Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg ver­neint dies.

lieber einen Antrag auf Schluß der Debatte wird auf Verlangen Singers namentlich abgestimmt und der An­trag mit 195 gegen 170 Stimmen bei 2 Stimmenthal­tungen angenommen.

Die Abänderungsanträge zu § 3 und 8 3a werden abgelehnt

Zu § 3a wird der Antrag Brandts und Albre'cht ab­gelehnt, ebenso in namentlicher Abstimmung der Antrag Trimborn mit 196 gegen 171 bei 2 Stimmenthaltungen. Ein weiterer Zentrumsantrag (Eventualantrag) wird in namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 171 Stimmen abgelehnt. Die somit unveränderten 88 3 und 3 a werden angenommen. Die 88 1 und 4 a und 4 k betr. Versamm­lungen unter freiem Himmel bestimmen, daß solche nur dann der Genehmigung bedürfen, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet wird.

Die 88 445 werden in der Kommissionsfassung an­genommen.

Bei 8 4 o bringt das Zentrum einen Antrag ein, wo­nach in Staaten, wo die Landesgesetzgebung eigene Vor­schriften für politische Vereine vorsieht (Versammlungen unter freiem Himmel) und die Genehmigung nicht nötig ist, diese Bestimmung vorläufig bleiben solle.

Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg erklärt diesen Antrag für die verbündeten Regierungen für unan­nehmbar.

Der Antrag wird mit 214 gegen 161 Stimmen in namentlicher Abstimmung abgelehnt.

Abg. Heine (Soz.) fragt an, warum aus einmal die besseren Vereinsrechtszustände in Württemberg, Baden Bayern und Hessen zugunsten einer Einheit verschlechtert werden sollen.

Bahr. Bevollmächtigter Graf Lerchenfeld begrüßt das neue Gesetz als einen Fortschritt für Bayern.

Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird ange­nommen.

Der vom Zentrum beantragte 8 4e wird mit 192 gegen 177 Stimmen abgelehnt.

Ein Antrag Albrecht verlangt Streichung des 86.

Lamstag mittag 11 Nhr J-orlietzniig.

Schluß halb 8 Uhr.

Berlin, 4. April.

Präsident Gras Swlberg eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 20 Min.

Am Bundesratstisch Staatssekretär v. Bethmann- Kollweg.

Die Beratung des Vereinsgesetzes wird bei 8 7, dem SprachenparagrapHen, fortgesetzt.

Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird eine Resolution der Elsässer betr. Zulassung der französischen Sprache in den deutsch-französischen Grenzbezirken als Versammlungssprache auf Vorschlag des Präsidenten im Zusammenhang mit 8 7 beraten.

Bei der Beratung erklärt der badische Geh. O.Reg.Rat Nieser, daß die vom Grafen Lerchenfeld gestern ab­gegebene Erklärung in Ermächtigung und im Einverständ­nis mit der badischen Regierung abgegeben worden sei. Sie entspreche auch der in der badischen Kammer seinerzeit erfolgten Regierungserklärung.

Abg. Fürst Radziwill (Pole) beklagt sich über die Kürze des Kommissionsberichts, der so recht den Charakter der Blockpolitik trage. Es lasse sich nicht leugnen, daß die Gegensätze sich immer mehr verschärfen. Die Blockpolitik trage den Todeskeim in sich, weil sie der christlichen Auf­fassung nicht Rechnung trage. Eine 20 jährige Karenzzeit lasse sich doch nicht anders erklären, als daß das Bedürfnis zum Gebrauch der Muttersprache allseitig auch von den Mehrheitsparteien anerkannt 'werde. Ter Staat dürfe nicht die Nationen unterdrücken. Er habe die christliche Weltanschauung zn wahren, und dieser Paragravb ver­stoße eklatant gegen jene. Man wolle die Nationen unter­drücken. Mit welchem Recht wolle man gerade den Polen versagen, was den Masuren, Litauern und Wenden ge­währt werde? Man mache sich dadurch geradezu lächer­lich. Die Regierung wird keine Freude an diesem Kom­promiß haben.

Abg. zu Pntlitz (kons.) erklärt namens seiner Par­tei, für den 8 7 stimmen zu wollen.

Abg. Spahn (Ztr.) polemisiert gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Hieber. Die Nationalliberalen verleugnen durch diesen Paragraphen ihre Grundsätze: Gleichheit vor Gericht und Gleichberechtigung der Natio­nalitäten. Das Obcrverwaltungsgericht habe selbst festge­stellt, daß, wenn auch die Staatssprache deutsch sei, die Versammlungssprache nicht deutsch zu sein brauche. Bei einer solchen Maßregel müßten auch die Interessen der im Ausland lebenden Deutschen beachtet werden, da sie leicht eine Rückwirkung auf das Ausland haben könne. Im In­teresse Deutschlands stimme das Zentrum gegen den 8 7. (Lebhafter Beifall im Zentrum.)

Abg. Hieber (natl.) weist die Vorwürfe Radziwills gegen die Kürze des Kommissionsberichts zurück. Die Aus­führungen über 8 7 umfassen etwa ein Viertel des gan­zen Berichts. Wenn Radziwill weiter auf die Gegensätze in den Blockparteien hingewiesen habe, so frage er, ob innerhalb der polnischen Fraktion weniger politische Ge­gensätze vereinigt seien. Die Polen gehen mrt den Sozial­demokraten zusammen. Glaubten die Polen etwa in den Sozialdemokraten zuverlässigere Hüter der christlichen Weltanschauung zu finden, als in den anderen Parteien? (Stürmische Unterbrechungen im Zentrum. Anhaltende Bewegung.) Es sei eine ungeheure Uebertreibung, daß den Polen die Muttersprache genommen und in Deutsch­land verboten werden solle. Die deutsche Sprache sei nur rn Versammlungen anzuwenden, wo' Angelegenheiten des

deutschen Vaterlandes verhandelt werden. Die Polen pfle­gen die Muttersprache nicht nur im Dienst ihrer Eigenart, sondern im Dienst politischer Zwecke und als Kampfmittel gegen die deutsche Nationalität anzuwenden. Die ostmär- krsche Bevölkerung sei dankbar, daß dieses Gesetz ihr Schutz gewähren wolle. Wenn Spahn sagte, die Polen müssen auch eine Benachteiligung der Konfession befürchten, so werde es die polnische Bevölkerung glauben. (Stürmische Zustimmung der Nationalliberalen.) Seine Partei wünsche auch für Elsaß-Lothringen keine Ausnahmebestimmungen. Redner weist weiter auf die Länder hin, in denen keine Sprächenfreiheit bestehe.

Mg. Legien (Soz.) bezeichnet den 8 7 als einen Schlag gegen die Gewerkschaften. Seine Partei werde noch in letzter Stunde alles versuchen, um das Gesetz zu Fall zn bringen.

Mg. Payer (D. Vp.) bemerkt, wir müssen den 8 7 annehmen, schon weil sonst das ganze Gesetz scheitern würde und das Gesetz sei doch so freisinnig und bringe Ver­besserungen auch für sämtliche süddeutsche Staaten. Wir

haben dieser Tage Sachverständige aus Süddeutschland gehört, (zum Gegenblock gewendet:) es ist Ihnen ja selbst nicht ernst mit Ihren Angriffen. Ihm, dem Redner, sei in letzter Zeit ausgefallen, wie wenig innere Kraft in dem Widerstand der Opposition stecke, es sei nur das halbe Herz dabei. Wir wollen nicht verantwortlich gemacht werden dafür, daß das Gesetz scheitert. Wir nehmen einige Be­stimmungen mit in den Kauf, weil das Gesetz für den linken Flügel des Liberalismus von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Wir haben nicht die Absicht, unsere Organisation aus einanderzusprengen, was beim Scheitern des Gesetzes un­ausbleiblich wäre. Redner führt aus, das Ideale des Sprachenparagraphen sei in Süddeutschland in den letzten Wochen doch zu sehr in den Vordergrund gerückt worden, wobei man das Reale zu sehr in den Hintergrund treten ließ. Er denke nicht daran, die preußische Polenpolitik zu unterstützen, aber er habe auch keinen Anlaß, für die Polen einzutreten. Die ganze polnische Bewegung stehe in eklatanter Form im Widerspruch zu der großen natio­nalen Bewegung, die wir zu vertreten hätten. Seine Freunde denken auch nicht daran, der preußischen Polen­politik in den Arm zu fallen. Bis jetzt sei übrigens jeder Einzclstaat in der Lage, die Sprachenfrage zu regeln wie er will. Seine Partei glaube, dem deutschen Volke einen Dienst zu leisten, wenn sie dem Zustand der Recht­losigkeit und Unfreiheit auf dem Gebiete des Vereins­rechtes durch Zustimmung zu dem Gesetzentwurf und 8 7 ein Ende mache.

Die Abgg. Kolbe (Refp.) und Graes (W.Bg.) treten gleichfalls für den Sprachenparagraphen ein.

Abg. Müller-Meiningen (frs. Vg.) polemisiert gegen die Sozialdemokratie wegen deren Angriffe auf ihn und Graf Lerchenfeld.

Abgg. Delsor (Elf /und Hanssen (Däne) bekämp­fen den ß 7.

Nach Schluß der Geschäftsordnungsdebatte wird äb- gestimmt.

Sämtliche Abänderungsanträge werden abgelehnt. Die Abstimmung unter den 8 7 erfolgt auf Antrag des Abg. Singer (Soz.) namentlich. Es stimmen 382 Ab­geordnete, davon 200 mit Ja, 179 mit Nein. 3 Abgeord­nete enthielten sich der Stimme.

Damit ist 8 7 angenommen.

Tosende Kundgebungen im Hause, Pfuirufe bei den Polen.

Montag mittag 1 Uhr Weiterberatung.

Schluß gegen halb 9 Uhr.,

Landesnschrichten.

Altsnstsig, 6. April.

Eisenbahnbetriebsstörung. Die Maschine des Zuges, der 5.22 von Nagold hier eintreffen soll, erlitt gestern unter­halb der Station Verneck einen Rohrdesekt, sodaß auf offener Strecke gehalten werden mußte. Die Passagiere setzten die Reise zu Fuß fort. Der 5.38 fällige Zug konnte infolge­dessen von hier nicht abgelassen werden. Der Zug 6.26 transportierte sodann den verunglückten Kollegen in den hiesigen Bahnhof. Der Zwischenfall hatte eine große An­zahl Neugieriger angelockt. Daß böse Menschen bei dieser Gelegenheit wieder banale Witze überEisenbahnidylle" re. machten, muß man ihnen zugute halten.

s Theater.Der letzte Ritter von Altensteig" war das Stück getauft, das gestern abend über die Bretter ging. Wer da aber gekommen war, um etwas zu hören und zu sehen aus unserer Umgebung und längst vergangenen Zeiten, der hatte sich mächtig getäuscht eine Ritterliebesgeschichte war es, wie man sie in alten verstaubten Folianten findet, eine von jener Klasse, die den braven Ritter de la Mancha zu feinen berühmten Streichen begeistert hatten. Freilich zu einer solchen Begeisterung konnte das Stück die Zuschauer gestern abend nicht fortreißen wir leben halt in einem nüchternen Zeitalter.

X Nürtingen, 4. April. Ein älterer Mann von Fricken­hausen wurde am Sonntag durch die Unachtsamkeit eines Radlers überfahren. Die anfänglich ungefährlich erscheinende Beschädigung hat heute den Tod herbeigeführt. Der Ueber- fahrene sollte vom Gericht noch verhört werden, doch kam die Kommission zu spät.

' Stuttgart, 4. April. DerStaatsanzeiger" veröffent­licht heute einen Bericht des Justizministers, in welchem der Minister mitteilt, daß vom 1. Juli ab bei allen Amts­gerichten des Landes für die schöffengerichtlichen Straf­sachen gegen jugendliche Personen besondere Vorkehrungen getroffen werden. Diese Strafsachen sollen grundsätzlich zu dem Geschäftskreise des die Aufsicht führenden

Amtsrichters gehören, der mit der vormundschaftsrichterlichen Tätigkeit betraut ist. Es soll auch wo möglich eine äußere Absonderung der Hauptverhandlungen gegen jugendliche Per­sonen von den übrigen schöffengerichtlichen Verhandlungen ourchgeführt werden.

'(-) Stuttgart, 4. April. Gestern vormittag wurde m einem Hause der Alexanderstraße eine 20 Jahre alte Fa­brikarbeiterin in ihrer Schlafstelle bewußtlos aufgefun- funden und mit dem Sanitätswagen nach dem Kath. Hospi­tal verbracht. Die angestellte Untersuchung hat ergeben, daß das Mädchen in selbstmörderischer Absicht Lysol ge­trunken hat. Das Motiv zur Tat sollen unglückliche Liebes-, Verhältnisse sein. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt.

(-) Stuttgart, 4. April. Den Bau schwerer Loko­motiven für die Hauptbahnstrecke Stuttgart-Bruchsal-Ulm hat die Eisenbahnverwaltung in Aussicht genommen. Die neuen Lokomotiven sollen die schweren Schnellzüge, ins­besondere auf der Strecke Stuttgart-Ulm ohne Vorspann oder Schub mit größerer Geschwindigkeit als es bei den z. Zt. im Dienst befindlichen Lokomotiven der Fall ist befördern.

'(-) Plieningen, 4. April. In vorvergangener Nacht kurz vor halb 12 Uhr wurde von Schutzmann Weinmann ein Stromer aufgegriffen, der eben in einem Hofe ein Nachtlager aufsuchen wollte. Nach der Verbringung in den Ortsarrest fand man bei dem Mann zwei schöne Uhr- ketten, fünf bessere Herrenringe und etwas Geld. Nach anfänglichem Leugnen über seine Herkunft stellte es sich heraus, daß er aus dem OA. Gerabronn stammt, 47 Jahre alt und bereits 131 mal vorbestraft ist. Er wurde gestern an das Kgl. Amtsgericht Stuttgart eingeliefert.

(-) Döffingen, 4. April. Der Schäfer Friedrich Moltenberg, der den Winter über auf der Schafweide bei Pforzheim gewesen war, geriet auf der Heimkehr zwischen Schafhausen «nd Döffingen in der Dunkelheit vom Wege ab und ertrank in der Würm. Der Schäferhund, der die Nacht hindurch am Ufer liegen geblieben war und Auf­merksamkeit erregte, führte auf die Spur des Verunglück­ten. Als der Fluß durch zahlreiche hiesige Bürger ab- gefucht wurde, fand man den Leichnam auf der Markung Schafhausen. Der Verunglückte ist erst 45 Jahre alt und hinterläßt eine Witwe und acht meist unversorgte Kinder, js Vaihingen a. Enz, 4. April. Gestern Nacht geriet auf dem Heimweg der ca. 55jährige Metalldrehereibesitzer G. Jerger zum Tal (auf hiesiger Markung) in die Enz und ertrank. Er hinterläßt eine Frau und zwei erwachsene Söhne.

ff Vom Bodensee, 4. April. Die Hohentwiel-Festspiele sollen dieses Jahr von Schweizer Gesellschaften gegeben werden und am 28. Mai (Himmelfahrtstag) beginnen.

X München, 5. April. Die jüngste Tochter des Königs von Sachsen, Prinzessin Anna, ist von Tirol kommend, hier eingetroffen und setzt morgen früh die Reise nach Leipzig fort.

* München, 4. April. Miximilian Harden hat gegen die hier erscheinendeNeue freie Volkszeitung" Beleidigungsklage erhoben, weil sie ihmKäuflichkeit" vorgeworfen habe.

* Berlin, 4. April. Fürst Bülow tyird nach einem Osterbesuch in Rom Gast des Kaisers auf Korfu sein

Ausländisches.

* Nom, 3. April. Auf dem Stadthaus hängt die Flagge halbmast. Der Bürgermeister ladet die Bürger ein, zur Ar­beit zurückzukehren. Die Regierung gestattete den Arbeiter­vereinen, morgen früh im Zuge auf den Kirchhof zu ziehen, um Kränze an den Gräbern der Opfer niederzulegen. Die Polizei schrieb die Route vor, die vom Colosseum ausgeht, ohne die Innenstadt zu berühren. Für dieses Entgegen­kommen der Regierung versprach die Arbeiter kämme r, morgen den Streik auf hören zu lassen.

Syrakus, 4. April. DieHohenzollern" mit den Majestäten und dem Prinzen und der Prinzessin an Bord ist in Begleitung derHamburg" und desSleipner", sowie des italienischen PanzerschiffesVarese" heute früh 7.30 Uhr nach Messina in See gegangen.

* Messina, 4. April. Die KaiserjachtHohenzollern" und die Begleitschiffe sind um 1.15 Uhr nachmittags hier eingetroffen. Die östündige Fahrt von Syrakus nach Messina dicht unter der Küste gestaltete sich bei prachtvollem Wetter zu einem außerordentlichen Genuß.

js Paris, 4. April. Dem heute im Elysee abgehaltenen Ministerrat teilte Pichon Telegramnie des Generals d'Amade mit, wonach die Beruhigung in Casablanca Forischritte macht und die Unterwerfung der Schaujas in Aussicht stehe. Wie aus Rabat gemeldet wird, ist eine von Bagdadi und Mulai Zef, dem Bruder des Sultans, befehligte Mahalla nach Fez aufgebrochen. Sie ist 5000 Mann stark und ver­fügt über 20 Kanonen. Mehrere Kaids der Stämme, durch deren Gebiet die Mahalla zog, schlossen sich ihr an.

X Paris, 5. April. Wie ans Montpellier gemeldet wird, wurden 2 schwedische Offiziere namens Wachtmeister und Bjöneberg, welche sich daselbst behufs Vervollkommnung in der französischen Sprache aufhalten, ohne jeden Anlaß auf der Straße von betrunkenen Stellungspflichtigen über­fallen und durch Bisse erheblich verletzt. Ministerpräsident Clemenceau beauftragte den Präfekten, die beiden Offiziere um Entschuldigung zu bitten und ihnen das Bedauern der französischen Regierung auszusprechen. Die Angreifer wurden verhaftet.

Paris, 4. April. Die Bauunternehmer haben die Aussperrung ihrer Arbeiter von heute abend ab beschlossen. Der Syndikatskammer zufolge werden 20 000 Arbeiter betroffen.