Mitberichterstatter Schrempf wies darauf hin, daß es sich nicht um Schaffung eines Schulprogramms, son­dern um ein durchführbares Schulgesetz handle. Der Regier- ungsentwurf bringe einen schönen und wertvollen Fortschritt.

Gegen den Vorwurf der Unfreundlichkeit gegen die Lehrer nahm der Abgeordnete Kraut den Bauernbund nach­drücklich in Schutz. Ein solches Uebermaß von Leistungen, wie es der sozialdemokratische Antrag den Gemeinden zu­mute, könnten diese nicht einmal vorübergehend tragen. Auch der Antrag Hieb er gehe hierin zu weit. In Finanzfragen sei es immer bedenklich, über die Vorschläge der Regierung hinauszugehen.

Speth-Wangen (Zentr.) bekämpft ebenfalls die An­träge der Sozialdemokraten und der Kommission, während der Abgeordnete Kübel (D. P.) den letzteren Antrag be­fürwortet, indem er u. a. darauf hinwies, daß Popularitäts­hascherei nicht aus der Seite sei, die die Höchstschülerzahl herabsehen wolle, sondern dort, wo man dem Volke mit den großen Kosten gruselig mache und die Parole ausgebe: Taschen zu!

Der Abgeordnete Weber (Zentr.) bezeichnet die gestrigen Ausführungen des Abgeordneten Hey mann über württ. Schulzustände als Uebertreibungen, worauf der sozial­demokratische Abgeordnete Hilde nbrand in temprament- voller Rede die Notwendigkeit und Durchführbarkeit des sozial­demokratischen Antrags nachzuweisen suchte. Der Redner polemisierte dabei namentlich auch gegen dasKgl. Württ. Kultministerium" wie er sich ausdrückte, das übermäßige finan­zielle Berechnungen über die Wirkung des sozialdemokratischen Antrags angestellt habe. Die Sozialdemokratie scheue sich nicht ihre Anträge auch nach der finanziellen Wirkung hin vor dem Volke zu vertreten. Es sei kein Kapital besser angelegt, als dasjenige, das für die Volksschule aus­gegeben werde. Abgeordneter Liesching (Vp.) meinte gegenüber dem Abgeordneten Kraut, wenn dieser sich in Finanzfragen lediglich aus die Autorität der Re­gierung »erlassen wolle, dann könnten die Abgeordneten ja diesen Saal verlassen. Die Berechnungen der Regierung seien am grünen Tisch gemacht worden. Damit schloß die Samstagsitzung, worauf die Beratung kurz nach 1 Uhr auf Dienstag nachmittag vertagt wurde.

Tagespolitik.

Die parlamentarische Arbeit im Reiche setzt an diesem Dienstage nach vierwöchiger Weihnachtspause wieder ein. Im Reichstage, wo es viel Arbeit gibt, deren Einlauf allerdings zum größten Teil von den Erfolgen der Kommissionsberatungen abhüngt, wird der Seniorenkonvent gleich am ersten Sitzungstage ein Arbeitsprogramm möglichst für die Zeit bis Ostern ausstellen. Eine solche Kontingen­tierung hat sich schon wiederholt als zweckmäßig erwiesen.

Ordnungsrufe hat es in dem neuen, seit dem 19. Februar 1907 tagenden Reichstage bisher im ganzen nur 31 gegeben, von denen lautB. T." Graf Stolberg 15 verhängte, während sich die beiden Vizepräsidenten in den Rest teilten. Von den 397 Abgeordneten ließen sich 72 in keiner Sitzung vernehmen, von den klebrigen sprach der Abg. Erzberger (Ztr.), der 50 Reden hielt, am häufigsten. Ihm folgten Singer (Soz.) mit 49, Bassermann (natlib.) mit 38, Spahn (Ztr). mit 32 Reden. Bis auf zehn und mehr Reden brachte es dann noch eine ganz stattliche An­zahl von Abgeordneten. Fürst Bülow sprach in der frag­lichen Zeit 14mal.

Die Verschärfung der Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ist in den Kreisen des seßhaften Geschäftslebens beifällig begrüßt wor­den, denn dem zweifelhaften Ausverkaufstreiben wird damit ein Riegel vorgeschoben. Was zum Ausverkauf an Waren vor­handen ist, darf jederzeit zu wohlfeilen Preisen veräußert werden, es ist aber fortan nicht mehr gestattet, immer neue Artikel heimlich einzuschicben, so daß der Ausverkauf Wochen und Monate ungestört weiter dauern kann. Vielleicht wird auch diese Gelegenheit benützt, noch weiteren Wünschen aus dem soliden Gewerbebetriebe Rechnung zu tragen, denn es ist ja nicht zu leugnen, daß der Schein, die Täuschung, vie aus einem kaum vorhandenen Stutzen einen großen Gewinn macht, mehr im Geschäftsleben regieren, wie wünschenswert ist. So gut sind die Zeiten doch heute gewiß nicht, um zu allen diesen Dingen lächelnd stillzuschweigen.

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Das Schweizer Aktionskomitee für den Getreide- und Mehlboykott gegen Deutsch­land, bestehend aus 10 Müllern und >i Getreidehändlern, hielt in Zürich seine konstituierende Sitzung ab. Nachdem di» endgültige Fassung des Boykottvertrags vereinbart war, wurde ein aus 5 Mitgliedern bestehender Ausschuß zur Vor­bereitung der laufenden Geschäfte gewählt. DenZüricher Nachrichten" zufolge werden in Müllerkreisen Schritte getan, um die sofortige Einberufung einer außerordentlichen Session der Bundesversammlung zu veranlassen. Mehrere einfluß­reiche Mitglieder der Bundesversammlung sollen bereits ihre Zustimmung gegeben haben.

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Aus dem fernen Osten haben wir kaum Unan­nehmlichkeiten zu befürchten, obwohl die Politik Chinas durch die Entfernung des reformfreundlichen Puanschikai einen un­verkennbaren Umschwung erfahren hat. Die Neugestaltung der Dinge hat Japans Einfluß im Reiche der Mitte ver­

stärkt, den Deutschland nicht zu fürchten hat. Soeben er­klärte erst der stellvertretende japanische Botschafter in Berlin Dr. Evi Hioki einem Vertreter derVoss. Ztg.", daß die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan die denkbar besten seien. Dr. Hioki geht als Gesandter nach Chile.

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Der österreichisch-ungarische Botschafter, Markgraf Pallavicini, hat nach Ablauf der Beiramfestlichkeiten die Verhandlungen mit dem Großwesir wieder ausgenommen. Als Ersatz für die in Bosnien und der Herzegowina gelegenen ehemaligen türkischen Staats­güter bietet Oesterreich den Betrag von 2'/» Millionen türkischen Pfund an.

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Die Tschechen lassen sich für ihre Demonstrationen in Prag Geld aus Serbien schicken. Aus Belgrader De­peschen, die von der österreichischen Polizei beschlagnahmt wurden, geht hervor, daß zahlreiche Demonstranten in Prag mit je einer Krön täglich entlohnt wurden. Es wurden sogar Geldsammlungen zur Anwerbung italienischer Anarchisten für Prag von serbischer Seite veranstaltet. Da wird die österreichische Regierung sehr wachsam sein müssen und es gegebenen Falles an der nötigen Entschiedenheit nicht fehlen lassen dürfen.

Rußland hat dank der klugen Ausdehnung seiner Freundschaft die neue auswärtige Anleihe von nicht weniger als 1350 Millionen Franks weg. Frankreich übernimmt davon den Löwenanteil, 1200 Millionen, wovon ihm aller­dings Holland etwas abnimmt. Die restlichen 150 Millionen übernimmt England, als klingenden Gegenbeweis seiner freundschaftlichen Gefühle für Rußland. Leicht wird den Russen der Pump übrigens nicht mehr. Die neueste Anleihe gelangt mit 89,5 Proz. zur Ausgabe und muß mit4,5Proz. verzinst werden. Der Minister des Auswärtigen, Jswolski, wird in absehbarer Zeit doch wohl einen Botschafterposten übernehmen und möglicherweise nach Berlin gehen. Da kann es uns nur angenehm sein, daß der Zar dem Minister für seine Dumarede über die Auswärtige Politik seine besondere Anerkennung ausgesprochen hat. Als Nachfolger Jwilskis wird der Pariser Botschafter Nalidow genannt, der stets für gute Beziehungen Rußlands zur Türkei eingetreten ist.

Die s e r b i s ch e R e g i er u n g beabsichtigt, eine außer­ordentliche Mission nach Petersburg zu entsenden, an deren Spitze Stojan Protitsch steht. Derartige Missionen sollen auch nach London und Paris gehen.

Das seit Wochen vorbereitete Protest-Meeting gegen die Angliederung Kretas hat am Sams­tag in Konstantinopel vor der Sultan Achmed-Moschee stattgesunden. Gegen 20 000 Menschen nahmen teil daran. Dank der Disziplin, die jedem Türken angeboren ist, ver­lief das Meeting in vollster Ordnung. Alle Redner hielten an dem Standpunkt fest, daß Kreta unter keinen Umständen preisgegeben werde. Die Menge brachte Ovationen für die Verfassung dar. Dann begab sich die größte Masse der Bevölkerung zur Pforte, um dem Großvezier eine Resolution zu überreichen.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat gestern gegen die letzte Botschaft des Präsidenten Roose- velt Stellung genommen und einen Passus als eine Ver­letzung der Achtung vor dem Hause erklärt.

Bestellungen

auf rmsers ZeitungAus den Tannen" werden für das 1. Quartal LSVS fortgesetzt entgegen- genommen.

Landesnachrichten.

11. J«n.

* Dem von uns veröffentlichten Verzeichnis der Inhaber von Postscheck-Konten ist noch nachzutragen: M. W. Zür n- dorfer. Re ringen Nr. 541.

Würnersberg, 9. Jan. (Korr.) Gegenwärtig werden unter Leitung von Herrn Regierungsbaumeister Kurz im Zinsbachtale Probelöcher gemacht, so daß man annehmen darf, daß mit dem Bau der Straße, welche das bisher ein­same Tal dem Verkehr öffnen soll, bald begonnen werden kann. Die nötigen Vermessungen wurden schon »origen Herbst ebenfalls von Herrn Kurz vorgenommen. Wie man hört, ist der Staat bereit, die Hälfte der Bausnmme zu über­nehmen. Da die Straße 2,75 km lang werden soll, so dürfte ein Voranschlag mit 3235 000'Mk. nicht zu hoch gegriffen sein- Die Hauptsache ist nun, daß die beiden Ge­meinden Garrweiler und Wörnersberg, durch deren Markung die zu erbauende Straße führen soll, sich entschließen können, ein Opfer zu bringen. Könnten die Teilhaber der Reesen-

mühle, die wohl daS größte Interesse am Bau der Straße haben dürften, sich dazu bewegen lassen, eine namhafte Summe, etwa die Hälfte des Anteiles, welchen es die Ge­meinde Wörnersberg treffen wird, zu übernehmen, so wäre letztere Gemeinde eher in die Lage versetzt, eine weitere Last auf sich zu nehmen. D« nach diesem Vorschläge auf einen Sägetag der Reesemühle höchstens 200 M. kämen, was nur ein jährliches Interesse von 8 M. wäre, und die Talstraße für die Reesenmühle einen überaus günstigen Abfuhrweg geben würde, so wird es an den Teilhabern der Reesenmühle liegen, hier den ersten, vielleicht entscheidenden Schritt zu tun. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg"! Möge es an dem guten Willen bei allen Beteiligten nun nicht fehlen, damit die Straße uns erbaut werden kann. Ist diese erbaut, dann wird auch die Flößerei aus dem Zinsbache aufhören können und die Klagen, welche Wiesen- und Wasserwerksbesitzer seit Jahren vergeblich führen, werden verstummen.

js Ebingen, 9. Jan. Die Erwerbungsarbeiten für das Gelände des Truppenübungsplatzes des XIV. (badischen) Armeekorps, der bekanntlich in die hiesige Gegend kommen soll, werden immer noch fortgesetzt. So sind neuerdings, wie der Schwarzw. Bote berichtet, in dem benachbarten Stetten a. M. ca. 300 Im Wald und 10 da Feld, der Gemeinde gehörig, um die Gesamtsumme von 712 000 Mk. angekauft worden.

jj Schramberg, 9. Jan. Der Amtsantritt des staat­lichen Stadtschultheißenamts-Verwesers Amtmann Paradeis in Göppingen erfolgt am Dienstag, den 12. d. M. in einer hierzu einberufenen Sitzung der bürgerlichen Kollegien.

* Stuttgart, 8. Januar. Herzog Albrecht Eugen von Württemberg, der Zweitälteste Sohn des Herzogs Albrecht, der gestern in das 15. Lebensjahr eintrat, wurde vom König unter die Großkreuze des Ordens der württ. Krone und des Friedrichsordens ausgenommen.

! Stuttgart, 9. Jan. Direktor Ulrich von der Württ. Metallwarenfabrik, der gestern beim Aussteigen aus der Straßenbahn schwer verunglückte, ist heute nachmittag ge­storben. Der Verstorbene, der früher in Berlin die Nieder­lage der Fabrik leitete, war in den letzten Jahreil in Geis­lingen tätig; er hat ein Alter von 49 Jahren erreicht.

! Stuttgart, 9. Jan. Maximilian Harden wird am 3. Februar im Festsaal der Liederhalle über die politische Lage sprechen.

! Stuttgart, 9. Jan. Wie der Schwäb. Merk, erfährt, ist beabsichtigt, an den heurigen Kaisermanövern einige lenk­bare Luftschiffe teilnehmen zu lassen. Eine Entscheidung über das Gelände, auf dem das Manöver stattfindet, wird erst der anfangs April an den Kaiser gehende Vorschlag des Chefs des Generalstabs der Armee bringen.

! Stuttgart, 11. Jan. Im Kräherwald wurde gestern durch einen Hund ein Unteroffizier des 7. württ. Jnf.-Rgts. Nr. 125 erschossen aufgefunden. Es liegt Selbstmord vor, der mit dem Dienstgewehr, das neben dem Toten lag, ver­übt wurde.

jj Stuttgart, 8. Jan. Die Schwäbische Tagwacht stellt fest, daß die Sozialdemokratie bei den nunmehr abgeschlossenen Bürgerausschußwahlen in Württenberg 170 neue Sitze er­obert hat. Insgesamt gibt es nunmehr in Württemberg 268 sozialdemokratische Bürgerausschußmitglieder.

jf Neckarsulm, 10. Jan. In Depmarn. ist der acht­jährige Joseph Remmlinger beim Schlittschuhlaufen auf dem Kocher eingebrochen. Seine Versuche, sich am Eise festzuhalten, mißlangen. Er versank und wäre unfehlbar ertrunken, wenn sich nicht der 13jährige Joseph Volz, unter­stützt von dem gleichaltrigen Hermann Baier, mit ausge­strecktem Leibe über das Eis geschoben und die Hand des Remmlinger, die einzig noch aus dem Wasser hervorragte, ergriffen hätte. Die beiden Buben benahmen sich dabei nicht weniger umsichtig als tapfer.

jf Laupheim, 10. Jan. In Dorndorf ist der Lehrer- pensionär Melchior Leimgruber in sein hundertstes Lebensjahr eingetreten. Er ist ein geborener Dieten- heimer aus der Zeit, da der Marktflecken noch bayerisch war, der einzige Ueberlebende aus jener Zeit.

X Biberach, 10. Jan. Als der Mörder der Theresia Ludwig, Hofmeister, im Beisein der Gerichtskommission seinem Opfer gegenübergestellt wurde, brach er in krampfhaftes Schluchzen aus und war völlig gebrochen. Auf dem Trans­port konnte er nur durch ein größeres Aufgebot von Land­jägern vor der erbitterten Bevölkerung geschützt werden. Als er am Hause seiner Mutter vorübergeführt wurde, er­tönten daraus die Verzweiflungsrufe der alten Frau: Mörder! Mörder!" Vorerst befindet sich Hofmeister noch im Gewahrsam des Amtsgerichts Waldsee, er. wird aber demnächst nach Ravensburg eingeliefert werden.

ff Friedrichshafen, 10. Jan. Die Planierungs- und Drainagearbeiten auf dem Bauareal der Zeppelin-Gesellschaft haben nach mehrwöchiger Unterbrechung wieder begonnen. Vom staatlichen Elektrizitätswerk führt nunmehr ein Gleis über die Eugenstraße dem Kohlbach entlang nach dem Bau­areal. Graf Zeppelin ist wieder hier.

jj Friedrichshasen, 9. Jan. Der Termin zur Vergebung der neuen Ballonhallen ist nunmehr abgeschlossen. Eine Ent­scheidung ist noch nicht getroffen.

jj Vom Fränkischen, 9. Jan. Unter den bei der Erd­beben-Katastrophe in Messina geretteten Württembergern be­findet sich auch ein Fräulein aus Gröningen OA. Crails­heim. Die Gerettete, Fräulein Paula Storz, Tochter einer hochangesehenen, allgemein beliebten Lehrersfamilie in Grö­ningen, war längere Zeit in Südfrankreich, später in Turin, und war Gouvernante bei einem reichen Teigwarenfabri­kanten in Messina.