noch W Mill. Anleihekredite offen. Aus Grund dessen waren im September v. I. 5 Mill. Mark oierprozentige bis 1921 unkündbare Anleihe an das Württembergische Konsortium begeben worden, das sie zu 101Proz. freihändig plazierte. Inzwischen hat Württemberg auch am 1. Sept. v. I. ein Staats- jchuldbuch angelegt, auf das bis Anfangs Nov. vor. Jahrs über 5ft., Mill. Mark auf rund 200 Konten eingetragen waren. Württemberg ist der erste der deutschen Bundesstaaten, von dem es jetzt öffentlich bekannt wird, daß er wegen einer neuen Anleihe in Unterhandlung steht. Kürzlich hat man gerüchtweise auch von einer neuen bayerischen Staatsanleihe gesprochen, doch war von berufener Seite diesem Gerücht widersprochen worden. Ohne Zweifel werden auch andere deutsche Staaten demnächst an den Geldmarkt appellieren, zu wünschen ist, daß dies mit einer gewissen gegenseitigen Rücksichtnahme geschieht, damit nicht auf einmal der deutsche Anleihemarkt eine zu starke Belastung erfährt.
Neues Erdbeben.
Stuttgart, 17. Jan. Heute früh, etwa 6 Uhr 10 Min., erfolgte hier ein ziemlich kräftiger Erdstoß, der die Wände zittern machte. In der Stärke entsprach er etwa dem Erdstoß, der in der Nacht vom 16. auf den 17. November morgens um 3 Uhr ein- trat. Auch in Cannstatt ist der Stoß deutlich wahrgenommen worden.
Hohenheim, 17. Jan. Heute früh sind wieder zwei heftige Erdstöße vorgekommen, die aus der Ebinger Gegend herzurühren scheinen. Gefühlt wurden dieselben in Hohenheim nicht, während dies in Stuttgart und im Remstal laut eingetroffener telephonischer Mitteilung der Fall war. Beide Stöße wurden aber von den hiesigen Instrumenten sehr deutlich registriert. Der erste Stoß setzte 5 Uhr 39 Min. 47 Sek., der zweite 6 Uhr 12 Min. 23 Sek. ein.
Ludwigsburg, 17. Jan. Heute früh 6 Uhr 12 Min. wurde hier ein kräftiger Erdstoß verspürt.
Ebingen, 17. Jan. In geradezu unheimlicher Weise mehren und verstärken sich die Erdstöße hier wieder. Die beiden letzten Nächte hatten je verschiedene Erschütterungen und Donnerrollen auf zuweisen, und zwar verschiedene von hervorragender Stärke. Eine ganz außergewöhnlich starke Erschütterung hatten wir heute früh dreioiertel 6 Uhr. Sie setzte so stark ein wie am 16. November und dauerte etliche Sekunden lang. Gleich eine halbe Stunde später, viertel 7 Uhr, kam ein ebenso starker Stoß von fast noch längerer Dauer. Man kommt aus der Unruhe nicht mehr heraus und lebt in aufgeregter Sorge, was sich aus diesem Toben im Erdinnern noch entwickeln will.
Reutlingen, 17. Jan. Das Erdbeben, das besonders wieder im Oberamt Balingen wahrzunehmen war und auch in Tübingen deutlich empfunden wurde, ist hier anscheinend von niemanden verspürt worden. Man schließt daraus auf die Geringfügigkeit des Erdstoßes, sowie darauf, daß weitere Stöße von irgendwelcher Bedeutung nicht zu befürchten sind.
Vaihingen a. E., 16. Jan. Gestern abend gegen fünf Uhr fuhren zwei Automobile der Chemischen Färberei W. Büsing-Stuttgart von Pforzheim nach Stuttgart. Bei der Seemühle, an einer scharfen Kurve, wurde der verheiratete Maurer August Git- tinger, der neben dem Chauffeur saß, aus dem Automobil geschleudert. Er erlitt einen Schädelbruch,
der heute nacht 11 Uhr seinen Tod herbeiführte, zehn gegen zwei Stimmen für schuldig erklärt und zum Tod durch den Strang verurteilt.
KmLnd, 17. Jan. In einer hiesigen Wirtschaft wurde der 25jährige Taglöhner Hermann Huppmann aus Kupferzell OA. Oehringen verhaftet. Huppmann war dringend verdächtig, den Kirchenraub im benachbarten Leinzell begangen zu haben. Nach längerem Leugnen gestand der Verhaftete, der wegen Einbruchs vorbestraft ist, den Raub mit zwei anderen Burschen begangen zu haben. Seine Spießgesellen sind noch nicht ermittelt. Die geraubten kirchlichen Gegenstände will Huppmann im Wald bei Hohenstadt versteckt haben.
Lauern a. N., 17. Jan. Den Zigeunern, die an eurer hiesigen alleinstehenden Frauensperson so schwere Betrügereien verübten, scheint man aus die Spur gekommen zu sein. Der von Ochsenberg gebürtige 52 Jahre alte Zigeuner Jakob Reinhardt wurde in Hast genommen. Nach der vermutlichen Haupttäterin, einer über 30 Jahre alten Zigeunerin Namens Johanna Mettbach, wird noch gefahndet.
Margrethausen OA. Balingen, 16. Jan. Die Rutschungen am Abhang des Öchsenberges sind noch immer nicht zum Stillstand gekommen. Auch die Srraße nach Lautlingen wurde in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso haben die Erdstöße noch nicht aufgehört; die letzten wurden am Sonntag abend und Montag morgen wahrgenommen, waren aber nicht von großer Bedeutung.
Deutsches Reich.
Die neue M a r i n e v o r l a g e.
Berlin, 17. Jan. Auf Grund zuverlässiger Mitteilungen glaubt die „Tägl. Rundschau" folgendes über die neue Marinevorlage mitteilen zu können: Die Marinevorlage ist fertiggestellt; noch nicht fer- Liggestellt ist die Heeresvorlage,, die voraussichtlich erst Ende Februar den Bundesregierungen zugehen wird. Die neue Marinevorlaae verlangt, daß aus den acht Reserveschiffen, die im Dienste gehalten werden sollen, ein drittes Geschwader gebildet werde. Von diesem neuen Geschwader stehen zwei Linienschiffe schon im Dienst. Es wird also die weitere Indienststellung von 6 Schiffen gefordert. Die Kosten der neuen Vorlage belaufen sich auf 25—30 Mill. Mark im Jahr. lieber die Deckung der Vorlage ist ein endgiltiger Beschluß noch nicht gefaßt. Es wird aber angenommen, daß die Regierung auf die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Deszendenten zurückgreifen wird. Aus der Deszendentensteuer ließe sich so viel einbringen, um die neuen erforderlichen Mittel zu decken.
Berlin, 17. Jan. Staatssekretär v. Kiderlen- Wächter, der gegenwärtig in Stuttgart auf Urlaub weilt, beabsichtigt, einen Teil seines Urlaubs in Norditalien zuzubringen. Wahrscheinlich wird der Staatssekretär bei dieser Gelegenheit eines Tages auch nach Rom kommen, um den Minister des Aeußern, Marquis di San Eiuliano, persönlich kennen zu lernen und — wegen des Dreibundes zu konferieren.
München, 17. Jan. Die Inhaberin eines Schönheitsateliers, die ein Schönheitsmittel für 60 000 Mark verkauft hatte, wurde wegen Betruges zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Mittel verursachte einen heftigen Ausschlag. Die betrogene Käuferin mußte in eine Irrenanstalt geschafft werden.
Dir Unruh«« in China.
Auf den starken Mann Chinas, Huanschikai, ohne den die Mandschudynastie schon längst völlig zusam mengebrochen wäre, und der ihr auch allein noch einen anständigen Abgang aus der Revolution sichern kann, ist ein Anschlag verübt worden. Als er nach einem Besuche aus dem Kaiserpalast zurückkehrte, wurde eine Bombe gegen ihn geschleudert. Huanschikai blieb unverletzt, dagegen wurde ein Po- lizeiüeamter und ein Soldat getötet, 12 Soldaten und 3Zivilisten verletzt. Es erfolgten mehrere Verhaftungen, doch steht noch nicht fest, ob das Attentat von Revolutionären oder Anhängern der Mandschudynastie verübt worden, die mit der Nachgiebigkeit Huanschikais unzufrieden find.
Peking, 17. Jan. Huanschikai erhielt nach dem Attentat von allen Seiten, einschließlich der Gesandtschaften, Hunderte von Glückwünsche. Er drückte sein tiefstes Bedauern über den Tod seiner Anhänger aus. In Pengtschau bei Tschifu sind auf einem japanischen Dampfer 300 chinesische Revolutionäre aus Dairen gelandet und haben die Stadt in Besitz genommen. Aus der Provinz Honau, speziell aus Tschangschu, werden ebenso Unruhen gemeldet. In Tientsin ist es gleichfalls zu Unruhen gekommen.
Paris, 17. Jan. Dem Newyork Herald wird aus Peking gemeldet, man glaube, der gegen Huanschikai verübte Anschlag sei die hauptsächliche Ursache, weshalb die Mandschuprinzen, die ein ähnliches Attentat gegen ihre Person befürchten, ihren Widerstand gegen die Abdankung des Kaisers aufgegeben hätten. Demselben Blatt wird aus Schanghai gemeldet, Sunyatsen habe telegraphiert, falls der Kaiser abdanke und Huanschikai sich den Republikanern an- schließsn werde, werde er zugunsten des letzteren zurücktreten.
Zentrumsstichwahlparolen!
Stuttgart, 17. Jan. Wie die „Schwäbische Tagwacht" hört, soll die Parole des Zentrums zu den Stichwahlen in Württemberg überall, wo Liberale und Sozialdemokraten in Betracht kommen, auf Wahlenthaltung lauten. Eine Ausnahme soll der 9. Wahlkreis bilden, wo die Parole gegen Haußmann lauten soll. Diese Mitteilung dürste durch die morgen zu erwartende parteiamtliche Erklärung des „Deutschen Bolksblatts" ihre Bestätigung und Ergänzung dahin erhalten, daß das Zentrum im 3.. 8., 11. urrd 14. Wahlkreis für die zur Stichwahl stehenden Kandidaten des Bundes der Landwirts eintritt.
Heilbrsnn, 17. Jan. Die Zentrumspartei wird bei der Stichwahl wiederum für den Kandidaten der Konservativen und des Bundes der Landwirte, Dr. Wolfs, eintreten. Letzterer dürfte eine wesentlich höhere Stimmenzahl als bei der Hauptwahl auf sich vereinigen, da in ländlichen Gemeinden viele sozialdemokratische Stimmen von Nichtsozialdemokraten abgegeben wurden, lieber den Ausgang der Stichwahl läßt sich gar nichts sagen.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
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lischen Streich gerade in dieser Stunde meines höchsten Glücks entrissen sein sollte, schien mir unfaßbar. Die ganze schlaflose Nacht hindurch zermarterte ich mein Gehirn, eine Erklärung für ihr Verschwinden zu finden, aber alles Nachdenken half nichts, ich vermochte das Rätsel nicht zu lösen.
Das einzige, was feststand, war, daß Helen und ich vergiftet worden waren. Ebenso war es sicher, daß das nicht zufällig geschehen war. Aber wie kam es, daß Marcella nicht auch der Einwirkung des Giftes zum Opfer gefallen war. Sie hatte doch von denselben Speisen gegessen wie wir, und war dem Einfluß des Betäubungsmittels ebensogut unterworfen wie wir, und trotzdem war sie nach den Aussagen des Dienstmädchens, während wir beide ohnmächtig gewesen waren, bei vollem Bewußsein gewesen, hatte sich ruhig angezogen und aus dem Hause entfernt — und das. nachdem sie mir feierlich versprochen hatte, es ohne meine spezielle Erlaubnis nie wieder zu tun; und noch dazu in einer Nacht, wo auch der beherzteste Mann hinauszugehen sich bedenken würde.
Das schien einfach unglaubhaft, wenn man nicht annehmen wollte, daß Marcella entweder verrückt sei (doch auch Geisteskranke sind von der Einwirkung von Giften nicht ausgeschlossen) oder das verdor- benste und undankbarste Geschöpf auf Gottes Erdboden, wenn nicht gar eine wirkliche Verbrecherin, was mir natürlich gleichfalls ausgeschlossen erschien.
Endlich kam mir ein Gedanst, der mich zwar mit Entsetzen erfüllte, aber mir immer'wahrscheinlicher vorkam, je mehr ich ihn ausspann.
Wie, dachte ich, wenn sie gleichfalls der Einwirkung des Giftes erlegen, und, während Helen und ich bewußtlos waren, mit Gewalt aus dem Hause entführt wäre? Diese Annahme wurde mir bald zur Gewißheit. Selbverständlich konnte das nur im Einvernehmen mit dem Dienstmädchen geschehen sein. Eine wahnsinnige Wut erfaßte mich, ich sprang aus dem Bett und wollte die elende Kreatur erwürgen. Doch plötzlich erkannte ich, wie töricht eine solche überstürzte Handlungsweise wäre. Ich beschloß daher, lieber noch die Stunde zu warten, bis die Post öffnete, und dann nach Scotland Hard zu telegraphieren und um den sofortigen Besuch des Inspektors Beale zu bitten. Natürlich, sagte ich mir, würde es unklug sein, Mary Ann auch nur im entferntesten zu erkennen zu geben, daß ich sie in irgendwelchem Verdacht hatte.
Die Morgendämmerung war mittlerweile etwa eine halbe Stunde angebrochen, und als ich die Jalousien hochzog. sah ich, daß jede Spur von Nebel verschwunden war. Wie zum grimmen Hohn meiner schrecklichen Verzweiflung schien die Wintersonne hell und klar auf die Gipfel der Bäume, — der Himmel war stahlblau, — die Spatzen, als bekannte Frühaufsteher, zwitscherten laut nach dem Frühstück, — die ganze Natur zeigte Frieden und Freude, — nur
in meiner Brust herrschten Sturm und Leid, denn mein Liebstes war mir genommen.
Helen war ebenfalls schon längst aufgestanden und begegnete mir auf der Treppe. Sie sah bleich und abgehärmt aus. Ich flüsterte ihr leise ins Ohr, was ich glaubte, und Vorhalte Sie bemerkte nur dazu:
Dann laß aber auch Charley kommen, ich habe das Gefühl, als ob ich seine Nähe heute nötig hätte.
Ich lächelte grimmig darüber und versprach es ihr — wahrscheinlich würde ich es auch ohne ihr Bitten getan haben; denn, wenn ich seinen Rat und Beistand jemals brauchte, war es jetzt sicherlich der Fall — in dieser ersten wirklichen Krisis meines Lebens.
Als ich am Postamt ankam, wurden die Schalter gerade geöffnet. Die junge Dame, die mir die Telegramme abnahm, sah mich groß an, als sie sie überlas. Das erste lautete:
„Inspektor Beale, New Scotland Yard, London. Dame gestern abend verschwunden; bitte sofort kommen, habe Dienstmädchen in Verdacht. — Williams."
Das zweite, an Mortimer gerichtet, hatte folgenden Inhalt:
„Mortimer, Pump Court 92, Middle Temple, London. Marcella fort; bin ganz außer mir; sofort kommen. — Ted."
(Fortsetzung folgt.)