Gegründet

1877.

Fernsprecher Nr. 11.

mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Bezugspreis für daS Merteljahr ts> Bezirk und JachbarortSverkehr Mk. 1.25. außerhalb Mk. 1.35

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Mrtzblatt für

Anzeig-npr-i» bei einmaliger Mn vüüung 10 Mg. oi» einspaltig« Zeile; bei Wiederholungen entsprechenderRabatt

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.

Ke. 2KS

Ansgabeort Altensteig-Stadt.

Mittwoch, txm 2. D-zemb-r.

Amtsblatt für Pfalzgrafeuweiler.

19V8.

Für den Monat Dezember

werden Bestellungen auf unsere Zeitung Aus den Tannen fortwährend entgegengenommen.

Amtliches.

Die Forstamtmannstelle bei dem Forstamt Kloster- Reichenbach wurde dem Forstassessor Müller inPsalz- gr: enweiler übertragen.

Der alte Kaiser.

^Nachdruck verboten).

Am 2. Dezember werden es nun wirklich 60 Jahre, d-v der alte Kaiser, Kaiser Franz Joseph in Oesterreich- Ungarn regiert. Wie bekannt, sind die einzelnen Feiern zu E' en dieses historischen Ereignisses schon stark vorweg ge- n-i. imen worden, seit dem späten Frühling wird in Wien -- .^uliert und jubiliert. Den Reigen eröffneten damals der .sche Kaiser und die deutschen Bundesfürsten, und dann l Jen sich Ovationen und Festzüge in buntem Wechsel an- e ander. Der greise Monarch hat alle diese Veranstaltungen tz seiner 78 Jahre mit guten Kräften und voller Frische oes Geistes ertragen; er empfängt jetzt noch einmal Glück­wünsche und Heilruse, die sechzig Jahre mühevollen und s. rgenreichen Regierens sind nun wirklich um. In schlichter -nnfachheit hat der Kaiser über den Völkern der habsburg­ischen Doppel-Monarchie gewaltet; wenn Einem, so hätte es ihm beschieden sein müssen, die widerstreitenden Nationali­täten zu versöhnen. Leider war der Partei-Fanatismus " wßer, wie die Einsicht, und noch in den allerletzten Tagen ist der, wie bekannt, in dem Auftreten der wälsch-tiroler Studenten in Wien gegen ihre deutschen Kommilitonen lichterloh emporgelodert. Der alte Kaiser hat zu viel und zu schweres in seinem Leben erfahren, als daß er für einen Augenblick die Ruhe verlieren könnte; er darf auch über das Urteil der Geschichte beruhigt sein: die Völker Oester- reich-Ungarn's werden es einsehen, was sie ihm zu danken haben! Franz Joseph's Lebensabend ist immer noch von Stürmen umwogt ; daß er in ihnen, wie seither, aufrecht stehen möge, das wünscht vor Allem ihm das verbündete Deutschland von Herzen!

Der alte Kaiser ist durch eine harte Schule gegangen: der Krieg mit Italien und Frankreich l859, die deutschen Händel bis zur großen Schlichtung von 1866 waren Zeiten der Prüfung ; in erfreulicherweise ist dann im siebenten Jahr­zehnt des verflossenen Jahrhunderts durch das Bündnis mit dem deutschen Reiche, später mit Italien, die auswärtige Politik festgelegt. Aber in den inneren Angelegenheiten hat es keine Ruhe und vielen Undank gegeben bis heute. Was hat der Kaiser für die Ungarn gerade getan? Und wie wenig Verständnis haben sie doch für des Herrschers ur­eigenstes Wesen gezeigt? Kaiser Franz Joseph hat hier nie seinen Gleichmut verloren, mochte auch die Stimmung in Budapest mitunter beinahe eine offene Auflehnung an­kündigen. Der Monarch hat ebensowenig seine Seelenstärke bei den tragischen Ereignissen in seiner Familie verloren: sein jüngerer Bruder Maximilian ward als Kaiser von Mexiko erschossen, sein einziger Sohn, Kronprinz Rudolph, ward im Wiener Wald das Opfer einer Eifersuchts-Tragödie, seine Gemahlin Elisabeth ward von einem Anarchisten er­mordet. Das ist viel für einen Kaiser, zur kaiserlichen Größe hat Franz Joseph sich durch alle diese Trübsal hindurch­gerungen.

Kriegs- und Friedensgeschrei erklingt auch jetzt noch von den Grenzen Oesterreich-Ungarns gegen den Orient zu her; die kleinen aufgeregten Nationen jenseits der habsburgischen Großmacht mochten nicht übel Lust haben, an Säbel und Gewehr zu appellieren, aber mit der gleichen Nachsicht, mit welcher der Kaiser die einzelnen Menschen beobachtete, ver­folgt er auch hier die aufquellenden Leidenschaften der slawischen Völkerstämme. Wenn einer unter diesen Um­ständen ein Schirmer des Friedens genannt werden kann, so ist es der alte Kaiser. Er hat diesen Ehrennamen, den einst Wilhelm I. trug, von selbst ans allen europäischen Kultur­staaten erhalten, ihn umgibt die Ehrfurcht gebietende Würde, wie einst den alten Hohenzollern-Kaiser. Nichts menschliches in Freude und Schmerz ist ihm fremd, nichts hat sein Ver­trauen auf die Menschheit erschüttern können. Daß ein solcher Fürst Deutschlands Freund ist, erweckt besonders unseren Stolz, und so soll es bleiben ohne viele Worte. Heil auf Kaiser Franz Joseph!

Tagespolitik.

Wird der Reichstagsblock zersplittert? Diese Frage erörtern dieLeipz. N. N." sehr ausführlich. Das Ergebnis der Untersuchung geht dahin, daß es mit der jungen Blockliebe vorbei ist, und daß mit der Wahrschein­lichkeit gerechnet werden muß, daß die Zentrumsabgeord- nelen ihre Besuche in den Ministerien nach zweijähriger Unterbrechung wieder aufnehmen werden. Auch dieKreuz. Ztg." behandelt diese Frage. Nun, wir wollen abwarten!

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Das Sedan-Bild im Sitzungssaals des Reichstags bleibt einstweilen auf seinem Platze, da ein Reichstags-Beschluß über seine Entfernung noch nicht gefaßt ist. In Pariser Blättern war aus Berlin die Nachricht verbreitet, daß die Entfernung des Gemäldes, das Sedan darstellt und im Vordergründe eine durch den Staub ge­schleifte, französische Regimentsfahne zeigt, beschlossen worden sei. Diese Nachricht entspricht aber nicht den Tatsachen. Wahr ist nur, daß von verschiedenen Abgeordneten ein da­hingehender Wunsch geäußert wurde. Die dafür allein zu­ständige Stelle, die Ausschmückungskommission des Reichstags hat aber bisher einen Beschluß aus Entfernung des Bildes nicht gefaßt.

Zur Verfassungsfrage inMecklenburg hat sich der Großherzog beim Empfange der Ausschußmitglieder des Liberalen Wahlvereins ausgesprochen und besonders her­vorgehoben, daß er trotz des geleisteten Widerstandes das Reformwerk durchzusetzen -entschlossen sei.

Mit der Furcht Englands vor einer deut­schen Invasion beschäftigt sich die Nordd. Allg. Ztg." in ihrer jüngsten Wochenschau. Das amtliche Organ ent­hält sich jedes Urteils darüber; in welchem Unifange und in welcher Weise England seinen militärischen Bedürfnissen ge­nügen will. Es weist dagegen die Londoner Behauptung zurück, daß der deutsche Flottenbau den englischen zu über­flügeln sucht, und bemerkt dann, besondere Ueberraschung habe in Deutschland die Behauptung des hervorragenden englischen Heerführers Lord Roberts hervorgerufen, es könnte aus Deutschland ein Landungskorps von 200 000 Mann nach England gebracht werden. Die Ausführung eines solchen Abenteuers hält in ganz Deutschland keine für militärische Dinge kompetente Persönlichkeit für möglich. Zur Abwehr einer deutschen Invasion braucht England daher kein so großes Heer, wie Lord Roberts es für erforderlich hält. Das Gespenst eines derartigen Einbruchs gehl seit Jahren jenseits des Aermelmeeres um und hat nicht wenig dazu beigetragen, in England politisch unerfreuliche Stimmungen zu wecken. Aus diesem Grunde ist es zu bedauern, daß ein Mann von der Bedeutung des Lord Roberts zur Unterstützung seiner For­derung Eventualitäten herangezogen hat, die politisch wie militärisch-technisch ausgeschlossen sind.

Die tschechischen Auss chreitungen gegen Deutsche in Böhmen, die systematisch fortgesetzt werden, haben jetzt das Auswärtige Amt in Berlin veranlaßt, von seinem Generalkonsul in Prag einen ausführlichen Bericht über die Exzesse vom Sonnabend voriger Woche einzufordern. Die Stellung des Statthalters von Böhmen, Grafen Coudenhouve, dessen Verhalten gegen die Tschechen mehr als nachsichtig war, soll erschüttert sein.

Der englische Kriegsminister H a l d a n e erklärte in einer Rede bezüglich der von Lord Roberts im Oberhaus besprochenen Invasion, daß eine solche unmöglich ins Werk gesetzt werden könne, ohne daß die englische'Regierung rechtzeitig davon Kenntnis erhielte, solange England die Herr­schaft zur See behaupte.

Die Ablehnung ihrer Schankkonzessionsvorlage durch das Oberhaus ist von der englischen Regierung als neue Kriegserklärung aufgefaßt worden und hat die Minister auf die Beine gebracht. In Warrington hielt der Chef­sekretär für Irland Birrell eine Ansprache, in der er u. a. sagte: Die Regierung wird ihre Schankkonzessionsbill mit jedem in ihrer Macht stehenden Mittel betreiben. Sie hat das Schwert

gezogen und die Scheide weggeworsen. Da sie die Stimm­ung des Volkes kennt und weiß, daß sie die gesamten Kräfte der Nation hinter sich hat, wird sie dem Volke Gelegenheit geben, bei Neuwahlen zu zeigen, welches seine Anschauungen änd. Die Rede Birrells wird ;edoch nicht als ein sofortiger Appell an das Volk angesehen, denn die Entscheidung über die Auflösung des Parlaments steht dem Premierminister Asquith zu. Der Minister wollte nur andeuten, daß die Haltung des Oberhauses auf die Gestaltung der Regie­rung bei den Wahlen charakteristisch einwirten werde.

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Nach Pariser Privatmeldungen hat der Z a r in Belgrad wissen lassen, es wäre Serbien nützlicher, wenn der serbische Thronfolger eineweniger lebhafte" Sprache führte.

Wie demMatin" aus London gemeldet wird, haben Rußland und Jtalieneinen Geh eim v ertrag über die Balkanfrage abgeschlossen.

Der gesamte Komplex der schwebenden Orientange­legenheiten, so schreibt dieNordd. Allg. Ztg." be­findet sich gegenwärtig im Zustande völliger Ungeklärtheit. In solcher Zeit pflegen sich beunruhigende Nachrichten ein­zustellen. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß sich neuerdings Schwierigkeiten eingestellt haben, die den Fortgang der Unterhandlungen, von deren Ergebnis die Einberufung einer Konferenz der Mächte abhängt, ernstlich hemmen. Dies gilt in gleicher Weise von den Verhandlungen der Türkei mit Bulgarien, Oesterreich-Ungarns mit der Türkei und Rußlands mit Oesterreich-Ungarn. Das Gewicht der entstandenen Schwierigkeiten ist im Hinblick auf die beteiligten Faktoren gewiß nicht zu unterschätzen. Gleichwohl darf man die Hoffnung hegen, daß es gelingen wird, ihrer trotz der ent-, gegenwirkenden Kräfte Herr zu werden.

Das japanisch-amerikanische Abkommen wird von der Köln. Ztg. in einem aus amtlicher Quelle geflossenen Artikel begrüßt. Sowohl hinsichtlich des Grund­satzes der offnen Tür im äußersten Osten wie hinsichtlich der Integrität Chinas decken sich die Bestimmungen des Ueber- einkommens durchaus mit den Wünschen und Zielen der deutschen Politik.

Deutscher Reichstag.

' Berlin, 30. Novbr.

Auf der Tagesordnung steht die 2. Lesung der Gewerbeordn un gsnooelle (Regelung der gewerb­lichen Frauenarbeit.)

Zunächst wird über den 8 137 verhandelt, der die Arbeitszeit für Frauen und jugendliche Arbeiter seftsetzl.

Abg. Manz (frs.) begründet einen Antrag auf Streich­ung der Bestimmung, nach der Arbeiterinnen, die ein Haus­wesen zu besorgen haben, an Sonnabenden höchstens 6 Stunden beschäftigt werden dürfen.

Schmidt-Berlin (Soz.) beantragt, die nach den Kom­missionsbeschlüssen aus zehn Stunden festgesetzte tägliche Ar­beitszeit für Arbeiterinnen auf neun Stunden und vom 1. Januar 1912 an aus 8 Stunden herabzusetzen.

Dr. Fleischer (Ztr.) empfiehlt, dem Antrag seiner Partei betr. die Bestimmung, daß Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, am Samstag höchstens sechs Stunden beschäftigt werden, den Zusatz hinzuzufügen:Je­doch ist die Beschäftigung bis zu acht Stunden gestattet, soweit betriebstechnisch dadurch die Weiterarbeit anderer Ar­beiter bedingt ist." Die deutsche Familie soll auch in diesen schwerbelasteten Kreisen saniert werden.

D r. Streesemann (natl.): Der ideale Zweck der Sanierung des deutschen Familienlebens wird durch den Zentrumsantrag nicht erreicht. Schon heute ist der Unter­nehmer zum Entgegenkommen gegenüber verheirateten Ar­beiterinnen gerne bereit. Die Herabsetzung der Arbeitszeit an Samstagen auf sechs Stunden würde verheiratete Frauen zu unbeliebten Arbeitskräften machen. Bei schlechter Kon­junktur würden bei dieser Differenzierung die Frauen leicht durch andere weibliche Arbeitskräfte ersetzt werden.

Staatssekretär v. Bethmann-Holl weg: In der Kommission wie auch heute hat es sich gezeigt, daß es nicht ratsam erscheint, jetzt schon einen Schritt zu tun, der in die Verhältnisse der Industrie sowie in die Verhältnisse des Arbeiterstandes eingreift. Bei den Arbeiterinnen, die ein