Das Ergevnts von Lugano
Das Kommuniqire der Außenminister.
Der amtliche Bericht über die Luganoer Besprechungen ist im wesentliche» ein Vertagungsbeschlutz. Sachlich stellt daS Kommunique lediglich fest, was bereits voraus,;u- zeG n war, nämlich, daß die Anssprache über die durch den Genfer Beschluß in Gang gebrachten Verhandlungen an! diplomatischem Wege weiter fortgesetzt werden soll. Somit sind bei den Lnganoer Besprechungen keinerlei sachliche Beschlüsse gefaßt worden. Die grundsätzlichen Gegcnsäne, besonders über die Dauer der Kontrolle im Rhein lande sind im großen ganzen zunächst unverändert bestcben geblieben Das Ergebnis der Lndanoer Besprechungen liegt jedoch in der Richtung, das» de« alliierten Regierungen nochmals der dents-be Standmnkt in persönlichen Anssprachen mit größtem Nachdruck dargelegt und betont nord-n ist daß irgendeine andere Lösung kür d e deutsche Regierung «nd skntabcl ist. Der von den Alliierten geforderte Zusammenhang zwischen der Regelung der Reparattonsfrage und derRheinlandräu- niung wird von alliierter Seite nach wie vor voll aufrecht erhalten. Die Besprechungen über die Rhrinland- räumnnq sollen sachlich erst eingeleitct werden, sobald die Verhandlungen Über die Regelung der Reparationssragc im Gange sind. Es unterliegt schon jetzt keinem Zweifel, daß. die alliierten Regierungen unverändert die Räumung der Rtzcinlande von der Regelung der Reparattonsfrage abhängig machen werden. Aus dem veröffentlichten Kommunique geht jedoch hervor, daß wenigstens der Wille zu einer Verständigung vorhanden ist. Das .Kommunique enthält als Mittelpunkt die Erklärung, daß so schnell als möglich eine vollständige und endgültige Lösung der Schwierigkeiten gefunden werben soll. Diese Formulierung erinnert allerdings stets an das berühmte deutsch-französische Kommunique nach der Thviry-Besprechung. Immerhin ist buch die Lnganoer Besprechungen eine gewisse Slärnng insofern eingetreten, als die d ei Außenminister zu der gemeinsame« Au'fakkung gelangt sind, dich eine vollständige «nd endgültige Lösung der schwebende» Frage heute im allgemeinen Interesse erforderlich ist. s
Die Berliner Presse zum Ansklang in Lugano Die Berliner Blätter nehmen zu dem Abschluß der Ratstagung und der Besprechungen der Außenminister ausführlich Stellung. Die „D.A.Z." steht den Hauptwert der Besprechungen darin, daß es möglich gewesen sei, den fremden Mächten den deutschen Standpunkt in täglicher intensiver Fühlungnahme mit aller Entschiedenheit auseinanderzusetzen. Die B ö r se n z e t t u n g ist der Meinung, der Prestigeerfolg, mit dem die Ratstagung für Deutschland durch den Zusammenstoß zwischen Stresemann und Zaleski ge'cklvßcn habe, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein positives politisches Ergebnis der Verhandlungen von Lugano nicht für uns gebucht werden könne. Der Lokalanzeiger stellt fest, daß das Abschlußkommunique nicht mit einem einzigen Worte auch nur ein: Andeutung enthalte. daß seit dem 16. September die angeschnittenen Probleme irgendwie einen Fortschritt erfahre» hätten. Es beschränke sich auf Gemeinplätze, um die aufzustellen der Aufwand In Lugano reichlich groß gewesen sei. Der „Börsen- courier" hebt hervor, baß im Augenblick der Rede Strcsemanns gegen Zaleski Deutschland mit einem Schlage eine der wesentlichsten Aufgaben ausgegriffen habe, die ihm im Völkerbund vorgezeichnet seien. Es werde sich damit gerade im Genfer Kreis den Dank jener sichern, die bisher für die bedrohten Minderheiten in der Vollversammlung eingetreten und jedesmal mit unverantwortlicher Le'chik'crzigkelt znrnckgcwiesen worden seien. Die Kreuz-
Die für einander find
Roman von Fr. Lehne
s57. Fortsetzung) -Nachdruck verboten)
Vor ihrem Bette sank Julia nieder und drückte ihr Gesicht tief in die Kissen. Ein wildes tränenloses Schluchzen erschütterte ihren Körper. O der Schmach! Was hatte er ihr angetan! Arglistig mit ihrem gläubigen Vertrauen gespielt — vielleicht darüber gelächelt, und sie — sie hatte ihm ihr ganzes Herz erschlossen, ihm schrankenlos ihre erste junge Liebe gezeigt! Ihr Glück, ihre Sonne war er — er wußte es — und hatte sie dennoch verraten können! Ihre Bedenken hatte er zerstreut, hatte sie auf später vertröstet, auf die Zukunft, die alles gutmachen würde! Ah, hatte er es so gemeint?
Armes Julchen! Diese Stunde hatte die zarten, keuschen Blüten ihres Herzens jäh vernichtet, wie ein Raubreif in frostiger Frühlingsnacht junge Blüten- hofsnungen unbarmherzig zerstört.
Aber ihr Stolz mußte ihr zur Ueberwindung helfen! Sie konnte den Kops hochtragen, konnte ihm frei ins Auge sehen — aber ob er —?
Alles in ihr war in Aufruhr; unsagbar quälten sie verratene Liebe, getäuschtes Vertrauen, gekränkter Stolz; sie hätte ihren Jammer laut hinansschreien mögen, um sich Erleichterung zu schaffen. Doch sie mußte lull sein, ganz stiu — uuo iqr Leven »nutzte weiter in seinen gewohnten Bahnen gehen.
Keiner durfte wissen, was sie in sich niederzukämpfen hatte — den Schmerz um ihre verratene Liebe mußte sie still für sich tragen! Er am allerwenigsten durfte ahnen, was sie um ibn litt — er war es nicht wert, daß sie eine Träne an ihn verschwendete!
Da hörte sie die Tür gehen und Frau Rat Schlossermann mit der Mutter und Porzia auf dem Vorsaal sprechen. Sie kühlte schnell die brennenden Augen,
zeitung stellt fest, daß die Dchwülstigkeit des Beruht- gungskvmmuniques über seine Dürftigkeit nicht htnweg- täuschen könne. Wieder einmal sei die Locarnvpolitik gründlich ad absurdum geführt worden. Der Vorwärts schreibt. Konkretes sei aus der Kundgebung von Lugano nicht berausznlesen. Aus ihr spreche aber ein Optimismus, der ebenso überraschend wie erfreulich sei. Das Berliner Tageblatt ist der Auffassung, daß es angesichts der Tatsachen, daß man auch jetzt wieder in Lugano nicht nur die Räumnngsfragc für die Pression am Verhandlungstisch sich aufbewahre, sondern auch von Stresemann selbstverständlich erfolglos die Zustimmung zu der Danerkeiiirolle gefordert habe, wohl das beste wäre, nicht erst zu einer aussichtslosen Konferenz zu gehen, sondern sich sofort mit höflicher Verbeugung znrückzuziehen.
Die Ausrüstunq der Vereiniqlen Staaten
Tie Führer deü Senats für beschleunigte Erledigung der Flottcnvorlage.
TU. London. 17. Dez. Die Führer beS amerikanischen Senats sind übcrsingekommcn, der Flottcnvorlage eine bevorzugte Behandlung gegenüber allen anderen gesetzgeberischen Arbeite» ang.deihe» zu lasten. Ter amerikanische Senator für den Staat Massachusetts, Gillet, setzte sich in einer Rede für die beschleunigte Verabschiedung der Flot- tenvorlage in ihrer gegenwärtigen Form ein, wodurch die Regierung znm Bau von 1', Kreuzern und einem Flngzeug- mntterschisf ermächtigt wird.
Die SMchtungsverhaiidlunqen des Neichsarbeits.. inisters
TU. Berlin, 17. Dez. Amtlich wird mitgetcilt: Entsprechend der Ankündigung des ReichsarbeitsministerS im Ministerrat über die wirtschaftliche Lage, unverzüglich Maßnahmen einznleiten, und alsbald durchzuführcu, zur Lösung der großen Lohnkonflikte in der Werstindustrie und der sächsischen Textilindustrie, ist, wie bereits mitgeteilt, am Freitag der Schiedsspruch im Tarifstreit der westsächsisch-vstthüringi- schen Textilindustrie vom 27. v. M. im öffentlichen Interesse vom Neichsarbeitsmlillster für verbindlich erklärt worden. Zur Belegung des Lvhnkonfliktes in der Werftindustrie hat nunmehr der Neichsarbcitsministcr ebenfalls im öffentlichen Interesse ein neues Schlichtungsverfahren eingeleitct. Zum Schlichter ist Mmisterialrat Dr. Grabstein bestimmt worden. Die Verhandlungen werden voraussichtlich in der ersten Wälfte dieser Woche beginnen.
Kleine politische Nachrichten
Zum Uebcrgang der bayrischen «nd württembergische« Post an bas Reich. Die deutschnationale Neichstagofraktion ersucht die NeichSregierung in einem Antrag, in den Haushaltsplan für daS Rechnungsjahr 1929 36 den Betrag ein- znsetzen, der erforderlich ist, nm die laufenden und seit 1924 rückständigen Zinsen anS der Abfindungssumme für den Uebergang der Verwaltung und des Eigentums der bayrischen und wttrttembergischen Post und Telegraphen an das Reich gemäß dem Vertrage vom 29. bis 31. März 1926 zu bezahlen.
Austritt der Großd?»tsckien ans dem Kabinett Seipel? In -er in Salzburg abgehaltcnen Sitzung der Großdeutschen Parteileitung wurde eine gegen die Koalition gerichtete Entschließung angenommen, in der eS heißt, baß die großdeutschen Parteiminister bei einer Fortdauer der gegenwärtigen Verhältnisse auö dem Kabinett Seipel aus- trcten wollten.
Schrvere Zusammenstöße zwischen Streikenden und Poli» zei in Bombay. Wie aus Bombay gemeldet wird, kam es tm nördlichen Teil der Stadt zu schweren Zusammenstößen zwischen streikenden Mühlenarbeitern und der Polizei, in deren Verlauf drei Polizisten und sechs Streikende getötet wurden. Die Streikenden griffen verschiedene Polizeistationen an und begannen darauf, die Läden zu plündern. Die Zahl der bei den Zusammenstößen Verletzten ist daher sehr groß. In den von den Unruhen betroffenen Stadteilcn ist das gesamte Geschüstslebeu lahmgclegt.
Wieviel Beamte hat Deutschland?
Bon seiten des Wnrtt. B e a m t e n b u n d e S gehen uns folgende Zuschriften zu:
Unter obiger Ueberschrift wurden im Calwer Tagblatt am 16. ds. Mts. Angaben gemacht, die einer kleinen Ergänzung bedürfen.
Zunächst ist cs unerklärlich, was die 2 860 666 Kriegsbeschädigten in einer Mittcilg. über Bcamtenzahlen zu tun haben. Sodann muß festgestellt werden, daß die Beamtenge- hälter nur znm Teil aus Stenern aufzubringcn sind, da die Betriebsverwaltungen nicht nur der Bahn, sondern auch der Post, der Gemeinden und der Länder ihre Mittel selbst auf- l. ringen.
Die Gesamtzahl der Beamten hat sich gegenüber 1913 um etiva 4 Prozent vermehrt trotz der vielfachen Vermehrung der Verwaltungsarbeit und Instanzen für die Wirtschaft und die Sozialfürsorge.
Bcamtenzahlen aus europäischen Ländern.
Deutschland. Einwohnerzahl: 63 225,666 (Volkszählung von 1929), Beamte ohne Reichsbahnpersonal 1291766 -- 1 Beamter ans 96,9 Einwohner.
Frankreich. Einwohnerzahl: 39 816 606 (Volkszählung 1924). Gesamtzahl der Beamten ohne Reichsbahn und Kom- inunalbenmten 791 176. An Kominunalbcamten sind schätzungsweise vorhanden 366 666, das ergibt 1 Beamten auf 40 Einwohner.
Holland. Einwohnerzahl: 6 81119.9. Beamte ohne Eisenbahnpersonal 129 606, das ergibt 1 Beamten auf 94,7 Einwohner.
Belgien. Einwohnerzahl: rund 9 006 606. Gesamtbeamtenzahl 169 122 (nach dem Staatshaushalt 1927/28). Darin ist das Eisenbahnpersonal enthalten, wogegen die Kommunal- beamten nicht mitgcrechnct werden. Die Zahlen dürften sich nngeführ aufhebcn, so erhält man 1 Beamten ans 58 Einwohner.
Wer zahlt die Stenern?
Nach dem NcichShanshaltsplan für 1928/26, in dem der Nachtragsetat enthalten ist, stellt sich das gesamte Aufkommen an Neichöstenerii auf 8 862 Mt». NM. Davo» entfalle» auf M a s se u b c la st u n g c n — 5492 Mill. NM., nämlich: Lohnsteuer 1306 Mill. NM.. Umsatzsteuer 1696 Mill. NM., Veförderungssteucr 346 Mi». NM., Zölle und Verbrauchsabgaben 2 862 Mill. RM.
B e s i tz b e la stu ng — 3376 Mill. NM., nämlich: Veranlagte Einkommensteuer 1496 Mill. RM.. Körperschasts- stcner 696 Mill. RM., Vermögenssteuer 926 Mill. NM., Erbschaftssteuer 106 Mill. NM-, Bcsitzsteucrn 766 Mill. NM. (Im einzelnen sind dies KapitalektragSsteuer 196 Mill. NM, KrunderwcrbSstener 46 Mill. RM, Kapitalvcrkehrssteuer 195 Mill. NM., Krastfahrzeugsteuer 1 t '6 Mill. NM., Versiche- rungsstcuer 50 Mill. RM., Renn-, Wett-, Lotteriesteuer 86 Mill. RM., Wechselsteuer 56 Mi». NM.. Obligationen 25 Mill. NM.)
Die Massensteuern sind gegenüber dem Jahre 1913 um 354 Prozent gestiegen und betragen im Jahre 1928/26 62 Prozent sämtlicher Reichsstenern.
strich glättend mit der Bürste über ihr Haar und wischte dann nochmals Staub, obwohl sie das Zimmer schon in Ordnung gebracht hatte.
Auch bei Tische beherrschte natürlich die Neuigkeit der Verlobung das Gespräch. Porzia und Lukrezia fanden allerlei an der Braut auszusctzen; sie sei zu blond und ihr Gesicht zu ausdruckslos — „überhaupt entbehre ihre ganze Persönlichkeit des Stils —" wie Lukrezia bemerkte.
„Aber sie hat dafür Geld," warf Julia mit gepreßter Stimme ein; sie mußte doch auch etwas sagen — „und das ist die Hauptsache —"
für Dich natürlich in Deinem prosaischen Sinn!" tadelte Porzia, „Papa, schreib' es nur gleich Virgilia;
es wird sie interessieren!"-
Frau Rat Schlossermann hatte zum Abend für Jul- chcn eine Einladung hinterlassen. Es war zum ersten Male, daß das junge Mädchen dieser Aufforderung nicht gern folgte. Ihr war so wund und weh zumute, daß sie sich am liebsten in einen stillen Winkel verkrochen hätte. Sie konnte aber niemals allein sein, hatte kein Plätzchen für sich — des Nachts teilte sie den Schlafraum mit den Schwestern-ach. sich nur ein
mal so richtig answeincn können, dann würde ihr sicher wohler werden! Sehnsucht überkam sie, ihren Kopf in den Schoß der mütterlichen Freundin zu bergen, sich bei ihr auszuweinen, sich von ihr trösten zu lassen! Wie wohl mußte ihr das tun!
Doch ihr Stotz legte ihr ein siebenfaches Schloß vor Mund und Herz. Das mußte allein durchgekämpft und getragen werden! — Und sie würde auch drüber kommen! — . . ^
„Liebes Julchen, ich Hab' wieder mal verschiedene Anliegen!" empfing sie Frau Rat, „hier ist ein Kunstwerk von mir wieder in Ordnung zu bringen — ich muß mich verzählt haben —" ,
Julchen zwang sich zu einem muntern Lächeln.
„Das haben wir hoffentlich bald gemacht!" sagte sie, indem sie den Kniewärmer, an dem Frau Rat strickte, zur Hand nahm und den Fehler suchte. Es dauerte auch nicht lange, so hatte sie ihn gesunden; schnell war aufgetrennt und der Schaden bald wieder in Ordnung gebracht.
„Ja, mein Julchen, wenn ich Sic »licht hätte —! Mich macht es immer so kribbelig, wenn ich den Fehler nicht gleich finde! Als ob es der erste Kniewärmer ist. den ich stricke! — So, nun brühen Sie den Tee, nnd wir trinken gemütlich ein Tünchen, und dann müssen wir wieder Kinderklcidchen nähen — Sie wissen: aus den Musselinresten, die ich neulich bei Bronbergers gekauft habe. Pfingsten und der Sommer kommen bald uni die kleinen Philipps haben nichts anzuziehen —"
„Wie gut Sie sind, Frau Rat!"
„Ich bitte Sie, Julchen! So mühsam schlägt sich die arme Philippen mit ihren fünf Kindern durch. Sie ist aller Hochachtung wert, wesil sie nicht eine von denen ist, die mit Frömmigkeit, Augenverdrehen und Betteleien sich ihr Los zu erleichtern suchen; sie arbeitet ehrlich ». rd unverdrossen; vor solchen Leuten habe ich Respekt und helfe ihnen —"
Und während die beiden Damen nachher beim Schneidern waren nnd Julchen mit Schere, Zentimetermaß nnd Stecknadeln hantierte, fing Frau Rat von dem an, was Julchen schon mit Herzklopfen erwartet
hatte von F-ritz von Biesenecks Verlobung!-„Sie
»varen gewiß auch überrascht, Julchen —"
Das junge Mädchen legte den Schnitt auf den Stoff und matz ab.
„Wie man es nimmt, Frau Rat, es war ja schon immer daon gesprochen!" entgegnete sie; ein wenig gepreßt klang ihre Stimme, „wir machen die Kleidchen wobl alle gleich, in Hängeform, wie die Weihnachtskleider?"
(Fortsetzung folgt)