1s Berlin, 18. April. Wegen ehelicher Zwistigkeiten, Nahrungssorgen, vergiftete sich gestern die 25jährige Frau des Schriftsetzers Seibt an der Bredowstraße und ihre beiden Kinder mit Lysol.
Der Kaiser in Korfu.
Nach prächtiger, ungestörter Fahrt ist Kaifer Wil - Helm mit der Kaiserin und seinem Sohne, demPrinzep Oskar, wohlbehalten auf der Insel Korfu an Bord der „Hohenzollern" eingetroffen und recht herzlich begrüßt worden. Das Einlaufen der Kaiserflottille in den Hafen bot bei dem prächtigen Wetter und dem reichen Schmuck aller Schiffe und benachbarten Straßen ein malerisches Bild. Unter dem Donner der Festungsgeschütze erfolgte die Landung und nach einer Aussprache mit den zum Empfange anwesenden Behörden die Fahrt zum Schlosse Achilleion. Auf dem ganzen Wege hatte sich die Bevölkerung zur Begrüßung aufgestellt. Das Kaiserpaar war sichtlich erfreut, in den Schloß-Anlagen schon den vollen Frühling eingekehrt zu finden. Das Achilleion mit seiner Blumen- und Palmen reichen Umgebung macht jetzt einen entzückenden Eindruck. Zur Begrüßung der hohen Gäste ist das griechische Königspaar aus Athen angekommen. Der Fremdenandrang ist sehr bedeutend. Der griechischen Osterfeier werden der Kaiser und die Kaiserin wie im Vorjahre zeitweise anwohnen.
Ausländisches.
II Wien, 18. April. Heute nachmittag hat bei prächtigem Frühlingswetter und unter außerordentlicher Beteiligung in Schönbronn die D a nk h u l d i g u n g an den Kaiser für die Erhaltung des Friedens stattgefunden. Bürgermeister Lueger hob in seiner Ansprache die opferwillige Bereitwilligkeit aller Völker Oesterreichs und der Armee hervor und sprach dem Kaiser den Dank aus, daß er mit Weisheit und Sanftmut die große Gefahr beseitigt habe. Der Kaiser dankte herzlich für die Huldigung und sagte: Ernste Zeiten sind an uns vorübergegangen. Es erfüllt mich mit Befriedigung, daß mir die patriotische Gesinnung der gesamten Bevölkerung, sowie die Bereitschaft meiner von dem besten Geiste beseelten Armee einen festen Rückhalt und die Möglichkeit geboten haben, den Frieden zu erhalten, denn auch ein gerechter Krieg fordert viele Opfer. Reicher Segen bringt den Völkern ein in Ehren bewahrter Friede. — Nach Absingung patriotischer Lieder durch den Wiener Sängerbund, ertönten stürmische Hochrufe von 70 000 im Schloßhofe erschienenen Wiener Bürgern. Die Huldigung ist ohne Zwischenfall verlaufen.
1s Wien, 18. April. Der englische Botschafter überreichte gestern im Ministerium des Aeußern die Note Englands, welche die formelle Zustimmung zur Streichung des Art. 28 des Berliner Vertrages enthält. Die deutsche und die italienische Regierung hatten bereits, wie bekannt, vor einiger Zeit die diesbezüglichen Noten überreicht. Für die nächsten Tage steht die Ueberreichung der russischen und dann der französischen Note bevor.
1s Venedig, 18. April. Fürst und Fürstin Bülow haben heute Nachmittag die Rückreise nach Berlin angetreten.
' Rom, 18. April. Heute Vormittag fand in der Peterskirche die feierliche Zeremonie der Seligsprechung der Jungfrau vonOrleans statt. Der Bischof von Orleans zelebrierte die Messe, bei der ihm 13 Kardinäle, darunter 3 französische, assistierten. Anwesend waren außerdem 60 französische Bischöfe, sowie italienische und andere ausländische, ferner der Herzog Alencon, Verwandte des Papstes und ca. 30 000 französische Pilger und mehrere tausend einheimische.
ss Sofia, 17. April. Von Mitgliedern der Regierung wurde mehreren Vertretern der Großmächte und dem türkischen Geschäftsträger die Versicherung gegeben, daß Bulgarien keine aggressiven Absichten gegen die Türkei habe. Einzelne Blätter greifen die Regierung heftig an, weil sie den günstigen Augenblick nicht benütze, um in die Türkei einzufallen. Von Verhandlungen oder Zahlung einer Kompensation dürfe angesichts der Revolte in der Türkei keine Rede sein. In Deputiertenkreisen verlautet, die Westmächte arbeiteten eifrig auf eine beschleunigte Regelung der türkisch-bulgarischen Streitfrage hin und die Anerkennung des Königreiches Bulgarien sei in den nächsten Tagen zu erwarten.
In San Franziska ist das nach dem Erdbeben erneut aufgebaute Hotel St. George infolge der Explosion eines Gasofens völlig niedergebrannt. Von 230 Gästen werden 55 vermißt. Wahrscheinlich sind sie in den Flammen umgekommen. Außerdem wurden zahlreiche Personen verletzt. Bisher wurden sechs Leichen geborgen. — Englischen Blättermeldungen zufolge sind 30 Mann ums Leben gekommen.
Der Aufruhr irr der Türkei.
* Konstantinopel, 17. April. General Jzzet Fuad, der die Hilfe des Kriegsministers, von dem man eine ersprießliche Einwirkung auf den Geist der meuternden Truppen erwartete, ist heute nacht ermordet worden.
* Frankfurt a. M., 17. April. Nach einer Meldung der Frankfurter Zeitung aus Konstantinopel sollen gestern nacht 16 Offiziere der Kriegsschule ermordet worden sein.
Ernüchterung in den Kasernen.
* Konstantinopel, 17. April. In den Kasernen in Konstantinopel tritt jetzt Ernüchterung ein. Viele Soldaten erklären, gar nicht gewußt zu haben, warum sie gemeutert haben. Sie waren vor allem vergnügt, weil sie Geld hatten. Sie leisteten sich vielfach Wagenfahrten mit voller Bewaffnung. Sollten die hiesigen Truppen umschwenken, so ist eine friedliche Lösung durch Sturz der Regierung möglich. Bei der charakteristischen Vergangenheit dieser Truppen ist dies aber nicht allzu wahrscheinlich. Es scheint, als ob das zweite und dritte Korps beabsichtigen, sich von dem ersten Korps zu trennen und sich selbständig zu machen.
Die Gegenaktion aus den Provinzen.
* Saloniki, 17. April. Die aus Konstantinopel an- kommenden Reisenden werden streng überwacht, da die Befürchtung besteht, daß Agenten der Gegenpartei des Komitees in Makedonien und Albanien eine wühlerische Tätigkeit beginnen könnten. Tie Einnahmen des Zollamts werden nicht in die Hauptstadt abgeführt, sondern werden hier für militärische Zwecke verwendet. Hohe Persönlichkeiten stellen ihr Vermögen dem Komitee zur Verfügung. Seitdem Enver Bey hier ist, finden neue Beratungen statt. Alle Provinzgarnisonen stimmten den Maßnahmen des hiesigen Komitees begeistert bei. Sandansky ist hier eingetroffen. Panitza hat sich bereit erklärt, eine Freiwilligenschar zu stellen.
Unterwegs nach der Hauptstadt.
* Frankfurt a. M., 17. April. Eine Sonderausgabe der „Frankfurter Zeitung" meldet aus Konstantinopel: Vier Militärzüge mit ungefähr 2500 Mann sind um drei Uhr nachts von Saloniki und Adrianopel in Tschataldscha eingetroffen. Sie stiegen ruhig und in voller Disziplin aus und besetzten die dortigen Verteidigungswerke. Das in Tschataldscha befindliche ständige Artilleriekontingent verhielt sich passiv.
M L - fef > urbt. W -
Viel kann aus wenig Worten lernen, wem es ist verlieh'n, als wie du kannst aus kleinen Kernen große Bäume zieh'n.
Rückert.
Steinmehliratze Nr. 111^
Moderner Kriminalroman von Hans Hy an. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
XV.
Ein paar Minuten später, in denen Fallgräbe dem Kriminalinspektor seine Pläne des weiteren auseinandersetzte, wurde Pritzel hereingebracht.
Irgendeine Verlegenheit schien es bei diesem kaum Fünfzehnjährigen nicht mehr zu geben.
Er sagte lächelnd „Juten Morgen!" und fragte dann ganz ungeniert:
„Wat wollen Se denn schon wieder von mir, Herr Kriminalinspektor, ich war ja doch man erst eben bei Ihn'."
Der nahm die Akten des Kleinen heraus und las ihm vor: „Du bist geboren in Kreuchlin in der Uckermark am 12. August 1890 und heißt Ernst August Max Steffens?"
-Det stimmt, wenn ick ooch nich jerade „Du" heeße.
Während sich Fallgräbe ein Lächeln verhalten mußte, schien der Kriminalinspektor die kecke Bemerkung des Klemm gar nicht gehört zu haben.
„Du bist mit zwölf Jahren in Fürsorgeerziehung gekommen, weil du in der Schule die andern Jungens aufgewiegelt hast, den Lehrer durchzuhauen, was du selbst . jedenfalls nicht fertig brachtest .... übrigens gerade so wie jetzt bet dem Kommissar Schultz, wo du offenbar auch der Anstifter bist!"
Ohne irgendwie seine Ruhe zu verlieren, schüttelte der
Kleine den Kopf.
„Det iS 'n Irrtum, dm man Ihnen nicht LLelnehmen kann, Herr Kriminalmspektor! Mit die Schule, det stimmt, bloß die andern wollten den Lehrer ooch ver- tobacken, und mir haben se nachher in Fürsorge gebracht davor: aber mit den Herrn Kriminal, da ist det janz wat andres. Im Jejenteil, wmn ick nich jewesen wäre, denn hätten Sie jetzt een' Kommissarius weniger. Ick habe den Mann von Tode jerettet, und davor verlang' ick de Rettungsmedaille!"
„Die wirst du schon st «egen, mein Freund", sagte der Kriminalinspektor, „so gr ... und mit einer schwarzen Nummer auf der EmcWe-^
„Ach Sie meenen den Matjesorden von Plötzensee und Tejel? Na, Herr Kriminalinspektor, wenn Sie mir wieder da hinbringen, davon wer ick ooch nicht jebefsert!"
Ohne von diesen Zwischenbemerkungen Notiz zu nehmen, fuhr der Kriminalinspektor in seiner Verlesung des Strafregisters fort.
„Als du mit vierzehn Jahren eingesegnet wurdest, kamst du zu einem Tischlermeister in die Lehre."
„Janz recht", erwiderte Pritzel, „der Mann hat später 'n Patent gekriegt, der konnte Eierkuchen aus Säge- späne backen, und wir Lehrlinge, wir mußten se uffreffen! Det war 'n Nahrungsmittelverfälscher, und wenn ick nich so anständig jewesen wäre, denn HLttt ick ihn davor denunziert."
Es war wirklich bedauernswert, mit welch' unerschütterlicher Ruhe Herr Vasse sich dm Äußerungen deS Lungen gegenüber verhielt.
Der Kleine, der im Gegensatz zu Nuffelwilhelm ein sehr flinkes Mundwerk hatte, erzählte nun selbst seine Lebensgeschichte.
„Ick kam nu nach Plötzensee zu de Jugendlichen, weil behauptet wurde, ick hätte dem Meester sein Portemonnaie jezoddelt, wohingegen ich daran jar nich beteiligt jewesen bin, sondern die Meesterin, die hatte eS ihm jeklaut."
„Schon gut", unterbrach der Kriminalinspektor, „darum handelt es sich nicht. Ich wollte dich bloß mal .fragen, was du glaubst, was dir jetzt blüht für das Ding, das Ihr mit dem Kommissar Schultz gedreht habt?"
* Konstantinopel, 17. April. Nach Mitteilungen von zuständiger Seite steht es fest, daß die Garnisonen von Adrianopel und Saloniki, etwa 7000 Mann, gegen die Hauptstadt unterwegs sind. 600 Mann sind bereits in Tschataldscha, 75 Kilometer vor Konstantinopel, eingetroffen. Als die in dem Vorort Hademkoei stehenden Truppen das Herannahen der Komiteetreuen erfuhren, verlangten sie stürmisch nach der Hauptstadt gebracht zu werden, hielten den in der Richtung nach Konstantinopel vorübersahrenden Konventional- zug an und zwangen die Reisenden auszusteigen. Erst als den Soldaten zwei Sonderzüge zur Verfügung gestellt wurden, konnte derZug weiterfahren. Die Garnison von Hademkoei, deren Eintreffen in Konstantinopel erwartet wird, ist etwa 1000 Mann stark. Es heißt, daß viele jungtürkische Offiziere in bulgarische Dienste übergetreten seien.
* Berlin, 17. April. Das „Berliner Tageblatt" meldet aus Konstantinopel: In Hademkoei, unweit Tschataldscha, meutern 1000 Soldaten. Es ist unbekannt, ob für oder wider das Komitee. Sie sind per Bahn nach Konstantinopel unterwegs, wo sie heute um 2 Uhr eintreffen werden. Der Sultan hatte gestern eine Kommission, die aus acht Abgeordneten, einigen Offizieren und drei Hodschas bestand, den Salonikier Truppen entgegengesandt. Die Komission traf den ersten Truppentransport bei Tscherkaszkoei. Die Salonikier ließen sich nicht irre machen und zwangen die Komission, u m z u k e h r e n.
Gründung einer „Ottomanischen Union" zur Verteidigung der Verfassung.
* Konstantinopel, 17. April. Soeben ist eine gemeinsame Proklamation sämtlicher politischen Parteien und Vereinigungen erschienen, die die Gründung einer „Otto- manischen Union" anzeigt. Die Proklamation ist unterzeichnet von den Ulemas, dem jungtürkischen Komitee, der liberalen Vereinigung, von armenischen, griechischen, albanesischen, bulgarischen und anderen Klubs, mehreren wissenschaftlichen Gesellschaften, sowie sämtlichen türkischen Zeitungen der Hauptstadt. Der Aufruf erklärt, die Unterzeichner hätten alle Streitfragen beiseite gesetzt und sich zusammengefunden, um das gemeinsame Vaterland zu retten, indem sie sich verpflichteten, die auf dem S cher iat g e s e tz beruhende Verfassung zu verteidigen. Das Komitee wird sich au die Kammer und an die Regierung wenden, um die Notwendigkeit sofortiger ernster Maßnahmen für die Beruhigung des Landes darzulegen. Der Aufruf drückt die Erwartung aus, duß die Tätigkeit dieses gemeinsamen Komitees allen Streitigkeiten ein Ende machen und die Unterstützung aller Klassen und Parteien finden werde, damit Ereignisse, die schwere innere und äußere Gefahren herbeiführen könnten, vermieden werden. — Der Aufruf wurde in den Straßen als Extrablatt verteilt. Er fand reißenden Absatz und wurde lebhaft besprochen.
Die Großmächte.
* Konstantinopel, 17. April. Das ru s s i s ch e Schwarze Meer-Geschwader, bestehend aus 3 Panzerschiffen, 5 Panzerkreuzern und einer Anzahl Torpedoboote, kreuzt seit heute mittag in einer etwa zweistündigen Entfernung am Eingang des Bosporus.
Malta, 17. April. Das englische Geschwader erhielt Befehl innerhalb 12 Stunden nach den türkischen Gewässern abzudampfen.
11 Paris, 17. April. Auf Grund der Ereignisse in der Türkei hat die Regierung die Kreuzer Victor Hugo und Jules Michelet nach dem Piräus entsandt.
Mohammedanische Greuel in Kleinasien.
* Berlin, 17. April. Dem „Berliner Lokal-Anzeiger" wird aus Konstantinopel telegraphiert: Entsetzlich lauten die Nachrichten aus Adana, wo ein Armenier in der
""" »Ach, Se meeneH «ie lange ich davor schwimme»! wer' ... Na, uff 'n anderthalb Jährchen mach' ick mir schon jefaßt ..."
„Na, mein Junge, da scheinst« doch die Sachlage nicht richtig zu überblicken", entgegnete Herr Vasse. „Ihr habt einen Beamten in der Ausführung seiner schweren Pflicht in den Hinterhalt gelockt und — daran ist gar kein Zweifel! — Ihr habt ihn einfach ermorden wollen! Daß der Kommissar Schultz diesem Überfall nicht erlegen ist, daran seid Ihr alle zusammen wahrhaftig ganz unschuldig! . . . Weißt du, was es auf Mordversuch gibt?"
Pritzel schien trotz seiner krampfhaft festgehaltenen äußerlichen Frechheit jetzt doch innerlich sehr unruhig zu werden. Er sagte mit einem dummen Lachen:
„Wo is 'n det 'n Mordversuch?! Im Jegenteil, ick habe doch Reoolverfred immerzu abgeredt und habe gesagt, ick oermaßle ihn' die janze Fahrt, wenn se den Kommissar wat tun!"
Abwinkend sagte der Kriminalinspektor:
„Die Scherze kennen wir! . . Aber es gibt immerhin eine Möglichkeit, dich vor den sehr bösen Folgen dieser Sache zu bewahren . . ."
Man sah, wie der Kleine die Ohren spitzte.
„Wat denn, Herr Kommissar, ick mache allens, wat Sie von mir haben wollen!"
Der Kriminalinspektor tat, als überlegte er noch eine Weile; dann sagte er:
„Du hast doch den Menschen, den ihr angeblich dem Kommissar Schultz in die Hände spielen wolltet, den sogenannten „langen Adolf", den hast du doch auch in der Dlumenbude gesehen?"
Ein kaum merkliches Stutzen kam in das Gesicht deS kleinen Verbrechers, dann sagte er ganz harmlos und treuherzig:
„Och nee, Herr Kommissar, sowas jibttS ja jar nicht Das haben wir ja dem Herrn Kommissar Schultz bloß vorgeflaust! Wir wissen ja jar nich, ob da eener Schmiere jestanden hat oder nich,- bei den Seebald."
„So", sagte der Kommissar, „daS wißt ihr gar nickt? . . . Du kennst den .Nante" als» anck nickt?"
(Forlictzuug folg'..»