Staatssekretär Ternburg ist mit seinen Eisenbahnplänen hervorgetreten. Sie klingen recht erfreulich und beweisen jedenfalls, daß der frühere Direktor der Darmstädter Bank weitaus mehr Mut und Initiative besitzt, als seine sämtlichen Vorgänger, die immer erst ängstlich nach den Mienen der Parteiführer blickten und dann, wenn sie auf Mißbilligung trafen, mit rückzugsfrohen Griechenherzen Verzicht zu leisten pflegten. Jetzt will er mit diesem wichtigen Mittel der Erschließung von Kolonien im größeren Stile Vorgehen. Er will eine Linie nach Kalkfontein erbauen, er fordert für Togo eine Bahn von Lome nach Atakpame, in Kamerun soll Dualla durch eine Südbahn von beinahe 45 Meilen gefördert und in Ostafrika die Usambarabahn bis zum Pagani und die Mrogoro-Bahn bis Tabora verlängert werden. Nur in Südmest handelt es sich hierbei um strategische Rücksichten, in allen anderen Kolonien jedoch um wirtschaftliche Gesichtspunkte, zugleich aber auch um Schöpfungen, die zu der Entlastung des Etats führen und eine erhebliche Rente sichern dürften. Es wird natürlich auch um diese Strecken einen harten Kampf geben, aber man glaubt, daß dieser Kampf siegreich enden wird.
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Man muß sich den Namen Asquith merken, denn er wird noch viel genannt werden. Der britische Premierminister Campbell-Bannerman ist ein kranker Mann, der nicht mehr lange im Amte bleiben wird. Tritt er zurück, so wird der Schatzkanzler Asquith sein Nachfolger und der Lenker der britischen Politik.
„Ich kann Ihnen berichten, daß man in Peking ernstlich mildem Gedanken umgeht, die deutsche Verfassung in China einzuführen/ erklärte der Stellvertreter des chinesischen Gesandten in Berlin. „Der Vizepräsident unseres Finanzministeriums ist auf der Reise nach Berlin begriffen, um die deutsche Verfassung und deutsche Einrichtungen sozusagen an der Quelle zu studieren. Zu gleicher Zeit begeben sich ein chinesischer Prinz und ein anderer Würdenträger nach Tokio und London, um dort Studien dieser Art zu machen. Unser Kaiser will aber die ganze chinesische Verfassung nach deutschem Muster umgestalten, da er dies für sein Volk am zweckmäßigsten hält. Er begnügt sich nicht etwa nur damit, Beamte nach Deutschland zu Studienzwecken zu entsendeu, sondern er studiert selbst täglich mit einem Herrn, der lange Zeit in Deutschland war, die deutsche Verfassung. Da der Kaiser selbst nicht deutsch spricht, geschieht dies — nebenbei gesagt — in englischer Sprache. Alle geplanten Reformen dieser Art sind übrigens auf seinen persönlichen Einfluß zurückzuführen. Der demnächst in Berlin eintreffende Minister hat für 2 Jahre Urlaub erhalten. Die Schwierigkeiten, die für uns bestehen, liegen hauptsächlich darin, daß wir zu diesen Reformen unser Volk erst erziehen müssen, da es jetzt noch nicht reif dazu ist."
Deutscher Reichstag.
! ^ --' ^ Berlin, 17.. März.
Präsident Graf Stolberg eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Am Bundesratstisch ist Unterstaatssekretär Twele erschienen. Zunächst wird über den Zentrumsantrag betr. Veteranenbeihilfe namentlich abgestimmt. Dafür stimmten 128, dagegen 167 Abgeordnete; 3 enthielten sich der Stimmabgabe. Der Antrag ist somit abgelehnt. Der Titel „Veteranenbeihilfe" wird bewilligt. Das Haus beginnt sodann die Beratung des Kolonialetats.
Abg. Semler (ntl.) berichtet über die Kommissionsverhandlungen.
Staatssekretär Der n bürg erklärt, wenn der Kolonialetat auch diesmal wieder in so außerordentlichem Um- fana in der Kommission beraten worden sei. so sei das
ein erfreuliches Zeichen, daß das Interesse der deutschen Nation für die Fragen des kolonialen Lebens sich dauernd in steigender Richtung bewege und daß sich auch in den Kreisen der äußersten Linken, die sich früher vollständig ablehnend verhalten haben, das Interesse rege. Ohne auf die Beobachtungen seiner Reise nach Ostafrika, die gedruckt vorliegen, näher einzugehen, wolle er nur hier feststellen, was eigentlich diese Politik sei. Zu diesen programmatischen Darstellungen habe er eine große Reihe von Zustimmungen erhalten. Die programmatischen Sätze seien: Angestrebt werde, eine deutsche Regierung, die das Vertrauen aller in den Kolonien vertretenen Stände, Berufsarten und Rassen zu erwecken habe, die den großen Aufgaben vorwiegend wirtschaftlicher Natur gewachsen sei, die das Ansehen der Beamten verstärke und dafür sorge, daß ihren Anordnungen unverweigcrlich Folge geleistet werde, und die den Mut habe, sich durchzusetzen. Daraus folge, daß es eine Regierung sein müsse, die Gerechtigkeit und Wohlwollen gegen Farbige und Weiße habe. Wir wollen eine zielbewußtc Kolonialpolitik großen Stils. Dazu gehört vor allen Dingen ein gut vorgebildetes Beamten- verional. Auch die Offiziere und die Schutztruppe müssen ihren Aufgaben entsprechen. (Zustimmung.) Ferner liege der Regierung daran, daß die Verwaltungsbeamten sich längere Zeit im Schutzgebiet aufhalten, um Kenntnisse von Land und Leuten zu erlangen.
Abg.^ Richthofe n (kons.) bezeugt dem Staatssekretär, daß er den besten Willen habe, erfolgreiche Kolonialpolitik zu treiben.
Abg. Arning (natl.) meint, der Staatssekretär unterschätze die Bedeutung der Arbeit der Meisten für die Erschließung der Kolonien.
Abg. Spahn (Ztr. fordert Maßnahmen gegenüber dem Raubbau aus Gummi, wie er in den Kolonien betrieben werde.
Hierauf vertagt sich das Haus.
Landesnachrichten.
Reutlingen, 17. März. Bei der Sitzung der hiesigen Handelskammer am letzten Freitag wurde Kommerzienrat Fischer von hier einstimmig wieder zum ersten Vorsitzenden und zugleich als Beiratsmitglied in das Gesamtkollegium der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel gewählt. Zu seinem Stellvertreter und als Mitglied des Beirats der Verkehrsanstalten wurde Kommerzienrat Krauß-Pfullingen berufen. — Nach den Rechnungsergebnissen der Kammer hatte diese im Jahre 1907 bei einem Gewerbesteuerkapital von Handel und Industrie des Bezirks mit 16 340 200 Mk. und drei Viertel pro Mille Umlage hieraus nebst Zinsen aus dem Betriebsfonds an Einnahmen 13 081,21 Mk. und an Ausgaben 9831,65 Mk. zu verzeichnen. Der Voranschlag für 1908 wurde bei der gleichen Umlage in Einnahmen und Ausgaben auf je 12 800 Mk. festgesetzt. Dem Kolonialwirtschaftlichen Komitee in Berlin und dem Deutschen Museum in München Bewilligte die Kammer je einen Jahresbeitrag von 50 Mk. Beschlossen wurde noch, an die Regierung das Ersuchen zu richten, es möge auch für Württemberg ein Scheckamt errichtet und der Postüberweisungs- und Scheckverkehr möglichst bald eingeführt werden.
js Stuttgart, 17. März. Die Württeinbergische Privatfeuerversicherung a. G. in Stuttgart hatte im Geschäftsjahr 1907 einen Ueberschuß von 3 425 636 Mk. Den Mitgliedern wird wie feit dem Jahr 1879 unverändert 60 Prozent Dividende aus den für 1907 08 bezahlten Prämien überwiesen.
ff Stuttgart, 17. März. Gewissenlos hat der vorbestrafte, verwitwete Taglöhner Karl Braun von Reutlingen an seiner Braut, einer armen Strickerin, gehandelt. Er stahl dem
Bau' nicht zu hoch und mühsam An Deines Lebens Geschick.
Sechs Bretter brauchst Tu zum Sterben Vier Wände zu Deinem Glück!
Angiolina
Novelle von HanS von Basedow.
Fortsetzung.
.rvcutter, Muner!"
Als er sie sah, taunielte er mit einem heiseren Schrei zurück, er schlug die Hände vor das Gesicht und sank in einen Stuhl Ihr Gesicht schon lehrte, daß sie daS nicht brachte, was er ersehnte.
Ruhig sprach sie ihm zu. Alles sagte sie ihm, was sie dachte und suhlte — wie es ihm nur Unglück bringen, wie er mir elend werden würde und einst der Stunde fluchen, wo er die Tochter einer Verlorenen gefreit.
Er sagte nichts, er starrte nur vor sich bin. aber aus seinen Zügen sprach etwas, das die Mutter entsetzte. Sie trat zu ihm »nd legte ihm die Hand auf den Kopf, wie sie es immer gern gethan, um ihn zu beruhigen. Er zuckte bei der Berührung, die ihm sonst immer so wohl gethan, zusammen und sprang auf.
„Laß das, laß das — Du hast mich elend gemacht."
„Mein Sohn!" — schmerzvoll fuhr die alte Dame auf — „was ich thur, tbue ich aus Liebe."
»Ja. ja. aus Liebe, ich weiß es."
„Aus zärtlicher Mutterliebe, aber die Mutterliebe ist egoistisch, das eigen- Glück hält sie auch für das Glück des Kindes, der klare Blick trübt sich durch diese Liebe, sie sieht nur das, was sie für das Glück des Kindes hält, nicht das. was das Glück des Kindes ist. Du darfst uns nicht trennen, Du kannst.und darfst es nicht, denn Du kannst die Folgen nicht ermessen."
»Ich muß es. mein Sobn. Ich kann und darf Euch nickt
segnen, kann und darf den Schwur nicht lösen! Was hat das junge Mädchen gethan, das bewiese, daß sie anders ist, wie die anderen — eine große, edle Thai — sie könnte manches, sie könnte alles vergessen machen, aber wer ist sie? Und nicht nur das, die Tochter jenes Weibes ist es, die Dich, wenn auch unwissentlich. zur ersten Unwahrheit gezwungen. Du hast mir nicht gesagt, wer ihre Mutter ist."
„War das ein Unrecht? Nein, es sollte Dich vor Ungerechtigkeit bewahren. Du solltest sie nicht anders beurteilen, wie sie ist — und das wäre geschehen, hättest Du es gewußt."
Er war merkwürdig ruhig geworden. Sein Gesicht war fast ehern geworden, nur um seine Lippen zuckte es ab und zu. in seiner Stimme bebte die verhaltene Erregung. Die Mutter sah ihn erstaunt an. dies ruhige Wesen vermochte sie nicht zu fassen.
„Du magst recht haben", nickte sie. „der Mensch ist nun einmal der Sklave der Gewohnheiten und Vorurteile."
„Und ich wollte, daß Du ihren wahren Wert erkennen solltest, ihre goldene, reine Natur. An ihr haftet kein Makel, nicht die leiseste Spur von ihrer Mutter."
„Und wäre es so, würde es stets so bleiben? Und wenn auch das? Käme nun einst renes Weib in Dein Haus, di! Mutter Deines Weibes?"
„Dann würde ich sagen — das Vergangene sei tot — wir wollen das Tote ruhen lassen. Finde Frieden, finde Ruhe im Glück Deines Kindes."
„Ruhe und Frieden?! Und das kannst Du glauben! Und wenn auch — würde Dein Weib nicht erfahren, was ihre Mutter war. würde die Mutter Dein Weib nicht verderben?"
„Ein reines Herz bleibt mir, ein Weib verdirbt nicht, wenn ihm der geliebte Mann fest zur Seite steht."
Frau Engelhardt wiegte den Kopf.
„Mein lieber, lieber Sohn — wozu erwägen, was nicht sein darf? Wenn ich Dir einen Schmerz bereite, so ist es doch nur zu Deinem Besten."
Mädchen ans dein Kasten deren sauer verdiente Ersparnisse im Betrage von 134 Mk. und verjubelte das Geld mit zwei leichtfertigen Frauenzimmern. Nachdem er das gestohlene Geld verbraucht hatte, erhob er noch bei einer Bekannten seiner Braut auf deren Namen ein Darlehen von 10 .Mk. Die Strafkammer schloß mildernde Umstände aus und verurteilte den gewissenlosen Bräutigam wegen je eines im Rückfalle verübten Diebstahls und Betrugs zu einem Jahr vier Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust.
Stuttgart, 17. März. Heute früh zwischen halb und dreiviertel 8 Uhr wurde in dem .Hause Nr. 74 der.Hasenbergstraße ein frevelhafter Anschlag versucht und teilweise auch zur Ausführung gebracht. Als die Inhaberin einer Restauration, die Witwe Katharine Killinger, mit ihren beiden Kindern, einem etwa 9 jährigen Knaben und einem wenige Jahre älteren Mädchen, sich eben zum Frühstückstisch begeben wollte, eilte der Junge nochmals die Treppe hinauf, um in denr im 1. Stock gelegenen Schlafzimmer der Familie seinen Mantel zum Schulgang zu holen. Hier gewahrte der Knabe in der Mitte des Zimmers einen Mann, der in der Absicht zu stehlen eingedrungen war. Der Eindringling eilte auf den erschrockenen Jungen, der laut aufschrie, zu und drückte ihm den Mund zu. Mit eigem auf hem Tisch liegenden Küchenmesser verletzte er dann den wehrlosen Knaben durch mehrere Stiche und Schnitte an der Luftröhre und an der Hand. Auf dem Weg ins Freie wurde der Verbrecher dann von zwei Gästen der Wirtschaft festgehalten, doch gelang es ihm auf noch nicht ganz aufgeklärte Weise, sich wieder zu befreien. Das verletzte Kind wurde sogleich mit dem Krankenwagen ins Olgaspital verbracht, wo man feststellte, daß die Wunden dem Kleinen zwar unter Anwendung von ziemlicher Gewalt beigebracht worden sein mußten, daß aber, wenn keine Komplikationen hinzutreten, Heilung in Aussicht zu nehmen ist. Von dem Verbrecher fehlen bis jetzt noch sichere Spuren.
sj Ettenhausen O.A. Künzelsau, i 7. März. Der etwa zwanzig Jahre alte Konditorgehilfe Fritz, der erst vor kurzem aus Amerika hierher zurückgekehrt ist, kam während eines Spaziergangs plötzlich zu Fall. Im gleichen Augenblick krachte ein Schuß, der den Verunglückten tödlich verletzte. Der junge Mann, ein hiesiger Lehrersohn, trug einen geladenen und ungesicherten Revolver in der Tasche, der ihn: zum Verhängnis geworden ist.
17. März. Im hiesigen Soldaten- und Jugendheim tagte vorgestern die zweite oberschwäbische Gau- konserenz für Sonntagsschulen. Hauptgegenstand der Beratungen bildete ein Referat des Schriftführers der würt- tembergischen Sonntagsschulen, Dehlinger, über die gottesdienstliche Ordnung in den Sonntagsschulen. In der Aussprache über dieses Thema kam hauptsächlich zum Ausdruck, daß dem Gesang, und zwar dem fröhlichen, das Kindergemüt erhebenden Gesang ein breiter Raum im Kindergottesdienst eingeräumt werden müsse. Für eine reichere liturgische Ausgestaltung der Kindergottesdienste sei die nüchterne Gemütsanlage des Schwaben nicht geschaffen.
Langenargen, 17. März. Die Sattlersfrau Alber, hier, welche schon viele Jahre in hiesigen Privathänsern als Wäscherin arbeitet, wurde wegen Diebstahls verhaftet, jedoch vorläufig wieder auf freiem Fuß belassen. Die Frau besitzt ein eigenes Haus und Vermögen. Sie benützte ihre Arbeitsgelegenheit schon seit 10—15 Jahren zu ausgiebigen Diebstählen und plünderte ihre Arbeitgeber systematisch aus. Bei einer dieser Tage bei der Alber vorgenommenen Haussuchung fand man ein ganzes Warenlager an verschiedenen Orten versteckt. Die gestohlenen Waren wurden konfisziert und in mehreren Fuhren auf das Rathaus befördert, woselbst die Eigentümer sich melden können. Der Wert der gestohlenen Sachen dürfte sich au!
„Einen müden, elenden Menschen ans mir zu machen, das ist zu meinem Besten? Das glaubst Du selbst nicht, Mutter."
„Wenn es nicht mein felsenfester Glaube wäre, handelte ich nicht so."
„Dein Glaube? — Mutter, Mutter, er macht Dich hart und fübllos. Ein solcher Glaube ist tot. — Es ist nicht Mutterliebe, eS ist Selbstsucht, die aus Dir spricht!"
Ein paar Thränen rannen über die Wangen der alten Dame.
..Daß Du mich verkennen kannst, mein Sohn, daS tbut mir bitter web."
Er beugte sich zärtlich zu ihr und küßte ihr die Wangen.
„Nein, nein, ich verkenne Dich ja nicht. Du verkennst Dich selbst. Dein gutes, gerechtes Herz kann meinem Flehen, kann ibrcm reinen Wesen nicht widerstehen. Und deshalb bin ich ruhig."
Sie sah ihn fest an und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Wozu ein qualvolles Hin und Wider. Besser, wir enden schnell. Mein Sohn, ich darf nicht anders bandeln, ich darf Dich des Schwures nicht entbinden."
„Mutter!"
Er war von ihr zurückgewichen und sah sie mit weit« aufgeriffenen Augen an-
„Den Schwur, den ich in unbedachter Jugend in einer elenden Stunde meines Lebens geleistet, darfst Du nicht zur Tyrannei benutzen. — Mutter. Mutter — es ist unmöglich."
Sie schüttelte ruhig den Kopf.
„Beruhige Dich, wozu durch Groll und Mißverstehen schwerer machen, was ohnehin schwer genug ist? Ich darf nicht ander» iandeln, wie ich bandle. Laß es Dir genug sein, eS ist mein letztes Wort."
..Mutter - Du - Du er lachte grell auf. „ah - D» -«sündigst Dich mit Deiner Mutterliebe, Du bringst zwei Nenschen um ibr Lebensglück!"
Frau Engelhardt ruckte zusammen, so hatte ihr Sohn nie