nehmen. Die Leute wissen nicht ausführlich genug, daß die Weitererhaltung des alten Kirchhofs eine solch große Summe erfordert, ihnen ist nur bekannt, daß ein neuer Friedhof Geld kostet. Das Kollegium einigt sich darauf, daß Herr Brrz in noch zu vereinbarender Zeit einen öffentlichen Vortrag über das behandelte Thema hält. Inzwischen wird der Referent vom Medizinalkollegium bestellt werden, um seinerseits sich die Dinge anzusehen. Den Leuten, die durch das Graben bezw. Auflassen der Probelöcher geschädigt sind, wird eine Vergütung zuteil werden.
Das Entlassungsgesuch, das Stadtbaumeister Hohnecker aus Gesundheitsrücksichten eingereicht hat, wird mit der vom Vorsitzenden vorgeschlagenen Regelung der Pensionsverhältnisse des betr. Herrn genehmigt. Stadtsch. Conz spricht dem pflichttreuen Beamten auch vor der Oeffentlichkeit seinen Dank für die geleisteten Dienste aus und bedauert, daß ein Mann in dem noch keineswegs hohen Alter wegen Krankheit seine Arbeit niederlegen muß. Bezüglich der Stellvertretung für Herrn Hohnecker soll in Unterhandlungen mit einem der beiden Oberamtsbaumeister eingetreten, die Besetzung der Stelle aber beschleunigt werden. Die Regelung der Gehaltsbezüge des neu anzustellenden Stadtbaumeisters fand gleichfalls ihre zufriedenstellende Erledigung. — Die örtliche Verbrauchsabgabe für Bier wurde vom Eemeinderat seinerzeit festgesetzt für 100 Liter Bier auf 60 Pfg., für einen Doppelzentner un- geschrotenen Malzes auf 2.50 Mk. Das Ministerium des Innern gab einen Erlaß an die Stadt, nach welchem entweder die Abgabe für Malz auf 2.80—3 Mk. erhöht oder aber der Satz für eingeführtes Bier auf 50 Pfg. herabgesetzt werden soll, um eine Gleichsetzung der beiden Berechnungsarten herbeizuführen. Unter energischem Widerspruch von B.-A.-M. Hil- ler beschließen die Kollegien, den Satz für Malz auf 2.80 Mk. zu erhöhen. — B.-A.-M. Schnauf- fer möchte Aufklärung darüber, warum die Stuttgarter Straße, bezw. der Teil, der an seinem Anwesen entlang führt, nicht so ausgebaut worden sei, wie sie ausgesteckt wurde. Ihm sei versichert worden, die Straße beginne erst in einer Entfernung von 2,20 Meter von seinem Haus, tatsächlich aber seien es nur 1,20 Meter. Der Vorsitzende kann keine Auskunft über diesen Fall geben. Das von Herrn Schnauffer geschilderte Vorgehen wird vom Kollegium allgemein verurteilt. — Damit war die Tagesordnung erschöpft.
kt. Lehrernachwuchs. Auf Grund der erstandenen ersten Dienstprüfung für Volksschullehrer sind laut Bekanntmachung des Evang. Oberschulrates 167 Lehramtskandidaten zur Vorsehung von unständigen Lehrstellen für befähigt erklärt worden, darunter: Eotthold Auer von Neubulach, O.-A. Calw; Johann Baier von Oberlengenhardt, O.-A. Neuenbürg; Christian Bahlinger von Altingen, O.-A. Herrenberg; Ernst Bott von Wildbad, O.-A. Neuenbürg; Christian Biihler von Rotfelden, O.-A. Nagold; Karl Erhardt von Unterreichenbach, O.-A. Calw; Gottlob Gauß von Neusten, O.-A. Herrenberg; Adolf Härtter von Sulz, O.-A. Nagold; Ernst Kläger von Beihingen, O.-A. Nagold; Friedrich Lutz von Altingen, O.- A. Herrenberg; Friedrich Müller von Enzthal, O.-A. Nagold; Gustav Müller von Rotensol, O.-A. Neuen
bürg; Jmanuel Rebmann von Aichhalden, O.-A. Calw; Theophil Rein von Pfäffingen, O.-A. Herrenberg; Otto Rudolf von Lalw; Robert Schmidt von Weilderstadt, O.-A. Leonberg; Friedrich Seid von Zumweiler, Gde. Ueberberg, O.-A. Nagold; Friedrich Weimer von Nebringen, O.-A. Herrenberg.
X Die Landesoerbandsversammlung der evangelischen Arbeitervereine Württembergs wird an den Pfingstfeiertagen in Biberach abgehalten. Den Hauptvortrag wird der frühere Verbandsvorsitzende Professor Dr. Schöll-Friedberg über Arbeiterstand und Arbeiterjugend halten.
sei). Mutmaßliches Wetter. Von Nordwesten nähert sich eine neue Depression, die zunächst aufheiternd gewirkt hat, jedoch den Hochdruck abermals verdrängt. Für Samstag und Sonntag ist deshalb eine Fortsetzung des typischen Aprilwetters zu erwarten.
X Zur Frühjahrssaat. Auf den Artikel in Nr. 83 dieses Blattes betr. Beizen des Saatgutes mit Formalin möchte ich erwidern: Ich habe voriges Spätjahr meinen Dinkel erstmals mit Formalin gebeizt (früher auch mit Vitriol). Desgleichen haben die Probe noch fünf hiesige Bürger versucht, teils mit Dinkel, teils mit Weizen, und haben alle gute Erfahrungen damit gemacht; die Frucht steht ausgezeichnet, weit besser als mit Vitriol gebeizt. Schon der Einfachheit wegen ist dem Beizen mit Formalin der Vorzug zuzuschreiben. Selbstverständlich ist, daß beim Beizen, sei es mit Formalin oder Vitriol, an der Saatfrucht nicht gespart werden darf, denn der getötete Pilz ist nicht mehr keimfähig. Sch. B.
Württemberg.
Zum Tode der Herzogin Wera.
Herzogin Wera Konstantinowna war als Tochter des Großfürsten Konstantin, eines jüngeren Bruders des Kaisers Alexanders II. und Bruders der verewigten Königin Olga von Württemberg, am 16. Februar 1854 in Petersburg geboren, hat also nur ein Alter von 58 Jahren erreicht. Früh verwaist, kam sie zu ihrer Tante, der Königin Olga, nach Stuttgart, die sie erzog und an deren Seite sie ihre ganze Jugend bis zu ihrer Verheiratung verlebte, wie sie auch von der Königin zur Erbin ihres Privatvermögens eingesetzt wurde. Am 8. Mai 1874 vermählte sich die junge russische Großfürstin mit dem um acht Jahre älteren Herzog Eugen von Württemberg, der ihr aber bereits am 27. Januar 1877 durch einen jähen Tod wieder entrissen wurde. Aus dieser Ehe ist das am 1. März 1876 geborene Zwillingstöchterpaar vorhanden, Herzogin Elsa und Herzogin Olga, die sich mit zwei Brüdern unserer Königin, den Prinzen Albrecht und Maximilian zu Schaum- burg-Lippe, verheirateten, und von denen Herzogin Elsa mit Gatten und Kindern in Brünn, Herzogin Olga seit 1. April 1904 bereits wieder verwitwet, mit ihren beiden Söhnen in Ludwigsburg weilt. Herzogin Wera gehörte ihrer Abstammung nach zum russisch-orthodoxen Glauben, in dem sie auch nach ihrer Verheiratung und noch jahrzehntelang als Witwe verblieb, bis sie am 25. März 1909 zum evangelischen Glauben übertrat. Sie war II. Chef des Ulanenregiments König Karl (1. Württ.) Nr. 19 in
Ulm und Chef des kaiserlich-russischen 22. Infanterie- Regiments in Nishni-Nowgorod. Die hohe Frau war in den beinahe 50 Jahren, die sie auf schwäbischer Erde verlebte, allmählich mit dem schwäbischen Volke eins geworden. Geliebt und gehrt im ganzen Lande war sie um ihrer großen Wohltätigkeit willen, mit der sie dem Vorbilde ihrer verewigten Tante folgte. Groß ist die Zahl der Stiftungen und Einrichtungen, die sie für die Werke christlicher Nächstenliebe errichtet und getroffen hat. Ihre letzte bedeutende Tat dieser Art war die Schenkung eines Bauplatzes und Baufonds für eine neue evangelische Kirche bei der Villa Berg. Sie hat sich vergeblich darauf gefreut, die Einweihung dieses Gotteshauses noch zu erleben. Die Trauer um ihr Hinscheiden ist allgemein und aufrichtig. Das württembergische Volk wird ihr gesegnetes Andenken in Ehren halten. Es empfindet auch lebhaft den schmerzlichen Verlust unseres Königshauses, das aufs neue so jäh in tiefe Trauer versetzt wurde.
Verein für Schulgesundheitspflege.
Stuttgart, 10. April 1912.
Die Jahresversammlung des Stuttgarter Vereins für Schulgesundheitspflege fand unter großer Teilnahme von Vertretern verschiedener Behörden, der Stuttgarter Stadtverwaltung und zahlreicher Schulmänner gestern und heute hier statt. Der Vereinsvorsitzende Stadtarzt Professor Dr. Gaspar hielt die Eröffnungsansprache. Den ersten Vortrag hielt gleichfalls Professor Dr. Caspar über „Gesundheitszustand der Stuttgarter Volksschüler" nach Untersuchungen an 46000 Schulkindern. Erheblich sei die während der Schulzeit eintretende Abnahme der Sehschärfe, wobei die Kinder der Stadt das größere Kontingent stellen als die aus den Vororten. Schlecht genährte Kinder erfahren Schädigungen an der Wirbelsäule, während die Tuberkulose bei Schulkindern nicht in stärkerem Maße wahrzunehmen ist. In Stuttgart geben Stadt und Verein für Schulgesundheitspflege 200 000 Mk. jährlich aus, darunter die Stadt für Milch 50 000 Mark, für Solbäder 35 000 Mk., für Ferienkolonien 2000 Mk., für Verpflegung 3000 Mk. und für Erholungsheime 9000 Mk. Die Vereine leisten Beisteuern für Solbäder 15 000 Mk., für Ferienkolonien 25 000 Mk., für Verpflegung 14 000 Mk. und für Erholungsheime 6000 Mk. Dr. Türk brachte einen von Professor Dr. Reichten ausgearbeiteten Vortrag über den „Ungeteilten Unterricht in den höheren Schulen" zur Verlesung. Der ungeteilte Unterricht sei besonders für den Sommer und Winter zu empfehlen. Notwendig sei dann aber auch die Schaffung guter Spielplätze und Turnhallen und besonders das Unterbleiben größerer Hausarbeiten. Korreferent Reallehrer Dam- bacher trat ebenfalls für den ungeteilten Unterricht, gleichzeitig aber auch für die Kurzstunde von 45 Minuten ein. In der sich anschließenden Diskussion führte Ministerialrat Dr. Marquardt aus, daß die Abkürzung der Schulzeit auch die Reduzierung des Lehrstoffes bedinge, lieber „Schulhausbauten" sprach Vaurat Knoblauch. Redner empfahl u. a. den fugenlosen Bodenbelag, Luftheizung nach amerikanischem System und einen
Tyrann Ehre.
18) Roman von K. Lubowski.
(Fortsetzung.)
Neben ihr schlägt eine dralle Köchin die Hände zusammen. Sie weiß sich kaum vor Staunen zu fasten, als sie endlich ihren Herzallerliebsten herausgefunden hat.
„Nee, Frau Müllern, wie sieht der Mensch bloß aus! Vraungebraten wie 'ne knusperige Gans." Und sie lacht und zeigt die Reihe der weißen, gesunden Zähne. Dann rückt sie das Häubchen kokett nach vorn, und drückt den Marktkorb, den sie zur Beruhigung ihrer mißtrauischen Gnädigen mitgenommen hat, zärtlich ans Herz. Die Sone spielt weiter mit den goldenen Uniformknöpfen und den Helmkugeln. Ihre blanken Strahlen huschen vergnügt über die blonden und braunen Mädchenzöpfe. Es ist ein heimliches Küssen hin und her! Ein Vorgeschmack der abendlichen Wiedersehensfeier.
Jetzt stimmt einer, dessen Militärzeit ihr Ende erreicht hat, ein Lied an. Schmetternd und jubelnd fallen die andern mit ein:
„Reserve hat Ruh,
Und wenn Reserve Ruhe hat,
Dann hat Reserve Ruh."
Bald verstummen sie jedoch wieder. Sie reiten in die Stadt. Zuerst an des Obersten Villa vorbei. Die jungen Leutnants, die noch nicht sehr lange im Regiment sind, schauen verstohlen zu den Fenstern hinauf, in der Hoffnung, die schöne, stolze Adda zu
sehen. Wer ihr Hoffen bleibt unerfüllt. Dichte Vorhänge verwehren den Einblick in die Reihe der Zimmer. In der unteren Etage sind sogar die Läden geschlossen.
Leutnant von Tarenberg lächelt glücklich. Er versteht sein Lieb. Keiner, außer ihm, soll sie sehen, wie damals beim Auszug.
Als er hart an der Fliederlaube des Wachen- husenschen Gartens vorüberreitet, gleitet eine schmale Hand durch das Gewirr der Blätter. Ein dunkler Kopf wird sichtbar. Addas tiefe, sehnsüchtige Augen strahlen ihn an. Die andern merken es nicht. Sie sitzen ganz allein in ihrem Paradies und feiern die Weihesekunden des Wiedersehens. Er hält sein Pferd ein wenig zurück, ihre Blicke ruhen ineinander, sie sagen sich ein seliges, jauchzendes Wort, gottlob, daß wir uns wieder haben. Dann geht es weiter trab — trab — trab.
Tarenberg legt die Schenkel fest an seinen Gaul und nimmt ihn scharf heran. Er möchte jetzt allein sein, lieber die flachen grünen Wiesen hinter der Stadt galoppieren, Gräben nehmen und Hindernisse springen, damit das wilde, sehnsüchtige Gefühl, das, sobald die Geliebte seinen Blicken entschwand, stärker wie vordem in ihm brennt, in der tollen Kraftprobe unterginge.
Im Kasernenhof auf der Lafette seines Geschützes sitzt der Einjährige der 5. Batterie, Klaus Wiedental. Was hat der wohl hier zu suchen? Noch dazu um die Zeit, in der er sonst mit großer Pünktlichkeit zum Mittagessen zu gehen pflegte? Der lustige, von tollen Einfällen geradezu überschäumende neunzehnjährige Springinsfeld, der direkt nach be- ^ standenem Abitllr in die langschästigen Artillerie
stiefel hineingeschlüpft ist, dem sie alle gut sind, von der dicken Regimentsmutter an bis zum Herrn Major aufwärts, warum bläst er Trübsal? Er hat den kurzgeschorenen, blonden Kopf tief geneigt und den Arm auf das Geschützrohr gestützt, als müßte er etwas zum Festhalten haben.
Er ist heute entlasten worden. Sein Jahr ist zu Ende. Er kann gehen. Soweit ist alles in Ordnung. Aber das Andere, das Unfaßbare, das wider die Gerechtigkeit und das Menschengefühl geht, das darf nicht sein. Er opponiert dagegen. Womit hat er das verdient? Das — Das — Wenn er nur mit seinen Gedanken sich durchfinden könnte. Sie haben es ihm doch ein ganzes Jahr fast jeden Tag aufs neue zu verstehen gegeben, daß er der beste, zuver- lässiaste Soldat der 5. Batterie sei, verwöhnt und gehätschelt haben sie ihn, und dennoch zuletzt nicht würdig und rein genug befunden, den Offiziersrock dereinst zu tragen, nicht wert, das silberne Portepee an der Seite zu haben. Als er die Nachricht erhielt, daß er zum Offizierexamen nicht zugelassen sei, hat er das ganze für einen Scherz gehalten und gelacht. Sein klingendes, übermütiges Jungenlachen. Wenn sie ihn nicht brauchen konnten, ja, dann wußte er nicht, was ihre Verheißungen und Neckereien, die auf sein Avancement Bezug hatten, für einen Zweck gehabt haben sollten. Man erlaubt sich mit dem heiligsten Wunsch eines begeisterten Herzens doch keinen Spott. —
Sie hatten es ihm hundertmal angedeutet, wie sie sich auf ihn freuten und ihn dadurch zu immer größerem Pflichteifer angestachelt.
(Fortsetzung folgt.)