12ö3

nach seiner anfänglich schwachen Haltung der Kanzler England gegenüber gefunden hat. DerBerliner Lokalanzeiger" sagt:Der letzte Tag der gestern beendeten Legislaturperiode hat dem deutschen Volk noch eine große Freude gemacht. In einer Rede voll Ernst und Würde hat der Reichs­kanzler auf die Marokkodebatte im englischen Unterhaus geantwortet und die Art, wie er diese notwendige Aufgabe löste, wird in allen deutschen Herzen ein Gefühl froher Genugtuung zurücklassen." DasBerliner Tageblatt" schreibt:Die Rede des Reichs­kanzlers hat nichts entkräftet von alledem, was man in Deutschland gegen die Beth- mann-Hollweg'sche Politik vorbrachte. Aber man darf konstatieren, daß sie den Worten, die in England gefallen sind, passende und klare Worte gegenüberstellte." Die Voss. Zeitung konstatiert:Kaum jemals seit vier Jahrzehnten hat ein Reichskanzler vor der Vertretung des deutschen Volkes so ernste Töne angewandt, wie gestern Hr. v. Beth- mann-Hollweg. Sir Edward Erey sprach fest und zuversichtlich, Herr Vethmann-Holl- weg ist an Kräftigkeit und Zuversichtlichkeit nicht hinter ihm zurückgeblieben." Dem Berliner Börsenkurier brachte die gest­rige Rede keine Enttäuschung. Gewiß suchte Hr. v. Bethmann-Hollweg die mit Recht angegriffene Geheimniskrämerei im Som­mer und Herbst zu verteidigen. Aber das Eingeständnis war doch charakteristisch, daß man im Reichstag von Anfang an mehr getan hätte, hätte man gewußt, was Erey erzählen werde." Die Deutsche Tages­zeitung stellt mit Genugtuung fest, daß der Reichskanzler jetzt den Ton gefunden habe, der dem Ernst der Sachlage und dem Empfinden des deutschen Volkes entspreche. Sie schließt mit der Befriedigung darüber, daß auch der Reichskanzler doch etwas an­ders über die Dinge denke, als vor drei Wochen. Die Germania betont:Die gestrige Rede Bethmanns war wohldurch­dacht. nach Form, Inhalt und Stil gleich gut. Zu bedauern sei nur, daß Hr. v. Beth- mann nicht schon am 9. November England gegenüber die gleiche Offenherzigkeit zeigte." Als erfreuliches Moment der Debatte be­trachtet sie es, daß die. unnatürliche Span­nung zwischen den Konservativen und der Regierung durch die Haltung Bethmann- Hollwegs nunmehr behoben sein dürfte. Noch viel erfreulicher sei, daß der Reichs­kanzler endlich die Worte gefunden habe, die man jenseits des Kanals verstehen werde.

Tripolis 6. Dez. (Agenzia Stef.) Hier und in Ainzara verlief die Nacht ruhig. Auf die Meldung, daß eine 2000 bis 3000 Mann starke feindliche Abteilung sich noch heute morgen etwa 7 Kilometer östlich von Ainzara befand, ging die Divi­sion Eeraldi, unterstützt von der Brigade Reinaldi, erneut zum Angriff vor. Eine auf Tachuna vorgegangene Eskadron be­merkte mehrere auf dem Rückzug befindliche Karawanen und griff eine von ihnen an und tötete 5 Mann der bewaffneten Araber­eskorte, verwundete viele und nahm 8 ge­fangen. Die Division Eeraldi stieß auf erwähnte feindliche Abteilung. Nach kurzem Vorpostengefecht ergriff der Feind die Flucht. Er ließ viel Munition, Getreide rc. zurück. Der Gesundheitszustand der Truppen ist ausgezeichnet. Die Eesamtverluste - der Italiener sind 1 Offizier und 16 Soldaten tot, 94 Soldaten verwundet. Vom Kriegs­gericht wurden 14 Eingeborene unter der Beschuldigung, verräterisch italienische Sol­daten getötet zu haben, zum Tode ver­urteilt.

Vermischtes.

(Weinachtsverkehr bei der Post.) Für

den gesteigerten Päckereiverkehr vor Weih­nachten sind von der Postverwaltung be­sondere Maßnahmen durch Vermehrung der Beförderungseinrichtungen, der Arbeits­

kräfte usw. getroffen worden. Den Auf­gebern von Weihnachtssendungen wird aber dringend empfohlen, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfest, sondern möglichst frühzeitag zu bewirken, die Sendungen fest und dauer­haft zu verpacken und mit deutlicher, voll­ständiger und haltbar befestigter Aufschrift zu versehen. Die Einlieferung zur Post sollte nicht kurz vor Schalterschluß, sondern etwas früher erfolgen.

(Barfrankierung der Postsendungen.)

Bei dem Umfang, den die Barfrankierung von Briefsendungen in Bayern genommen hat es handelt sich um nahezu 2 Mill. Sendungen im Monat ist die Reichspost­verwaltung nochmals in die Prüfung der Frage eingetreten, ob sie jene Einrichtung auch im Reichspostgebiet zulassen soll. Geschieht letzteres nicht, so wird auch die wllrttembergiche Postverwaltung die bis jetzt in größeren Städten bestehende Bar­frankierung von Ortsdrucksachen ausdehnen.

(Neue Versicherungsmarken.) Das

4. Buch der ReichsversicherungsordnungIn­validen- und Hinterbliebenenversicherung" tritt mit dem 1. Januar 1912 in Kraft. Demzu­folge werden neue Versicherungsmarken ausge­geben und zwar: Ein-, Zwei- und Dreizehn­wochenmarken für die Lohnklasse 15 zu 16 bis zu 6 ^ 24 sowie eine Zusatzmarke für freiwillige Zusatzversicherung zu 1 . //. Mit dem Verkaufe der neuen Marken wird am 27. De­zember begonnen. Die alten Versicherungs­marken werden noch bis zum 30. Juni 1912 von den Postanstalten weiter verkauft. Da die alten Marken nur für Zeiten, die vor dem 1. Januar 1912 liegen, zu kleben sind, wird das Publikum beim Ankäufe von Versicherungs­marken in den ersten Wochen nach dem 1. Januar 1912 durch die Schalterbeamten aus­drücklich befragt, ob Bersicherungsmarken für die Zeit vor dem 1. Januar 1912 oder ob solche für die Zeit nach dem 1. Januar 1912 gebraucht werden. Vom 1. Juli ab werden alte Marken nur noch von den Versicherungsanstalten an das Publikum verkauft. Bis zum 31. Dezember 1913 können alte Marken gegen neue Marken bei den Post­anstalten noch umgetauscht werden, wenn sie nicht verdorben sind, in barem Geld darf der Wert solcher Marken nicht erstattet werden.

Eingesandt.

Hirsau 6. Dez. Im Lauf dieses Sommers, so hieß es, wurde von den Ee- meindekollegien Hirsaus beschlossen, unseren sog. Stadtgarten um ein Beträchtliches durch Neuanlagen zu vergrößern, und zwar mit einem Kostenaufwand von ca. 20000 Mk. In letzter Zeit, hörte man, sei die Ausfüh­rung dieses Plans wegen anderer Fragen, der Nagolduferkorrektur und Brllckenver- breiterung, auf unbestimmt vertagt worden. So begrüßenswert einerseits der Entschluß der Eemeindekollegien war, durch Bewilli­gung erheblicher Summen Hirsau als Luft­kurort zu heben, so fragt es sich doch an­dererseits, ob gerade die Ausführung des genannten Projekts die daran geknüpften Erwartungen zu erfüllen im Stande ge­wesen wäre.

Der Einsender und mit ihm wohl manche andere Ortsbewohner hegen in dieser Hinsicht erhebliche Zweifel und sehen die Zurückstellung des Projekts als ein glück­liches Ergebnis an. Die Kurgäste, die das ganze Jahr über und besonders im Sommer hierherkommen, sehnen sich vor allem an­deren nach dem Wald und nach keinem Stadtgarten". Unsere herrlichen Wälder locken und ziehen die Fremden an. Dort­hin, wo unverfälschte Natur, würzige Luft und Ruhe sich finden, eilen die Scharen der Stadtbewohner. -Was aber sollen sie in dem geplantenStadtgarten" suchen und finden? Parkanlagen finden sich an vielen Orten, fast in jeder größeren Stadt, aber Wälder, wie wir sie hier haben, sind selten. Nicht einmal Ruhe finden unsere Gäste in

unserem Ort und seinen Anlagen, wie sie es verlangen können. Wenn man z. B. sich erinnert, wie in diesem Jahr und auch jetzt noch oft genug bei Tag und Nacht stundenlang Hundegebell die Luft erschüttert, muß man da nicht bedenklich den Kopf schütteln, wenn die ersten und einfachsten Vorbedingungen, die zu einem Kurort ge­hören, nicht einmal beobachtet werden? Auch die K. württ. Staatseisenbahn könnte mehr zur Ruhe beitragen; bei Tag - und besonders bei Nacht, bei den Frühzügen, hört man sehr häufig ein langanhaltendes, schrilles Pfeifen der Lokomotiven, das ganz gewiß zum Betrieb nicht notwendigerweise gehört, die Bewohner des Orts aber jäh aus ihren Träumen rüttelt.

Dem Einsender fällt es schwer, triftige Gründe zu finden, welche die Notwendigkeit der Erstellung eines Parks erklären. Zur Hebung der Schönheit unseres Tales ist ein solcher nicht nötig. Unser Tal ist von Natur so schön, daß künstliche Anlagen eher seine Schönheit beeinträchtigen, als erhöhen kön­nen. Die Gründe, warum Hirsau als Luft­kurort nicht emporkommen will, liegen an­derswo. Vor allem ist Schuld daran die Wohnungsfrage. Seitdem in letzter Zeit verschiedene Fremdenpensinnen sich aufgetan haben, ist es zwar besser geworden, aber im allgemeinen muß man sagen, daß die Unterkünfte nicht auf der Höhe sind. Unsere Easthöfe, das kann nicht verschwiegen wer­den, entsprechen nicht den Anforderungen der Neuzeit. Natürlich kann hier nicht von heute auf morgen Wandel geschaffen wer­den, aber Unternehmungsgeist und Fleiß werden es doch zuwege bringen, daß auch hier der Fortschritt sich mehr und mehr Bahn bricht.

Des Weiteren sollte für die Sauber­keit des Ortes mehr geschehen; bei Regen­wetter ist es fast unmöglich, vom Bahnhof über die Nagoldbrücke zu gelangen oder den Villenweg zu begehen, ohne in Schmutz fast zu versinken. Außerhalb des Ortes, an den Straßen nach Calw, Wildbad, Ernstmühl, ist durch Trottoirs besser gesorgt, als inner­halb. Die Ortsbeleuchtung ist ungenü­gend. Vom Bahnhof herab bis zur Calwer Landstraße sind ein Trottoir und bessere Beleuchtung dringend nötig. Die Frei­zügigkeit der Kühe dient auch nicht jedem Fremden zur Beruhigung.

Mit das Wichtigste ist aber die Zu­gänglichmachung des Waldes. Die Wald­wege sind absolut nicht so beschaffen, wie ein besserer Kurort sie seinen Gästen bieten soll. Vielfach sind die Wege zu steil ange­legt, besonders gerade im ersten Anstieg. Die Sitzplätze sind äußerst dürftig und oft baufällig. Manche Wege sind durch gefällte Baumstämme monatelang, selbst im Som­mer, gesperrt. Wenn die Gemeindekollegien einen größeren Beitrag bewilligen würden, um im Verein mit dem K. Forstamt die Erschließung unserer Wälder tatkräftig in Angriff zu nehmen, so würden sie sich sicher­lich den allergrößten Dank unserer Gäste erwerben. Wir wollen den ganzen Wald, der ringsum uns umgiebt, als unseren Park betrachten, nicht nur die kleine Wiese an der Nagold.

Es ist des Einsenders feste Ueberzeu- gung, daß die projektierten Kuranlagen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Fremden­verkehr in Hirsau nicht den Erwartungen entsprechen würden, wenn nicht vorher die viel wichtigeren, oben angedeuteten Punkte ihre Erledigung gefunden haben.

stocke D

-ctiM

Kolumbus-^isrnulioln miecps'iaress-kiavoaronH H

7

Otto L »stsvr, »silbi-onii s. X. u. ri-lsäi-lcksislii I. L