von 1000 Kindern sterben durchschnittlich 24 an Diph- theritiS; mit Bangen, weil man befürchten wird, daß auch dieseSmal der Wunsch und der Glaube der For­scher den Thatsachen vorangeeilt sei. Möge die Er­fahrung auch die kühnste Zuversicht übertreffen l In jedem Falle wird den unermüdlichen Forschern die den Ruhm der deutschen Wissenschaft erhöhen, der allgemeine Dank gebühren, und ist ihr Streben von Erfolg gekrönt, so werden sie mit Recht als Wohl- thäter der Menschheit gefeiert werden.

* Altensteig, 1. Okt. Die Arbeiten zur Er« bauung einer neuen Straße nach Altensteig Dorf wurden dem Unternehmer Michelini übertragen. Es gingen 6 Offerte ein, und es machte Michelini mit 18°/o das höchste Abgebot.

* Stuttgart, 28. Sept. Vom schönsten Wetter­glück begünstigt, wurde heute das landwirtschaftliche Hauptfest abgehalten. Um 10^/. Uhr signalisierten laute, sich auf dem ganzen Weg sortpflanzende Hoch­rufe die Ankunft des Königspaares. S. M. der König unternahm zunächst in Begleitung von Minister Pischek einen Rundgang durch die Maschinenhalle nnd besichtigte das prämiierte Vieh, wobei er an fast alle Aussteller huldvolle Worte richtete. Während dieser Zeit hielt die Königin Cercle im Zelte ab. Hieraus begann die Preisverteilung. S. M. der König überreichte jedem einzelnen Aussteller den zn- erkannten Preis. Bet der Vorführung der Pferde assistierten dem König Landesoberstallmeister Frhr. v. Schweppenburg und Stallmeister Schall; bei der Vorführung des Rindviehs, der Schafe und Schweine Minister von Pischek, Präsident Freiherr von Ow, Oberregierungsrat Fleischhauer, Oberregierungsrat Maginot und Regierungsrat Clausnttzer. Nach der Pretsverteilung begann das Bauernrennen, wobei 5 Pferde liefen. Den 1. Preis (200 Mark) gewann Ernst Ott zum Waldhorn in Ludwigsburg, den 2. (100 Mark) M. Neidhardt-Stuttgart, den 3. (75 Mk.) A. Strobel Hirschwirt in Wangen bet Cannstatt, den 4. (25 Mk.) L. Löwenthal-Cannstatt. Gegen 1 Uhr verließen die Allerhöchsten Herrschaften samt Gefolge den Wasen und kehrten nach dem Wtlhelmsplatz zurück. Noch im Laufe des Nachmittags siedelten die Majestäten per Wagen nach der Villa Marienwahl über. Nach dem vielen Regen in den letzten Tagen ist es begreiflicherweise sehr schmutzig, was aber nicht hinderte, daß eine ganz riesige Menschen­menge sich heute nachmittag zwischen den Zelten drückte nnd schob. Auf dem eigentlichen Volksfest ging es her, wie man es seit Jahrzehnten gewohnt ist.

* (Tapfere Soldaten.) Aus Sulz wird dem Schw. M." über den gefährlichen Brand in der Nacht vom 21. ds. noch geschrieben, daß sich die Re­servisten der 13. Komp, des Regiments 119 Seyfried und Hörsch bei den Rettungs- und Löscharbeiten große Verdienste erworben haben. Seyfried drang, in eige­ner Lebensgefahr schwebend, in den zweiten Stock des Hauses zu einem noch im Schlafe befindlichen Soldaten und dann noch weiter zu einem Kinde, die sonst beide den Tod in den Flammen gefunden hätten. Hörsch, der Angehöriger der Berufsfeuerwache in Stutt­gart ist, drang, als er hörte, daß der Eigentümer des ersten Stocks noch im Schlafe liege, obwohl man ih» nicht mehr ins Haus hineinlaffen wollte, da schon

Mathilde stützte sich auf ihren Ellbogen und starrte schlaftrunken um sich.

,WaS giebt's? Wer rief mich? Wie, Madame ist angekletdet, Madame will ausgehen. O, was ist vorgefallen?"

Nichts, Mathilde, ich will eine kleine Reise machen, das ist alles."

Und Madame hat mich nicht gerufen."

Weil es nicht nötig war. Ich bedarf Ihrer Dienste nicht. Alles, was ich wünsche, ist Schweigen und"

Sie zauderte einen Augenblick.

Und," fuhr Jda hastig und mit leiser Stimme fort,ich möchte, daß Sie dieses Btllet Herrn Do- rillon eigenhändig übergeben, gleich nach dem Früh­stück und allein. Verstehen Sie mich, Mathildes"

Ich verstehe Madame," und Mathilde legte das Briefchen vorsichtig unter ihr Kopfkissen.Ich werde alles pünktlich besorgen."

Als ihre Herrin das Zimmer verlassen hatte, zog sie nochmals den Brief unter dem Kiffen hervor, las die Aufschrift und murmelte halb im Schlafe:

Und Monsieur Fatrfax, für ihn ist kein Ab­schiedsbrief. Aber das ist der Lauf der Welt, auf und nieder, hin und wieder» der eine gewinnt und der andere verliert und ich, wie schläfrig ich bin." Sie sank in eine Art Halbschlummer.Ich werde de» Brief sogleich wieder unter mein Kissen schieben, da liegt er sicher," dachte sie, und mit diesem Vorsatz schlief sie ein.

Es war Heller Tag, als sie erwachte, die kleine Standuhr auf dem Kamin schlag soeben sieben.

die Dachziegel und Balken des oberen Stockwerks über einander stürzten, in die Wohnung ein und ent­riß den Mann mit großer Mühe und eigener Todes­gefahr dem Flammentod. Trotz dieser Mühen mach­ten die beiden Reservisten am andern Tage das Ma­növer mit.

* U l m, 28. Sept. Der Kaufmannsgehilfe Prutsch in Kirchheim u. T., der im Juli ds. Js. seinem Prinzipal daselbst 1200 Mk. unterschlagen hatte und darauf nach Wien entwich, wo er binnen kurzem 700 Mk. durchbrachte, wurde heute zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt.

* (Vers chiedenes.) Einem Viehhändler passierte in Reutlingen das Unglück, daß ihm beim Waschen seiner Hände im Stadtbach seine Brieftasche mit 1300 Mk. in den Bach fiel und sofort wegge­schwemmt wurde. Als die Brieftasche gefunden wurde, war sie leer. Bis zur Stunde sollen 1200 Mk. am Wehr beim Bruderhaus wieder aufgestscht worden sein. Der Händler soll jedem, der einen 100-Mark- schetn findet, neben dem Taglohn 5 Mark Exlra- belohnung ausgesetzt haben. Auf bedauerliche Weise kam das8jährigeSöhnchen des F.Banholzervon Thal­hausen ums Leben. Es geriet so »»glücklich zwtschen eine übereinanderstürzende Bretterschicht, daß sofortiger Tod eintrat. In Göppingen wurde Gottfried Geiger von Zell tot im Bette aufgefunden. Da derselbe einige Tage vorher von einem Heuwagen fiel, so nimmt man an, daß er innere Verletzungen er­litt und diese den Tod herbeigeführt haben. In Durchhausen, OA. Tuttlingen, schlug der Tag­löhner Ganter seinem Schwager, dem Taglöhner Anton Merz, bet einem zwischen ihnen ausgebrochenen Streit einen Dreschflegel derart auf den Kopf, daß Merz hexte früh um 3 Uhr an der Verletzung ge­storben ist. Der Thäter ist verhaftet.

* Mannheim, 26. Septbr. (Abschaffung der Submissionen.) Mit Rücksicht auf die gegenwärtig allerorts laut werdenden Klagen über das die Ge­werbetreibenden und Kleinhandwerker schwer schädigende Submisstonswesen ist jedenfalls die Nachricht von Interesse, daß man jetzt in Mannheim damit be­schäftigt ist, das Submissionswesen von Grund aus umzugestalten. Nachdem in den letzten Monaten im hiesigen Bürgerausschufss wiederholt Klage darüber geführt worden war, daß durch die Vergebung der städtischen Arbeiten an den Mtndestforderndeu eine nicht mehr zu billigende Preistreiberei nach unten stattfinde, die dem soliden Geschäftsmanns die Kon­kurrenz unmöglich mache, wurde eine Kommission ernannt, behufs Ausarbeitung von Verbesserungsvor- schlägen. Diese aus Mitgliedern des Stadtrats, des Bürgerausschuffes, sowie der hiesigen gewerblichen Vereinigungen bestehende Kommission hat nunmehr dem Stadtrate folgende Vorschläge zur Gutheißung unterbreitet: Die Arbeiten bis zu 500 Mk. werden nicht mehr in Submission, sondern in alphabetischer Reihenfolge an die Gewerbetreibenden vergeben zu einem vorher festzusetzenden Preise. Die Arbeiten von 500 bis 10 000 Mk. werden in Submission an denjenigen vergeben, welcher dem Mttelprets am nächsten kommt. Dieser Mittelpreis wird dadurch erzielt, daß man die Summen der einzelnen Offerten

Mathildens erster Gedanke war, daß es Zeit sei aufzustehen und das Bad für ihre Herrin zu besor­gen, der zweite war die Erinnerung, daß Frau Dela- mare mit Hut und Shawl, wie zu einer Reise gerü­stet, bei ihr im Zimmer gewesen, und der dritte der Auftrag, den sie hinsichtlich des Briefes gegeben.

Sie fühlte unter ihr Kopfkissen er war nicht dort.

Wie ungeschickt von mir, ich muß ihn unter die Betttücher gesteckt haben aber ich weiß doch gewiß, daß ich ihn unter mein Kopfkissen schob."

Sie sprang aus dem Bett, schüttelte die Decken und Leintücher aus, aber der Brief war nicht zu finden.

Was mag nur aus dem Brief geworden ftin?" dachte sie.Ich bin auch zu verschlafen. Aber er hat doch keine Beine und konnte nicht davon laufen, also muß er hier irgendwo stecken."

Aber trotz Mathildens eifrigen Bemühungen war der Brief nicht zu finden, obgleich sie das Zimmer, das Bett und selbst ihre Kleider auf das sorgfältigste durchsuchte.

Mein Gott," dachte die Französin,was wird Madame sagen, wenn sie erfährt, daß ich den Brief verloren habe. Sie wird es mir nie vergeben und Monsieur würde mich in Stücke reißen, wenn er es wüßte. Aber man muß dreist allem die Stirn bie­ten, dann macht es sich schon. Zehn gegen eins, daß Madame nie entdecken wird, daß ich den Brief nicht abgegeben und wenn, je nun," dabei zuckte sie die Achseln,Vergeßlichkeit ist kein Verbrechen."

addiert und das Ergebnis durch die Zahl der Sub­mittenten dividiert. Diejenigen Angebote, welche sich 50 Prozent von den Voranschlägen der städtischen Bauämter entfernen, werden ausgeschloffen, um der Gefahr einer ungebührlichen Preistreiberei nach oben zu begegnen. Städtische Arbeiten über 10000 Mk. werden wie bisher an den Mindestbietenden vergeben.

* Berlin, 29. Sept. DerKreuzzeitung" wird aus St. Petersburg gemeldet, das Nierenleiden des Zaren habe dessen ganzen Organismus derart mit­genommen, daß täglich, ja stündlich auf Eintritt ern­ster Komplikationen gerechnet werde und plötzlich ein Erlöschen der Kräfte eintreten kann.

* Berlin, 29. Sept. Bei Besprechung der Er­folge der Sozialdemokraten bet den Wahlen zum Ber­liner Gewerbegertcht, sagt diePost", solange die bürgerliche Gesellschaft sich von der Sozialdemokratie in solcher Weise an Eifer und Thättgkeit übsrtreffen läßt, solange sie selbst angesichts der Königsberger Kaiserworte, in Lässigkeit und Schlaffheit verharrt, kann das Fortschreiten der Sozialdemokratie freilich nicht wundern. Wer es ernst meint mit der Wah­rung unserer staatlichen und sozialen Existenz, muß nach Kräften dahtnwirken, die bürgerlichen Elemente aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurütteln.

* Wie angenehme Aussichten sich den Braueret- besitzern eröffnen, wenn die Sozialdemokratie Herrin der Lage werden sollte, ergiebt sich ans den Beding­ungen, welche die Berliner sozialdemokratische Boykott­kommission den dem Boykott nicht unterworfenen Brauereien auferlegt hat. Daß die Brauereien dem­nächst eintretende Vakanzen in ihrem Personal durch Anstellung der von den Ringbrauereien gemaßregeltm Arbeiter gefallen lassen müssen, hat nur vorübergehende Bedeutung. Ausschlaggebend ist, daß die Bcauecei- besitzer sich verpflichten sollen, in alle Zukunft nur Arbeiter durch Vermittelung eines von der Organi­sation der Brauerei-Arbeiter geleiteten Arbeitsnach­weises für Braugehtlfen und Hilfsarbeiter zu beziehen. Daneben erscheint die Verpflichtung, den Arbeitern die Feier des ersten Mai freizulassen, schon als neben­sächlich. Wenn es der Sozialdemokratie gelänge, die gesamten Brauererbesitzer unter dieses Joch zu zwingen, so wären sie Herr über dieses Gewerbe. lieber die Frage eines Minimallohnes von 30 Mk. wird noch verhandele; dagegen hat die Boykottkommtsston einen Maximalarbeitstag für Brauer von neuneinhalb Stunden vorgeschrieben. Die Dauer dieser Abmachung schwebt freilich in der Luft, denn die Brauereien haben sich Gleichstellung mit den Ringbrauereien nach erfolgter Beendigung des Boykotts Vorbehalten.

* Braunschweig. Der Wunderknabe Otto Pöhler, der trotz seiner stebenvieriel Jahre bereits lesen kann, ist nach mehrwöchiger Ausstellung im Berliner Passage-Panoptikum mit Geschenken reich be­laden ins Elternhaus zurückgekehrt. Erfreulicherweise macht der kleine, muntere Bursche noch denselben Ein­druck von Frische wie vor seiner Fahrt nach Berlin. Wie es scheint, haben aber die Eltern deS Kleinen vorläufig der Absicht fernerer Schaustellung, trotz vieler verlockender Angebote, entsagt. Es wäre ein solcher Entschluß im Interesse der ferneren Ent­wickelung des Kindes dringend zu wünschen.

* Hamburg, 28. Sept. Der Kassierer der

32.

Frederic Dorillon fand in jener Nacht nur we­nig Schlaf und nicht lange nach Sonnenaufgang stand er auf, kühlte seine brennende Stirn mit Eis­wasser und suchte sein aufgeregtes Gemüt zu beruht- gen, indem er hinaus auf die frische Morgenlandschaft schaute, wo der Tha« auf dem kurzen Grase des Rasenplatzes glänzte und die Petunien, Berbenen und roten Geranien auf den Blumenbeeten in allen Far­ben des Regenbogens prangten.

Wie soll ich die Zeit bis gegen zehn Uhr tö­ten?" dachte Dorillon, und er fügte, sich selbst be­lächelnd hinzu:Ich bin wahrlich so ungeduldig wie ein Schulknabe."

Freilich lagen noch vier bis fünf lange Stunden des Wartens vor ihm. Das war eine ebenso unläug- bare, wie unangenehme Thatsache.

Ich will einen Spaziergang im Walde machen. Nichts beruhigt ein aufgeregtes Gemüt besser, als körperliche Bewegung."

Er ging über den Rasenplatz und verlor sich bald im Gebüsch.

Ich werde nicht eher zurückkehren, bis zur Zeit, wo ich sie sehen werde," dachte er.Es ist mir lie­ber, hier allein mit den alten Waldbäumen, de« Rauschen des Flusses und meinen Gedanken zu sein, als am Frühstücksttsche Fragen zu beantworten, die mir gleichgültig sind, und Bemerkungen anzuhören, die ich mir kaum die Mühe geben mag zu beachten.

(Fortsetzung folgt.)