lelepkv» Nr.11.
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Sonntag, 23 Ikeöruar,
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I 1902.
Amtliches.
Es ist beabsichtigt, Frauen und Mädchen in den Eisenbahndienft aufzunehmen, welche a. im Fahrkartenausgabedienst, b. im Güter- und Gepäckabfertigungsdienst, o. im Bureaudienst der Generaldirektion der Staatseisenbahnen verwendet werden sollen. Die Voraussetzungen für die Annahme sind: a. ein Lebensalter von mindestens 18 und höchstens 30 Jahren, b. lediger Stand oder Witwe ohne Kinder, o. körperliche Tauglichkeit, insbesondere ausreichendes Seh- und Hörvermögen, ä. guter Leumund, «. gute Schulbildung, welche entweder durch Schulzeugnisse oder durch Erstehung einer Prüfung nachzuweisen ist. Die erstmalige Aufnahmeprüfung wird in der zweiten Hälfte des Monats März ds. Js. m Stuttgart abgehalten werden. Gesuche um Zulassung sind spätestens bis zum 10. März bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen einzureichen. (Näheres s. Staatsanz. Nr. 43.)
Deutscher Weichstaq.
* Merlin, 21. Febr. (Beratung des Militäretats.) Abg. Eickhoff (freist Vp.) befürwortet eine Reform der Kontroll- versammlungen, wobei oft aus geringfügigen Ursachen strenge Strafen verhängt würden. Ein Bundesratsbevollmächtigter verspricht Berücksichtigung der Beschwerde des Vorredners. Abg v. Brockhausen (kons.) kann der Duellresolution Lenzmann nicht zustimmen. Die Unteroffizierfrage werde immer dringender. Redner bittet den Kriegsminister, beim Einkauf des Armeebedarfs au Getreide die Produzenten zu berücksichtigen, und macht auf die Organisation der Kornhauskommission aufmerksam. Generalleutnant von Heeringen erwidert, die Heeresleitung berücksichtige grundsätzlich möglichst Produzenten. Abg. Stadthagen (Soz.) erwähnt nochmals den Erlaß des Kriegsministers vom Jahr 1894, welcher jede sozialdemokratische Bethätig- ung, auch des Beurlaubtenftandes, verbietet. Auf eine Anfrage des Abg. Kopsch (freist Vp.) erklärte Generalmajor v. Einem, die Militärverwaltung befolge den Grundsatz, daß die Kantinen nicht mehr an große Firmen verpachtet werden. Abg. Gröber (Ctr.) behandelt die Frage, ob der Gerichtsherr befugt sei, nach Einleitung der Untersuchung selbst noch Ermittelungen anzustellen, du das Reichsgericht auf dem Standpunkt stehe, dieses Vorgehen stehe auf dem Boden seiner militärpolizeilichen Funktionen. Abg. Bebel (Soz.) verteidigt Roon gegenüber die Kritik der Sozialdemokraten an den Heereseinrichtungen und Vorkommnissen in der Armee. Abg. v. Gersdorsf (kons.) ist erfreut über die Garnisonsverlegung in der Provinz Posen, die geeignet sei, dem polnischen Terrorismus dre Spitze zu bieten. Auf eine Anfrage des Abg. Kirsch teilt Generalmajor v. Einem mit, die Dauerübungsritte icien in den Dienst der Kavallerie ausgenommen worden, weit dieselben zur Ausbildung durchaus notwendig seien. Das Gehalt des Kriegsministers wird bewilligt, die Resolution Lenzmann gegen die Stimmen der Konservativen und der Reichspartei angenommen.
LcmdesnachrichLen.
* Zwischen Aeöriuge« und Ksudsrk wurde am 18. ds. M. nachts nach 10 Uhr von der über die Bahnlinie führenden Brücke der Straße Oeschelbronn—Thailfingen ein großer Stein auf die Maschine des durchfahrenden Bahnzuges herabgeworfen, welcher das Ventil beschädigte und ein Anhalten des Zuges nötig machte. Der Thäter flüchtete gegen Thailfingen.
* Stuttgart, 21. Jan. Wie der „Schwäb. Merkur" meldet, ist gegen Freiherrn v. Münch Anzeige erstattet wegen Beleidigung des Ministers v. Pischek, sowie mehrerer höherer Beamten, begangen durch Veröffentlichung einer Broschüre.
* Keikvrouu, 20 Febr. (Zum Konkurs der Gewerbebank.) Dem Bortrage der Konkursverwaltung vom Heutigen entnimmt die „Neck.-Ztg.", daß sich der Aktivstand der Kasse gegenüber der Zeit der ersten Gläubigerversammlung durch Ausbruch verschiedener Konkurse von Schuldnern der Bank verschlechtert habe. Es seien etwa 75 Prozent Dividende — mit Sicherheit aber 70 Prozent — in Aussicht zu nehmen. Die Summe von 1 400 000 Mk. sei angesammelt und verzinslich angelegt. Es soll hiervon im April eine Abschlagszahlung von, 50 Prozent vorgenommen werden.
* In dem Luftkur ort Aueröach an der Bergstraße stehen z. Zt. nicht weniger als 22 neuerbaute Villen zum Verkaufe. So groß war die Bauwut der letzten Jahre dort.
* Augsburg, 21. Febr. Der Raubmörder Matthias Kneißl wurde heute früh 7 Uhr mit dem Fallbeil hingerichtet. Der Delinquent ging dem Tode ziemlich gefaßt entgegen. Der traurige Akt vollzog sich in etwa 1 ffz Minuten.
* Merli«, 20. Febr. Zur heutigen Sitzung der Zolltarifkommission erschienen etwa hundert Reichstagsabgeordnete als Zuhörer, um die angekündigte Erklärung des Grafen Posadowsky zu hören. Zu Beginn der Sitzung erklärte der Vorsitzende Rettich (kons.), daß die zu erwartenden Regierungserklärungen vertraulich zu behandeln seien. Dann nahm Staatssekretär Graf Posadowsky das Wort zu folgender Erklärung: Angesichts der früheren Erklärungen des Reichskanzlers werde es nicht überraschen, wenn er jetzt erkläre, daß die Zustimmung der Verbündeten Regierungen für den Kompromißantrag in keinem Stadium der Beratung zu haben sein werde.
js Merkt«, 21. Febr. Die Budgetkommission des Reichstags beriet heute den Etat der Reichseisenbahnen. Eisenbahnminister von Thielen hob hervor, daß die Einnahmen der Elsaß-Lothringischen Bahnen namentlich wegen der ungünstigen Lage der Eisenindustrie wesentlich zurückgegangen s seien. Man rechne für das laufende Etatsjahr auf einen j Ausfall von etwa 10 Mill. Mk. gegenüber dem Vorjahre,
» wovon 9 Mill. auf den Güterverkehr entfallen. Am Schluß der Sitzung erklärte der Minister von Thielen noch, prinzipiell erhebliche Ermäßigungen der Personentarife nicht eintreten lassen zu können, da man im allgemeinen zu den Selbstkosten oder gar darunter fahre.
* Die Reise des Prinzen Heinrich veranlaßt ein amerikanisches Blatt zu schildern, was Deutschland früher war und was es jetzt ist: Bor 35 Jahren : „Geringer Handel und eine Industrie, welche kaum den Namen einer solchen verdient; ein unordentliches Bank- und ein heruntergekommenes Finanzsystem, eine verwirrte ausländische Politik; das Volk ist in 23 Staaten geteilt mit dem Schatten eines Zollvereins unter dem Zwang der preußischen Hegemonie; eine gemeinsame Sprache und Litteratur — das war vor dreißig Jahren das Material, aus welchem das deutsche Reich hervorging." Jetzt: „Eine Bevölkerung von 56 Millionen Einwohnern, geeinigt zu einer großen Nation; das zweitbeste Kommunikationssystem der Welt; der auswärtige Handel, nur dem von England und Amerika nachstehend, hat in seinem Eroberungszuge die entlegensten Teile der Erde erreicht und sein Terrain trotz langjähriger Handelsbeziehungen anderer Länder gewonnen; ein Fabrikationssystem, das alle Hilfsmittel der Nation ausnützt und die unbebauten Strecken kultiviert, während die Landwirtschaft durch wissenschaftliche Methoden die Früchte ihrer Arbeit verdreifacht hat; ein System, welches die Produktion von Kohle vervierfacht und diejenige des Eisens verdreifacht hat, welches die größte chemische Industrie, die zweitgrößte elektrische Industrie, die drittgrößten Textil-, Eisen- und Stahlindustrien und die zweitgrößte Schiffahrtsorganisation der ganzen Welt hervorgebracht hat; das die Bevölkerung der Städte verdreifachte, die besorgniserregende Auswanderung auf ein Minimum reduzierte, die Löhne erhöhte, den Wert des Grund und Bodens steigerte und die Staatseinnahmen verdreifachte; eine starke, auf sich selbst vertrauende, fortschrittliche, blühende Nation — das ist das heutige Deutschland, das Resultat einer dreißigjährigen Arbeit. Niemals ist in der industriellen Geschichte der Welt, ausgenommen den Sieg derselben Rasse in den Niederlanden über die Wogen und Fluten der Nordsee, ein solcher Erfolg unter gleich schwierigen Verhältnissen errungen worden." Der Verfasser setzt weiterhin auseinander, daß Deutschland keinen einzigen der vielen Vorteile genoß, welche England und Amerika in dem wirtschaftlichen Wettbewerbe im Anfang einen so großen Vorsprung verschafften, und schließt seine Ausführungen nach einer Aufzählung aller von Deutschland überwundenen Schwierigkeiten und Hindernisse mit den Worten: „Wenn der Erfolg, welchen eine Nation unter widrigen Verhältnissen erringt, einen Maßstab für ihre Größe bildet, dann ist Deutschland die größte Nation der Welt."
js Kfle« a. d. Ruhr, 21. Febr. Heute früh wurde bei dem Krupp schen Sieinbruch Bredeney die Arbeiterschutzhütte durch herabstürzende Felsmassen verschüttet. Von den 7 darin befindlichen Arbeitern wurden 4 getötet und 2 verletzt.
Ausländisches.
js Wie«, 21. Febr. In der Pfarrkirche in der Hofburg vollzog heute vormittag Kardinal Gruscha die kirchliche Segnung des Erzherzogspaares Rainer, welches heute die goldene Hochzeit beging.
* Lo«do«, 19. Febr. Feldmarschall Sir Nivelle Chamberlain, ein Veteran der britischen Armee, ist am Montag abend im Alter von 82 Jahren gestorben. Mit ihm ist einer der tapfersten Offiziere der sogenannten diktyranischen Aera aus dem Leben geschieden, ein Soldat, der in fast allen Kriegen dieser bewegten Epoche mitgefochten und mehr Wunden davongetragen hat, als irgend einer seiner Kameraden. In den letzten Jahren seines Lebens erlangte er
eine besondere Berühmtheit dadurch, daß er die von den britischen Heerführern in Südafrika zur Anwendung gebrachten Methoden offen mißbilligte und als eine Schande für die englische Armee brandmarkte, was ihm selbstverständlich den Ruf eines „Pro-Buren" und „Verräters" zuzog.
js Lovdo«, 21. Jan. Im Unterhause erklärte Cran- borne, im nächsten Finanzjahr würden 60 Schiffe gebaut werden, dazu kämen im Bauprogramm vorgesehene neue 27 Schiffe. Im kommenden Finanzjahre würden 18 neue Schiffe in den Flottenverband treten. Dazu käme eine wesentliche Verstärkung der Flotte durch Umbauten. Der Bau von Unterseebooten mache raschere Fortschritte. Fünf seien bereits nahezu fertig, eines, ein verbesserter Typ, sei im Bau. Die Admiralität denke mit dem Bau von Unterseebooten fortzusahren. Sämtliche britische Geschwader seien verstärkt worden, vor allen das Mittelmeergeschwader, aber auch das Heimatgeschwader, und wenn nötig, sei eine weitere Verstärkung möglich. Die Flotte, eine Flotte für den Krieg, werde eines Tages Proben ihres Könnens abzulegen haben. Auf diesen Tag, der aber hoffentlich nie kommen möge, der aber, wann er komme, verhängnisvoll und kritisch sein werde, rüste die Admiralität. (Beifall.)
* Metersö«rg, 20. Febr. Bei den Aufräumuugs- arbeiten in dem von Erdbeben zerstörten kaukasischen Orte Schemacha sind bis jetzt 820 Personen lebend zu Tage gefördert worden.
js Koakautiaopek, 21. Febr. Der Mollah Zekka, der erste albanesische Notable in Speck wurde in der Nacht vom 16. auf 17. in Speck von der Mannschaft des Gendarmeriekapitäns Adem-Bay getötet. In Diakow ist die Ruhe hergestellt. Die Albanesen haben sich zurückgezogen. General Chemsi-Pascha verbleibt in Diakow bis zum Eintreffen neuer Beiehle. Der Gendarmeriekommandant von Pristina, der in Diakow war, ist nach Pristina zurückgekehrt.
* Madrid, 20. Febr. Vergebens wartet man auf genauere Nachrichten aus Barcelona. Die Censur verstümmelt fortgesetzt alle Berichte. Die Lage in Barcelona ist furchtbar, da die Zahl der Ausständigen über 100,000 meist bewaffneter Personen stark ist. Andererseits besagt ein amtlicher Bericht, die Ruhe sei wieder hergestellt.
* Madrid, 21. Febr. Der Generalstreik verbreitet sich wie ein Oelfleck. In der Provinz Tarragona ist der Kriegszustand verhängt worden. Der Generalkapitän von Saragossa verlangte Verstärkungen; solche gingen bereits ab aus Alcala und Pamplona. In Valencia erfolgten Angriffe der Kavallerie auf die Streikendeu.
js Madrid, 21 Febr. In Castellon tränkten die Streikenden bei Nacht zwei Fabriken mit Petroleum und verbrannten sie; eine Versammlung der Arbeiter stimmte für den allgemeinen Streik. In Saragossa wurde der allgemeine Streik ebenfalls begonnen. Alle Läden sind geschlossen und auf eine mild abgefaßte Aufforderung der Arbeiter hat der größere Teil der Fabriken seine Thüren geschlossen. Die Streikenden besuchen jetzt die anderen Fabriken, um sie zum Schließen zu veranlassen. Der Kommandant von Saragossa verlangte telegraphisch Verstärkungen. In Valencia ist der Streik noch nicht allgemein; die Hafenarbeiter sind dagegen. Die Streikenden versuchten die Trainbahn zum Stillstand zu bringen, sie wurden aber von der Polizei zurückgetrieben. Alle Hauptstraßen wurden von Truppen besetzt.
js Marcelo««, 21. Febr. Hier ist die Lage ruhiger. Die Fuhrwerksbesitzer erhielten Befehl, den Betrieb wieder aufzunehmen, widrigenfalls ihnen ihre Konzeision entzogen werden soll. Der Generalkapitän ordnete das regelmäßige Wiedererscheinen der Zeitungen an und verlangte die Adressen der- jenigen Buchdrucker, welche sich weigern sollten, zu arbeiten.
Handel un- Verkehr.
* Stuttgart, 20. Febr. (Schlachtviehmarkt.) Preise für Vr Kilogramm Schlachtgewicht: Ochsen 70 Pfg., Fairen (Bullen) 52—54, 50—52 und 46—50 Pfg., Kalbeln (Färsen), Kühe 60—62, 56—60, 50—54, 35—40 Pfg., Kälber 75—79, 70—75, 65—70 Pfg., Schweine 66—68, 65—66, Sauen und Eber 58—61 Pfg. — Verlauf öes Marktes: Rinder flau, Kleinvieh, besonders Schweine lebhaft.
* Ein Preisaufschlag für Seife ist zu erwarten. Den Grund hierzu bietet das Teuerwerden der Fette, namentlich des Palmkernöls. Dieses kostet heute wieder 5 Mark mehr als Anfang Januar und 17 Mark mehr als im Mai vorigen Jahres; ebenso ist eine weitere Steigerung fast aller übrigen auch der Weichen technischen F ette zu verzeichnen.
Konkurse.
* Richard Sauer, Kaufmann in Heilbronn, Inhaber der Firma Karl Meyer am Markt. Rudolf Gnam, Kaufmann in Reutlingen.
Verantwortlicher Redakteur? W?R ieker, Altensteigl