Bewegungslos blickte die Frau nach der Wand. Erst als man davon sprach, den Herrn Pfarrer und den Arzt zu holen, da wachte die „Stumme" plötzlich auf und schrie: „Jetzt esch'S Zahnweh fascht weg g'senn. Warum Han ehr mi denn verstört? Au, au jetzt kummt's wedder!"
* A>»s Berlin erfährt d e „Fr. Z.": Der Kaiser sprach dem Prinzregenten von Bayern telegraphisch sein Beileid aus wegen der Wettrrschädeu in Oberbayern und spendete 3000 Mk. für die Betroffenen.
* Berlin, 24. Juli. Die Gewerbe-Inspektoren find angewiesen, der Frage, ob und im welchem Maße die Beschäftigung von Gefangenen die freie Arbeit beeinflusse, dauernd ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden.
* Zum Zeichen, was sich in Deutschland die Umstürzler leisten können, sei folgende Auslassung erwähnt, mit welcher das Berliner Anarchistenorgan „Der Sozialist" seinen heutigen „Gegensätze" betitelten Artikel anhebt: „Als der Dolch Caserios den Repräsentanten der französischen Bourgeoisie durchbohrte, als dieser, ein Parasit, welcher sein Leben lang keinen Finger zu nutzbringender Arbeit gerührt, sondern nur durch Ausbeutung Anderer sich ein Vermögen zusammengerafft hatte, aus der Reihe der Lebenden verschwand — da gab es auf dem ganzen Erdenrund für die Bourgeoisie und ihre Anbeter, die verspieß- bürgcricn Schichten der Arbeiterklasse, kein anderes Thema, welches an Bedeutung dem des Todes dieses Einen aus der Reihe der oberen Zehntausend gleichkäme. Die Aufmerksamkeit aller dieser Hirnlosen wandte sich keinem anderen Gegenstände zu, als der so einfachen Thatsache, daß dieses eine Individuum unter den Millionen Erdbewohnern eines Todes gestorben war, wie ihn täglich Tausende erleiden müssen."
* Eine brave That vollführte in Lippburg bet dem letzten Brande ein Mchgerbursche aus Hamm. Er war auf der Brandstälte Zeuge, wie eine Mutter händeringend nach ihrem Kinde rief, das in dem brennenden Hause zurückgelaffen war. Schnell ließ der Metzger sich die Einrichtung des Hauses erklären, stürzte hinein, und nach einer Minute bangen Wartens lag das Kind gerettet in den Armen der Mutter, Der Retter hatte kaum das brennende Haus verlassen, als es prasselnd zusammenstürzte.
* Coblenz, 21. Juli. Bei Ausbaggerungs- arbeilen an der Mosel wurde eine ganze Menge römischer Münzen im Schutt gefunden, darunter manckes seltene, gut erhaltene Stück. Es war ergötzlich anzusehen, wie Groß und Klein im Schutt wühlte. Die glücklichen Besitzer der Münzen wollten das alte Kupfer möglichst bald in Reichsmünze umsetzen. Mit dem Anwachsen der Zahl der Kauflustigen stiegen auch die Preise auf 20, 25, 40 und 50 Pfg. Am Abend wurde für ziemlich schlechte Münzen 1,50 Mk. verlangt. Außer Münzen war auch eine Anzahl von Nesteln gefunden worden. Die Baggerarbeiten an der Fundstelle wurden vorläufig eingestellt. Man vermutet daselbst ein größeres Lager von römischen Gegenständen, da außer den Münzen eine ganze Menge anderer Sachen, wie Fibeln, Haken, schlüssel- artige Dinge u. s. w., aufgefunden wurden. Die Stromdauverwaltung ttnll mit einem Taucherschacht den Fundort gründlich untersuchen lassen.
Ausländisches.
* Zum griechischen Staatsbankrott schreibt
die Naüonalzeitung, völkerrechtlich ließe sich selbst gegen eine Beschlagnahme des griechischen Staatsgebiets nichts einwenden; die Frage könnte nur sein, ob eine solche von dritter Seite zur Einleitung wet terer Verwicklungen benutzt werden möchte, wozu indes wenig Neigung vorhanden sein dürfte. Freilich müßte deutscherseits auch der Entschluß vorhanden sein, die Demonstration, wenn einmal unternommen, durchzuführen und nötigenfalls zu verschärfen, bis ein Erfolg erzielt wäre.
* Mehr als tausend Neger rüsten sich in den V e r- einigten Staaten von Amerika, das Land zu verlassen und nach dem schwarzen Erdteil zuräck- zukehren, aus welchem ihre Großväter geraubt worden find. In Abteilungen von je 200 treten sie die Wanderungen an, die erste befindet sich jetzt schon unterwegs. Den verheirateten Negern wird man in der Republik Liberia, ihrem Reiseziel, je 20 Acker Land anweisen, den unverheirateten je 10 Acker. Leicht kann es den Schwarzen, die auf einer wesentlich höheren Stufe der Kultur stehen, als die Neger im Innern Liberias, zu denen sie sich jetzt begeben, nicht geworden sein, diesen Entschluß zu fassen. Und es spricht Bände nicht nur für die traurige Geschäftslage in der Union, sondern auch für das freudlose Leben, welches die Neger trotz der Emanzipation in den Südstaaten Nordamerikas jetzt noch führen.
Kaus- und Landwirtschaftliches.
* Die Wald-Erdbeere. Unter den Früchten des Waldes steht die Erdbeere obenan. Die Heidelund die Preiselbeeren mögen ihr, was Gelderlös des Beerensammelus betrifft, zwar in manchen Gegenden den Rang streitig machen, doch an Beliebtheit kommen sie ihr nicht gleich. Die Heidelbeere färbt Hände, Mund und Zähne blauschwarz, die Preiselbeere schmeckt süßherb, die Erdbeere aber aromatisch süß, zerfließt, auf der Zunge und strömt einen feinen Geruch, den Ananas- oder Erdbeerduft, aus. Dazu ist die Frucht auch noch von hübscher Form und von schöner roter Farbe. Auch der Umstand, daß sie die erste Frucht im Walde und im Garten ist, mag zu ihrer Beliebtheit beitragen. Aber nicht nur allein wohlschmeckend, sondern auch gesund ist die Erdbeere. „Diese Beerlein löschen den Durst," heißt es in alten Arzneibüchern von ihnen, „bekommen wohl dem hitzigen und cholerischen Magen. Die kleinen Kömlein oder Steinlein der Beeren zeigen durch ihre Signatur, daß solche zu essen für den Greis dienstlich sei." „Der aus den Beeren gewonnene Saft" heißt es weiter, „reinigt die Nieren;" ferner: „die Köch find der Erdbeeren auch gewahr geworden, sie gebühren den Kranken mehr denn den Gesunden um der Kühlung willen. In den bösen, hitzigen Hälsen ist es ein guter Saft, soll mit seinem eigenen Wasser vermischt und gebraucht werden." Daß allzureicher Genuß auch schon nachteilige Folgen gebracht hat ist nichts Auffälliges, denn jede Frucht und jede Speise, sei es auch die gesündeste, kann, im Ueberfluß genossen, der Gesundheit nachteilig werden. So soll Herzog Melchior von Braunschwetg gestorben sein, weil er zuviel Erdbeeren auf einmal genossen hatte. Die im Garten kuliivierte Erdbeere wird größer als die im Walde gewachsene, besitzt aber nicht das liebliche Aroma der
letzteren. Am besten schmeckt die Walderdbeere frisch im Walde gepflückt und zwar in den Vormittagsstunden, sobald nämlich die Sonne kaum den Ta« von den Pflanzen weggeküßt hat, und obgleich die Erdbeere bei allen möglichen Zubereitungsweisen schmeckt, so mundet sie, frisch im Walde gepflückt und sür sich allein genossen, doch am besten; Hermann vonGilm trifft daher das Richtige, wenn er reimt:
Walderdbeeren müßt ihr ohne Zucker, ohne Zimmt genießen.
Nicht den Essig der Zitrone,
Nicht Burgunder daran gießen.
Laßt sie in der süßen Schale,
Roter Lippen halb zerdrücken,
Um sie dann zum zweiten Male Noch mit einem Kuß zu pflücken.
Harrdet »«d Verkehr.
* Stuttgart, 23. Juli. (Landesprodukten Börse.) Die heutigejBörse ist von Käufern wenig besucht, ohne Geschäft. Wir notieren per 100 Ktlogr.: Weizen, Manitoba prima Mk. 17.50, Theodosia prima Mk. 17, La klat» Mk. 14.80, niederbayr. prima Mk.
16.50, Landweizen Mk. 15, Kernen, gewöhn!. Mk. 15, Oberländer Mk. 16.25,-16.50, Dinkel Mk. 5.70, Gerste, neue Ungar. Mk. 18, Haber russ. Mk. 16.50, Alb Mk. 15, Alb prima Mk. 16,-16.50, Kohlreps Mk. 20.75 frei Bietigheim, Mk. 21.60 frei Hetl- bronn. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Mehl Nr. 0 Mk. 25.50 bis 26.50, Nr. 1: Mk. 23.50 bis 24.50, Nr. 2: Mk. 22 bis
22.50, Nr. 3: Mk. 20 bis 20.50, Nr. 4: Mk. 17 bis17.50. Suppengries Mk. 26. Kleie mit Sack Mk. 7 per 100 Kilo je nach Qualität.
Vermischtes.
'(Avancement.) Vater (zu seinem Söhnchen, das bei einem Schuster in der Lehre ist): „Na, wie geht's, machst du Fortschrittes" —Junge: „O ja! Jetzt darf ich sogar schon lachen, wenn der andere Lehrjunge eine Ohrfeige kriegt!"
* Ein poetisch veranlagter Geschäftsmann sandte einem seiner Schuldner folgenden Mahnbrief:
Geehrter Herr Kalle!
Mein Geld ist alle.
Sie würden mich verpflichten
Wenn Sie mir Ihre Schuld entrichten.
Hochachtungsvoll Ergebenst Knoll.
Prompt erwiderte darauf Herr Kalle:
Verehrter Herr Knoll!
Ich glaube, Sie sind toll
Auch mein Geld ist alle!
Ergebenst Kalle.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
Verfälschte schwarze Seide. Man verbrenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, verlöscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hell- brännlicher Farbe. — Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen die „Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff erschwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Die Seiden-Fabrik G. Heuneberg (k. u. k. Hoflief.), Zürich versendet gern Muster von ihren echten Seidenstoffen an Jedermann und liefert einzelne Roben und ganze Stücke porto- und zollfrei in's Haus.
einzulösen. Aber bis zu diesem Augenblick ist es ihr gelungen, sich mir zu entziehen, mit einer Schlauheit, die ihr angeboren, denn die L'Echelles sind verschwiegen, wie das Grab und listiger wie die Schlangen, aber nichtsdestoweniger werde ich sie doch noch zu finden wissen. Giuseppe Antonardi hat nicht umsonst eine Zeitlang im Dienste der österreichischen Geheimpolizei gestanden. Ich werde sie finden! Aber bis dahin muß der Mensch leben, und ich bin arm! Ich bin um Geld zu Ihnen gekommen und Geld muß ich haben."
„Also mich haben Sie zu Ihrem Opfer ausersehen s" fragte Jda bitter.
„Sie werden großmütig mein langmütiges Schweigen anerkennen," sagte Giuseppe gleißnerisch.
„Giuseppe," versetzte Jda, „mir scheint die ganze Sache als eine elende Fabel von Anfang bis zu Ende, die Sie zum Zwecke einer Erpressung erfunden haben."
„Wie es Madame beliebt. Aber, wenn Sie sich weigern sollten, einem armen Teufel in der Not beizustehen, so werde ich sofort eine Zusammenkunft mit Ihrem Herrn Gemahl nachsuchen, dessen mehr logischer Verstand die Gerechtigkeit meiner Ansprüche erkennen wird. Mag sein, daß er nicht gerade angenehm überrascht sein wird, wenn er erfährt, daß er die Tochter einer Mörderin geheiratet."
„Er wird Ihnen keinen Glauben schenken."
„Sind Sie Lessen sicher? Jedenfalls bin ich entschlossen, mein Glück bet ihm zu versuchen."
„ Er war schon im Begriff zu gehen als Jda ihn zuruckrief.
„Giuseppe — wer und wo ist — meine Mutter? Das können Sie mir doch wentgstenö sagen."
„Wer sie ist, das werden Sie mir erlauben, Ihnen vorläufig zu verschweigen. Was könnte es Ihnen nützen, wenn Sie es wüßten? Und wo sie ist — wenn ich es wüßte, glauben Sie, daß ich dann hier wäre und eine Unterstützung erbettelte? Beim Schatten des Krösus, ich wäre dann ein reicher Mann!"
Mit zitternder Hand suchte Jda nach ihrer Börse. Giuseppe sah ihre Bewegung und blieb stehen.
„Madame hat sich entschlossen, den Weg der Weisheit einzuschlagen," sagte er schmeichelnd. Madame weiß, daß ein armer Bursche nicht hungern kann."
„Ich glaube die Geschichte nicht, Giuseppe," erwiderte sie. „Aber cs ist vielleicht besser, daß ich dies eine Mal nachgebe. Vergessen Sie aber nicht, daß es auch das letzte Mal ist. Hier haben Sie Geld, und merken Sie sich, daß ich damit Ihr Stillschweigen erkauft habe."
„Madame ist freigiebig, wie es einer L'Echelle zukommt," murmelte er gierig. „Von jetzt an sind meine Zunge und mein Gedächtnis Ihre treuen Diener. Niemand soll von heute an wissen, daß ein Mann wie Giuseppe Antonardi in der Welt vorhanden ist."
M.t jenem leichten katzenartigen Schrill, dessen Jda sich noch von ihrer Kinvheit her erinnerte, schlich er davon und im nächsten Moment war sie allein, allein mit dem furchtbaren Schatten, den seine Ent- hüllungen über ihr Leben warfen.
Jda setzte sich nieder, und beide Hände auf die Augen pressend, suchte sie ihre Gedanken zu sammeln:
„Es kann nicht wahr sein," stöhnte sie, „es ist zu entsetzlich."
Und doch, warum sollte es nicht wahr sein? Es war ja nicht unmöglich, daß Monsieur Pierre, wie Giuseppe sagte, ihr Onkel gewesen sei — warum sollte er sonst die Sorge für ihre Erziehung übernommen haben. Aber warum hatte er nur eine so gründliche Abneigung gegen sie gehegt! Warum hatte er sie ihrer Mutter vorenthalten, die doch, nach Ginseppes Aussage, noch am Leben war? Oder wäre es möglich, und der Gedanke an eine solche Möglichkeit erfüllte sie mit Schmerz, daß ihre Mutter jedem Gefühl mütterlicher Zärtlichkeit Hohn sprechend, sie von sich gestoßen habe? Es gab ja genug «»glückliche Kinder — und Jda, obgleich nur wenig mit den Lastern und der Verderbtheit der Welt bekannt, wußte es — deren Väter und Mütter erröteten, sie anzucrkennen, Kinder, die namenlos und ohne Angehörige waren. Großer Gott, war sie auch eines jener armen Wesen? Und was konnte der tätliche Streit zwischen Bruder und Schwester gewesen sein, der sein Ende in einem Morde gefunden?
(Fortsetzung folgt.)
'(Grausam.) Die „Hamburg. Nachr". vom 22. März bringen folgende Notiz: „Amtliches. Von heute ad ist am Magistratsgebäude der neue Kasten befestigt, worin alle diejenigen, welche eine Ehe zu schließen beabsichtigen, aufaehängt werden."