, Bier und Tabak rund 280 Mill. Mark bringen. Weitere 7080 Mill. Mark sollen durch die sogen. Ersatzsteuer, über die sich der Bundesrat dieser Tage schlüssig machen wird, aufgebracht werden. Die Nachlaßsteuer wird in eine Erban fall st euer um gewandelt. Durch- zuführen ist das Werk noch indieserTagung.

Meine Herren! Als vor einem Jahre von diesem oder jenem die Reichsfinanzreform als eine große nationale Aufgabe bezeichnet wurde, da haben Routine Politiker ge- lächelt und erklärt, es werde nie gelingen, ein Steuer­programm populär zu machen, umsoweniger je mehr Steuerzahler von den Wirkungen betroffen werden müßten. Daß heute die Reichsfinanzreform als nationale Aufgabe nicht nur allgemein anerkannt, sondern daß sie populär geworden ist, weil man erkannte, daß mit ihr eine Stärk­ung des Staates nach 'innen und nach außen und damit auch eine Förderung unserer wirtschaftlichen Kraft liegt, ein Auistreben zu höheren Zielen, dafür sind Sie lebendige Zeugen. Jeder Tag der Verzögerung bedeutet eine Ver­mehrung unserer Schulden, einen Verlust an Einnahmen, eine Erhöhung der Schwierigkeiten und eine Einbuße an Reputation. Die Arbeit wird den Mitgliedern des Reichs­tags erleichtert werden, wenn ihnen aus den verschiedensten ^ Kreisen der Bevölkerung die Versicherung entgegenklingt, daß sie bei ihrer Pflichterfüllung auf die Bereitwilligkeit der Oeffentlichkeit rechnen können. Wenn Sie, meine Herren, dies mir und in dieser Stunde mit Würde und Bestimmtheit zum Ausdruck brachten, haben Sie sich für das große Werk und um das große Vaterland ein Ver­dienst erworben und sind seines Dankes sicher..

Die Ausführungen des Reichskanzlers wurden von allen Anwesenden mit lebhafter Zustimmung ausgenommen und häufig von Beifall unterbrochen. Der Hinweis dar­auf, daß die Finanzreform noch in dieser Tagung erledigt werden müsse, wurde mit besonderer Genugtuung begrüßt. Zum Schluß ertönten laute Bravorufe. Der Reichskanzler unterhielt sich sodann mit den Abgeordneten, die er sich nochmals einzeln vorstellen ließ. In dem an den Konferenz­saal anstoßenden Bismarckzimmer wurden Erfrischungen gereicht.

Ausländisches.

* Bukarest, 20. April. Der deutsche Kaiser hat König Carol aus Anlaß seines heutigen 70. Geburtstages zum Kgl. preußischen Generalfeldmarschall ernannt. Der Kron­prinz hat dem König heute von dieser Ernennung Kenntnis gegeben und ihm zugleich im Namen seines kaiserlichen Vaters einen Marschallstab überreicht.

js Petersburg, 20. April. Gestern wurde hier der all slawische Kongreß eröffnet, dessen Sitzungen teil­weise unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfinden. An­scheinend stehen sich zwei Gruppen gegenüber: der konser­vative Altslavophilismus und der demokratische Neuslawismus.

fs Koustautinopel, 20. April. Mit der gestern erfolgten Unterzeichnung des türkisch-bulgarischen Protokolls hat die türkische Regierung die Unabhängigkeit Bul­gariens anerkannt.

Der Aufruhr tu der Türkst.

Ksnstauttuopel, 20. April. Die Nacht ist ruhig ver­laufen. Die Tore des Aildiz wurden gestern früher ge­schloffen. Die Fremden werden schärfer überwacht. Wie verlautet, wird die Hauptmacht der makedonische«' Truppen heute vor Stambul konzentriert werden. Diesen Morgen war beim Palast alles ruhig.

H Franksnrt a. M., 20. April. Wie derFrkf- Ztg." aus Konstantinopel gemeldet wird, ist die Gesellschaft Jlti- häd-i-Mohamed, welcher die Urheberschaft «in den jüngsten Unruhen zugeschrieden wird, aufgelöst worden. Der Heraus­geber des Blattes Vulkan wurde verhaftet.

Vor der Entscheidung.

Konstantinopel, 20. April. Heute früh zogen etwa 150 Mann der Taschkischkaserne mit klingendem Spiel in bester Ausrüstung den makedonischen Truppen entgegen, um sich diesen anzuschließen. Es ist noch nicht bekannt, welche Auf­nahme sie gefunden haben.

Saloniki, 20. April. Das Komitee beabsichtigt, sofort nach dem Einmarsch in Konstantinopel, der nach hier ein­getroffenen Meldungen heute von San Stefano aus erfolgen soll, dort den Belagerungszustand zu verkünden und die Todesstrafe an den Verrätern zu vollziehen. Die bisherige Konstantinopeler Garnison soll von dort verlegt und durch­weg durch absolut komiteetreue Truppen ersetzt werden. Hier und in der Provinz herrscht Ruhe.

Pera, 20. April. Vier Infanterie-Bataillone und mehrere Kavallerie-Regimenter haben durch Abordnungen erklären lassen, daß sie bereit seien, mit der Anmarsch-Armee gemein­same Sache zu machen. Zahlreiche Hodschas sind aus Furcht vor der Anmarsch-Armee nach Anatolien geflohen. In einer Proklamation des Oberkommandos der Anmarsch-Armee wird die Bevölkerung Konstantinopels aufgefordert, sich ruhig zu verhalten, keine. Einmischung in die militärische Aktion zu versuchen und überzeugt zu sein, daß die Ausrechterhaltung der Ordnung, sowie die Sicherheit von Leben und Eigen­tum verbürgt würden. Der Sultan scheine nicht mehr im Aildiz zu sein, sondern in einem andern Schlosse den Gang der Ereignisse abzuwarten.

Was die Jungtürken in Konstantinopel wollen.

* Konstantinopel, 20. April. Der Chef der vor Kon­stantinopel befindlichen makedonischen Truppen, Husei Pascha, erließ an die Garnison Konstantinopels einen Aufruf, worin er verlangt, daß alle Mannschaften der Garnison einen feierlichen Schwur ablegen, den Befehlen ihrer Vor­gesetzten blind zu gehorchen und sich in Zukunft nicht mehr in Politik zu mischen. Die Mannschaft müsse sich fernerhin verpflichten, der Wiedereinsetzung aller Offiziere und Unter­offiziere in die Stellen, die sie vor dem Aufstand innehatten, keinen Widerstand entgegenzusetzen. Ferner verlangt der Aufruf, daß die Soldaten der Hauptstadt sich nicht um die Maßgabe zu kümmern haben, welche die Belagerungstruppen zur Bestrafung derjenigen treffen werde, welche das Vater­land in Gefahr gebracht haben. Die Soldaten müssen sich endlich verpflichten, die Namen aller der Personen anzu­geben, welche sie zum Aufruhr angestiftet haben. Wenn alle diese Forderungen erfüllt würden, dann werde den Mann­schaften der Garnison nichts geschehen. Auch erließ Husei Pascha einen Aufruf an die Bevölkerung der Hauptstadt, in dem erklärt wird, die Ankunft der makedonischen Truppen bezwecke, allen Verrätern des Vaterlandes, die mit der Verfassung unzufrieden seien, eine endgültige Lektion zu geben. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit werde ge­wahrt werden. Niemand außer den an den letzten Vor­gängen Beteiligten habe von den Truppen etwas zu fürchten. Die Bevölkerung solle sich nicht in Schrecken versetzen lassen.

* Köln, 20. April. DieKöln. Ztg." meldet aus San Stefano bei Konstantinvpel: Um 2 Uhr früh besetzte die Vorhut Makriköi. Alle Forts vom Marmarameer bis zum Schwarzen Meer find in den Händen der verfassungs­freundlichen Truppen, die konzentrisch vorrücken. Es ist noch ungewiß, wenn der Hauptschlag erfolgt.

Versöhnlichere Stimmung?

* Köln a. Rh., 20. April. Wie derKöln. Ztg." aus Konstantinopel gemeldet wird, scheint die Gefahr eines größeren Zusammenstoßes beseitigt zu sein. Zwischen dem Konstantinopeler Kommandanten und den Komiteetruppen wurde eine Abmachung getroffen, daß heute oder morgen die Konstantinopeler Garnison ohne Waffen den Komitee- trnppen zur Begrüßung entgegenrücken soll. Die Haltung der Flotte ist zweifelhaft. Die Schiffe im Bosporus sind in den Händen der komiteeseindlichen Mannschaften.

Konstantinvpel, 20. April. Der Salonikier Korpskom- mandant verhandelt sehr eifrig mit Konstantinopel. Die Stimmung ist seit gestern versöhnlicher, was hauptsächlich daraus zurückzuführen ist, daß man ein Blutvergießen in Konstantinopel fürchtet, da dies eine europäische Einmischung herbeisühren könnte. Der Sultan dürfte den Thron weiter innehaben ; doch dürfte seine Stellung noch mehr eingeschränkt werden, so daß er ganz unter dem Einfluß des jungtürkischen Komitees und der Salonikier und Adrianop eler Truppen kommen wird.

Der Sultan zur Abdankung bereit?

ff Konstantinopel, 20. April. Die Agence Haoas gibt unter Vorbehalt die Meldung wieder, daß das jungtürkische Komitee dem Sultan eine Frist bis 1 Uhr nachts gegeben hat, um abzudanken. Der russische Botschafter führe die Ver­handlungen. Der von Athen eingetroffene russische Kreuzer Teres liege während der Nacht am Bosporus bereit, um eventuell den Sultan wegzubringen.

' Wien, 20. April. Wie der Neuen Freien Presse aus Konstantinopel gemeldet wird, habe der Sultan gestern abend auf dringende Vorstellungen des Gesamtkabinetts nach anfänglicher Weigerung schließlich in die Abdankung eiuge- willigt, wenn sein Leben verbürgt werde. Die aus Saloniki erwartete Antwort dürste bereits eingetroffen sein und be­dingungslos lauten. Um eine etwaige Flucht des Sultans auf seiner Jacht zu verhindern und um das Lebensdes Sultans zu schützen, verbleibt die Flotte vor Beschiktasch. Gestern um 1/J0 Uhr nachts hatte der Großwesir eine 1* stän­dige Audienz beim Sultan in Anwesenheit des Palast­sekretärs. Die Abdankung Abdul Hamids und die Thron­besteigung Reschad Effendis dürfte zwischen heute und morgen amtlich verlautbatt und zur öffentlichen Kenntnis gebracht werden.

Die Haltnng der Mächte.

* Kiel, 20. April. Die KreuzerLübeck" undStettin" haben in der Nacht die Ausreise nach dem Mittelmeer an­getreten.

* Korfu, 20. April. Der Kreuzer Hamburg, der sich hier als Begleitschiff der Jacht Hohenzollern befindet, hat Befehl erhalten, sich nach Mersina zu begeben.

* Malta, 20. April. Die SchlachtschiffeCanopus"

undOzean", sowie der KreuzerMinerva" haben den Befehl erhalten, heute abend nach den türkischen Gewässern abzudampfen. Admiral Curzan-Howe befindet sich an Bord desOzean". ___ __

Washington, 20. April. Zwei amerikanische Kreuzer sind zum Schutze der amerikanischen Interessen nach dem Mittelmeer beordert worden.

Bulgarien.

' Sofia, 20. April. In einer Unterredung mit dem Premierminister Malinoff erklärte dieser unter anderem, die Regierung werde ein offenes Auge für die Ereignisse in der Türkei haben, dabei ab.r eingedenk bleiben, daß Bulgarien keinen abenteuerlichen Plänen nachgehen dürfe. Bulgarien werde gegenüber dem jungtürkischen Gegenstoß vollste Neu­tralität wahren, solange die makedonischen Stammesbrüder nicht in Mitleidenschaft gezogen würden.

Die Metzelei in Adana.

* London, 20. April. Eine Meldung des Reuterschen Bureaus aus Konstantinopel von heute besagt, daß Konsular­telegrammen zufolge bei den letzten Unruhen im Vilajet Adana fünftausend Personen getötet worden sind.

3« den persische« Wirre«.

ff London, 20. April. Wie das Reutersche Bureau er­fährt sind die Einzelheiten des englisch-russischen Programmes bezüglich Persien nunmehr in Petersburg zwischen dem eng­lischen Botschafter und dem russischen Minister des Aus­wärtigen Jswolski festgestellt worden. Der Text des Me­morandums wurde zur Genehmigung nach London gesandt. Die beiden Mächte haben nicht die Absicht, eine Politik der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Persiens zu ver­folgen, dringen aber ernstlich in den Schah, sich zur Ver­fassung zurückzuwenden.

ff Petersburg, 20. April. Während der letzten 24 Stunden sind aus Täbris neue beunruhigende Meldungen hieher gelangt. Auf Vorstellungen der englischen Regierung ist der Statthalter von Kaukasien beauftragt worden, unver­züglich eine genügende Truppenabteilung nach Täbris zu entsenden, um die russischen und ausländischen Untertanen zu schützen, die Zufuhr von Proviant herzustellen und zu­gleich einen sicheren Verkehr zwischen Täbris und Dschulfa aufrechtzuerhalten.

ff Teheran, 20. April. Infolge der ernsten Vorstellungen des englischen und des russischen Gesandten willigte der Schah heute in einen sechstägigen Waffenstillstand vor Tä­bris ein. Hiedurch soll die Möglichkeit gegeben werden, die Stadt mit Lebensmitteln zu versehen und dadurch zu ver­hindern, daß hungernde und verzweifelte Elemente die Kon­sulate angreifen.

Mode, Eleganz und Schick lassen sich bekanntlich nur schwer mit Sparsamkeit vereinigen. Und doch kann jede Frau dieses Problem lösen, wenn sie da 5 neu erschienene Favorit-Modenalbum für Frühjahr und .Sommer 1909 zu ihrem Ratgeber in Toilettenfragen wählt. Es bietet ihr die anschaulichste, gedrängte Toilettenrevue dieser Saison, erleichtert ihr die Wahl von Neuanschaffungen und setzt sie mit Hilfe der zu jedem dargestellten Modell erhält­lichen, tadellos sitzenden Schnitte in den Stand, sich ihre Garderobe ohne viel Mühe selbst herzustellen. Zu beziehen ist das alle Saisonneuheiten enthaltende, reich illustrierte Album zum Preiie von nur 60 Pf. durch die W. Rieker'sche Buchhdlg., L. Laut, Alteusteig.

Handel und Verkehr.

-ü- Ueberberg, 20. April. Bei dem gestern stattge­fundenen Submissionsstammholzverkauf erlöste die hiesige Ge­meinde durchschnittlich 116,3A der Taxpreise. Das niedrigste Angebot war 105",o, das höchste 120,8'«.

' Stuttgart, 20. April. Auf dem Pferdemarkt war heute der Verkehr nicht so lebhaft wie am ersten Tag. Immerhin wurden noch zahlreiche Käufe abgeschlossen. Viel Pferde wurden in den Stallungen gekauft. Die an beiden Tagen erzielten Preise bewegen sich zwischen 200 und 2000 Mk. Der Umsatz beträgt etwa 350 000 Mk. Auf dem Hundemarkt war der Handel nicht besonders lebhaft.

Kurzer Getreide-Wochenbericht der Preisberichtsstelle des deutschen LandwirtschastsratS vom 6. bis 19. April 1909.

Es stellten sich die Preise für inländisches Getreide am letzten Markttage in Mark pro 1000 Kg. je nach Qualität, wobei das Mehr (Z-) bezw. Weniger () gegen­über der Vorwoche in ( ) beigefügt ist, wie folgt:

Weizen

Frankfurt M. 251 (-f-8'/s) Mannheim 262hs(-f-10)

Straßburg 250 (-f-10)

Stuttgart 260 (-f-10)

München 2ß3 (-j-11)

Roggen

Hafer

188l ,(-f-3'/s)190 (

190 (-j-5) 190 (

200 (-f-5) 195 (-

190(fl-2f/,) 195 (-f-5) 185 (-f-5) 186 (ft-2)

3V-)

5 )

3V,)

Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Laut, Alteusteig.