fort auf Amtsentsetzung eingelettet wurde. Man ist auf den Ausgang des Verfahrens um so gespannter, als Pfarrer Schwarz sich keineswegs gewillt zeigt, sich dem evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe zu fügen. Von diesem war schon zu Anfang Mai Schwarz unter Androhung der Amtsentsetzung verboten worden, seine „60 Lehrsätze", die bet ihrem ersten Erscheinen Aufsehen erregten, weiter zu verbreiten. Pfarrer Schwarz entsprach diesem Verbote nicht und darauf hin ist jetzt das Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Aber auch dieser Schritt gegen ihn hat den Verfechter seiner Üeberzeugung nicht veranlassen können, seine Sache aufzugeben. Er verbreitet, ungeachtet der Klagerhebung gegen ihn, seine ,60 Lehrsätze" mit dem gleichen Eifer, jetzt mit einem Begleitwort, in dem er sagt, daß diese „60 Lehrsätze" nach seiner Üeberzeugung diejenige Wahrheit enthalten, in welcher das Heil der Menschheit liege, und es erscheine ihm zumal in den Wirren der Zeit als eine Notwendigkeit, diese Wahrheit in einer für jedermann zugänglichen Form darzulegen. Für ihn sei somit die Herausgabe des Flugblattes ein Gebot Gottes.
* Tauberbischofsheim. Wie reich der Segen an allen Sorten Obst dieses Jahr ist, geht wohl am deutlichsten aus der Thatsache hervor, daß bei den öffentlichen Obstverstetgerungen in der Matn- gegend niemand etwas Erhebliches für Pflaumen die' ten will. So wurde bei einer Obstversteigerung bei Tauberbischofsheim, die vom Rentamt amtlich ab- gchalteu wurde, ein Baum gelber Pflaumen, der größte in der ganzen Gemarkung, für eine Mark losgeschlagen. Da der Baum einen Ertrag von über sechs Zentnern Pflaumen lieferte, so kommt der ganze Zentner nicht höher als 15 Pfg. zu stehen.
* München, 13. Sept. Der hiesige Generalanzeiger wendet sich in einem „Faule Zustände" über- schriebenen Artikel gegen die von der Lokalbahn Aktiengesellschaft betriebene Linie Murnau-Parten- kirchen, die sich in einem so haarsträubenden Zustand befinde, daß ein Eisenbahnunglück unausbleiblich sei, wenn nicht schleunigst ein vollständiger Umbau vorgenommen werde. An zahlreichen Stellen fehlen die Schienennägel, und zwei Drittel der Schwellen sind derart verfault, daß man dieselben mit den Fingern verbröckeln kann. Auf einer Strecke von 600 Meter mit starkem Gefäll und zahlreichen Kurven wurden ca. 500 faule Schwellen gezählt. Das Blatt weist schließlich daraus hin, daß die Regierung die staatliche Kontrolle habe und es daher ihre Pflicht wäre, einem Zustande ein Ende zu machen, dem in absehbarer Zeit Menschen zum Opfer fallen könnten.
* Nürnberg. „Hier finden tüchtige Biertrinker dauernde Beschäftigung!" So steht am Fenster einer Gastwirtschaft der Tetzelgaffe in Nürnberg deutlich zu lesen. Dieser Aufforderung vermeinte am Montag ein derart „Arbeitsloser" Nachkommen zu sollen und fand denn auch richtig „Beschäftigung". Um Bezahlung ersucht, verweigerte er sie, indem er sich auf die obige Offerte berief. Trotz eifriger mündlicher Verhandlungen konnte eine Verständigung nicht erzielt werden, so daß der „Arbeitgeber" den Beschäftigungssuchenden grausamen Herzens in unsanfter Weise an die frische Lust setzte.
* Augsburg, 14. Sept. Der Sozialdemokrat
Kerzenswandtungen.
Roman von J> v. Böttcher.
(Fortsetzung.)
„Und Umstände traten trennend zwischen Sie und Ihre Liebe?"
.Ja."
„Für immer?"
„Für immer."
„Aber hält die Zukunft für Sie keine Hoffnung oder Möglichkeit bereit?"
„Können die Toten aus ihren Gräbern auserstehen?" fragte Dorillov.
„Sie ist also tot. Armer Freund, ich hätte nicht in Sie dringen sollen."
Dorillon saß über das dunkle Wasser gebeugt, den Kopf in die eine Hand gestützt, während die andere mechanisch die lange, schlanke Angelrute hielt, deren Schnur auf den Wellen zitterte. Er antwortete nicht und Dudley fühlte, daß er zuweit gegangen war.
Als er wieder die Unterhaltung aufnahm, sprach er von anderen Dingen. Am Ufer des Flusses lagen die Trophäen ihrer Angelhaken und Dudley triumphierend über den glücklichen Erfolg.
„Wir haben mehr gefangen, als ich erwartet hatte," sagte er, selbstzufrieden das Resultat ihres Sports betrachtend. „Sind Sie müde, Dorillon?"
„Nein," erwiderte dieser lachend. „So schnell bin ich nicht erschöpft."
„Nun, dann wollen wir noch ein wenig mehr stromaufwärts gehen und unser Glück weiter versuchen."
Engelhardt, der Kassier der hiesigen Filiale der Buch- binder-Zentraltranken- und Begräbntskafle in Leipzig ist nach Beraubung der Kasse durchgebrannt.
* Berlin, 14. Sept. Der „Lokalanzeiger" erfährt, daß gestern durch ein großes Aufgebot von Kriminalpolizei umfassende Haussuchungen nach Beweisstücken für Verstöße gegen das Wuchergesetz bei vielen bekannten Persönlichkeiten stattgefnnden haben. Zwei bekannte Geldvermittler wurden verhaftet.
* Die Maßnahmen, die von der Heeresverwaltung zur Erleichterung des JnfanteriegepäckS getroffen find, sollen sich im allgemeinen gut bewährt haben. Nur über das neue graue Trikothemd hört man Klagen, die der Berechtigung nicht entbehren. Zunächst erscheint das Hemd nur für die warme Jahreszeit geeignet ; für kaltes Wetter, wie wir es z. B. in diesem Jahre schon im August und Anfang September hatten, erscheint das Hemd ungenügend, dessen Haltbarkeit übrigens auch Bedenken unterliegt. Der größte Uebelstand liegt aber darin, daß das Hemd sich sehr schlecht waschen läßt.
* Saßnitz, 15. Sept. Der Kaiser ließ gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr einen Angriff der Torpedoflotille auf die bei Saßnitz ankernden Schiffe ausführen. Der Angriff verlief in gelungener Weise. Heute früh 8 V 2 Uhr schifft sich der Kaiser zu wetteren Manövern an Bord der „Wörth" ein.
* Die Königsberger Rede des Kaisers ließ schon erkennen, daß auf dem Gebiete der Landwirtschaft gesetzgeberische Maßregeln zur Hebung der allgemeinen Lage der ackerbautreibenden Bevölkerung vorbereitet werden. Eine Bestätigung dieser Annahme ergibt der Hinweis im „Retchsanz"., daß es für die am fünften Juni 1895 in Aussicht genommene Berufs- und Gewerbezählung bei den gegenwärtig schwebenden Erörterungen über die Mittel, durch welche die Landwirtschaft zu fördern sei, von Bedeutung sein würde, wenn man bis auf die neueste Zeit reichende Ermittelungen über das Zahlenverhältnis zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Bevölkerung und über den Umfang und die Geschwindigkeit hätte, mit der die letztere auf Kosten der elfteren zunimmt.
* Ostpreußische Blätter erzählen, daß der Kaiser bei dem Manöver, als die Polizei die Zuschauer fernhalten wollte, dies mit den Worten verhinderte: „Das Volk will seinen Kaiser sehen und der Kaiser sein Volk."
* Aus West Preußen, 11. Sept. 106 Mitglieder des verkrachten Vorschußvereins in Kulm haben die Aufforderung erhalten, je 4000 Mk. zu zahlen. Ein großer Teil der Betroffenen wird dadurch geschäftlich ruiniert. Ob der Aufsichtsrat für die Fehlbeträge haftbar gemacht werden kann, steht noch nicht fest.
* Hagen. Eine grauenvolle That hat hier nicht geringe Aufregung hervorgerufen. Am Dienstag nachmittag befand sich eine Haustererin im Walde, als ihr ein Mann begegnete, der ihr den Weg weisen wollte. Einige Zeit darauf wurde die Frau tm Sterben liegend gefunden. Der Mann hatte ihr, wie sie noch angeben konnte, Geld im Betrage von 300 Mk. geraubt, sie dann mit Petroleum begossen und an- gezündst. Die Frau war schrecklich verbrannt; sie ist im Krankenhaus untergebracht und dürfte kaum mit dem Leben davon kommen.
Es war schon spät am Abend, als die beiden Fischer nach Beechcltff zurückkehrten, müde, mit beschmutzten Stiefeln und manchem Riß in ihren Kleidern, den sie sich bei dem Herumklettern in den Schluchten geholt hatten.
„Verwünscht!" rief Dudley, an einer Wendung des Weges im Park stehen bleibend, „sie sind alle draußen im Garten — wir wollen einen Umweg machen, um ungesehen in das Haus zu schlüpfen. Es wäre mir nicht gerade angenehm, mich in diesem Auszug zu zeigen."
Es gelang auch den beiden Freunden, das Haus unbemerkt zu erreichen, und eben waren sie durch die östliche Thür in die Halle getreten, wo der Diener ihnen ihre Beute abnahm, als der Zufall es fügte, daß in demselben Moment die Thür des Salons sich öffnete und Jda Delamare, leicht auf den Arm eines hochgewachsenen, vornehm aussehenden Fremden gelehnt, heraustrat.
„Da sind ja die Herumtreiber!" sagte Joa lachend. „Wir haben Sie den ganzen Tag vermißt und uns gefragt, was wohl aus Ihnen geworden sein könnte."
„Faifax," rief Dudley aus, sein Angelgerät hinwerfend, „ich freue mich unendlich, Sie wiederzusehen."
Dorillon sah, daß der Fremde schön und in einfacher, tadelloser Abendtoillette war, und es wollte ihm scheinen, daß Fairfax einen etwas erstaunten Blick auf sein defektes Kostüm heftete.
Erlauben Sie, Herr Fairfax, daß ich Ihnen
* Düsseldorf.' >Dir Rheinflotte zählt gegenwärtig 607 Dampfschiffe, 1864 eiserne Schleppkähne, 4823 hölzerne Segelschiffe und 16 Motorenboote. Die Strombauverwaltung verfügt über 9 Dampfschiffe, 36 Bagger- und 45 andere Schiffe. Welche Lasten der Rhem trägt, zeigte vor einigen Tagen wieder ein Schraubendampfer. Derselbe zog 5 große Lastschiffe mit 100,000 Zentner Kohlen stromauf; diese Ladung hätte 500 Eisenbahnwaggons beansprucht.
"Posen, 15. Sept. Die „Posener Zeitung" meldet aus Gnesen, bei einem Hauseinsturz daselbst sind 2 Gesellen und ein Lehrling aus dem obersten Stockwerk herabgestürzt und waren sofort tot. 2 andere Arbeiter wurden schwer, einer leicht verletzt. Der erste Staatsanwalt leitete sofort Untersuchung ein.
"Wien, 14. Sept. 68 Mitglieder der italienischen Sänger- und Tänzergcsellschaft Zarzuela, welche in den letzten Tagen im Karltheater gastierte, sind infolge Mißlingens des Gastspiels hier dem größten Elend preisgegeben. Einzelne bettelten mit ihren Kindern auf der Straß; bei Passanten; die meisten haben feit mehreren Tagen nur Wasser und Brot gegessen. Das italienische Konsulat dürfte die Italiener, welche durch den Theateragenten Stnben- volk hierher gelockt wurden, heute nach Hause expedieren.
* Große Bestürzung herrscht in Thun, in Jitterlacken und im ganzen Berner Oberland. Gestern wurde nämlich ein Fremder, man glaubt es sei der Pfarrer Ollier aus Lille (Frankreich), auf der Straße bet Beatenberg von zwei Strolchen ermordet und beraubt. Die Mörder sahen sich bemerkt und entflohen ins Gehölz. Die Bevölkerung und die Polizei durchsuchten während der ganzen Nacht die Waldungen. Die Polizei glaubt einen der Strolche in einem aus dem Gefängnis zu Bern entwichenen Sträflinge zu erkennen.
' Paris, 13. Sept. Bezüglich vereinzelter schwarzer Fahnen, die in Paris am Tage des Begräbnisses des Grafen von Parts ausgehängt waren, sagte der Polizeipräfekt, jeder Bürger dürfe Trauer um den Grafen von Paris bekunden, wenn dadurch die Ordnung nicht gestört werde.
* Paris, 14. Sept. Durch ein Großfeuer wurde eine große Bücherniederlage eingeäjchert; 30,000 Bände sind verbrannt. Zur Löschung wurden aus sechs Kasernen Truppen und Feuerwehren herbeigeholt. Verschiedene Menschen sind verunglückt. Der Schaden ist enorm.
* Aus Orleans, 14. Sept., wird geschrieben: Die fremden Offiziere, welche gestern den großen Manövern in Arlenay beigewohnt hatten, kehrten nachmittags mit einem Sonderzng hierher zurück. Nach Verlassen des Zuges begaben sich der deutsche Oberst v. Schwarzkoppen und der französische Major Tantan gemeinsam nach dem Kirchhof von St. Vincennes. Dort legten sie auf die Gräber der 1870 gefallenen deutschen und französischen Soldaten je einen Lorbeerkranz nieder. Beide Offiziere waren in großer Uniform. Die Nachricht von der den gefallenen Kriegern beider Völker gemeinsam dargebrachten Huldigung rief hier großen Eindruck hervor. Man ist überzeugt, daß
Herrn Dorillon vorstelle," sagte Jda, um der Verlegenheit ein Ende zu machen.
Fairfax verbeugte sich höflich und reichte Dorillon die Hand hin. Dieser erwiderte etwas steif den Gruß, nahm aber die dargebotene Hand nicht.
Er versuchte sich zu überreden, als er die Treppe hinaufging, daß etwas Weibisches in der feinen Hand gelegen, die er zurückgewiesen hatte.
„Ein Geck," sagte er vor sich hin, und doch wäre es mir lieber gewesen, wenn w!r uns unter gleichen Verhältnissen zuerst begegnet wären."
27.
In seinem Zimmer angekommen, rückte Dorillon den Lehnstuhl an den Tisch und öffnete eine verschlossene Briefmappe, welche auf demselben lag.
Dann lehnte er in die Kissen zurück und dachte einige Minuten nach.
Es währte aber nur wenige Minuten, bis er 1
den Trsch näher an sich heranzog, ein kleines in Le- i
der gebundenes Schreibzeug ausschlug und zu schreiben begann, — langsam, bedächtig, dann und wann innehaltend und träumerisch die Augen auf die Sterne heftend, welche durch die Jalousien schimmerten.
„Den 31. Juli. — In Beechcltff" — so lauteten die Worte, die schnell und fast unwillkürlich aus seiner Feder auf das Papier flössen. „Einen Tag tm Walde verbracht. Verschiedene Erinnerungen wachgerufen und wieder zur Ruhe gelegt. Dudley hätte fast einmal die Wahrheit erraten, aber meine anscheinende Offenheit leitete ihn irre. Heute abend habe ich meinen Nebenbuhler gesehen. Das Haus ist voll