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Sonntag, 30. Juni

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* Göttelfingen, 29. Juni. Ein herber Trauerfall ist in der Familie des Schmiedmeisters Mockler vorgekommen. Der kräftige, blühende 21 Jahre alte Sohn Karl hatte am Kopfe ein kleines Geschwür, welchem er aber keine Be­achtung schenkte. Sei es nun, daß ihn beim Heugeschäft ein Insekt stach oder daß Unreinigkeit in das Geschwür kam, plötzlich schwoll der Kopf an und nach 2 Tagen erlag der junge Mann einer Blutvergiftung.

* Stuttgart, 26. Juni. DerBeobachter" teilt ein merkwürdiges Urteil der Heilbronner Strafkammer mit. Ein Bauer Sp. hatte dem Ortsanwalt und Schultheiß K. gegenüber, der ihn ungerechtfertigter Weise auf der Straße zur Bezahlung von 2 Mark aufgefordert hgtte, die Wendung gebraucht:Herrgottsakrament,so könnt mir jeder Hansjörg kommen." Der Ortsanwalt klagte, das Schöffengericht sprach frei, aber die Heilbronner Strafkammer verdonnerte auf ein­gelegte Berufung den Sp. zu 5 Mark Strafe mit folgender Begründung:Bei Prüfung der Frage, ob in diesen Aeußer- ungen des Angeklagten eine Beleidigung zu erblicken sei, ist das ganze Verhalten des Angeklagten in Betracht zu ziehen. Vielleicht würde man, wenn die eine oder die andere der Aeußerungen allein stünde, geneigt sein, anzunehmen, daß in denselben nur ein grobes, ungeeignetes Verhalten des Angeklagten, nicht aber eine Ehrenkränkung des Privat­klägers zum Ausdruck gekommen sei. Erwägt man aber, daß der Privatkläger für den Angeklagten im gewissen Grad eine Autoritätsperson und daß der elftere doppelt so alt ist wir vri. lrtzirer, sc, wirb incc.r UN stiy schon sestslellen müssen, daß hier eine Grobheit nud zugleich eine Ehrenkränkung, ein Zeichen von Mißachtung in sich schließt, zumal da was in der Natur der Sache liegt die Aeußerungen selbstver­ständlich in barschem und verletzendem Ton gefallen sind. Unter diesen Umständen gewinnen die Aeußerungen auch ihrem Inhalt nach eine ehrverletzende Bedeutung. Wenn ein Fluch zwar unter Gleichgestellten für den andern Teil nichts Beleidigendes enthält, so drückt sich doch in einem solchen im Verkehr eines Niedergestellten mit einem Höher­gestellten eine Mißachtung des letzteren aus. Und was die Aeußerungso könnte mir ein jeder Hansjörg kommen" an­langt, so ist zwar richtig, daß in der Abkürzung des Namens: Johann Georg"Hansjörg" an sich noch nichts Verächtliches gelegen ist. Da aber in der Sprache des Volkes gerade der VornameHans" mit Vorliebe ge­braucht wird, um damit in verschiedenen Wendungen und Zusammensetzungen einen etwas dummen Menschen zu bezeichnen, so muß doch anerkannt werden, daß in der Beilegung desHansjörg" eine Verächtlichmachung des Betreffenden, nämlich die Bezeichnung als eines besonders Dummen, nicht ernst zu Nehmenden zu finden ist." Die Frkf. Ztg. sagt hiezu: Wir möchten nur fragen: welchen Eindruck muß es aus das Publikum machen, wenn es er­fährt, mit welchen Nichtigkeiten eine Strafkammer sich ernst­haft befaßt? Eine derartige Rechtsprechung ist wahrhaft nicht geeignet, das Ansehen unserer Justiz zu erhöhen.

* (Vers chie de ne s.)* * Aus Stuttgart wird vom 16. Juni berichtet: Ein verheirateter Kaufmann, der seine Lehrzeit in eineK sehr angesehenen dortigen Geschäft durch­machte und bis Heute in demselben Geschäft verblieb, hatte sich im Laufe eines Vierteljahrhunderts das unbeschränkte Vertrauen des Geschäftsinhabers in so hohem Grade erworben, daß ihm Buchführung und Kaffe, sowie das ganze Personal unterstellt war. Dieses große Vertrauen hat derselbe seit Jahren mißbraucht und durch falsche Buchungen verdeckte Unterschlagungen verübt, deren Betrag schon jetzt auf mehrere tausend Mark sich beziffert, aber noch lange nicht ganz fest­gestellt worden ist. Seit Anfang voriger Woche ist der ungetreue Mann abgängig. Der Geschäftsinhaber will in hochherziger Weise von einer strafrechtlichen Anzeige Abstand nehmen und sogar die Familie des Betreffenden vor Not schützen. Eine große Freude wurde den Schulkindern in Bebenhausen zu teil, die als Gäste Ihrer Majestäten des Königs und der Königin das Lichtensteinspiel in Honau besuchen durften, wobei es auch an der nötigen Bewirtung nicht fehlte. Zur Heimfahrt durften die kleinen Leute und ihre erwachsenen Begleiter mit Erlaubnis des Königs den königlichen Sonderzug benutzen, damit sie nicht gar so spät ins Bett kämen. Eine aufregende Szene spielte sich dieser Tage in der Nähe des Konstanzer Hafen auf dem See ab. Die Insassen wechselten die Plätze: dadurch kippte das

Boot um und dieselben fielen ins Wasser. Der eine konnte sich am Bote halten und um Hilfe rufen, während der andere unter Wasser kam, aber wieder auftauchte. Mittels eines Motorbootes und mehrerer Gondeln konnten die Ver­unglückten vom Tode des Ertrinkens gerettet werden.

* Eine Bauersfrau in der Nähe von Pforzheim bekam jeden Abend bei Rückkehr ihres Mannes vom Feld mit demselben Streit. Sie wandte sich nun an einen bekannten Weisen", damit er ihr rate, wie der Streit wegzuzaubern sei. Der Betreffende gab der Frau eine Medizin, von welcher sie bei Rückkehr des Mannes jeweils einen Schluck im Mund behalten solle. Vierzehn Tage lang wirkte dies Heil­mittel, bis die Flasche leer war. Am fünfzehnten bekam die Frau schon wieder Streit. Als sie deshalb ihre Medizin erneuern wollte, wurde ihr bedeutet, daß dieses an jedem Brunnen möglich sei. Der weise Mann hatte ihr Wasser gegeben, das schon dadurch wirkte, daß die Frau solange den bösen Mund halten mußte, bis der Gatte im Bett lag.

fj München, 28. Juni. Ueber die Typhusepidemie beim zweiten Bataillon des 8. bayerischen Infanterieregiments in Metz meldet die Korrespondenz Hoffmann: Während der letzten 14 Tage sind 146 Mann als genesen aus der Lazarethbehandlung entlassen worden. Z. Zt. befinden sich noch 101 Mann als rekonvaleszent bei den Lazarethen Metz-Stadt und Metz-Montigny.

ff Berlin, 28. Juni. DasMilitärwochenblatt" ver­öffentlicht eine kaiserliche Kabinettsordre, datiertKiel 21. Juni", wonach Waldersee im Einverständnis mit den hohen Alliierten des Kaisers von der Stellung des Oberbefehls­habers der verbündeten Truppen in Ostasien enthoben wird.

ff Der nordamerikanische Generalkonsul Mason in Berlin berichtet mit großer Befriedigung, daß in Deutsch­land trotz der ungünstigen Geschäftslage eine außergewöhn­lich lebhafte und fortdauernde Nachfrage nach gewissen nordamerikanischen Industrie-Erzeugnissen, besonders nach kleineren Maschinen, Schreibmaschinen, Kontrollkassen, Möbeln- und Bureauausstattungen, Schuhen, Leder, ja selbst nach Kleiderstoffen hervortritt. Dieser starke Absatz ist nur die Folge der Preis-Unterbietungen von Seiten nordamerikani­scher Fabriken. Warum läßt sich Deutschland die mannig­fachen amerikanischen Scherereien, die deutschen Exportartikeln nach Nord-Amerika zu Teil werden, so ruhig gefallen? Wir könnten viel mehr nach dort absetzen, wenn wir ameri­kanischer dächten und handelten.

ss Ein aufrichtiger Berliner Finanzamtmann äußert sich derD. T." über die Leipziger Katastrophe:Jedenfalls zeigt sich, daß ein Teil unserer Banken sich immer weiter von seiner eigentlichen Aufgabe entfernt und auf das Gebiet des Gründungsschwindels schlimmster Art begeben hat. Der schöne AusdruckKonzern" ist nie so oft gehört worden, wie heute. Der Spielhagenkonzern, der Pommernkonzern, der Kummer- und Treberkonzern, werden dem deutschen Publi­kum noch lange in der Erinnerung bleiben. Sie haben ge- zeigt, was von dem so viel gerühmten Treu und Glauben an der Börse zu halten ist und werden die Zahl der An­hänger, wekche für eine Milderung der heutigen Börsen­gesetzgebung eintreten, nicht sonderlich vergrößern." Die verkrachte Bank errichtet zur Zeit einen großartigen Neubau am Petersthor in Leipzig, zu dem auch die Stadt Geld­mittel dargeliehen hat. Wie wird der nun fertig werden?

ff Löwentreiber wären in D e ut s ch - Ost a f ri k a sehr am Platze, denn aus Dar-es-Salaam schreibt man: In der Nacht zum 23. Mai wurde ein Suahelieweib von einem Löwen aus der Hütte geholt. Dicht neben der Hütte fraß der Löwe sein Opfer auf. Es ist dies ein außerordent­licher Fall von Frechheit des Raubzeugs, da sich derThat- ort nur wenige hundert Meter von den Europäer-Wohnungen befindet.

ff Die Deutsche Tagesztg., das Organ des Bundes der Landwirte, übt eine scharfe Kritik an der Bnttereinfuhr von Rußland nach Deutschland, die recht umfangreich ist. Sie behauptet, die russischen Nahrung-Mittel-Chemiker in Peters­burg und Moskau hätten vielfach 4050 "/ Margarine in der russischen Exportbutter festgestellt. Auch Stearin werde sehr häufig in der russischen Butter gefunden.

* Die Verrücktheit der Duelle ist soeben wieder in Dentschkrvne in Westpreußcn dargethan worden. Beim Wein in einem Hotel äußerte der Rittergutsbesitzer v. Hart­mann, er trinke nur französische Weine. Darauf erwiderte der Gerichtsassessor Bandelow:Und das sind die not- leidenden Agrarier!" Hartmann antwortete beleidigend. Das konnte nach den verwirrten Ehrbegriffen jener Leute nur mit Blut gerochen werden. Es kam zum Duell. Der Assessor erlitt so schwere Verletzungen, daß er am nächsten Tage starb; der notleidende Agrarier aber ist nicht verletzt

worden, weil der Assessor seine Waffe absichtlich auf die Erde gerichtet hatte.

* Die Automobilwettfahrt Paris-Berlin ist ein ziemlich kostspieliges Unternehmen, an dem sich nur wohl­situierte Leute beteiligen können. Die Fahrt kostet jeden einzelnen Wagenbesitzcr einschließlich der Erwerbskosten der betreffenden Motorwagen, der Unterhaltungsspesen, des Per­sonals und aller Nebenausgaben 2025 000 Mk. Hiezu kommen nun noch die hohen Preise, die Ausgaben für mancherlei aus diesem Anlaß zu veranstaltende Festivitäten, hohe Gratifikationen, kurzum, die Gesamtsumme, die hierbei zur Verausgabung gelangt, ist mit einer Million Mark bei weitem nicht gedeckt, diese stattliche Summe wird erheblich überschritten werden.

ff Essen a. d. Ruhr, 28. Juni. In Neumühl bei Ruhrort ist ein Kind von einem an der Rennfahrt teil­nehmenden Automobil überfahren und schwer verletzt worden.

* Ein alter Rekrut ist vor einigen Tagen in Thann im Elsaß gemustert worden. Es war ein 46jähr. Arbeiter, der vor mehreren Jahren aus Frankreich in die Heimat zurückgekehrt war, sich aber weder dort noch hier gestellt hatte. Von seinen zwei Söhnen mußte sich der eine als Einjähriger schon voriges Jahr stellen, der andere kam dies­mal zur Aushebung, sodaß es hätte kommen können, daß Vater und Sohn zusammen Rekruten spielen mußten. Der Vater wurde der Ersatzreserve überwiesen.

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* Wenn auch die Zahl der Deutschen in Prag sehr abgenommen hat, der tschechische Sturm vermochte das deutsche Element in den gemischt-sprachigen Bezirken Böhmens nicht zurück zu drängen. Die letzte Volkszählung ergab dort ein verhältnismäßig stärkeres Anwachsen des Deutschtums als des Tschechentums, durchschnittlich um zwei Prozent. Das Tschechentum hat nur noch wenig thatsächlichen Vor­teil davon, daß es mit seinen zweisprachigen Beamten und sonstigen nationalen Agitatoren ins deutsche Sprachgebiet eindringt. Das Deutschtum aber gleicht dabei dem auf einem Rohrstuhl Sitzenden, dem man hinterrücks Nadelstiche versetzt und dabei immer verlangt, er möge sich ruhig verhalten.

* London, 28. Juni. Nach einer Meldung des Bureau Lassan aus Peking haben die chinesischen Bevoll­mächtigten den Befehl erteilt, die kaiserlichen Gebäude für den rückkehrenden Hof in Stand zu setzen. Die Arbeit soll sofort beginnen.

ff Petersburg, 28. Juni. DieNowoje, Wremja" schreibt: Solange in Ehina nicht eine normale Ordnung der Dinge herrsche und solange in Peking nicht eine starke Re­gierung bestehe, welche eine Wiederholung der vorjährigen Wirren zu verhüten im Stande sei, könne von einer Rück­gabe der Mandschurei an China nicht die Rede sein. Wenn eS aber auch verfrübt sei, von einer solchen Rückgabe zu sprechen, so folge daraus nicht, daß die Frage des Ab­schlusses eines Sonderabkommens zwischen Rußland und China über die Mandschurei nicht wiederum angeregt werden könne.

ff Moskau, 28. Juni. In der Nähe einer Station der Kasaneisenbahn bei Moskau sprangen 3 Männer auf einen Güterzug, diesen zu berauben. Das Dienstpersonal des Zuges hielt den Zug an, um die Verbrecher festzuhalten, diese feuerten Revolverschüsse ab, ohne jedoch zu treffen und ergriffen alsdann die Flucht.

* Madrid, 27. Juni. Wie dieKorrespondencia" meldet, ist in Oporto die Pest ausgebrochen. Es kamen 12 Fälle vor, davon 4 tötlich.

ff New-Jork, 28 . Juni. Die Fondsmaklerfirma

Marquand und Cie. hat falliert.

* 11 Städte und 26 Dörfer sind bei dem Dammbruch zerstört worden, der sich im nordamerikanischen Staat Virginien ereignete. Die Zahl der umgekommenen Menschen wird auf tausend angegeben, der Materialschaden auf 80 Mill. Mk. geschätzt. 20 Kohlenbergwerke sind außer Betrieb gekommen.

ff Shanghai, 28. Juni. (Reutermeldung.) Auf Ersuchen Liukunyis stattete Scheng allen hiesigen Konsuln Besuche ab, um darauf zu dringen, daß, da alle fremden Streitkräfte Peking verlassen haben, auch Shanghai geräumt werde. Dem Vernehmen nach unterbreiteten die Konsuln diese Frage ihren Regierungen zur Entscheidung.

ff Upington, 28. Juni. Eine kleine englische Ab­teilung vertrieb nach einem den ganzen Tag währenden heftigen Gefecht das Kommando Konroys aus einer starken Stellung. Die Buren hatten 5 Tote, ferner machten die Engländer einen Gefangenen und erbeuteten mehrere Pferde.

Verantwortlicher oreoakieuc: VZ. ocreler, Äc>ein,e>g.