Deutscher Reichstag.
Berlin, 20. März.
Bei der fortgesetzten Beratung des Kolonialetats führte zum Titel: „Für Erledigung von Nech- nungsarbeiten anläßlich des Eingeborenenaufstandes in Südwestafrika" Staatssekretär Dernburg aus, daß auch der Rechnungshof eine gesetzliche Regelung für notwendig halte. Bei der Spezialberatung des Etats für die Schutz gebiete aus das Rechnungsjahr 1908 und Lwar zunächst für Ostafrika sagte Staatssekretär Dernburg auf die Anregung eines Redners zu, daß das System der deutschen Maß- und Gewichtsordnung möglichst durchgeführt werden solle.
Berlin, 21. März.
Alm BundesralÄtpch Staatssekretär v. Tirpitz. Zur Beratung steht der Etat für Kiautschou. Der Etat für Kiaurschou wird angenommen, ebenso eine Resolution auf Verminderung der Kosten der Verwaltung der Schutzgebiete hinzuwirken und eine endgültige Regelung der Besoldungsverhältnisse der Beamten herbeizuführen. Der Etat: Expedition nach Ostasien gelangt ebenfalls zur Annahme.
Landesnachrichten.
Akterrsteig, SS. März.
' Theater. Zu der gestrigen Aufführung von „Dorf und Stadt" hatte sich der Saal zur Krone bis auf den letzten Platz gefüllt. Frl. Trautmann, die schon als „Buschliesl" den Beifall der Theater-Besucher gefunden hat, tat auch gestern als „Lorle" wieder ihr Bestes. Als Charakterfigur kann man den Schwarzwaldbauern des Herrn Direktors Hölzle bezeichnen. Auch die übrigen Rollen wurden in der Hauptsache trefflich gespielt, so daß die Darbietungen — trotz der einfachen Mittel — als gute bezeichnet werden können. — Am Mittwoch kommt zum Benefiz des Frl. Trautmann ein bayr. Gebirgsstück zur Aufführung, wozu wir ihr als Anerkennung ihrer gediegenen Leistungen einen gulbesetzten Saal wünschen.
* Nagold, 21. März. Das in hiesiger Kollekte mit einem Gewinn von 2000 Mk. gezogene Rote Kreuz-Los ist zu kirchlichen Zwecken dem Kath. Stadtpfarramt übergeben worden.
jj Tübingen, 21. März. Ein geriebener Schwindler Jakob Schöll von Nufringen bei Herrenberg hatte sich als vermöglicher Monteur eine Braut beigelegt, diese bis auf den letzten Sparpfennig ausgesogen, dann bei Bekannten Darlehen, in Geschäften Uhren, Fahrrad und Waren erschwindelt und ist schließlich in die Schweiz entwichen. Die schweizerischen Behörden lieferten den sauberen Patron jedoch aus und heute hielt es das Gericht für angemessen, ihn für 18 Monate unschädlich zu machen.
jj Eningen, 22. März. Heute Nachmittag übte sich der 19jährige Schmied aus Reutlingen mit einem Kameraden am Olgafelfen im Klettern. Plötzlich löste sich der Stein, an dem sich Schmied gerade hielt, und riß diesen mit sich in die Tiefe, wo er mit zerschmettertem Schädel liegen blieb. Erst einige Zeit später fanden Touristen aus Stuttgart auf die Hilferufe des Kameraden des Verunglückten hin die Leiche.
ff Weilheim OA. Balingen, 21. März. Als vorgestern abend Polizeidiener und Farrenfütterer Ludwig Merz hier den Gemeindefarren zur Tränke führen wollte, wurde Merz von diesem derart gestoßen und getreten, daß er nach qualvollem Leiden infolge schwerer innerer Verletzungen gestern im Alter von 60 Jahren gestorben ist.
Stuttgart, 21. März. Die Gründung des Württem- bergischen Vereins für Luftschiffahrt ist gestern den 20. März im Jagdzimmer des Hotel Royal bei starker Beteiligung aus allen Kreisen, namentlich Offiziers- und Technirerkreisen, erfolgt. Die Versammlung wurde vom Geheimen Hofrat Prof. Dr. August Schmidt, Vorstand der meteorologischen Zenrrarstation, eröffnet und geleitet. Er machte die Mitteilung, daß der König das Protektorat des jungen Vereins übernommen hat.
Stuttgart, 21. März. In der letzten Zeit hat ein Unbekannter, der sich Dr. Maier nannte, verschiedene hiesige Geschäftsleute dadurch geschädigt, daß er ihnen bei Einkäufen Zinsscheine einer Anleihe der Stadt Blan- ,kenburg, die gefälscht sind, in Zahlung gab. Laut Zeitungsnachrichten sind zu Hannover für etwa 20 000 Mk. Obligationen der Stadt Blankenburg in der Weise gefälscht worden, daß aus der Druckerei, die die Obligationen herstellte, Fehldrucke entwendet und mit einem falschen Stempel versehen wurden. — Am Mittwoch abend zwischen 7 Uhr 45 Min. und 8 Uhr wurde auf dem Weg vom Postamt Ostheim nach dem Hauptpostamt aus dem Hinteren Raum eines Motorpostwagens ein Postbeutel, enthaltend 2 Wertbriefe, der eine mit einer Wertangabe von 2400 Mk. nach Ebingen, der andere mit einer solchen von 750 Mk. nach Kolmar bestimmt, entwendet.
Ludwigsburg, 21. März. In einer Lehmgrube des benachbarten Hoheneck wurden in letzter Zeit Üeber- reste von Wohnstätten aus der jüngeren Steinzeit gefunden; u. a. wurde neuerdings auch ein Töpferofen bloßgelegt. Ein Teil der gemachten Funde befindet sich bereits in der Sammlung vaterländischer AOertümer in Stuttgart, andere werden zur Zeit im Heutingsheimer Pfarrhaus geordnet und, soweit dies möglich, zusammengefügt.
jf Stuttgart, 21. März. Der Einbrecher Kaufmann, der in der Nacht vom 60. zum 31. Dezember v. I. in der Goldwarenfabrik von Hugo Böhm in Gmünd für etwa 100 000 Mark Gold und Schmucksachen entwendet hatte, ist heute in Berlin von feinem Schicksal ereilt worden. Ter
Kriminalpolizei ist es gelungen, den gefährlichen Dieb mit noch zwei Helfern, als er eben einen Teil seines Raubes absetzen wollte, festzunehmen. Wieviel von dem Geraubten wieder beigebracht werden kann, ist noch nicht ermittelt worden.
jf Mannheim, 21. März. Beim Ausgeben falscher 5 Mark-Stücke wurde gestern in einem Laden die. Ehefrau eines Schneidermeisters von Neckarau ertappt. Man brachte sie zur Polizeiwache, wo sich bei ihrer Visitation ergab, daß sie im Korsett noch ein kleines Depot falscher 5 Mark- Stücke hatte. Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Schneiderseheleute in Neckarau fand man eine komplette Falschmünzerwerkstätte und noch einen Vorrat geprägter 5 Mark-Stücke. Schon feit längerer Zeit sollen solche falsche Geldstücke im Umlauf sein.
Freiburg (Breisgau), 22. März. Auf den Militärposten am Landesgefängnis wurden nachts, wahrfcheinlich von früheren Gefangenen, sechs Schüsse abgegeben.
Berlin, 20. März. Auf den dem Kaiser unterbreiteten Bericht über das Gefecht gegen Simon Copper am 16. ds. ist dem Kommando der Schutztruppe im Reichskolonialamt nachstehendes Telegramm zugegangen: „Die Meldung von der hervorragenden Waffentat des Expeditionskorps Eckert hat mich mit freudigem Stolz, zugleich aber auch mit tiefer Trauer über den Verlust der Offiziere und Mannschaften erfüllt, welche den Erfolg über den Feind mit dem Tod besiegelten. Ich spreche dem Kommando meine wärmste Teilnahme an dem Tod dieser Braven und ganz besonders an demjenigen des Hauptmanns v. Eckert, einem der besten und ritterlichsten Offiziere der Schutztruppe aus."
Der Journalisterrstreik im Reichstag.
* Berlin, 21. März. Die streikenden Reichstagsjournalisten traten heute bei Beginn der Plenarsitzung wieder im Lesesaale der Journalistentribüne zusammen. Mit großer Befriedigung wurde die vollkommene Uebereinstimmung der gesamten Presse festgestellt.
Am Montag wird der Etat des Auswärtigen Amts im Reichstag verhandelt werden. Die Londoner Blätter gaben telegraphisch bekannt, daß sie, falls die Angelegenheit nicht erledigt werde, über diese Verhandlung des Reichstags keine Zeile veröffentlichen würden. Die gleiche Versicherung wurde auch von einer Reihe Berliner Vertreter anderer ausländischer Blätter abgegeben. Der Verein deutscher Zeitungsverleger, dessen Ausschuß zur Zeit in Berlin tagt, erklärte sich gleichfalls mit der Journalistentribüne vollkommen solidarisch.
Die National-Zeitung kann mitteilen: Da derReichs - kanzler unter diesen Umständen befürchtet, daß er für das, was er am Montag M' sagen hat, nur eine ungenügende Resonanz haben würde, ist heute morgen sein Adlatus, Unterstaatssekretär v. Löbell, beim Grafen Stolberg gewesen.
Verhandlungen zwischen dem Präsidenten Stolberg und Vertretern der Journalisten hatten abermals ein negatives Resultat.
Ausländisches.
Mailand', 20. März. Toselli erklärte dem Vertreter einer hiesigen Zeitung, daß die Nachricht von einem Zerwürfnis in seiner Ehe auf Erfindung beruhe.
Paris, 22. März. Der Spezialkorrespondent des „Matin" meldet aus Dar Uled Fatima vom 15. März, daß in einem an diesem Tage stattgehabten Kampf mehrere Zeltlager des Schaujastammes auf eine Entfernung von drei Kilometern mit Schrapnells zusammengeschossen wurden, und daß dabei 1500 Marokkaner, darunter Weiber und Kinder, getötet worden seien.
London, 21. März. Der deutsche Dampfer „Luise", Eigentum der Deutsch-Australischen Dampfschiffsgesellschaft, ist im Roten Meere unter 22 Grad nördlicher Breite und 36 Grad östlicher Länge auf einen Felsen aufgelaufen und gesunken. Die „Daily Mail" berichtet darüber folgende Einzelheiten: Das Schiff lief Dienstag früh im Roten Meer auf einen Felsen auf. Der Kapitän war nach der Kursfeststellung schlafen gegangen. Der Offizier hatte offenbar den Kurs mißverstanden. Der Dampfer sank innerhalb 25 Minuten. An Bord waren keine Passagiere. Die Mannschaft versuchte bei hoher See, in zwei Booten die Dampferfahrstraße zu erreichen. Am Dienstag Abend wurde ein großer Dampfer durch Raketen aufmerksam gemacht, doch hielt er nur zehn Minuten und fuhr dann weiter. Ein englischer Dampfer hat am Mittwoch die Schiffbrüchigen gerettet.
* London, 21. März. Dem „Globe" wird aus Odessa gemeldet, dort sei die Nachricht eingetroffen, daß drei Bataillone türkischer Truppen die persische Grenze in der Nähe von Chanekin, nördlich von Bagdad, überschritten haben und jetzt persisches Gebiet besetzt halten.
jj Baku, 22. März. In einer Arbeiterkaserne in den Naphtha-Werken von Balachany fand gestern abend eine heftige Explosion statt, deren Ursache bisher nicht sestgestellt werden konnte. Das Gebäude ist teilweise zerstört. Unter den Trümmern wurden 11 Leichen gefunden.
js Allerlei. Auf der badischen Station Friedrichsfeld wurden bei einem Eisenbahnunfall sieben Wagen zertrümmert. Ein Wagenwärter erlitt schwere Verletzungen. — In einer Kohlengrube bei Altenburg wurde ein Bergarbeiter von Kohlenmassen erschlagen, ein zweiter wurde in schwerverletztem
Zustande gerettet. — In einer Blutlache tot aufgefundeu wurde gestern nacht in Berlin der Arbeiter Dombrowsky. Neben der Leiche, die mehrere Spuren von Kopfverletzungen aufweist, wurde ein Beil gefunden, was zu der Annahme veranlaßt, daß es sich um ein Verbrechen handelt.
Selbstmord und Wahnsinn in Rußland.
Ueber eine erschütternde Folge der Schrecken der russischen Revolution und mehr noch jener der Ungewißheit der Zukunft in diesen Tagen der Polizeiwillkür mackt der Petersburger Korrespondent einer „Berl. Ztg." aufsehenerregende Mitteilungen. In den beiden Residenzstädten des Zarenreichs, die bekanntlich am meisten unter dem Terror zu leiden haben, grassiert eine förmliche Selbstmord- und Wahnsinnsepidemie. Wir geben nachstehenden Gericht wieder: In der gebildeten Klasse der > Gesellschaft macht sich eine höchst merkwürdige Folge- j erscheinung der politischen Verschwörungen und des i Treibens des schleichenden Terrorismus bemerkbar: eine geistige Depression, die in vielen Fällen zum Selbstmord und zum Wahnsinn führt. Die Zeitungen registrieren die Selbstmordfälle in einer besonderen Rubrik. Gestern entleibten sich acht Personen, und bas ist entschieden eine zu hohe Ziffer für eine Einwohnerschaft von einer Million 300000 Seelen. Noch bezeichnender sind die Selbstmorde in breitester Oeffentlichkeit; so erschoß sich dieser Tage ein Student in der Oper und ein Offizier jagte sich in einem vornehmen Kaufladen am Newski Prospekt eine Kugel durch den Kopf. Sogar unter den Schülern kommen Selbstmorde vor. Und dann der Wahn- , sinn! Noch nie früher haben wir so viel Irrsinnige ge- > habt. In Moskau ist dasselbe der Fall. In den beiden j Residenzen sind die Irrenanstalten überfüllt. Es ist kein Zweifel, daß diese bedauerlichen Erscheinungen in der gebildeten Gesellschaft durch den Wirrwarr auf dem Poli- ! tischen Gebiet hervorgerufen werden. Der Terrorismus wirkt nicht so schlimm, wie die Verfolgung desselben. Man ist hier beim Schlafengehen nicht sicher davor, daß nicht die Polizei mit Kosaken in die Wohnung eindringt und sich ihre Opfer aus den Betten holt. Und sind das alle wirklich Schuldige, die in Ketten geschlossen, in Partien, in die äußersten, unzivilisierten Gebiete des Reichs in die Verbannung geschickt werden. Schwachnervige Personen sind auf die Dauer der ständigen Erregung und Angst nicht gewachsen, gehen zu Grunde. Es lastet selbst auf dem loyalsten und gerechtesten Menschen schwer, täglich zu sehen und zu erfahren, daß man keine Staatsbürgerrechte mehr genießt, sondern nur geduldet wird oder aus Gnaden der Polizei oder Gendarmerie lebt, wie das während des Belagerungszustandes ja doch der Fall ist. l
Vermischtes. i
8 Haitische Manneszucht. Der neue Haitische Zwischen- - fall hat die Aufmerksamkeit auf die „Armee" gelenkt, von der j es hieß, sie werde „bis zum letzten Atemzuge" kämpfen. Schnurrig genug, wenn man das folgende Stücklein liest, das die Kölnische Zeitung den eigenen Angaben des amerikanischen Malers Henry Dandham nacherzählt, der mehrere Jahre in Haiti gelebt hat : Als eines Tages der Kommandant der Armee die Truvpen von Gonaives besichtigte, fragte mich ein Irländer, der in meiner Begleitung war : „Möchten Sie sehen, wie ich die ganze Bande auseinander treibe?" Ich sagte: „Natürlich!" Der Irländer nahm darauf fünf Silberstücke aus der Tasche und schleuderte sie mit einem ^ gelle.iden Rufe in die Luft. Sogleich sprangen alle Mannschaften der Truppe aus dem Glied und machten verzweifelte Anstrengungen, das Geld zu finden. Nach einem kürzen heftigen Getümmel war die Ruhe wieder hergestellt. Zwei Silberstücke waren in den Besitz der Truppen geraten, die übrigen hatte der Kommandant erbeutet. Dieser befahl darauf, daß der Irländer verhaftet werde, weil er in Gegenwart eines angesehenen Fremden die Armee von Haiti in Mißkredit gebracht habe. Der angesehene Fremde war ich. Mein Freund wurde zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt, aber fünf andere Silberstücke und eine Flasche Rum brachten die Sache in Ordnung, und er war nach 20 Minuten wieder bei uns.
Fünfzig Stunden Klavier spielen. Der größte , Klavieratleth der Gegenwart ist C. W. Healy, der in Melbourne einen Klavierspielerrekord aufgestellt hat, den . wohl niemand zu brechen versuchen wird. Fünfzig Stun- > den lang hat dieser Mensch „ohne Pause Klavier gespielt". An einem Donnerstag setzte er sich abends um 8 Uhr vor das Klavier und fing an, dieses zu bearbeiten; ohne Pause arbeitete er weiter und hörte erst Sonnabend abends um halb 11 Uhr auf, sodaß er tatsächlich rund fünfzig Stunden gespielt hat. So hat er seinen Vorgänger, der nur 48 Stunden 30 Minuten Klavier spielen konnte, um mehrere Längen geschlagen. Was mag dieser Musikbarbar dabei alles verkakophont haben?
Handel und Verkehr.
. Pfalzgrafcnweiler, 19. März. (Marktbericht.) Zugeführt wurden 109 Paar Ochsen, Preis von 970—1063 Mk., 53 Paar Zugstiere, Preis von 636—810 Mk., 56 Stück Kühe, Preis von 290—478 Mk., 29 Stück Kalbinnen, Preis 285—390 Mk., 43 Stück Jungvieh, Preis 133—210 Mk., 80 Stück Milchschweine, Preis von 30—40 Mk. pro Paar, 90 Stück Läufer, Preis von 50—113 Mk. pro Paar. Handel lebhaft.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk, Altensteig.