Gasfüllung. Von Nackenheim aus ist die Fahrt nur mit dem Hinteren Motor bewerkstelligt worden, woraus sich auch, zumal da gegen einen ziemlich kräftigen Gegenwind anzukämpfen war, die sehr mäßige Geschwindigkeit der Bewegung erklärt. Das flache Gelände von Echterdingen erschien dem Grafen zur Landung besonders geeignet. Der Motordefekt wird durch Monteure der Daimlerschen Werke in Cannstatt beseitigt, die mit Automobilen zur Landungsstelle gefahren sind.
js Berlin, 5. Aug. Geh.-Rat Lewald im Reichsamt des Innern erhielt folgende Depesche vom Grafen Zeppelin: Geh.-Rat Lewald, Berlin, Echterdingen, 5. Aug., 3^" nachm. Gestriges Heruntergehen auf den Rhein erfolgte, weil ein gesprungenes Rädchen eines Motors um Minuten zu spät ersetzt wurde, um die Wärmeeinslüsse überwinden zu helfen, deren der Motor nicht gewachsen war. Heute bin ich auf einsamer Wiese, so sanft wie ich immer behauptete, aus denselben Gründen gelandet, weil das Weißmetall eines Lagers geschmolzen war. Der Motor hatte 2 Dauerproben und die Schweizerfahrt anstandslos bestanden. Ich bin von Mannheim bis Echterdingen bei Gegenwind meist nur mit einem Motor gefahren und beabsichtige baldigste Rückfahrt nach Manzell. Dürr und ich danken herzlich für die Glückwünsche.
ff Berlin, 5. Aug. Im Auftrag des. Staatssekretärs des Innern fährt Geh. Rat Leivald heute abend nach Friedrichshafen zum Grafen Zeppelin.
Das Unglück.
sj Echterdingen, 5. August. Der Unfall des Zeppelinschen Ballons wurde dadurch verursacht, daß infolge eines überaus heftigen, plötzlich einsetzenden Gewittersturmes eine Gondel des Ballons in die Höhe gehoben wurde. Als sie dann wieder auf dem Boden aufprallte, explodierte der Motor und der betreffende Teil des Ballons fing Feuer. Mehrere Soldaten, die mit dem Heben der Gondel beschäftigt waren, wurden von ihr mit in die Höhe gerissen und bei der Explosion schwer verletzt. Graf Zeppelin stand tief erschüttert vor seinem vernichteten Lebenswerk und wurde im Automobil nach Echterdingen verbracht. Die im Augenblick des Unfalls anwesende Menschenmenge wird auf ca. 40—50 000 Köpfe geschätzt. Der Ballon wurde vom Sturm weggerissen und in der Luft brennend vernichtet.
' Stuttgart, 5. August. Wie nunmehr feststeht, ist bei der Ballonkatastrophe niemand getötet, wohl aber sind 2 bis 3 Personen schwer verletzt worden. Der Ballon ist, wie gemeldet, vollständig verbrannt, sein Gerippe vom Sturm weggefegt worden. Graf Zeppelin, dem übrigens heute mittag, zwei Stunden vor dem Unglück von der Reichsbank im Auftrag der Reichsregierung eine halbe Million Mark überwiesen worden waren, zeigte sich einige Zeit nach dem Unfall sehr gefaßt und bekundete im Gespräch mit Bekannten seine alte gewinnende Liebenswürdigkeit. Von Echterdingen hat er sich im Automobil nach Stuttgart begeben, wo er im Hotel Marquardt kurz abgestiegen ist und sodann um 6^ mit dem Schnellzug nach Friedrichshafen weitergefahren ist.
Die Stimmung in Friedrichshafen.
* Friedrichshafen, 5. August. Der König hat sich durch einen Kammerherrn im Zeppelinschen Bureau nach dem Unfall erkundigen lassen.
* Friedrichshafen, 5. August. Um das Zeppelinsche Bureau sammeln sich die Menschenmassen. Es geht zu wie vor einem Totenhause. Im Bureau selbst aber ist noch nichts offiziell bekannt. Baron Bassus, der die Fahrt mitgemacht hat und dann von Echterdingen hieher zurückgekehrt ist, erklärte, daß man im Bureau noch keine offizielle Bestätigung des Unglücks habe.
" Friedrichshafen, 5. August. In die allgemeine Festesfreude, die Friedrichshafen heute gefangen hält, und in die gespannten Erwartungen, den Ballon heute abend wieder
hier begrüßen zu können, platzt die Kunde von der Zerstörung des Ballons durch Feuer mit einer furchtbaren Wirkung. Als die erste Nachricht im Hotel Deutsches Haus bekannt wurde, schrieen die dort versammelten Menschen plötzlich laut auf, eine fürchterliche Panik entstand, Frauen fielen in Weinkrämpfe. Auf den Straßen stehen die Menschen in Scharen vollständig konsterniert. Man hört weder Worte des Bedauerns noch Ausrufe des Schreckens; es ist, als ob alles gelähmt wäre.
Zeppelins Ankunft in Friedrichshafen.
* Friedrichshafen, 5. August. Bei der Ankunft des Grafen Zeppelin, die um 10 Uhr 12 Min. abends erfolgte, hatten sich vor dem hiesigen Bahnhof und auf dem Perron riesige Menschenmengen eingefunden, die in gespannter Erwartung warteten. Die Bahnsteigkartenautomaten wurden förmlich gestürmt. Anwesend waren die Tochter des Grafen Zeppelin und die Frau seines Neffen, sowie zahlreiche Freunde des Grafen. Als der Graf aus dem Wagen stieg, ertönten begeisterte Hochrufe der Menge. Der Graf sah sehr gefaßt aus. Er begab sich unter den Hochrufen der Menge zum Deutschen Haus.
Hilfe!
Stuttgart, 6. Aug. (Telegr.) Zu Beginn der heutigen Sitzung des Gemeinderats macht der Vorsitzende den Vorschlag, es sollten die Städte Stuttgart, Friedrichshafen und Konstanz gemeinsam einen Aufruf an das deutsche Volk richten, zur Einleitung von Sammlungen für den Grafen Zeppelin. Ter Gemeinderat hat diesen Vorschlag ohne weiteres angenommen.
ss Mannheim, 5. August. Sobald die Nachricht von dem tragischen Abschluß der Zeppelin'schen Triumpffahrt eingelaufen war, ist, der „Neuen Badischen Landesztg." zufolge, der Ausschuß des deutschen Luftflottenvereins, der seinen Sitz in Mannheim hat, zusammengelreten und hat beschlossen, unverzüglich eine Sammlung zu dem Zwecke einzuleiten, dem Grafen Zeppelin die zum Bau eines neuen Luftschiffes erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Familie Carl Lanz hat sofort 50 000 Mk. gezeichnet. Dem Grafen Zepvelin wurde sofort von dem hocherfreulichen Ergebnis durch folgendes Telegramm Mitteilung gemacht: Exzellenz Graf v. Zeppelin, Echterdingen. So groß die Begeisterung der Mannheimer Bevölkerung über die glänzende Siegesfahrt Ew. Exzellenz war, so tief erschüttert stehen wir von dem tragischen Abschluß. Der deutsche Luftflottenverein, Zentrale Mannheim, macht es sich zur Ehrenpflicht, die nötigen Drittel zur Vollendung des großen Werkes Ew. Exzellenz zur Verfügung stellen zu dürfen. Eine sofort eingeleitete Sammlung hat in wenigen Stunden bereits 50 000 Mk. ergeben. Im Aufträge des deutschen Luftslottenvereins: Ew. Exzellenz ergebener Carl Lanz.
ff Lübeck, 5. Aug. Die Lüb. Anzeigen veröffentlichen einen Aufruf an das deutsche Volk zur Gründung eines Zeppelin-Luftschiff-Bausonds. Der Aufruf sagt, daS deutsche Volk müsse wie ein Mann hinter dem kühnen Erfinder stehen und Mittel für den Bau eines neuen Luftschiffes beschaffen.
ff Bern, 5. Aug. Sofort nach dem Bekanntwerden des Unglücks, daS den Ballon des Grafen Zeppelin betroffen hat, eröffnete die Administration der hiesigen Zeitschrift „Sport" eine Subskription für den Bau eines neuen Luftschiffes.
Tagespolitik.
Die Berliner Staatsanwaltschaft wird in nächster Zeit ein Gutachten der behandelnden Aerzte über den G e s und - heitszustand des Fürsten Eulenburg einfordern. Außerdem wird die Strafkammer von eigens zu diesem Zweck bereirs ausersehenen Aerzten ein Obergutachten einfordern,
insbesondere darüber, ob durch die seelischen Erregungen die die Wiederaufnahme des Prozesses mit sich bringen müßte' der Gesundheitszustand des Angeklagten wieder derart ungünstig beeinflußt werden könnte, daß eine neuerliche Unterbrechung des Prozesses herbeigeführt würde. Nur wenn das Obergutachten besagt, daß der Fürst hinreichend gekräftigt ist, um dem ganzen Prozeß ohne einschneidende Störungen beiwohnen zu können, ist die Neuanberaumung eines Verhandlungstermins möglich.
Die Niederlage der Streikenden in Paris scheint andere Hetzapostel nicht klug gemacht zu haben. Etwa 4 o Arbeitersyndikate in Saint Etienne verbreiten einen heftigen Aufruf in dem sie die Arbeiter auffordern, während 24 Stunden die Arbeit niederzulegen. Zwischen ausständigen Bergarbeitern und 3 Gendarmen kam es in Courrieres zu einein Zusammenstoß. Die Gendarmen wurden niedergeworfen und mit Füßen getreten. Durch hinzukommende Verstärkung erfolgte ihre Befreiung; zwölf Angreifer wurden verhaftet. Am Mittwoch beschäftigte sich der Ministerrat unter dem Vorsitz des heimgekehrten Präsidenten Fallieres 1 mit der Arbeiterbewegung, die jetzt zu Aussperrungen führt und dadurch ein sehr ernstes Gesicht annimmt.
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Die französische Bevölkerungskrise wird z in der amtlichen Statist. Korr, unter Gegenüberstellung der ! Zahlen für Preußen zum Gegenstand einer Abhandlung i gemacht. Preußen, das noch im Jahre 1870 gegen Frank- > reich um ein volles Drittel der Bevölkerung zurückstand, hatte Anfang 1908 mit ihm bereits nahezu die gleiche Bevölkerungszahl. In zehn Jahren wird es bei stetiger Zunahme Frankreich um 5 bis 6 Millionen überlegen sein. In ^
Frankreich war die Zahl der Eheschließungen bis zum Jahre i
1905 immer noch höher als in Preußen, die Zahl der Geburten aber hat in Preußen stets nahezu um 50 vom Hundert über der in Frankreich gelegen. Als Folge davon hat sich denn auch ergeben, daß im Durchschnitt der 11 ,
Jahre von 1895 bis 1906 die natürliche Volkszunahme (Ueberschuß'der Geburten über die Sterbefälle) in Frankreich 53746, in Preußen dagegen 536 861, also 10 mal soviel, betragen hat. , !
Das neue türkische Ministerium, dessen Zusammensetzung erst vor 24 Stunden gemeldet wurde, soll schon wieder seine Entlassung nachgesucht haben. Die De- ' Mission des Großvesiers Said Pascha wurde indessen nicht angenommen. Vielleicht gelingt es, die Krise überhaupt beizulegen. — Die Abgeordnetenkammer wird am 14. November zusammentreten. . >
Die Mar 0 kk 0 srage ist am Einschlafen. Einige französische Truppenabteilungen treffen aus Marokko wieder in Algier ein, andere unterstützen die aussichtslosen Unternehmungen Abdul Aziz. Von wirklichen Ereignissen ist keine Rede.
Landesnachrichten.
Grömbach, 4. August. (Korr.) Wir stehen z. Zt. unter dem Zeichen der Krankheit und Unglücksfällen. Während sonsten in den Tagen der Waldbeerenernte alt und jung sich bester Gesundheit erfreuen kann, ist Heuer gerade das Gegenteil der Fall geworden. Klein und Groß klagt über Halsbeschwerden, Störungen im Verdauungsapparat, welche nicht selten die Patienten an längeren Stubenausenihalt bannen. Die Jugend wird zudem noch von den Masern
^ -»«r«fruch1. M
Die Seele warm.
Das Auge klar.
Die Lippe wahr,
Von Stahl der Arm;
Fürs andre sorgen Dein Heut', dein Morgen.
Anast. Grün.
Der Befreier.
Erzählung von Reinhold Ortmann.
Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Man würde das heitere Mißverständnis vielleicht noch zum Gegenstand längerer Erörterungen gemacht baden, und der junge Herr Julius — vder Jules, wie er seit der Verleihung des Ratstitels an seinen Vater des vornehmeren Klanges wegen genannt wurde — räusperte sich schon eben wie immer, so oft er eine witzige Bemerkung vorzubringen gedachte — wenn nicht Brands- höfer durch eine an den Kommerzienrat gerichtete hastige Frage dem Gespräch eine andere, sür ihn selbst minder verfängliche Richtung gegeben hätte. Ilse, die vielleicht allein die damit von ihm verfolgte Absicht durchschaute, warf schmollend die Oberlippe ans und sprach während des Restes der Mahlzeit kein Wort mehr mit ihrem Nachbar.
Auch als er ihr dann nach beendetem Mahle nach alter Gepflogenheit die Hand küssen wollte, zog sie ihre schmalen Finger behend aus den seinigen und kehrte ihm mit beleidigter Mien« den Rücken.
JnleS Schmieding brachte einen Skat in Vorschlag, aber Willy Liandshöser lehnte ab, da er voraussichtlich nicht lange mehr werde bleiben können, s-einc Zigarre rauchend, feste er sich dem Kommerzienrat gegenüber in einen Sessel, um ans Ilses Händen den von ihr selbst bereiteten Kaffee entgegen zu nehmen. Sie schien jetzt schon wicoer etwas freundlicher ge
stimmt als vorhin, denn indem sie ihm den schwarzen, aromatisch duftenden Trank reichte, sagte sie:
„Ich habe ihn mit Rücksicht ans Deinen leidenden Znffcmd besonders stark gemacht —" und es war nach seiner Ersaürnng immer ein gutes Zeichen, wenn ihr die Luit zum Necken wiederkam.
In dem stark gebeizten, mit Polstermöbeln. Teppichen und Portieren überfüllten Gemache wurde es rasch unerträglich warm. Auch machten das reichliche Diner und die guten Weine ihre Wirkung namentlich ans den Kommerzienrat bald insofern geltend, daß sein Doppelkinn tiefer und tierer ans die Brust niedersank und daß seine tiefen Atemzüge allgemach in ein behagliches Grunzen übergingen. Willn Brandshöfer sah sich nach Jules und Frau Schmieding um, aber leide waren inzwischen unsichtbar geworden, und er fühlte eine neue Verstimmung über die Art. in welcher man ihm da durch ein sehr zwangloses Benehmen zu erkennen gab. wie vollständig man ihn bereits als zur. Familie gehörig betrachte.
Acrgcrlick warf er den Rest seiner Zigarre in einen Aschbecher und machte Miene, sich zu erheben, als er eine leichte Berührung an der Schulter fnhlre und in Ilses hübsches, lächelndes Nnllis sab.
„Pst!" flüsterte sie, den Finger an die Livven legend, „daß nur nur ia de» Papa nicht ans dem Schlummer wecken, den er sich im Schweiße seines Angesichts so rechtschaffen verdient hat!
— Ich sah vom Nebenzimmer ans, daß er eingescülafen war, und ick fühlte Mitleid mit Dir, obwohl Du eigentlich keinen Anspruch daraus hast. Komme mit hinüber in Mamas Boudoir!
— Ich will Dir etwas Hübsches zeigen."
Er hätte einer solchen Aufforderung natürlich unter allen Umständen folgen müssen, und auf den Fußspitzen schlichen sie ans dem Zimmer.
Das kleine, lauschige Boudoir, das ein geschmackvoller Dekorateur mit höchstem Raffinement ausgestattet hatte, schien ganz geschaffen für die trauliche Zwiesprache zweier von der
gleichen Sehnsucht erfüllten jungen Menschenherzen, und Ille Schmieding hatte wieder ihre träumerisch sinnende Miene am- ' gesetzt, sobald sie in den nur von gedämpfter Helligkeit erfüllten Raum eingetrcten waren.
„Hier — das ifl es, was ich Dir zeigen wollte", sagte sie, tndem sic ein kleines, in Agnarellfarben ansgenihrtes Bildnis — ihr eigenes Portrait — von einer Etagere nahm. „Erräist Dn, wen es darstellen soll?"
„Ausgezeichnet getroffen", versicherte er, ohne gerade ein be- i sonderes Entzücken an den Tag zu legen. „Und der berühmt«
! Fclir d'anenbach bat es gemalt?"
^ „Ja! — Wir machten vor acht Tagen ans einem Diner sein«
> Bekanntschaft — ich war sein Gegenüber bei Tische, und nachdem ! er mich während der ganzen Muhlzeit fast unablässig angesehen hMe. erbat er sich beini Desiert die Erlaubnis, mich zu malen. Es nibt also merkwürdigerweise allem Anschein nach doch noch ! Lenke, denen '.nein Gesicht gefällt."
! Willy Brandshöfer batte die Empfindung, daß sie jetzt ei«
! Kompliment von ihm erwarte: aber da ihm nichts GescheidteS ! e.rsicl, schwieg er und stellte das in einen schwersilberne»
! »,:men gefaßte Bild, das er eigentlich nur reckt flüchtig beachtet batte, auf seinen Platz zurück.
>>S ist schade, daß ich bald werde an den Aufbruch denke« muss u", meinte er nach einer etwas peinlichen Pause, „aber ick kmte k.'Mr noch eine Verabredung, der ick mich nickt wohl entricht kann."
„Eine Verabredung mit Fräulein Lindbolm vermutlich —", fragte Ille sehr harmlos. „Ich kann mir denken, mit welcher Ungeduld Du Dich unter solchen Umständen darnach sehnst, von hier sortzukomme»."
Willy Brandshöfer hatte sie ganz verblüfft angesehen.
„Wie gerätst Du auf solche Vermutung? — Woher weißt Du überbaust, daß ich mit Astrid Lindbolm bekannt bin?"