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Zweites Blatt.
Dienstag, is. Dezember
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
Gegründet
1877.
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Verwendbare Beiträge sind willkommen
1906.
Die neue Reichs-Erbschaftssteuer.
(Nachdruck verboten.)
Unter den Muten im neuen Reichs-Steuer-Bukett, welches der Staatssekretär Freiherr von Stengel schön ge» wunden dem deutschen Reichstage übergeben hat, ist die interessanteste die Reichs-Erbschaftssteuer, und zwar schon deshalb, weil hier zum ersten Male der bestimmte Vorschlag gemacht wird, eine direkte Steuer von Reichswegen aus zu erheben, während bisher die unmittelbaren Abgaben Sache der Einzelstaaten waren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der „Reichsfinanzmiuister," denn als solcher tritt der Freiherr von Stengel Loch bei der Finaozreform wirklich auf, ursprünglich aus der Erbschaftssteuer viel höhere Beträge, als sie jetzt vorgesehen find, zu ziehen gedachte, so daß andere in Vorschlag gebrachte Steuern hätten fortfalleu können, aber dieser Plan stieß auf Widerspruch bet der preußischen Regierung und anderen Staaten, und so wurde aus dem Gesetz die Besteuerung der Erbschaften der allernächsten Angehörigen, also derjenigen von Kindern und Eltern, entfernt, diese mithin freigelosseo. Nun hat sich aber bet den im Reichstage stattgehabten Verhandlungen herausgestellt, daß die starke Mehrheit der Abgeordneten gerade die Erbschaftssteuer als genehmstes Stener-Objekt betrachtet und sie dermaßen erhöhen will, daß vor Allem die neue Biersteuer überflüssig wird. Za dieser Erhöhung wäre in ersier Reihe die Aufhebung der Steuerfreiheit der Erbschaften der Eltern und Kinder erforderlich, und es wird sich nun fragen, wie hierüber eudgiltig die Mehrheit der verbündeten Regierungen denkt. Dieser Punkt wird der wichtigste in der ganzen Stenerfrage werden.
Die Stellung der einzelnen Parteien zu dem bedeutsamen Gesetz erscheint heute schon geklärt. Die Konservativen stehen prinzipiell auf dem seither geltend gewesenen Standpunkt, daß die direkten Abgaben überhaupt nicht dem Reiche, sondern vielmehr den Eiuzelstaäten zukommeu, daß die Bedürfnisse der Reichs-Verwaltung also auch weiterhin nur anS indirekte» Zöllen und Abgaben zu decken find. Durch Zustimmung zum Erbschaftssteuergesetz haben aber die verbündeten Regierungen heute schon gezeigt, daß sie meinen, nur mit indirekten Steuern werde man künftig, sofern dieselben nicht drückend werden sollen, nicht aus- kommeu; sie begegnen sich mit der konservativen Partei aber in der von dieser jedenfalls erhoheuen Forderung der Steuerbefreiung für die Erbschaften von Kindern und Eltern. Gerade auf die allgemeine Besteuerung aller Erbschaften legt aber die Zeutrums-Partei Gewicht, ebenfalls dafür sind die Freisinnigen, nicht abgeneigt find die Nationalliberaleu, und, was auf den ersten Blick überraschen könnte, auch die
Sozialdemokraten dürften für eine scharfe Erbschaftssteuer zu haben sein. Wie bei der Aufhebung der Privatpost- austalten würde also auch hier die Partei des Herrn Bebel rundweg für eine Regierungsvorlage eiutreteo, ja sogar mehr geben wollen, als diese verlangt. Der Fall ist selteo, erklärt sich aber daraus, daß die Sozialisten dem bürgerlichen Wohlstand mit allen Kräften za Leibe gehen wollen.
Die Bevölkerung Deutschlands kennt das Wort von den .lachenden Erben", sie weiß, daß Erbschaften zwischen entfernten Verwandten oder gar Fremden eigentlich nichts Anderes, denn ein glücklicher Zufall fiud. Besonders über diejenigen Erbschaften, in welchen das Vermögen arbeitsamer Leute und die Ersparnis eines ganzen Lebens Personen zugeht, die sich davon einen vergnügten Tag bereiten, die , ernten, wo sie auch nicht im mindesten gesät haben, hat > unser Volk sehr bestimmte und recht scharfe Ansichten, und deshalb besteht auch keiue Abneigung gegen die strenge Besteuerung solcher Zufalls-Erwerbungen von Vermögen. Anders steht es freilich mit den Erbschaften zwischen den allernächsten Angehörigen, bei denen die Steuer Eingriffe in die engsten Familieo-Angelegenheiteu bringt. Und unsere Reichsboteu dürften doch Wohl gut tu?', einmal Fühlung hierüber mit ihren Wählerkreiseu zu nehmen, sie würden dabei auf Meinungs-Verschiedenheiten kaum stoßen. Wir meinen, es sollte deshalb irgend ein Ausweg gesucht werden, der alle peinlichen Zukunftsgedankeu über die Reichs- Finanz Reform verhütet.
Deutscher Keichstug.
Berlin, 16. Dezember.
Der Reichstag ist am Freitag in die Weihuachts- seriell gegangen, nachdem er noch zwei Sitzungen abgehalteu hat. Die südwestafrikanische Bahnvorlage (Lüderitzbucht- Kubub) wurde mit allen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten and Polen angenommen und dann die erste Lesung des Etats, der Finaozreform und der Flottenvorlage beendigt. Aus der Erörterung sei hervorgehoben, daß Kolonialleiter Erbprinz Hohenlohe erklärte, er werde Brutalitäten in den Kolonien nicht dulden. Staatssekretär Graf Posadowsky wandte sich gegen die Sozialdemokratie, die eine.Klassenherrschaft" beseitigen wolle, um eine andere an deren Stelle zu setze», und verbreitete sich noch einmal über Opferwilligkeit. Diese müsse freiwillig sein und in weiterem Sinne aufgefaßt werden. Die sozialdemokratische Bewegung habe inuerre Ursachen und auf diese hivzuweisen, sei der Zweck seiner ueulicheu Ausführungen gewesen. Das zu sage», werde er stets den Mut haben. Abg. Stöcker (parteilos) meinte, zur Rettung könne nur die Unterstützung
der christlich-sozialen Abeiterbeweguug führen. Die nächste Sitzung findet erst am 9. Januar statt mit der Tages' Ordnung: Rechvuugssachen.^
Hlichard Löwenherz ««d sei« Hsaladi». kpie Erzählung für die Jugend aus Palästinas Vergangenheit und Gegenwart von Richard Roth. Mit acht Vollbildern. — Preis elegant geb. Mk. 5. Den Mittelpunkt dieser spannenden Erzählung bilden die Taten des sagenumwobenen englischen Königs Richard Löwenherz während des dritten Kreuzzuges gegen den hochherzigen Sultan Saladin. Daneben geht die spanende Schilderung von Land und Leuten des heutigen Palästinas, daS ein englischerLord mit seinem jungen Sohn und Neffen durchzieht, um die Gegenden kennen zu lernen, in denen sein Urahne während jenes Kreuzzuges so manches Abenteuer bestanden hat. Es ist zu beziehen durch die W. Ri-ker'sche Bnchha«dtu«g.
Die große Frage.
Was streckt ihr die verkrümmten Hände aus,
Was wollen eure Augen mit den treuen Blicken,
Ihr, ärmsten Kleinen in dem Kiuderkrüppelhaus?
Gesteht es frei, was mag euch wohl das Herz bedrücken? Wollt ihr uns euren Jammer denn ausklagea? —
„Nein, nein! Wir wollen alle eins nur fragen:
„Hast du mich lieb?" —
Es kriecht, es rutscht von allen Seiten her,
Gebückt, gelähmt, blind, taub, bedeckt mit bösen Wunden. Warum der Jammer, namenlos und schwer?
Warum die Kindlein schon vou Weh und Leid umwundeu? Der Stärkste kann den Anblick nicht ertragen:
Der Kinder Elend will ihn eins nur fragen:
»Hast du mich lieb?" —
Hast du noch einen, der dich liebt, ist alles gut;
Da muß aus tiefstem Dunkel Licht und Freude werden. Neig' dich herab, wo eins die große Frage tut;
Ein Größres als die Lieb' ist nicht auf dieser Erden. Vergiß dein eigen Leid und alles Klagen,
Horch, wie die kleinen Krüppel auch dich fragen:
^ „Hast du mich lieb?' —
Das ist die große Frage der Elendesten, meiner 262 verkrüppelten Kindleiu, die hier aus allen Teilen Deutschlands ausgenommen, ganz unentgeltlich verpflegt werden. Bitte, bitte herzlichst für sie zu Weihnacht um tröstende Antwort, eine Liebesgabe aus milder edler Hand. Auf jedes, auch das geringste Opfer, folgt dankbarer Segcnsgruß. » gerburg Ostpr., Kirrderküppelheim.
Braun, Superintendent.
Berantworüicher Redakteur: Ludwig Lauk, Mensteig.
LefefrucH
Etwas wünschen und verlangen, Etwas hoffen muß das Herz, Etwas zu verlieren bangen Und um etwas fühlen Schmerz. Deine Lust und deine Wonne Mußt du an was immer seh'n, Soll vergeblich Mond und Sonne Nicht an dir vorübergeh'n.
Gleich von unbegrenztem Sehnen Wie entfernt von träger Ruh', Müsse sich mein Leben dehnen Wie ein Strom dem Meere zu. ,
Rückert.
I« letzter Stunde.
Roman vou Henriette vou Meerheim b.
(Fortsetzung).
„Aber das kostet doch auch sehr viel Geld," wandte sie schüchtern ein. „Rennpferde und Trainer erst recht. Wir müssen uns einrichteu mit dem, was die Eltern geben; sie haben so viel für uns getan."
.Soll mir das jedesmal vorgehalten werden, sobald ich auf drei Tage verreisen oder mir ein Pferd auschaffen will?" fragte er scharf. „Angenehme Aussicht I Aber trotz all der großmütigen Opfer gedenke ich mir meine persönliche Freiheit zu wahren I"
Bet dem harten Klang seiner Stimme traten Tränen in Babys Augen. Sie war nur gewöhnt, daß man in sehr liebevollem Ton mit ihr sprach; .ihr tat ein kalter Blick, ein "unfreundliches Wort gleich bitter Weh — und nun gar von ihm I
Sie sah auf ihren Teller hinunter, aber es zuckte verräterisch um ihren kleinen Mund ; vou den langen Wimpern löste sich schnell eine Träne nach der anderen.
„Du gibst ja den Menschen hier ein sehr interessantes Schauspiel!" sagte Köuigseck kalt. Er rückte seinen Stuhl vor, um daS Gesicht der jungen Frau dev neugierigen Blicken der anderen zu entziehen. .Willst du dich jedes
mal wie ein kleines gescholtenes Schulmädchen benehmen, wenn ich mir erlaube, meine Meinung anszusprecheu?"
Baby antwortete nicht. Sie bemühte sich, ihr Weinen zu unterdrücken; nach einigen Minuten flüsterte sie fast un- hörbar etwas von .Einpacken" und lief in ihr Zimmer hinauf.
KönigSeck blieb noch unten fitzen. Sein Koffer würde bis zur Abreise noch zehnmal fertig werden. Er suchte im Kursbuch die passenden Züge heraus und durchflog rasch die Zeitungen.
Er kam immer noch früh genug hinauf in sein Zimmer, zu einer wahrscheinlich unumgänglichen Anseiuauder» setzuug. Schrecklich I Wenn er etwas haßte, dann waren eS Tränen und rührende Bersöhuungsszenen; nun gar schon am frühen Morgen auf nüchternen Magen, wenn es noch vom Abend vorher im Kopf hämmert und Pocht, und man so nervös gereizt ist, daß einen die Fliege au der Wand ärgert!
DaS ist aber eine gute Idee mit dem Rennen, das wird die Langeweile in dem öden Nest vertreiben helfen. Er kann oft nach Baden-Baden fahren I Die Reise ist zwar ziemlich weit, die Verbindung miserabel; aber der Oberst scheint inbezug auf Urlaub und Sport vernünftige Ansichten zu haben. Gewinnt er bei den Rennen — um so besser I Wenn nicht, so müssen die verehrten Herrschaften in Weseudorf wohl oder übel die Verluste tragen helfe». —
Als er in sein Zimmer kam, fand er Baby, allerdings mit recht verweintem Gesicht, fertig im Reisekletd am Fenster fitzen; ihr Koffer war gepackt, sie wartete nur noch auf ihn.
„Kanu ich dir bei deinem Packen helfen?" fragte sie leise. Sie hätte sich so gern in seine Arme geworfen, sich an ihn geschmiegt. Sie verging vor Sehnsucht nach beruhigenden, zärtlichen Llebesverficherungen; aber sein Ton und Blick schüchterten sie vollends ein.
„Nein — ich Hanke l" Er ahmte den etwas kläglichen, zitternden Klang ihrer Stimme spottend nach. „Wenn ich s nur bitten darf, nachher nicht mit solchem Armsünvergeficht bet der Table d'hote zu fitzen I Man möchte sonst glauben,
es wäre meine Angewohnheit, dich im verschwiegenen Kämmerlein zu mißhandeln I"
Baby wurde dunkelrot und stampfte zornig mit dem Fuß auf.
„Bravo I" ermunterte er, „so ist es schon besser. Nar keine Duldermiene, Kleine I"
Baby nahm seine Hand, lehnte ihre Weiche Wange daran, dann drückte sie ihre Lippen darauf.
„Du bist nicht mehr böse?" flehte sie. Bitte, bitte, sei mir nur nicht böse, das ertrag' ich nicht I"
„Böse, ich? Um des Himmels willen, weshalb soll ich denn böse sein? Nar keine Tränen bei jeder Gelegenheit, wenn ich einmal ungeduldig werde."
Er machte seine Hand los und strich flüchtig über ihr Haar.
„Die Frisur läßt allerdings viel zu wünschen übrig," er betrachtete sie kritisch. Merkwürdig I Im Weseudorfer Garten, in ihren Weißen, luftigen Gewändern, mit der Last goldig flimmernden Flechten auf dem kleinen Köpfchen,, war sie selbst seinem verwöhnten Angen reizend erschienen; aber Baby im hohen, grauen Reisekletd, das, von der biederen Rostocker Schneiderin verfertigt, nicht gerade sehr „tailor- made" aussah, mit dem ungeschickt frisierten Haar und blassen, verweinten Gesicht, war kaum hübsch zu nennen.
„Der Rock ist sicher nicht auf Seide gearbeitet," fuhr er fort. „Das muß alles so leise rauschen und knistern, wenn eine Dame geht."
„Ein wollenes Kleid auf Seide?" Baby sah ihn groß „DaS wär' doch toll I"
Er lachte etwas spöttisch.
„Blieben wir noch länger hier, so besorgte ich dir paar vernünftige, englische Straßevkleider. Du bist zwar ganz niedlich, Kleine, aber keine Spur schik."
Ihr ward unter seinen musternden Blicken sehr unbehaglich zu Mut. Es war beinahe, als wenn einer nach übereiltem Kauf an seinem zu rasch erworbenen Eigentum herummäkrlt.
(Fortsetzung folgt.)
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