Jerufprecher Hlr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast".

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Dienstag, 23. Mai

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1906.

Amtliches.

Nach dem Jnvalidenverficherungsgesetz find Gewerbe­treibende und sonstige Betriebsunteroehmer, welche nicht regelmäßig mehr als zwei Versicherungspflichtige Lohnar­beiter beschäftigen, sowie Hausgewerbetreibende befugt, frei­willig in die Invalidenversicherung einzutreten, solaugesiedas40. Lebensjahruichtvollendet haben. Auch können diese Personen beim Ausscheiden auS dem die Berechtigung zur Selbstverficherung begrün­denden Verhältnis die Selbstversicherung fortsetzev. Von die­ser hauptsächlich auf Handwerker und andere Kleingewerbe­treibende, sowie auf kleine landw. Unternehmer berechneten Befugnis der Selbstverstcherung wird bis jetzt nur in sehr geringem Umfang Gebrauch gemacht, obwohl die Beding­ungen dieser Versicherung gegen die wirtschaftlichen Fol­gen der Erwerbsunfähigkeit und des Alters außerordentlich günstig und die aus der Versicherung erwachsenden An­sprüche vollkommen gesichert sind. Das K. Oberamt Na­gold weist in einer Bekanntmachung auf die Vorteile dieser Versicherung hin und gibt den Ortsbehörden für die Arbeiter- Versicherung den Auftrag, belehrend in dieser Richtung zu wirken. Auch ist das Oberamt jederzeit bereit, den Beteilig­ten weitere Auskunft zu geben. _

Versetzt wurde Postmeister Bauer in Nagold nach Waiblingen.

Gagesporink.

Ja Stuttgart befinden sich gegenwärtig zwei japanische Professoren aus Tokio namens Jbuka und Honda, die auf Veranlassung des christl. Vereins junger Männer in dessen Bereinshaus über »Das moderne Japan und das Christentum* sprachen. Die Ausführungen dieser Red­ner find in jetziger Zeit, wo man sich so viel mit Japan beschäftigt, für unsere Leser gewiß von Interesse, weshalb wir sie teilweise wiedergeben. Prof. Jbuka führte aus, daß heute die Lage des Christentums im Lande der aufgehenden Sonne eine andere sei als in früheren Zeiten, wo es bei Todesstrafe verboten war; die Jünger Christi seien jetzt nicht mehr der Verfolgung unterworfen. Im neuen Japan haben wir Freiheit für das Christentum und für jede Reli­gion. Es gebe keine große Stadt in Japan, in der sich nicht eine Kirche oder eine Missionsstatiou befinde. Nach der neuesten Statistik zählt man in Japan 45,000 evangel., 58,000 römisch-katholische und 27,000 griechisch katholische Christen; ferner find etwa 1000 Kirchen, 200 christliche Akademie», 8 christliche Vereine junger Männer und 50 christliche Studenten-Vereinizuugrn vorhanden. Was nun die Wirkung des gegenwärtigen Krieges auf das Christentum anbelange, so schien man geneigt, ihn als einen Kampf des Christentums gegen das Heidentum aaf- fassen zu wollen. In einem kaiserlichen Dekret wurde da­raufhin erklärt, daß es sich um den Kampf zweier Staaten handle, der mit der Religion nichts zu tun habe. Gegen­wärtig ist Sympathie und Interesse für christliche Unter­nehmungen vorhanden. Die besten und bedeutendsten Män­ner geben zu, daß der Krieg zwqr viele starke Seilen der Japaner heroorgehoben, aber auch ihre schwachen aufqedeckt und gezeigt habe, daß das alte Religioassystem seine Auf­gabe nicht mehr erfüllen könne. Was die politische Lage aubetrifft, teilte der Redner mit, daß Korea ganz un­ter japanischem Einfluß stehe, und daß China mehr und mehr zur Gewißheit komme, daß der Fortschritt Japans nur der westlichen Kultur zu danken sei, weshalb es auch mächtig darnach zu streben aufange. Wenn China ein Schiff sei, so sei Japan das Steuerruder. Zum Schluß gedachte der Redner noch des hervorragenden Anteils Deutschlands au de« Fortschritten Japans. Prof. Honda, der Vorsitzende sämtlicher christlicher Vereine junger Männer in Japan, sprach noch kurz über die gegenwärtige Kcists und die ja­panischen Christen. Gerade jetzt mache das Christentum große Fortschritte, namentlich im Heere, in der Front und in den Hospitälern. Auch für China werde die westliche

Kultur eine große Ausbreitung des Christentums bringen.

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Der »Times" wird aus Kapstadt mitgeteilt: Dem Cave ArguS" zufolge erließ General Trotha eine Proklamation in deutscher und Namaqua-Sprache ge­druckt und folgenden Wortlauts: An die kriegführenden Namaqua-Stämme! Der große und mächtige deutsche Kai­ser wird gegen das Namaquavolk nachsichtig sein und hat befohlen, daß das Leben Lerer, die sich ergeben, geschont werde. Nur die, welche beim Beginn des Krieges Morde begingen «ud den anderen befahlen, Morde zu begehen, haben sich gesetzmäßig des Todes schuldig gemacht, Dies mache ich Euch bekannt, sowie ferner, daß es denen, die sich nicht ergeben, ebenso ergehen wird, wie den Hererostämmen, die auch in ihrer Blindheit glaubten, sie könnten einen gro­ßen und mächtigen deutschen Kaiser und ein großes Volk

erfolgreich bekriegen. Ich frage Euch: Wo ist das Herero­volk, wo ist ihr Häuptling Samuel Maharero, der Tausende Stück Rindvieh vesaß? Er ist wie ein wildes Tier über die englische Grenze geflohen, er ist so acm geworden, wie der ärmste Veltherero und besitzt nichts. Und so ging es allen anderen Häuptlingen, die Weiße gemordet hatten. Ei­nige verhungerten auf dem Saudvelt, andere wurden von deutschen Truppen getötet, andere von den Ooambos ermordet und nicht anders wird es dem Namaquavolk er­gehen, falls sie sich nicht ergeben und die Waffen nieder- legeo. Ihr müßt mit der weißen Flagge und mit all' Eurem Gefolge kommen, dauu wird Euch nichts geschehen. Ihr werdet Beschäftigung und Nahrung bis zum Ende des Krieges erhalten, worauf der große Kaiser eine neue Ver­waltung des Landes in Frieden einrichten wird. Falls je­mand glaubt, daß ihm nach dieser Ankündigung noch Milde erwiesen wird, soll er lieber daS Laud verlassen, denn wenn er wieder ans deutschem Gebiet gesehen wird, wird er er­schossen werden und so werden alle Rebellen ausgerottet werden. Für die Auslieferung, ob tot oder lebendig, der folgenden Personen werden folgende Preise ausgesetzt: für Hendrik Witboi 250 Pfund oder 5000 Mark, für den fal­schen Propheten Stuurmau Scheppert 150 Pfund oder 3000 Mark, für Kornelius Frederik 100 Pfund oder 2000 Mark und für alle anderen schuldigen Personen

50 Pfund oder 1000 Mark.

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Im Hinblick auf die Eröffnung einer protestantischen Kirche in Barcelona hat der dortige Kardinal-Erzbischof Salvador Casanas y Pages eine dringliche Klagean Alfons Xlll. gerichtet und die Antwort des Königs in demBoltztin Oficial Ecclestastico" vom 12. d. M. ver­öffentlicht. Diese lautet : Sehr verehrungswürdiger Herr Kardinal I Ich habe den Brief Eurer Eminenz vom 22. des vorigen Monats mit großem Interesse und tiefgehender Teilnahme zur Kenntnis genommen. Sein Inhalt bestätigt mir vorher empfangene Mitteilungen, wonach in der katho­lischen Stadt Barcelona eine neuprotestantische Kapelle er­richtet werden soll. Wie sehr mir daran liegt, diese Ange­legenheit gemäß der unzweifelhaft im Wortlaut der Ver­fassung gegebenen Grundlage und ihrer späteren Hand­habung zu schlichten, geht aus der Tatsache hervor, daß ich den Vorfall vor Tagen im Rate meiner Minister zur Sprache brachte, um mit ihnen über die zweckmäßigsten Mittel zn beraten, wodurch ein mit den in Kraft stehenden Gesetzen und mit der allgemeinen Empfindung des Volkes in Widerspruch stehender Mißbrauch abgestellt werde» könne. Als katholischer König und als ergebener und gläubiger Sohn der alleinseligmachenden Kirche bin ich tief bekümmert durch diesen neuen Anschlag gegen den Glauben unserer Väter und die Religion des Staates, dessen Geschicke die göttliche Vorsehung mir zu vertrauen für gut hielt; ich zögere nicht, Herr Kardinal, zn versichern, wie sehr ich als konstitutioneller Monarch darauf bedacht bin, daß unter meiner Regierung die Pläne zunichte werden, die Eure Eminenz mir mitteilen, deren Segen ich erbitte, indem ich meine respektvolle Hochschätzung und mein gnädiges Wohl­wollen ausspreche. Alfouso. Dieses Schreiben hat gewal­tiges Aufsehen erregt und die öffentliche Meinung veranlaßt, auf den in Frage stehenden Artikel 11 der spanischen Ver­fassung hinzuweisev. Er lautet:Niemand wird um seiner religiösen Ueberzeugung oder der Ausübung seines Kultus willen behelligt werden, sofern der Respekt vor der christ­lichen Moral gewahrt bleibt.' Man sieht aus dem Schreiben recht deutlich, unter welchem Einfluß der König steht und

in welchen Händen er seine Erziehung genoß I * *

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Ueber Protektion und Bestechlichkeit in Rußland erzählt derBerliner Lokal-Anzeiger" folgen­des: Ohne Protektion ist in Rußland nichts zu erreichen, ebenso ohne Bestechung. Die Staatsmaschiae gilt als Bei­spiel. Man wundert sich in Rußland absolut nicht über diese Erscheinung, gilt sie hier doch als etwas Selbstver­ständliches, über das man nicht weiter nachdeakt. Ange- fangen vom Schulkinds, das man durch Protektion, durch Fürsprache, in diese oder jene Schule, in dieses oder jenes Institut unterbringen möchte, bis hinauf zu den höchsten Aemtern ist Protektion die treibende Kraft. Wie bitter sich dieses verächtliche System, das seit Menschenalter in Ruß­land floriert, zn rächen beginnt, beweist der russisch-japa­nische Krieg, wo kein kleiner Teil der verantwortlichen Posten durchProtSzäs," Günstlinge, besetzt ist. Die innere Politik des Zarenreiches zeigt die gleiche Erscheinung. Gänzlich unfähigen Leuten ist oft das Wohlergehen eines ganzen Gouvernements unterstellt, die ihre Aufgabe nur da­rin erblicken, daß sie große Stöße von Papieren unterzeich­

nen, die der große Mechanismus der russischen Bürokratie ausgeheckt hat. Für die Wohlfahrt und die Lebensbediug- ungeu ihres Gebietes fehlt ihnen sowohl Verständnis als auch Lust. Charakteristisch ist ein Geschichtchen, das dieser Tage eine bekannte hohe Persönlichkeit in Freundeskreisen zum besten gab. Der Posten eines DetachementSchefs war zu besetzen. Ein Freund wandte sich au den Erzähler mit der Bitte, seinen Vetter darauf zu setzen. »Ja, Bester, ihr Vetter hat ja niLt die blasse Ahnung davon.* Freilich, doch B. könnte ja bei ihm als Gehilfe bleiben, der Mann macht ja alles, hat es auch unter dem früheren Detachemeuts- chef getan, der zu protegierende Vetter braucht ja schließlich nur zu unterschreiben. Dutzende solcher Günstlinge find mit Leichtigkeit aufzuzähleo, die nur ihren Namen unter­zeichnen, ohne sich mit ihren Pflichten bekannt zu machen. Der Adel ist meist verarmt, seine Güter find versetzt; da gilt es, durch Protektion eine Lebensstellung zu erhalten. Eine würdige Schwester der Protektion ist die Bestechlichkeit. Sie beginnt beim Dwornik und endet beim Ministerportefeuille. »Hier stiehlt alles," äußerte ein vornehmer Russe,alles will bestochen sein, jeder mußverdienen", sonst lebt es sich ganz gut bei uns." An diesem sozialen Gebreste ist der Staat selbst schuld, der seine Beamten so kläglich besoldet, ganz und gar nicht den heutigen Lebevsbedingungen ent­sprechend. Ein Angestellter mit Univerfitätsbildung muß oft jahrelang im Staatsdienste sein, ehe er monatlich 100 Rubel erhält, die ihrem Werte nach genau so viel bieten wie 100 Mark in Deutschland. Mit diesem kläglichen Einkom­men soll er oft noch eine Familie ernähren. Natürlich macht erGeschäfte," d. h. er sucht sich dort erfolgreich zu betätigen, wo es auf indirekten Wegen etwas zu verdienen gibt. Er ist mit kleinem Nebenverdienst zufrieden, während die hohen Herren schon andere Anforderungen stellen. Dem Staat wird buchstäblich nichts geliefert, wobei Bestechlich­keit ausgeschlossen wäre. Sei es zu Armee- oder Marine­zwecken, sei es zu Eisenbahn- oder Wegbaumaterialien, zur Bolksverpflegung, kurz, jeder Ankauf der Krone wird durch Bestechlichkeit der Beamten besiegelt. Als es sich unlängst um den Ankauf einiger argentinischer und chilenischer Schiffe für die russische Flotte handelte, hatten sich zwei regelrechte Heerlager gebildet mit hochstehenden Persönlichkeiten an der Spitze. Die sogenannte Courtage, eine verfeinerte Form der Bestechlichkeit beanspruchte Millionen von Rubeln. Keiner göume dem andern den Raub und so unterblieb der Kauf, das Vaterland war der leidende Teil, denn die Schiffe waren durchaus notwendig. Diejenigen Personen, die sich um Lieferungen für die Krone bewerben, könnten ganze Listen von Persönlichkeiten nennen, die erst »warm" gemacht werden müssen, ehe das Geschäft zu Wege kommt. Bei manchen der Herren von der Zwischevstatiou hat sich ein regelrechter Gebrauch ausgebildet. Die betreffende Per­sönlichkeit wird zu einem feinen Essen zu zweien im vor­nehmsten Restaurant geladen. Nachdem mau dem Mahl und den auserleseneu Weinen genügend zugesprochen hat, überfällt den hohen Herrn gewöhnlich eine Müdigkeit, er muß sein gewohntes Schläfchen machen. Das ist just der Moment, wo der Gastgeber die bereit gehaltene Summe für seine Konzession geschickt deponieren muß. Gewöhnlich unter einer Serviette oder Schüssel. Auf ein Stündchen entfernt er sich, einen wichtigen Gang Vorschüßen!,. Kommt er nun zurück und findet seinen Gast vergnügt eine Zigarette rau­chend, im Zimmer auf und ab gehend, so ist das Geschäft in Ordnung. Schläft der Gast aber noch, so ist das Päck­chen unter der Serviette noch nicht groß genug, und der Gastgeber muß eS verstärken oder abschuappen.

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Kammer der Abgeordneten.

Stuttgart, 19. Mai.

Die übrigen Kapitel des Kultusetats wurden geneh­migt, ebenso der Staatsvertrag zwischen Württemberg und Oesterreich zur Beseitigung von Doppelbesteuerung und der Gesetzentwurf betreffend die Gewährung eines Darlehens von Mk. 250 000 au die Gemeinde Binsdorf. Zur Beratung kam sodann der sozialdemokratische Initiativantrag, die Re­gierung möge im Buudesrat bei der Beratung der Reichs­finanzreform jede Erhöhung bestehender und jede Einführ­ung neuer indirekter Steuern ablehnen. Hildebrandt (Soz>): Das Reich dürfte unter keiner Bedingung in der bisherigen ungerechten Steuerpolitik fortfahren. Es sei die Aufgabe der süddeutschen Regierung, zu einer Aenderuvg der bisherigen Besteuerung im Reiche das Wort zu reden. Es sei nicht wertlos, daß die Einzelstaaten durch die Matri- kularbeiträge an einer sparsamen Verwaltung interessiert find. Wenn eine Reichsfinanzreform auf lange Zeit hinaus ge­schaffen werden soll, so dürfe man sich nicht mit einer Reichserbschaftssteuer und einer Vermögenssteuer be-