Jerulvrecher

M. 11

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

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Sonntag, 23. April

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> 1906.

Zweites Klatt.

Amtliches.

Kgl. Würlt. Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Brkanntmachnng, betreffend die Landesausstellung von Lehrliugsarbeite« im Jahr 1SVS.

Wir bringen zur öffentlichen Kenntnis, daß wir im Laufe deS Frühjahrs in Stuttgart wieder eine Ausstellung von Lehrlingsarbeiten nach den Bestimmungen über die Laudes- Ausstelluugen von Lehrlingsarbeiteu veranstalten werden.

Bemerkt wird, daß an diesen Bestimmungen v. a. fol­gende Aeuderungen eingetreten find:

1) Von den am Ende der Lehrzeit stehenden Lehr­lingen werden nur diejenigen zur Ausstellung zugelasfen, welche die Gesellenprüfung, und zwar mindestens mit dem Zeugnisgut" bestanden haben. Soweit die diesjährigen Gesellenprüfungen bis zum Ablauf der Anmeldefrist noch nicht beendigt find, sind die Anmeldungen mit entsprechen­dem Vermerk inzwischen vorzulegen und erfolgt die Ent­scheidung über die Zulassung erst nach Vorlage des Prüf- ungszeugnisfes.

2) Als Ausstellungsstücke der in Ziffer 1 genannten Lehrlinge dürfen nur die Gesellenstücke eingesendet werden. Ueber deren Preiswürdigkeit entscheiden die zur Beurteilung der Ausstellungsstücke berufenen Sachverständigen vollständig frei. Sogenannte Prunkstücke haben keine Aussicht auf Er­langung eines Preises.

3) Lehrlinge mit kürzerer Lehrzeit, bezüglich deren es im übrigen bei den bisherigen Bestimmungen bleibt, dürfen andere, als die in dem Aufgabenverzeichnis, welches dem HeftBestimmungen über die Landesausstellungen von Lehr­lingsarbeiten" angehängt ist, bezeichnet«!! Arbeiten nicht zur Ausstellung bringen. Dieses Verzeichnis kann bei den ge­werblichen Bereinigungen und den K. Oberämtern eiugesehen werden.

4) Die Anmeldung der Geselleuprüflinge kann außer durch die gewerblichen Vereinigungen auch durch die Vor­sitzenden der Gesellevprüfuugsausschüsse erfolgen. In den Anmeldungen ist zu bestätigen, daß das angemeldete Stück das Gesellenstück ist sowie daß der Prüfling bei der Ge­sellenprüfung das Zeugnisgut" erlangt hat (s. übrigens auch oben Z. 1 letzter Satz.)

Zu den Anmeldungen wollen die vom Sekretariat der

Zentralstelle zu beziehenden Vordrucke verwendet werden. Die etwa noch im Besitz der gewerblichen Vereinigung be­findlichen älteren Vordrucke können nicht mehr gebraucht werden. Die Anmeldungen sind doppelt auszufertigen. Hie­von ist die eine durch Vermittlung der am Wohnort des Ausstellers befindlichen gewerblichen Bereinigung bezw. der nächstgelegeueu gewerblichen Vereinigung oder in dem Fall 4) oben auch durch den betreffenden Vorsitzenden des Prü­fungsausschusses sofort an uns einzusenden, die andere aber erst mit der Ausstellungsarbeit eivzureicheu. Die gewerb­lichen Vereinigungen und die Vorsitzenden der Prüfungs­ausschüsse ersuchen wir, die Anmeldungen tunlichst bald, spätestens bis zum 1. Mai d. I. an uns vorzulegen.

Als Zeitpunkt für die Einsendung der Arbeiten ist Mitte Mai, für die Eröffnung der Ausstellung Anfang Juni in Aussicht genommen. Näheres hierüber wird noch be­kannt gemacht werden.

Die gewerblichen Bereinigungen des Landes ersuchen wir, ihre Mitglieder auf die Abhaltung dieser Ausstellung aufmerksam zu machen und zu lebhafter Beteiligung avzu- regen. Das gleiche Ersuchen richten wir an die Mitglieder der Gesellevprüfuugsausschüsse, bezüglich der Prüflinge.

Stuttgart, den 5. April 1905.

M o st h a f.

Bernnfchks.

* (Ki« Doppelmord «ms Mißverständnis.) Ein Be­fehl des Gouverneurs von Sachalin verkündete, daß der nach Sibirien deportierte Karl Chistoforowitsch Landsberg begnadigt sei. Wer ist Landsberg ? wird man fragen. LandS- berg war vor Jahren einer der glänzendsten Garde-Jnge- uieur-Offiziere; er war mit der Tochter des berühmten Ver­teidigers von Sebastopol, des Grafen von Totenleben ver­lobt; er stand bereits auf der Stufe einer der glänzendsten Laufbahnen, als ihn das Schicksal plötzlich aus dieser Höhe in die Ketten des Zwangsarbeiters und in die Bergwerke Sachalins warf, und zwar wegen doppelten Raubmords. Ein alter, verabschiedeter Beamter, Wlassow mit Namen, der Wuchergeschäfte, namentlich mit Offizieren, machte, hatte ein besonderes Juteresse an dem armen Offizier Laudsberg genommen und ihm vielfach Geld geliehen. So befand sich bereits eine ansehuliche Anzahl von Laudsberg gezeichneter Wechsel in seinen Händen. Als er sicher war, daß der junge Offizier durch seine Verbindung mit einer ebenso ver­

mögenden wie einflußreichen Familie auf mächtigen Schutz rechnen durfte, fing Wlassow an, ihm zu drohen:Ich werde dir zu deiner Hochzeit ein Geschenk machen, ein Ge­schenk, wie du es nie erwartet hast". Landsberg fürchtete, daß Wlassow seine Wechsel zur Bezahlung vorstelleu und einklagen und ihn dadurch als einen verschuldeten Bettler, der sich allein durch eine reiche Heirat aus der Klemme ziehen wolle, hiostellen werde; er wußte, daß damit seine Laufbahn und überhaupt alles verloren sein würde. Erbe­schloß, koste, was es wolle, sich seiner in Wlassows Hände befindlichen Wechsel zu bemächtigen. Er ging zu ihm, sandte die alte Wirtschafterin unter einem Vorwände fort, schnitt dem alten Wucherer mit einem Rasiermesser den Hals durch and nahm die Wechsel, die bereits fertig, in einem Päckchen zu­sammengebunden, dalagen, au sich ; als in diesem Augen­blick die Wirtschafterin zurückkehrte, ermordete er auch sie. Allein der Mord war zwecklos gewesen. Wlassow war es mit seiner Drohung gar nicht ernst gewesen; im Gegenteil. Unter den Papieren des Ermordeten fand man einen au Landsberg gerichteten Brief, worin Wlassow seinem Schütz­ling zu seiner Hochzeit Glück und alles Gute wünschte und obendrein als Hochzeitsgescheukeinliegend" seine Wechsel sende. Das war das Geschenk, das der Alte ihm augeküu- digt hatte. Außerdem aber hatte Wlassow in seinem für alle Fälle fertigen Testamente Landsberg zum Erben seines ganzen Vermögens eingesetzt. Die unselige Tat war ge­schehen, weil Landsberg den Alten nicht verstanden hatte, der, einer alten Gewohnheit gemäß, sich stetsironisch" aus- zudrÜcken pflegte.

Öfter«!

Ostern! o welch' Wiederhall,

Einst in meiner Kinderseele,

Und die vielen Freuden all';

Zn schön, als daß ich's erzähle.

Osterglocken diesmal klingen Meinem Mütterleiu ins Grab,

Wehmutsvoll und trauernd stimmen

Sie mich, da ich's verloren Hab'.

* *

Osteru! O feier's in* kindlichem Glück,

Wenn dir ein Mutterherz schlüget in Liebe,

Dankbar und bittend nach oben du blick',

Geb' Gott, daß es noch lang' dir bliebe!

V. M. B.

Asterabend.

Von HanS Wald.

(Nachdruck verboten.)

Früh am Morgen hatte der Briefträger der Frau Katharine den Brief gebracht. Von ihrem Jungen. Aber so viele mit große» Buchstaben bedeckte Blätter der Inhalt aufwies, blos ein einziges Wort war von dem Fritz selbst. Das letzte, die Unterschrift." Und das sah aus, als wenn es mit einem Streichholz hingemalt worden wäre. Gar zu sauer mußte es ihm doch geworden sein, dem armen Jungen, dem lieben Jungen! Herrgott, was für ein stram­mer, bildsauberer Kerl war er gewesen, bis er von seinem Wagemut getrieben mit gegangen war auf die weite Fahrt nach Deutsch-Südwest-Afrika.Da sollen ja Wohl Kerl's sein, die andere Menschen auffressen I" hatte die Mutter ängstlich gemeint.I wo", hatte da der Junge gelacht dazu gehören doch zwei I" Und so War er von danney gezogen mit den Kameraden, weit, weit fort. Im Frühjahr im vorigen Jahr war's gewesen. Frau Katharine hatte ja gewußt, so bald würd' wohl kein Heimkommen sein, aber da war doch dies und das eiugetreten, was ihr den Mut beschwerte. Vielleicht mit Unrecht, aber seitdem der Junge fort war, sah sie alles so trüb, gar so düster und traurig an, trotzdem ihr der Jung' ganz vergnügte Nachrichten schrieb. So mal das Stück von dem Herero, der sich tot gestellt hatte und daun heimlich dem Fritz einen Stich hatte ver­setzen wollen. Der gut gelaunte deutsche Reiter, dem der Kerl sein braves Tier getötet hatte, hatte den afrikanischen Menschenbruder, wie es dem von Rechtswegen zukam, erst ganz gehörig verhauen und sich dann von Jenem ins Lager heimtragen lassen. Da lag doch Humor drin. Aber dann kamen andere Dingel

Zu Haus im Garten krankte der Rosenstock, den der Fritz gepflanzt. Die Erde war sauer gewesen, sagte der Gärtner, als das Stämmchen eingegaugeu war. Das konnte richtig sein, aber so lauge war doch nichts davon zu be­merken gewesen. Und dann war des Nachbar's Sophie, von der die Mutter immer gedacht, sie würde doch einmal ihres Sohnes Frau werden, statt mit dem Rosa-Baud, das der Fritz so gern hatte leiden können, mit einem Male mit

einem neuen modernen braunen Schmuck gegangen. Das hatte etwas zu bedeuten, und wenn sich auch die anderen Leute darüber mukirrtev, wenn sie lachte», die Mutter ließ es sich nicht ausreden, daß das alles Vorboten einer schlim­meren Post seien.

Und dann war auch die Karte von dem Jungen ge­kommen. Bloß ein paar Worte, aber die Worte hatten es in sich. Wie sie die fürchterliche Expedition ins Innere, über felsigen Boden fort, unter glühender Sonne, durch hemmendes Dorngestrüpp hatten machen müssen, wie sie es zwar dem verfolgten Feind gehörig zu kosten gegeben, wie sie dann aber den Durst hatten leiden müssen, als sollte ihnen die Zunge vertrcckaen und der HirnschLdel zerspringen. Da hatten sie das Blut von den geschlachteten Tieren ge­trunken und auf der Karte war noch solch ein Blutfleck ge­wesen. Dazu hatte der Fritz geschrieben:Weißt Du, Mutterle, ein Krug Bergbräu daheim schmeckt doch besser!"

Die hatte in ihrer Furchtsamkeit darüber geweint und war nun doch wieder herzensfroh, von ihm ein Lebens­zeichen erhalten zu haben. Aber daun kam die lange Pause! Diese Zeit war ja gar nicht so lang, aber der harrenden Mutter kam sie vor wie eine halbe Ewigkeit. Heute, heute, erst war die zu Ende. Heute war der Brief da, heute zu Ostern, wo beim Schein des jungen Frühlings auch das wartende Mutterherz zum ersten Male seit Wochen wieder leichter geschlagen hatte. Und in dem Briefe nur das eine Wort, die Unterschrift, von ihm selbst. Mochte das bestürzt machen, mochte das Andere unerfreulich klingen, er lebte doch noch, es war Lebensbotschaft von dem Jungen. Was hatte denn außer ihm die Witwe weiter auf der Welt?

Jedoch krank war er, schwerkrank. Die tückische Seuche, die so manchem kräftigen Kameraden zum Verhäng- nis geworden war, hatte auch den Fritz mit ganzer Kraft gefaßt gehabt, ihn, den kecken, kühnen Jungen, der jedem feindlichen Geschoß entgangen war, der wagelustig, fast tollkühn sich mit dem barbarischen Feinde gemessen hatte. Wenn es nicht die Mutterliebe gewesen wäre, die diese Zeilen gelesen hätte, sie hätte Wohl unschwer erkannt, daß es mit dem Jungen nicht zum Besten stand, denn die Be­merkung, der Kranke werde sich hoffentlich auf dem Heim­

transport in der frischen Seeluft erholen, war doch bloß ein schwacher Trost.

Und wie es dem Himmel so gefällt! In der frischen Frühlingsluft, in die die wehmütig ergriffene Mutter hiu- eiuschaute, wirbelten mit einem Male die Flocken, letzte Boten des verdrängten Winters, nichts Ungewöhnliches, aber die blei­chen, flatternden Schneesterncheu paßten zu dem trüben Ton des Briefes, den die Mutter im Schoße hielt. Sie konnte stolz sein auf ihren Jungen, ganz gewiß, er war dekoriert, aber sie hätte so gern auf alle stolze Ehren und Auszeichnungen verzichtet, wenn sie ihn nur hier bei sich, hier zu Haus und gesund gehabt hätte.

Früh läuteten die Glocken das Osterfest ein, noch immer flatterte es leicht vom grauen Himmel. Gar keine Rücksicht nahm der sterbende Winter auf das hohe Fest, auf das neue, frische Grüne, leicht legte sich ein Eiskristall um das andere an die ersten jungen Kinder des jungen Lenz. Ein weißes Ostern I Es schadete ja Wohl nicht, aber sein Bild erweckte so eigene Gedanken, unter dem stillen Weiß ruhte, so lange es da war, auch das hoffende Jubeln. Und eine superkluge Nachbarin, dem die nach Teilnahme lächzende Witwe den Brief gezeigt, meinte noch gar:Weun'S bloß nichts zu bedeuten hat!"

Drüben kamen da langsame, schwere Schritte daher auf der weißen Fläche, mühsam stopfte ein Stock vor deu Füßen dahin. Und ai f dem in der wärmer werdenden Luft leise zerrinnenden Schnee zeigte sich ein schwerer Fußtritt hinter dem andern. So langsam, so ganz langsam und so müde!

Gerade schritt der späte Gast auf Frau Katharine's Haus zu, schwerfällig, aber sehnsüchtig. Und da sah sie ihn. Welch' ein Freudenruf, da war der Junge, gleich hin­ter seinem Brief. Und das Mutterherz, das so Vieles, so unendlich Vieles zu sagen hatte, brachte doch nichts, gar nichts weiter heraus, als:Ach, du armer Junge, Weiße Ostern bringst du mit!" Aber in dem glückstrahlende» Jungen lachte der Schalk:I, Mutter, wie du dich hast! Wenn's die Kameraden da unten man blos so gemütlich hätten."

Und sie herzte ihn und sie küßte ihn. Der Jung', ach ja, der Jung'!