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Samstag, 20. September.

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^ Isar.

^ Volksftimmungen <L Volksleidenschafte«.

Die, gelinde gesagt, sonderbaren Reden der französischen Minister lies Krieges und der Marine haben doch Niemanden in Erstaunen setzen können, der die Franzosen nimmt, wie sie sind. Es ist ein schöner, aber nicht zutreffender Glaube, anzunehmen, der Chauvinismus ffi in Frankreich ausge- storbeu, der Gedanke an einen Neoanchekrieg sei verblaßt. Wie kann er das? Wer sich die Mühe gicbl, die französischen Schulbücher genauer zu studieren, der wird darin zahlreiche Anspielungen auf die glorreiche Zukunft, auf den heiligen Krieg und sonstige Dinge finden, von welchen nicht schwer zu erkennen ist, was sie bedeuten sollen. U id im mündlichen Unterricht wird das, was iu den Büchern steht, noch deut­licher gemacht. In solcher Erziehung ist das heutige fran­zösische Geschlecht von den Kindern zu Männern heran- gcwachsen; kann es da iu ein paar Jahren die Eindrücke des ganzen Jugendunterrichts abstreifen, zumal die ältere Generation, die den Krieg erlebte, gern auf die Notjahre Frankreichs zurückgreift? Freilich, es ist sonderbar, trotz­dem, wie ein französischer Minister, der doch die deutschen Leistungen auf der Weltausstellung von 1900 sah, der die Geschichte etwas besser kennt, als Millionen seiner Lands- leute, von einer bestehenden Barbarei des alten Germaniens reden kann. Aber wenn er es getyan ha!, dann wußte er auch, daß er es ungestraft thun konnte, daß die Masse der Franzosen hinter ihm stehen würde; denn so unbesonnen ist kein Mitglied eines französischen Ministeriums, daß es durch eine Zweckrede sein Portefeuille auf's Spiel setzte. Der Minister des Auswärtigen hat sich beim leitenden Staats­mann, dem Premierminister Combes, beschwert. Am Ende kommen darauf ein paar entsprechende Worte, in der Sache bleibt es heim Alten. Kann man sich darüber wundern ? Nein I Wer es thäte, der soll nach Paris reisen, sich dort auf dem Concordien-Platz die von Revanche-Emblemen aller Art und Trauerfloren bedeckte Statue der Stadt Straß­burg ansehen, die kein öffentliches, kein Privat-Eigentum ist. Trotz aller deutschen Liebenswürdigkeiten wagt keine Regier­ung und keine Behörde, die Entfernung dieses chauvinistischen Anhängsels anzuordnen. Und so werden auch die Chauvinisten auf absehbare Zeit noch immer Oberwasser behalten.

Die Franzosen sind kein Volk, das für ein ruhiges Arbeiten, ohne sich umzublicken, ohne Jemand anzustoßen, geschaffen ist. Das Temperament verlangt Stimmung und diese Stimmung ist keine laue, vergnügt-fröhliche, sie wird sofort von der Leidenschaft in's Schlepptau genommen. Man kann auch dann, wenn Frankreich am allerruhigsten ist, jede Stunde befürchten, daß irgend etwas explodiert. War zu den Ministerworten von der Barbarei deS alten Germanien's auch nur der allerleiseste Anlaß vorhanden? Nicht im Ent­ferntesten. Diese Aeußerung war eine ministerielle Unge­

zogenheit, über die wir gelassen fortsehen können; aber dies überlegene Außcrachtlassen müßte doch an dem Tage sein Ende erreichen, an welchem aus der Ungezogenheit eine Be­leidigung würde. Das wird nicht Vorkommen!, so sagt man. Wir meinen auch, es wird nicht geschehen, aber seine Hand kann niemand darauf ins Feuer legen, daß einem Franzosen von politischer Bedeutung Aeußerungen entfallen, bei weichen der kühle Gleichmut doch sein Ende findet.

Die politischen Beziehungen der deutschen Reichs­regierung sind zu Rußland, England, Frankreich, wie nicht selten versichert wird, befriedigende. Aber wenn Jemand noch so fest und bestimmt behauptet, Russen, Engländer und Franzosen hätten uns in ihr Herz geschlossen, brächten uns zeitgemäße Teilnahme und Sympathie entgegen, so stimmte das doch nicht. In allen drei Staaten ist die Schürerei gegen den Deutschen eine systematische, der Deutsche ist von anderem Charakter und Temperament, man will ihn nicht, man kann ihn nicht leiden. Daß eine Anzahl gescheidter Männer in allen drei Staaten sehr viel anders denkt, bestätigt nur die Regel, und zudem lieben es die deutschfeindlichen Zeitungen, unser Bild zu einem Zerrbild umzugestalten. Teils kennen sie uns nicht, teils wollen sie uns nicht kennen, wir müssen immer als das Karnickel dienen, welches anfängt. Wir brauchen uns über dies Treiben nicht im Geringsten aufzuregen, ganz gewiß nicht, aber darüber zu lachen, haben wir auch keinen Anlaß, die Geschichte ist dafür doch zu ernst. Die Zeiten können nicht gut und erfreulich erscheinen, in welchen chauvinistische Nationen und ihre Vertreter nicht recht wissen, was sie anfangen sollen. Dabei kommt nie etwas Gutes heraus.

Tagespolitik.

Bei den soeben beendeten Kaisermanövern war Wohl manches anders als es im blutigen Ernstfälle gewesen wäre, aber die Hauptsache bei solchen Hebungen ist doch, daß jeder Offizier und jeder Mann zeigt, was er gelernt hat und was er leisten kann. Und da muß gesagt werden, daß z. B. die Marschleistungen aller Truppen geradezu großartig sind. Was ist die Kavallerie an den beiden letzten Tagen geritten, welche Strecken hat beispielsweise die 9. Division in der Nacht vom 11. zum 12. zurückgelegt! Dabei ist diese Woche wegen des günstigen trockenen Wetters voll ausgenützt worden, und die Truppen haben, trotzdem die meisten schon in der vorigen Woche reichliche Marsch­tage hinter sich hatten, fast ausschließlich biwakiert. Wie sehr eine Reihe unmittelbar folgender Biwaks während der stets feuchten Scptembernächte anstrengen, kann eigentlich nur der ermessen, der es selbst mitgemacht hat und der weiß, wie froh man ist, wenn man sich nur in die staubige Ackerfurche niederwersen und nach eilig genossenem Imbiß den Schlaf suchen kann. Mancherlei wird über die aus­

geführten Kavallerie-Attacken gesagt. Welchen Wert der Kaiser auf sie legt, ist bekannt. Daß so gewaltige Reiter­massen, im gestreckten Galopp anftürmend, auch wenn im Ernstfall vielleicht die Hälftendem mörderischen Feuer der Infanterie und Artillerie zum Opfer fallen muß, Verwirrung in den Feind tragen und eine Lücke in seine Reihen reißen, mag möglich sein, sicher ist es nicht. Die letzte große Attacke wurde übrigens auch von der Kaiserin begleitet, die einem Ulanenregiment folgte. Was die Infanterie betrifft, so wurde bei den Manövern die sog. Burentaktik keineswegs überall angewendet; besonders bei der Garde sah man viel­fach das alte, sprungweise Vorgehen und das Anrücken der Hintermänner mit schlagendem Tambour. Dagegen wurde da, wo keine ällzubreiten Frotiten zu entwickeln waren, die moderne, dünne Schützenkette, das Auflösen aller Soutiens in lose Linien, das Ausnutzen jeder Deckung dadurch, daß einzelne kleinere Trupps, unbekümmert um die übrigen, sich bis zur nächsten Erderhöhung vorschoben, vielfach bemerkt. Die Leute krochen im freien Feld vorwärts, sogar den Ge­wehrriemen zwischen den Zähnen. Besonders bei der ersten Entwicklung des Gefechtes werden laute Kommandornfe vermieden, Win! und Beispiel müssen genügen. Anklänge an die Burentaktik bot hie und da auch die Aufstellung der Artillerie nicht in langen Fronten, sondern in einzelnen Gruppen. Pferde und Protzen schienen weiter hinter der Front zurückgeführt zu werden als früher. Vorzüglich be­währt sich das Maschinengewehr zur Deckung von Kavallerie bei seiner leichten Beweglichkeit, seiner leichten Bedienungs- Möglichkeit und der praktischen, im Gelände sehr unauf­fälligen Uniformierung seiner Mannschaften. Die technischen Hilfsmittel der modernen Kriegskunst waren alle, wie sonst, im Betrieb: die fahrbaren Luftballons, die mit unglaub­licher Schnelligkeit sich füllten und alsbald aufstiegcn, die Automobile, die Feldtelegraphen, die optischen und die Funkentelegraphen, Kriegshunde und Brieftauben, Rad­fahrer und Automobilradfahrer. Auch die Verladung ging glatt von statten.

* *

Französische Schwärmer, welche es für möglich hielten Deutschland könne gutwillig das 1870 zurückerworbene Elsaß-Lothringen wieder abtreten, schlugen vor Jahr und Tag vor, es möge in Elsaß-Lothringen doch eine Ab­stimmung darüber veranstaltet werden, wer dort zu Frank­reich und wer zu Deutschland gehören wolle. Der Wille der Volksmehrheit sollte dann maßgebend sein. Roch vor 10 Jahren hätte Wohl die Mehrzahl für Frankreich ge­stimmt, wenigstens in Lothringen und besonders in dem alten Franzosennest Metz. Würde die Abstimmung aber heute vorgenommen, so würden die Franzosen eine Ent­täuschung erleben und selbst in der alten lothringischen Hauptstadt würde die Mehrheit für Deutschland stimmen.

D Aefefrircht.

Auf was Gutes warte gern,

Ist dein guter Tag auch fern; - Ein zu schnell gekommnes Glück Flieht oft schneller noch zurück.

Logau.

NnLer der Sonne des Südens.

Von Hans Wald (Fortsetzung.)

Die Gendarmen hatten ja nicht danach gefragt, ob Jemand aus dem Orte fehle. Oder ob er etwa mit Pedrilo Streit gehabt und ihm nachgegangen sei. Wenn die Kara- binieri so gefragt hätten, würden die Leute von Ferastro als gute Staatsbürger sich wenigstens besonnen, oder ge­antwortet haben, das sei wohl möglich. Vielleicht wisse es der Sindaco Sebastiano. Der hätte es dann sagen können. Freilich, man wußte nicht, ob schon eine Belohnung auf die Entdeckung des Thäters ausgesetzt war, und ohne eine solche Aussicht war die Aussage wenig einträglich. Einen guten Kameraden zu verdächtigen, war schmerzlich; der Kummer konnte nur gelindert werden, wenn man sprechen mußte, und wenn das bittereMuß" so mit fünfhundert oder tausend Lire vergoldet war.

Das dachten sie und redeten wichtig und raunten und bedachten . . .

Einer war fortgegangen gestern Mittag, nachdem er Streit mit Pedrilo gehabt. Das war Antonio, den sie den Stolzen nannten. Der Sohn vom Kutscher des früheren Kavaliere war es, der jetzt im Ort bei seiner Mutter wohnte, von der man sagte, sie habe den Heimgang ihres Mannes bald in einer neuen Ehe vergessen wollen, aber keinen Heiratslustigen gefunden. Denn der Junge war

ein unnützer Brotesser. Hätte ihn doch die Tante vom jungen Kavaliere Vittorio mit aufgezogen; aber die sagte mehr offen, als liebevoll, mit dem einen Galgenstrick, ihrem Neffen, hätte sie allermeist zu thun.

Weil die Mutter wegen ihrer vereitelten Heirats­hoffnungen immerfort auf den Buben loshackte, war der Antonio ein verschlossener, finsterer Mensch geworden, der andere Leute nicht beachtete, wenn er nicht wollte. Hatte freilich nicht viel Grund dazu, denn seine Arbeiten in den schlimmen Schwefelgruben brachten ihm gerade keine Reich- tümer ein. Als Junge hatte er mit Vittorio, dem künftigen Herrn," wie der noch immer heißt, gespielt, doch das war längst vorbei. In den letzten Jahren hatten die Leute die Beiden nimmer viel bei einander gesehen.

Antonio sollte nun Soldat werden; hin nach Afrika war er bestimmt. Als er zuerst von dem Kommissar die Nachricht erhalten hatte und die andern dazu, er könne für seine Mutter, wenn sie Geld gebrauche, einige hundert Lire erhalten, war er stillschweigend nach Haus gegangen und hatte sich auf sein Lager geworfen und mit den Zähnen geknirscht. Diesen ruhigen Menschen hatte es fürchterlich gepackt. Den Tod im heißen Afrika, wo der Feind lauerte und das Fieber, den fürchtete er nicht. Ah bah ! Er war kein Hasenfuß, in seiner Schwefelgrube bei der giftigen Arbeit, bei den oft verhängnisvollen Sprengschüssen konnte der Tod ihn noch eher eiuholen. Aber fort? Und jetzt?

Da war seine Mutter hereingekommen, immer noch eine saubere Frau. Keine vierzig Jahre alt. Und ihr rotes Kopftuch trug sie, die Kette um den Hals und die bunte Schürze über dem Sonntags-Rock. Der war etwas ausgefranst, aber Kopftuch und Schürze sollten über Anderes fortsehen lassen.

Die Mutter Anna hatte erst erstaunte Augen gemacht.

Wie sich der große, starke Mensch hatte? War das ein Wesen? Dann war sie leis herangeschlichen an ihren Sohn, wie ein Kätzchen; die Augen funkelten nur so. Hatte sie doch gehört, daß der Antonio blanke Lirestücke, und Wohl Gold dazu, für sie bekommen konnte. Und war der große Nichtsnutz, wie sie ihn im Zorn, der liebe, süße Schlingel, wie sie ihn ein paar Minuten nachher im Zärt- lichkeitsanfall nannte, fort, dann juchhei! sie schnalzte mit den Fingern, dann hatte sie das Geld und bekam wohl gar noch einen Mann. Denn die blanken Lirestücke, die sie bekam, weil der lose Strick, der Antonio, nicht mehr für sie arbeiten konnte, da er sich drüben jenseits des Meeres mit schwarzen und braunen und gelben Menschen herum­schlagen mußte, gab sie natürlich nicht wieder her; auch wenn sie einen Mann bekam, nicht. Der Mann konnte ja anders werden, wie zuerst, er konnte sie schlagen, wie es Antonio, ihr Seliger, gethan, er konnte nichts verdienen, wie das der Selige zuletzt auch brav verstanden. Und wollen die Herren in der Stadt besonders der Offizier mit dem schwarzen Schnurrbart, das Geld doch wieder haben, dann bettelte sie erst, dann weinte sie, und dann ja, die Jugend war nun mal vorbei, dann lief sie lieber nach dem Feuerberg bei der schönen Stadt Katania, und

sagte-da hinein wär's Geld geschüttet; da möchten's

die Signori sich herausholen. Allerschlimmstenfalls gab s dann ein paar Wochen im Weibergefängnis, und da ließ sich ebenso gut schwatzen wie zu Haus, und besser zu essen gab's, wie zu Haus, wo mitnntrr kaum ein Brotrest blieb. Und ein bischen Mehl. Maccaroni gar? 0 Llaärs Zantissirna!

So hatte die Mutter Anna, die immer noch schmucke, gerechnet, und nun, als sie mit einem Strohhalm von seinem Lager dem lieben, süßen Schlingel unter die Nase gekitzelt