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Samstag, 12. Jebruar

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

Einrück- ungSpreiS f. Altensteig und nahe Umgebung bei eim n. Einrückung 8 bei mehrmal. je 8 ^ auswärts je 8 ^ die lspalt.Zeil.

1898.

deutscher Reichstag.

* Berlin, 8. Febr. Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 15 Minuten. Tages-Ordnung: Zweite Beratung des Etats der Reichspost und Tele- graphenverwaltung, einmalige Ausgaben. Die Bera­tung wird bei Titel 16 fortgesetzt. Berichterstatter ist Dr. Paasche. Eine Reihe von Titeln wird mit einigen von der Kommission beschlossenen Zusätzen ge­nehmigt^ ebenso der Rest des Etats. Die Petitionen werden bis zur dritten Lesung verschoben. Der Etat der Reichsdruckerei wird ohne Debatte angenommen. Der Freundschaft«- und Handelsvertrag mit dem Oranje- Freistaat wird ebenfalls ohne Debatte in dritter Lesung angenommen. Zs folgt die zweite Beratung des Etats des Auswärtigen Amtes in Verbindung mit dem Etat der Schutzgebiete. Ausgaben, Titel Staatssekretär. Abg. Richter (freist Volksp.): Er betrachte die Er­werbung der Kiaotschau-Bucht mit günstigeren Augen, als die Flaggenhissungen in Afrika. Die Bucht als Handels- und Kohlenstation sei vielleicht nützlich. Von Reichrwegen sei m China kein anderes Evangelium zu predigen, als das des Freihandels. -Wir haben mit China einen Meistbegünstigungsvertrag. Wie verträgt sich damit das imPetersburger Herold" veröffent­lichte Statut der russifch-chinesischcn Ostbahn? Kann der Vertrag mit China veröffentlicht werden? Sind bezüglich der Bergwerksausbeutung und bezüglich der Settlements (Niederlassungen) bestimmte Abmachungen

getroffen? Wie ist es mit den Verhandlungen über die chinesische Anleihe, will das Reich etwa eine Garantie übernehmen? Staatssekretär v. Bülow: Ich freue mich, schon jetzt über die Kiaotschau-Bucht mich aus­sprechen zu können. Man hat angedeutet, die Regie­rung wolle einen Schleier darüber ausbreiten. Ich antworte mit den Worten eines theologischen Professors, ämtinKuo, ich unterscheide! Ueber die Anfangsstadien, über die vertraulichen Verhandlungen kann ein Minister des Aeußern nichts veröffentlichen, ebensowenig wie der Rechtsanwalt und der Arzt. Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber dem Lande voll bewußt und spielen nicht Versteckens; wir wollen nicht in Abenteuer hineindampfen. Die Entsendung des Geschwaders war keine Improvisation. Wir waren uns schon lange klar darüber, daß wir in Ostasien einen Stützpunkt brauchen, eine Eingangsthür für unsere Wirtschaftspolitik. Wir dürfen uns von dem chinesischen Markte nicht aus­schließen, welcher eine große Zukunft hat. Die Kon­zessionen der chinesischen Regierung an andere Mächte legen uns nahe, analoge Konzessionen für deusche Staatsangehörige zu erhalten. Auch hier brauchen wir einen territorialen Stützpunkt: Soll denn deutsche Arbeit und Intelligenz den Dünger liefern für anderer Leute Aecker, wie früher? Auch in maritimer Hinsicht brauchen wir einen Hafen, in dem unsere Flotte zu Hanse ist. Frankreich, England, Rußland, Spanien und Holland haben dort eigenen Boden unter den

Füßen zu ihrem augenscheinlichen Vorteile. Wir müssen das Gleiche haben, sollen wir nicht zu einer Macht zweiten oder dritten Ranges herabsinken. Wir haben den Schutz für die christlichen Missionen dort über­nommen. Bischof Anzer erklärte, die Festsetzung in Kiaotschau sei eine Lebensfrage für die deutsch-chinesische Mission. Ueber die Wahl des richtigen Augenblickes der Erwerbung möchte ich mich noch nicht verbreiten. Zwischen Uebercilung und Versäumnis war es die richtige Mitte, dank der absoluten Loyalität unseres Vorgehens sind unsere Beziehungen zu allen Mächten nicht getrübt worden. Wir befinden uns im Einklänge mit Rußland. Wenn Frankreich von Tonkin aus neue Verkehrswege sucht, finden wir das natürlich. Den berechtigten englischen Interessen treten wir nirgends entgegen. Wir halten ein harmonisches Zusammen­gehen mit Großbritanien für ersprießlich. Ein festes Abkommen mit China kann ich noch nicht vorlegen; ich habe cs noch nicht. Den annähernd genauen Wortlaut kann ich Ihnen vorlegen, der auf telegraphischen Mit­teilungen beruht. Der Staatssekretär verliest denselben. Er enthält die Zeitdauer des Vertrags (99 Jahre), die genaue Beschreibung der eingebrachten Gebietsteile, die Abgrenzung der Machtbefugnis, die Ueberlassung der Hoheitsrechte an Deutschland und die event. Aus- tauschrechte gegen ein passenderes Gebiet. Das Pacht­gebiet wird einen Flächeninhalt von 3050 Quadrat­kilometer haben. Ueber die Einwohnerzahl liegt nichts

Der Prozeß Zola. *

* Paris, 8. Febr. Die Verhandlung wird heute um halb 1 Uhr eröffnet, nachdem die republikanische Garde sich vergeblich bemüht hat, Ordnung im Saale zu schaffen. Der Präsident verliest einen Brief Ester- hazy's, worin dieser mit Berufung auf das in Bezug auf ihn ergangene Urteil des Kriegsgerichts sein Er­scheinen verweigert. Labori teilt mit, Esterhazy sei gestern erschienen. Er wolle nicht die Gründe unter­suchen, welche Esterhazy veranlaßten, über Nacht seinen Entschluß, zu ändern. Esterhazy sei vcrgeladen aus Rücksicht auf ihn, weil von ihm natürlich im Prozeß die Rede sein werde. Wenn er nicht gekommen fest so sei dies feine Sache. Labori besteht nicht auf der Vorladung. Hingegen beantragt Avvokat Clmnenceau im Namen des Geranten derAurore" die nochmalige Vorladung Esterhazys. Hierauf werden die Zeugen aufgerufen. Die gestern abwesenden militärischen Zeugen sind auch heute nicht erschienen. Der Gerichts­hof teilt dann den von ihm gefaßten Beschluß mit, der den gestrigen Anträgen der Verteidiger stattgiebt und die nochmalige Vorladung aller ausgebliebenen Militärischen Zeugen und die ärztliche Untersuchung aller Zeugen, welche sich wegen Krankheit entschuldigt haben, anordnet. (Beifall im Publikum.) Als erste Zeugin wird Frau Dreyfus aufgerufen. Labori sagt, Frau Dreyfus soll Mitteilen, unter welchen Umständen sie die Verhaftung ihres Mannes erfahren habe. Der Präsident unterbricht. Diese Frage habe nichts mit dem Prozesse zu thun. Zola springt auf, blaß und in höchster Erregung und ruft den Geschworenen zu: Diebe und Mörder haben das Recht, ihren guten Glauben durch Zeugen zu beweisen! Ich verlange dasselbe Recht, wie Diebe und Mörder! Seit Wochen zieht man mich in den Koth und nennt mich Bandit; ich will beweisen, daß ich ein rechtschaffener Mann bin! Der Präsident verweist auf den Gesetzesartikel, der die Anhörung der Frau Dreyfus verhindere. Zola erwidert: Ich kenne das Gesetz nicht und will es nicht kennen! (Geheul im Saale.) Advokat Labori führt aus, daß die Anhöiung der Zeugin unbedingt notwendig sei, um darzuthun, daß Zola die Wahrheit gesagt habe, als er in seinem Artikel die von der Anklage erwähnte Stelle geschrieben, das Esterhazy- Kriegsgericht habe wissentlich eine Rechtswidrigkeit gedeckt. Labori sagt ferner, er stoße hier auf eine systematische Opposition. (Zischen im Saale; Andere rufen r Jawohl, er hat Recht! Der Präsident droht

die Räumung des Saales an.) Labori schließt: Wenn man mir applaudiert, so ist es mir gleichgültig; wenn man mich auspfeift, so stört es mich nicht! Der Gerichtshof zieht sich zurück, um über die Anhörung der Frau Dreyfus zu beraten. Der Gerichtshof, in den Saal zurückkehrend, ersucht Labori, ihm mitzu­teilen, welche Fragen er Frau Dreyfus stellen wolle. Labori bittet, Frau Dreyfus Folgendes zu fragen: Was denkt sie vom guten Glauben Zolas? Glaubt sie, daß die Untersuchung gegen ihren Mann gesetzmäßig geführt wurde? Was hat sich bei dem ersten Besuch des Obersten Du Paty de Clam im Hause Dreyfus nach der Verhaftung Dreyfus zugetragen? Hat Du Paty de Clam nicht die gemeinsten Beschimpfungen gegen Dreyfus ausgestoßen? Hat er nicht behauptet, er könne die Sckiuld des Dreyfus geometrisch beweisen und zu diesem Zweck konzentrische Kreise ausgezeichnet ? Hat Paty nicht gesagt:Dreyfus mag nur leugnen, ich werde ihn schon zwingen, Alles auszuspucken, was er im Leibe hat?" Hat Paty nicht von der eisernen Maske gesprochen? Hat Paty nicht betrügerische Mittel angewendet, um Dreyfus ein Geständnis heraus­zulocken? Was denkt Frau Dreyfus von der Ehren­haftigkeit ihres Mannes? (Geheul im Saale.) Hat Dreyfus nicht stets behauptet, daß er das Opfer einer Machination geworden? Der Gerichtshof lehnt die Anhörung der Fron Dreyfus ab. (Lärm.) Als nächster Zeuge erscheint Scheurer-Kestner, der ruhig, aber mit wahrhaft herzbewegender Wärme spricht. Der Präsi­dent erklärt ihm vorher, er könne ihn kein Wort über die Affaire Dreyfus reden lassen. Scheurer erzählt nun wie er erfahren, daß Picquart zur Ueberzeugung von der Unschuld Dreyfus' gelangte. Auch General Gonse schien die Ansicht Picquarts zu teilen, daß das Borderau von Esterhazy geschrieben, und ermunterte Picquart zur Fortsetzung seiner Untersuchung. Scheurer sagt, er werde jetzt diese Korrespondenz verlesen. Der Präsident: Das ist unmöglich! Wieder entspinnt sich eine lange Diskussion zwischen dem Verteidiger und dem Präsidenten, der die Gesetzartikel ansübrt, wonach Zeugen keinerlei Dokumente verlesen dürfen. Scheurer sagt, er werde versuchen, den Inhalt der Briefe auswendig mitznteilen. Gonse schrieb am 7. September 1897: Lieber Picquart! Setzen Sie Ihre Untersuchung fort, aber beobachten Sie die größte Vorsicht. Ich bin gegen Befragung von Schreibsach­verständigen; denn es rst nickt gut, dritte Personen in's Vertrauen zu ziehen. Picquart antwortete, er

werde diesen Angaben folgen, aber um Skandal zu vermeiden, sei es vielleicht besser, sofort die Gerechtig­keit walten zu lassen. General Gonse schreibt später: Es handelt sich nicht mehr darum, Klarheit zu schaffen, sondern darum, wie man die Wahrheit kund thun soll. Picquart antwortete: Man muß sich beeilen, wenn man wartet, wird es schwer sein, der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Scheurer fügt hinzu, diese Worte waren prophetisch. Die Briefe Picquart's sind äußerst ehrenvoll für den, der sie geschrieben. Scheurer erzählt ferner, seine erste Besprechung mit den Kriegsminister über die Dreyfus-Affaire. Der Kciegsminister erklärte ihm, Dreyfus sei schuldig, ver­weigerte ihm aber jeden Beweis dafür. Scheurer sagt, er habe sich an die Regierung gewendet, davon überzeugt, die Ehre der Republik und der Armee er­fordere, daß die Gutmachung eines Justizirrtums von oben komme, nicht von unten. Die Unterredung mit dem Kriegsminister sollte geheim bleiben. Am nächsten Tage teilten die offiziösen Blätter des Kriegsministeriums lügnerische Darstellungen über die Unterredung mit. Scheurer sagt, daß er auch mehrmals mit dem Kabinets- chef Möline über die Affäre Dreyfus gesprochen und ihm die Mitteilung der Briefe des Generals Gonse angeboten habe. Zola bittet Scheurer, er möge sagen, ob es wahr sei, daß er den Kriegsminister Billot mit Thränen in den Augen gebeten habe, daß dieser die Angelegenheit in die Hand nehme. Zola stellt diese Frage, um zu konstatieren, daß nicht die Dreyfus-Ver- teidiger an der gegenwärtigen Aufregung Schuld seien. Scheurer sagt, er habe allerdings den General Billot angefleht, eine persönliche Untersuchung vorzunehmcn. Billot habe dies versprochen, Scheurer habe das Resultat der Untersuchung schweigend vierzehn Tage lang abgewartet. Während dieser Zeit habe man ihn in den Koth gezerrt, ihn mit allen erdenklichen Be­schimpfungen überhäuft und ihn einenPreußen" ge­nannt. Zola fügt hinzu : Und mich einen Italiener! Scheurer schließt mit der Versicherung, daß er niemals wieder etwas von der Untersuchung gehört habe, die ihm der Kricgsminister versprochen hatte. Casimir- Pericr erscheint jetzt cls Zeuge und wird respektvoll begrüßt. Er verweigert die Eidesleistung. Die Eides­formel besage, daß der Zeuge sich verpflichte, die volle Wahrheit zu sagen; er aber sei verpflichtet, die volle Wahrheit nicht zu sagen. (Große Beweanng.) Labori ersucht, an Casimir-Perier die Frage zu stellen, ob er als Präsident der Republik von der Verhaftung