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Sonntag, 13. Wovernber

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1898.

* Altensteig, 12. Nov. Gestern hatten wir den Martinitag. Altem Herkommen gemäß sind an diesem Tage Zieler und Zinsen und sonstige Verbindlichkeiten zu bezahlen und deswegen ist er bei Vielen von den 365 Tagen des Jahres der am meisten verpönte; schwere Sorgen bringt er eben auch denjenigen, welche gerne zahlen möchten, aber keine verfügbaren Moneten ihr eigen nennen. Zu dieser Unannehmlichkeit gesellt sich noch die weitere, daß fast jedes Jahr an Martini ein kalter, den Aufenthalt im Freien verbietender Nordwind einsetzt, wirbelnde Schnee­flocken den nahen Winter verkünden mit all' seinen Grieß- grämlichkeiten und Anforderungen an den Geldbeutel des Haushaltungsvorstands. Heuer nun hatte der Martinitag wenigstens die Annehmlichkeit, daß die Sonne ihre belebenden Strahlen in vollem Maße auf unsere Erde niedersandte, die einen wahren Frühlingstag schufen. Es war so ange­nehm warm, daß einzelne Gäste in den Wirtshäusern sich in den Garten servieren ließen; bei der Arbeit in einem Garten der oberen Stadt wurde gestern ein leibhaftiger lebender Maikäfer herausgegraben und in Simmersfeld ist ein blühender Birnbaum zu sehen, da sollte man doch glauben, daß es statt dem Winter dem Frühling zugehe. Auch heute haben wir einen recht schönen Herbsttag. Von der Höhenlage Freudenstadt wird berichtet, daß die Temperatur vorgestern auf 11° gestiegen ist. Das würt- tembergische Unterland soll dagegen von einem dichten Nebel bedeckt sein. Gestern soll in Stuttgart die Temperatur nur 6° und in Hohenheim nur 4^2° erreicht haben. Wie lange wird's wohl noch währen, so wachsen die Schlehen im Unter­land und die Trauben auf unserem lieben Schwarzwald.

* Der sreiherrl. v. Kechler'sche Forstwart Raiber von Unterschwandorf erlegte auf der Markung Thalheim einen schneeweißen jungen Rehbock. Wie verlautet, soll das seltene Wild in das Näturalienkabinett nach Stuttgart kommen.

* Glatten, 10. November. Großes Glück brachte der

Ziehungstag der Reutlinger KirchenbaulotLerie vier bedürftigen hiesigen Familien. Dieselben kauften gemeinschaftlich vor einigen Tagen ein Los bei der Generalagentur Breitmey-r, Stuttgart. Heute überbrachte Herr Breitmeyer den Käufern die frohe Botschaft, daß die Nummer mit 30,000 Mk. ge­zogen wurde. 20,000 Mk. zahlte er denselben im Gasthof z.Schwanen" sofort aus. (Schw. B.)

* Calw, 10. Nov. Der in Stadt und Land bekannte und beliebte Stadtwundarzt M. Lörcher wurde gestern abend zu einem Patienten in das benachbarte Alzenberg gerufen; auf dem Rückweg stürzte er aus der Altburger Staig, nach­dem er mit einem Bekannten noch einige Worte gewechselt, entseelt zu Boden und wurde seiner trostlosen Familie, die er kurz zuvor in anscheinend bester Gesundheit verlassen hotte, als Leiche nach Hause gebracht. Der Verstorbene er­reichte ein Alter von 61 Jahren.

* Achtet auf eure Kinder! Diese Mahnung muß man leider vielen Eltern immer und immer wieder zurufen. In S chwarzen b erg ber Neuenbürg machte sich ein 2 ^ 2 jähriger Knabe an einer Futterschneidmaschine zu schaffen während seine einige Jahre älteren Geschwister mst Futterschneiden beschäftigt waren. Das Kind kam den Messern zu nahe, wurde erfaßt und es wurden ihm 3 Finger der linken Hand abgerissen.

* Der Stuttgarter Gemeinderat beschloß mit 17 gegen 7 Stimmen, die Maimesse vom Jahre 1900 ab ein- gehen zu lassen.

* Unter türkheim, 10. Nov. Unser Ort gewinnt immer mehr den Charakter eines Jndustrieplatzes. Die be­stehenden Etablissements treffen zum Teil bedeutende Er- Weiterungen. An der Landstraße gegen Cannstatt ist eine Bonbonsfabrik im Bau begriffen. Die jüngste Erwerbung eines 50 Ar großen Bauareals in der Nähe des Neckars gilt der Errichtung einer Eisengießerei.

* Auf dem höchsten Punkte der Alb, dem Lemberg, beabsichtigt derSchwäbische Albverein" einen Aussichtsturm zu errichten. Die Maschinenfabrik von Fauler in Freiburg soll den Bau in Eisenkonstruktion für den Preis von 49,000 Mk. ausführen.

* (Verschiedenes.) In C a NN st a t t ist unter der Kinderwelt Scharlach und Rote Flecken stark verbreitet, doch ist der Charakter der Krankheit gutartig. Daselbst ereignete sich in der Fabrikstraße ein bedauer­licher Unglücksfall. Bei der Sprengung von Felsen zu einem Neubau in der Lazaretstraße wurden Felsstücke in ein benachbartes Haus geschleudert, wodurch einem achtjährigen Kinde die Schädeldecke eingeschlagrn wurde. Das Kind wurde bewußtlos in das Bezirkskrankenhaus überführt, das Bewußtsein ist ihm noch nicht zurückgekehrt. Ein weiteres Kind wurde am Arme verletzt. Untersuchung ist eingeleitet.

* Der elektrische Strom läßt nicht mit sich spassen. Ein Bürschchen von 13 Jahren wollte in Grenz ach bei Lörrach einmal die unsichtbare Kraft kennen lernen, er­kletterte zu diesem Zwecke einen Pfeiler der Leitung und berührte den Droht. Sofort fiel er herunter (ca. 10 Meter) und ist heute noch auf der einen Seite gelähmt. Außerdem hat er sich tüchtig die Finger verbrannt.

Die großen Erfolge der Lübecker Staatslotterie veranloßten den Bremer Senat, der Einführung einer Bremer Staatslotterie, die von der Bürgerschaft wiederholt beantragt wurde, ernstlich näher zu treten.

rlitslKirdifetzes.

* Wien, 15. Nov. Der Zweikampf zwischen den Abg. Wladimir R. v. Gmewocz und Wolf, ein Säbelduell bis zur Kampfunfähigkeit, wurde heute ausgefochten. Der Pole er­hielt im ersten Gange einen Hieb über den Schädel und da der Säße! abglitt, einen zweiten über die Oberfläche der rechten Hand. Hierauf wurde der Zweikampf eingestellt. Die Gegner reichten sich die Hand. Der Schädelhieb ist leicht; die Wunde an der Hand schwerer, jedoch nicht be­denklich.

D Die Kosten, welche die Pestfälle der Stadt Wien verursacht haben, sind sehr groß. Zunächst hatten die großen Hotels, in denen schon lange vorher bestellte Zimmer tele­graphisch abbestellt wurden, eine bedeutende Einbuße zu verzeichnen. Erfreulicherweise hat sich die Lage rasch soweit gebessert, daß sie wieder normal ist. Für dos Allgemeine Krankenhaus, das durchschnittlich 2000 Kranke pro Tag beköstigt, beträgt der Ausfall für 12 Tage der Sperre mindestens 24 000 Gulden. Rechnet man dazu, daß über 100 Aerzte und das untergeordnete Sanitätspersonal auf Rechnung des Krankenhausfonds ebenso lange verkästet wurden, und nimmt man dre durch die außerordentlichen sanitären Maßnahmen bewirkten Unkosten hinzu, so stellt sich die Belastung des Krankenhausfonds noch bei weitem höher. Man schätzt von diesem Gesichtspunkte aus die Kosten der Pest auf etwa 500000 Gulden.

* Prag, 10. Nov. Gestern abend durchzogen exzeß- süchtige Elemente haufenweise die Stadt. Wo sie euren deutschen Studenten erblickten, wurde er verhöhnt und be­schimpft, einer sogar mit Stöcken mißhandelt. Derselbe mußte von der Polizei aus dem Knäuel herausgehauen wer­den. Die ganze SicherheiLswache ist ausgeboten worden. Alle deutschen Anstalten, besonders dir beiden Theater, sind scharf bewacht. Das Straßenbild ist wie im Dezember des Vorjahres, die Stimmung ist erregt.

* Genf, 10. Nov. (Prozeß Luccheni.) Der Offizial­verteidiger Lucchenis suchte in mehr als einstüudiger Rede nachzuweisen, daß die Verantwortlichkeit des Angeklagten nur eine begrenzte sei. Er bitte die Geschworenen beim An­denken der edlen, ermordeten Kaiserin, die immer für die Verurteilten Gnade zu erlangen gesucht habe, nicht ein un­erbittliches Urteil abzugeben, weil es der Menschheit doch gelingen könnte, in 20 Jahren aus einem jugendlichen Ver­brecher einen besseren Menschen zu machen. Um 60? Uhr wurde die Verhandlung geschlossen. Der Präsident legte den Geschworenen folgende 3 Fragen vor: 1. Ist Luccheni schuldig, den Mord an der Kaiserin von Oesterreich begangen zu haben? 2. Hat derselbe imt Vorbedacht gehandelt und 3. mit Hinterlist? Hierauf zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Nach 20 Minuten betraten die Geschworenen wieder den Saal und bejahten alle drei Fragen, indem sie Luccheni des Mordes an der Kaiserin, begangen mit Vor­bedacht und Hinterlist, unter Ablehnung mildernder Umstände für schuldig erklärten. Hierauf beantragte der General- Prokurator für Luccheni lebenslängliche Zuchthausstrafe. Nach einer Beratung von wenigen Minuten verkündete der Gerichtshof um 6 Uhr 53 Minuten das bereits gemeldete, dem Antrag des Generalprokurators entsprechend lautende Urteil.

* Paris. 10. Novbr. Der Matin behauptet, in einer gestern stattgehabten Konferenz der Admirale seien wichtige Beschlüsse in Betreff eines Seekriegplanes gefaßt worden.

D Prinz Louis Napoleon ist, wie wiederholt betont, der am ernstesten zu nehmende französische Thronan­wärter. Bezeichnend ist es, was ein englisches Blatt in folgendem wittrilt:In gewissen, einflußreichen Kreisen heißt es, daß zwei Finanzhäuser ffich bereit erklärt haben, dem Prinzen LouisNapoleon 1 000 000 Pfund vor­zuschießen, und daß der Vertrag demnächst von den Ver­tretern der beiden Parteien in Gens unterzeichnet werden wird. Es ist kaum zu beweifeln, daß das Darlehen poli­tischen Zwecken dienen soll. Sonst würde es nicht nötig sein, besonders wenn sich die Nachricht, daß der Prinz die Tochter des Großfürsten Wladimir, des Großonkels des Zaren, heiraten wird, bewahrheitet."

* London, 11. Nov. Ein deutscher Bäckergeselle er­schlug heute früh in einer Bäckerei in Osnaburgh Street während eines Streites einen deutschen Kollegen mit einem Beile und schob die Leiche in den heißen Backofen. Der Bäckermeister spürte den Geruch und fragte den Mörder nach der Ursache, worauf es ein Handgemenge gab. Der Mörder entlief, wurde aber aus der Straße gefangen.

D Admiral Canevero hat ein langes Telegramm von Massauah erhalten. Es bestätigt sich, daß Friede zwischen Menelik und Ras Mangascha geschlossen worden ist. In ganz Erythrea ging das Gerücht, daß Ras Makonnen mit 30000 Mann sich auf dem Marsche gegen Mangascha be­fand. Als Ras Makonnen in Makalle eingetroffen war, änderte er seine Marschrichtung aus Befehl Meneliks nach Faschoda zu. Doch blieb er bald stehen. Demnach hat also Menelik thatsächlich daran gedacht, den russisch-fran­zösischen Einflüsterungen nachzugeben, sich dann aber vor­sichtig zurückgezogen.

* Madrid, 11. Nov. DerJmparcial" bestätigt die Nachricht, daß die Regierung die spanischen Kommissare bei der Friedenskonferenz anweisen werde, auf eine Debatte über die Abtretung öer Philippinen nicht einzugchen. Zu gleicher Zeit werde die Regierung erklären, sie sei von den Cortes nicht ermächtigt, über jene Frage zu verhandeln.

* Nach einer Meldung des Kl. Journ. aus Madrid hat die Königin-Regentin das deutsche Kaiserpaar telegraphisch eingeladen, Madrid zu besuchen. Auf seiner Rückreise wird das Kaiserpaar voraussichtlich auch in Lissabon Station machen und der königlichen Familie einen Besuch abstatten. Die spanische Presse begrüßt die nahe Ankunft des deutschen Kaisers äußerst freundlich. Der Besuch gilt allgemein als ein Beweis der Sympathie Deutschlands für Spanien. (Die Köln. Ztg. bemerkt übrigens zu der Absicht der spanischen Behörden, das Kaiserpaar zu begrüßen: Soviel wir unter­richtet sind, wird diese liebenswürdige Absicht kaum ausführ­bar sein, denn der Kaiser fährt im strengsten Inkognito. Die Seefahrt erfolgt lediglich aus Gesundheitsrücksichten, um den Gefahren vorzubeugen, die aus einem raschen Klima­wechsel sich ergeben können. Der Aufenthalt in Cadix wird nur kurze Zeit dauern und hat ausschließlich den Zweck, für die Schiff« neuen Kohlenvorrat einzunehmen. Es ist so­nach fraglich, ob der Kaiser überhaupt in Cadix an Land gehen wird.)

* Baalbek, 11. Nov. Das Kaiserpaar ist gestern hier eingetroffsn. Nachdem die Majestäten im Zeltlager von Muallakah gesrühstückt, erreichten sie nach ^/Mindigrr Wagensahrt gegen 5 Uhr Baalbek, wo ein Zeltlager inner­halb der gewaltigen Ruinen errichtet wurde. Die Stadt ist festlich geschmückt, das Kaiserpaar wurde enthusiastisch begrüßt. Am Abend fand zu Ehren der Anwesenheit des Kaiserpaares eine Beleuchtung der Tempelruinen in ab­wechselnd weißem, grünem und blauem Licht statt. Die riesigen korinthischen Säulen des großen Tempels, welche sich scharf vom Nachthimmel abhoben, boten einen pracht­vollen Anblick. Dazu konzertierte in den Ruinen die Musik. Der Kaiser und die Kaiserin werden heute die Ruinen ein­gehend besichtigen und dann die Weiterreise nach Beirut an- treten. Das deutsche Konsulat in Cagliari erhielt die Mitteilung, daß der Kaiser am 17. November den Hafen von Cagliari berühren werde. Zwischen Kaiser Wilhelm und dem Sultan sind anläßlich des Besuchs des deutschen Kaiserpaares in Damaskus herzliche Depeschen gewechselt worden. Der Sultan hat in den Ruinen von Baalbek einen Murmorstein errichten lassen mit dem deutschen und türkischen Wappen, unter demselben ist eine Inschrift gleich­falls in deutscher und türkischer Sprache eingegraben:Abdul Hamid, der 2. Kaiser der Ottomanen, seinem erlauchten Freunde Wilhelm II., deutschen Kaiser, König von Preußen und der Kaiserin Augusta Viktoria zur Erinnerung an die gegenseitige unwandelbare Freundschaft und den Besuch der kaiserlichen Majestäten in Baalbek. November 1898.

* Wilmington (Staat Delaware), 11. Nov. Der Redakteur der ZeitungRekord", ein Neger, veröffentlichte einen Artikel, wodurch sich die weißen Frauen beleidigt fühlten. Infolge dessen begaben sich 600 Weiße, darunter viele hervorragende Bürger der Stadt, alle bewaffnet, zu der Redaktion desRekord" und demolierten die ganze Druckerei. Durch Zufall wurden die Bureaus von Feuer ergriffen, was eine große Aufregung verursachte. Der Re­dakteur und seine Freunde sind verschwunden, auf den Straßen wogten Scharen von bewaffneten schwarzen und weißen Arbeitern. Es fanden mehrere Zusammenstöße statt. Von den Negern wurden 8 getötet, 2 verwundet. Die Weißen hatten 3 Verwundete; 4 Neger, welche auf Weiße geschossen hatten, wurden gelyncht.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Ältenfieig.