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Wr. 188.
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onntttg, 4. Dezember
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1904
MürttternbeirsisetzeV
Kammer der Abgeordneten.
Stuttgart, 1. Dezember.
Die Kammer setzte heute die Beratungen über die Magistratsverfassung fort. Der sozialdemokratische Antrag will die Vertretung der Gemeinde und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten der Stadverordnetenversammlung übertragen, welche zur Führung der laufenden Geschäfte aus ihrer Mitte einen Ausschuß wählt. Dieser Ausschuß soll den Namen Stadtrat führen. Abg. Liesch ing (Vp.) bekämpft den Entwurf der Regierung. Die indirekte Wahl des Stadtrates raubt den württembergischeu Gemeindewählern ein Recht, das sie nahezu IVO Jahre ausüben. Man solle an die Stelle der Magiftratsverfaffung die bisherige Verfassung in der neuen für die übrigen Städte eingenommenen Form einsetzen. Abg. Kloß (Soz.) erinnert an das Wort des Ministers, daß keiner Gemeinde ein Zwang auferlegt werden solle. Umsomehr müsse es Befremden erregen, daß jetzt doch der Stadt Stuttgart eine Verfassung aufgenötigt werden solle, die sie nicht will. Minister v. Pischek: Die bisher geltende gleichmäßige Festlegung der Gemeiudeverfassung für alle Gemeinden ohne Unterschied der Größe haben mancherlei Mißstäude im Gefolge gehabt. Es sei daher von einer großen Anzahl von Eingaben, besonders auch von Stuttgart, um Erlaß einer den Interessen der großen Städte Rechnung tragenden Gemeindeverfassung gebeten worden. Dabei sei stets nur von einer Anlehnung an die preußische Städteverorduuug mit Aeuderungen in liberalem Sinne die Rede gewesen. Der sozialdemokratische Antrag sei »ach dem Muster der englischen Gemeiudeverfassung bearbeitet. Die Notwendigkeit einer den besonderen Verhältnissen der größeren Städte Rechnung tragenden Gemeiudeverfassung sei durch Beschluß der Abgeordnetenkammer vom Jahre 1899 anerkannt. Die Regierung halte auch nach eraeuter Prüfung ihren Entwurf für zweckentsprechend. Gleichwohl dürfe er an dem Widerspruch der größeren Städte nicht vorübergehen. Wohltaten dürfe man nicht anfdrängen und außerdem müßte eine solche Reform von dem Vertrauen der Beteiligten getragen sein. Die Regierung kann ihren Entwurf, nur dann zurückziehen, wenn die Stände sie von den ihr gegebenen Aufträgen entbinden. Das Schicksal des Entwurfes wolle er davon nicht abhängig machen, aber er wolle darauf Hinweisen, daß dann auch die Wahl der Gemeiadevertreter nicht auf dem Wege der Verhältniswahl, sondern wie in den übrigen Gemeinden stattzufinden habe. Er lege das Schicksal des Gesetzes zunächst in die Hände des Hauses. Die Abg. Liesch ing (Vp.) und v. Geß (D. P.) beantragen Zurückverweisuug au die Kommission. Abg. v. Geß
spricht sich für seine Person gegen die Vorlage der Regierung und die Kommisstousbeschlüsse aus. Abg. v. Kiene (Ztr.). Das Zentrum sei nicht in der Lage, dafür zu stimmen, daß Stuttgart gegen seinen Willen eine Gemeiudeverfassung aufoktroyiert werde. Inzwischen ist ein von der Mehrheit der Deutschen Partei und der freien Vereinigung gestellter Antrag eingelaufeu, der ebenfalls die Zurückverweisuug an die Kommission, aber Umarbeitung auf Grund des Re- gieruugsentwurfs in dem Sinne verlangt, daß die Stadtverordnetenversammlung zu den Stadträten in eine mehr koordinierte Stellung gebracht werden soll. Nachdem noch Abg. Mayser (Vp.) sich für den Amraz Geß und Liesching ausgesprochen hatte, wurde die Weiterberatuug auf Freitag vormittag vertagt.
Vermischtes.
* Graf Hfückker, der sich infolge seiner letzten Heldentaten zu einem kleinen Abstecher veranlaßt gesehen hatte, hat seine Reise dazu benutzt, sich in einer Nervenheilanstalt in München auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen. Nach seiner eigenen Darstellung ist er dabei als völlig normal befunden worden. Er schildert seine Reiseerlebnisse folgendermaßen : Vor einigen Tagen wollten mich die Kerle in Berlin in die Charite sperren, ich habe mich daher auf eine Weile dünn gemacht und bin verduftet aus der Stadt, und das war vielleicht ganz gut. Auf Anraten meiner Familie ging ich auf einige Tage in eine Nervenheilanstalt bei München, um mich dort untersuchen zu lassen und den Beweis zu erbringen, daß ich noch ganz vernünftig sei. Ein politischer Führer darf vor nichts zurückschreckeu, meine Herren, ich habe ja schon gebrummt im Gefängnis und auf der Festung, warum soll ich nicht einige Tage im Tollhaus sitzen? Es war ja auch ganz gemütlich in der alten verfluchten Bude, ich war natürlich der einzige Vernünftige unter den ganz verrückten Aesera, und der dortige Arzt konnte auch absolut keine Spur vou Wahnsinn bei mir entdecken, so sehr sich der Kerl auch Mühe gab, irgend ein Symptom der Verrücktheit zu konstatieren. Ich habe daher die alte Bude nach einigen Tagen verlassen und bin wieder nach Berlin zurückgefahreu, um den Kampf gegen die Feinde des Vaterlandes fortzusetzeu mit erneuter Kraft und Energie.
* War 34 Jahre» erhielt der Kaufmann Karl Lefevre in Berlin iu der Schlacht bei Gravelotte eine Kugel durch beide Backe». Es wurde« ihm der Gaumen und fast sämtliche Oberzähne herausgerissen. Jetzt, nach 34 Jahren, bildete sich im Munde eine eitrige Entzündung, die große Schmerzen bereitete. Er ersuchte deshalb um Aufnahme in das Garrüsou-Lazarett, und hier wurde die Wunde, die
1870 sehr schnell geheilt hat, wieder geöffnet. Dabei entdeckten die Aerzte mehrere Knochensplitter und ein Geschoßteil, die sämtlich herausgenommeu wurden. Jetzt befindet sich L. auf dem Wege der Besserung.
* (Was solle» wir frühstücken? Hiezu wird uns vou einem Arzt geschrieben: Diese Frage wird in vielen Familien mit Beginn der kalten Jahreszeit wieder lebhaft erörtert, bildet sie ja für jede denkende Hausfrau, die um das leibliche Wohl ihrer Angehörigen besorgt ist, de« Gegenstand ernstester Ueberlegung! Wenn man auch die Milch als ein sehr zweckmäßiges Frühstücksgetränke au- sprechen kann, so ist es doch eine allgemeine Erfahrung der Eltern, Aerzte und Erzieher, eine Erfahrung an jedem Familientisch, daß die Milch für sich allein auf längere Zeit von Erwachsenen und Kindern nicht genommen werden kann, ohne Widerwillen zu erregen. Vor dem regelrechten Genüsse von Kaffee und Thee warnen die Aerzte, wie das aus einer erst vor Kurzem in 2. Auflage bereits erschienenen Abhandlung des Müncyner Arztes 1)r. Weigl klar hervorgeht. Kaffee und Thee enthalten bekanntlich einen giftigen Reizstoff, das Koffein. Sie sind deshalb für gesunde und kräftige Erwachsene zuweilen ganz angenehme Anregungsmittel, eignen sich aber niemals für jugendliche Personen und für schwächliche Leute als Getränke; zu Tagesanfang auch nicht für gesunde Personen. Da wird nun seit Jahren von den Aerzten Kathreiuer's Malzkaffee empfohlen und in der Tat ist dieser ein ganz vorzügliches, wohlbekömmliches Getränke, welches den Bohnenkaffee ersetzt. Wir können somit die Frühstücksfrage als gelöst erachten.
* (Gauner-Humor.) Strolch (zumAutler): „Ser- vuS, Kollega!" — Autler (entrüstet): „War, Kollegs? Was: unterstehen Sie sich, Sie frecher Mensch?!" — Strolch: „Nanu, Sie machen doch auch die Straßen unsicher!"
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in hübscher § origineller HurMrung
liefert prompt unä billigst
W. KikkerHe SuWnckrrki.
Wassers, am Fuße des Felsens. Wenn ich als Zeuge vernommen würde, so könnte ich doch nicht mehr aussagen, als dieses, und ich glaube daher, meine Pflicht getan zu haben, wenn ich unterzeichne als ein
Freund der Gerechtigkeit"
„Wo wurde der Brief zur Post gegeben?" fragte Caruow, als Steinhoff geendet hatte.
Der Direktor zeigte ihm das Couvert, und als Carnow den Namen Roseville entziffert hatte, breitete er eine Karte aus und suchte darin die Orte Üyton und Roseville auf.
„Ganz in der Nähe!", sagteer, „genau, wie ich dachte! Hinter dem Brief steckt was I Was wollen Sie damit ao- faugeu, Herr Direktor?"
„Ich ließ Sie hierher bitten, um diese Frage mit Ihnen zn besprechen!"
Sie waren bald einig. Carnow und Steiuhoff beschlossen, auf einige Tage nach Roseville zu gehen, unter dem Borgeben, dort fischen zu wollen. Bei dieser Gelegenheit sollte dem Totenfesten und Warhams Farm ein Besuch abgestattet werden.
Noch an demselben Abend befanden sie sich auf dem Wege nach Roseville und am nächsten Morgen machten sie es sich in den Räumen behaglich, die eben erst von Mr. Jermyn verlassen worden waren.
Roseville und Uyton lagen kaum vier Meilen auseinander und die beiden Detektivs waren deshalb nicht wenig überrascht, daß die Leute dort nicht das geringste Interesse an Bertha Warhams Flucht und an der Ermordung ihrer Stiefmutter bekundete».
„Nun, Dick," sagte Cernow am zweiten Abend nach ihrer Ankunft. „Sind wir Wohl einen Schritt weiter gekommen? Die Menschen hier find geradezu apathisch."
„Ja," erwiderte Steiuhoff, „Sie scheinen nur bei einem .Gesprächsthema aus dem Schlaf zu erwachen, und das find *hre Aristokraten auf dem Berge. Was diese tun und wen
sie bei sich sehen, bildet das Hauptinteresse der ganzen Stadt. Das Unglück brach über den alten Warham herein, als man hier damit beschäftigt war, eine große Familienzusammenkunft, die auf dem Berge stattfaud, zu beobachten. Das außerordentliche Interesse für die romantische Liebesaffaire eines Aristokraten drängte jedes andere Ereignis iu den Hintergrund. Wir wollen den Totenfesten in Augenschein Nehmen und dann direkt auf unser Ziel losgehen."
„Das heißt, wir sollen unsere Maske fallen lassen und mit dem Aushorchen begiuuen?"
„Ja, das meine ich."
„Geht jetzt bei den vornehmsten Herrschaften oben etwas Besonderes vor?"
„Gewiß ! Der erwachsene Sohn von einem der Na- bobs ist nach langer Abwesenheit ganz unerwartet nach Hause zurückgekehrt. Er scheiut eines hübschen, armen, aber stolzen Mädchens wegen gekommen zu sein, der Schwester des Herausgebers der einzigen Roseviller Zeitung."
Carnow stand auf und reckte sich.
„Morgen wollen wir dem Totenfesten einen Besuch abstatten," sagte er.
In der Frühe des andern Tages fuhren die beiden Freunde den Fluß hinunter. Beim Felsen angelangt, sahen sie sofort, wie günstig gelegen für ein Rendezvous die Oert- lichkeit war, und wie leicht Berta Warham hier der Erde Lebewohl gesagt haben konnte. Sie überzeugten sich, daß auf dem Grunde des Wassers am Fuße des großen Felsens kein Leichnam lag. Dabei fanden sie auch den unterirdischen Trichter, dem das Wasser, wie vou einer unsichtbaren Macht gezogen, geschwind und lautlos zufloß.
„Wern: der Schreiber des anonymen Briefes uns ans eine falsche Fährte locken wollte," meinte Carnow, als sie sich anschickten, nach Roseville zurückzukehren, „so hätte er es nicht geschickter anfaugen können. Ist seine Geschichte aber wahr und Larsen und Bertha trafen hier zum zweiten
Male zusammen, dann könnten wir das Suchen ruhig ausgeben. Eia Körper, der hier hinabgcworfen wurde, mußte in die unterirdische Strömung hineingerateu und treibt jetzt vielleicht irgendwo im Innern der Erde umher."
„Vielleicht war es gerade die Absicht des Briefschreibers, daß wir zu diesem Schlüsse gelangen sollten," erwiderte Steiuhoff.
„Das mag sein."
Sie saßen im Boote, am Fuß des großen Felsens, nahe einer Gruppe von Felsspitzen, die zwischen ihrem Nachen und dem Strudel aus dem Wasser hervorragteo.
„Laß uns jetzt wieder zurückfahren," sagte Carnow, indem er das Boot in Bewegung setzte.
Sie fuhren dicht um den Felsen herum, der auf dieser Seite mit Moos und Strauchwerk bewachsen war. Plötzlich lehnte sich Steinhoff weit über und klammerte sich, auf die Gefahr hin, ins Wasser zu fallen, au einen überhängenden Busch.
„Näher heran!" rief er Carnow zu und griff mit einer Hand nach den Zweigen eines höher stehenden Strauches.
Dann folgte ein scharfer Ausruf vou Carnows Lippen, eine schnelle, unerwartete Drehung des Bootes und ein heftiges Aufspritzen des Wassers. Einen Moment später tauchte Steinhoff aus einem unfreiwillige» Bade auf, bis auf die Haut durchnäßt, aber mit triumphierendem Gesicht. In der Hand hielt er den Zweig, nach dem er gegriffen hatte, und ein weißes Stück Zeug. Er legte die andere Hand auf den Rand des Bootes und rief Carnow zu:
„Fahr ans Ufer, Rnfus, ich möchte sehe», was wir da erwischt haben."
Im nächsten Augenblick knieten die beiden Männer auf dem moosigen Festen und breiteten das Tuch aus, das Steinhoff vom Busche gerissen hatte.
(Fortsetzung folgt.)